Rede von
Ulla
Jelpke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS unterstützt das Anliegen in dem Antrag der Grünen, Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz zu streichen. Das entspricht in etwa den Anträgen, die wir bereits in der letzten, aber auch in dieser Legislaturperiode eingebracht haben und die abgelehnt worden sind. Denn die Legalisierung von Cannabis - sowohl von Anbau als auch von Gebrauch- halten wir für ausdrücklich notwendig.
In der Wissenschaft besteht weitgehende Übereinstimmung, daß der Konsum von Cannabis keine körperlichen Abhängigkeiten hervorruft.
Aus heutiger Sicht sind die von Cannabis ausgehenden Gesundheitsgefahren - auch die psychischen -, Herr Hüppe, als gering zu bewerten. Diese Feststellungen stammen nicht von mir, sondern vom Bundesverfassungsgericht.
Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich auch zu der Frage der Trennung des Marktes von „harten" und „weichen" Drogen. Im Urteil heißt es:
Nur 2,5 Prozent der Haschischkonsumenten gebrauchen auch andere unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Drogen.
Nur 2,5 Prozent, Herr Hüppe!
Zum sogenannten Umsteigeeffekt stellte das Karlsruher Gericht fest, daß die „Einheitlichkeit des Marktes" für Heroin und Cannabis Folge der herrschenden Kriminalisierungspolitik ist.
Ulla Jelpke
Einen letzten Gedanken aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil möchte ich den Antidrogenideologen der Union gerne ins Stammbuch schreiben: Das Verfassungsgericht fragt nämlich, ob die negativen psychischen Erscheinungen, die Sie den Cannabis-Konsumenten so gerne andichten, nicht viel eher gesellschaftliche Ursachen haben, daß sie also dem ersten Joint vorausgehen. Ich glaube, Sie sollten das Urteil genau hinterfragen und genauestens interpretieren.
Die Herangehensweise an die Ecstasy-Frage, wie sie in dem Grünen-Antrag beschrieben ist, ist meiner Meinung nach nicht besonders gut gelungen. Richtig ist, daß Ecstasy und andere Designerdrogen im Betäubungsmittelgesetz nichts zu suchen haben. Das Konzept von behördlichen „Analysen" des Stoffs auf freiwilliger Basis erscheint mir jedoch der Realität nicht angemessen. Ich meine, daß ein in sich geschlossenes Konzept die beste Lösung wäre, die wir in unserem damaligen Antrag dargelegt haben: eine Abgabe sauberer Substanzen über kontrollierte Stellen, verbunden mit einer Aufklärung, die -übrigens eine andere Aufklärung als die in Form alberner Hochglanzbroschüren, wie sie der Bundesdrogenbeauftragte, Herr Lintner, herausgibt - tatsächlich in der Lage ist, das Zielpublikum zu erreichen.
Im übrigen begrüßen wir den Antrag des Bundesrates. Mit großem Interesse stellen wir fest, daß die SPD konzeptionelle Veränderungsprozesse durchmacht. Die Abkehr von einer bornierten Verbotspolitik, an die sich die Bundesregierung klammert wie Ertrinkende an einen Strohhalm, ist wirklich erfreulich, auch wenn mancher in der SPD-Fraktion - nicht wahr, Herr Singer? - beim Vorstoß von Frau SchaichWalch letzten Oktober doch Muffensausen hatte.
Fixerstuben sind notwendig, auch wenn der Bundesrat das mit entsprechenden Begriffen geschickt bemäntelt. Die Senatorin Fischer-Menzel hat hier bereits erläutert, was damit gemeint ist.
Ich rate den Verbotsideologen und Ihnen, Herr Hüppe: Verlassen Sie doch einmal Ihre gepolsterten Abgeordnetensessel, und gehen Sie wirklich einmal nach St. Georg in Hamburg, wo ich nämlich herkomme.
Schauen Sie sich einmal an, unter welchen Bedingungen Junkies dort gezwungen sind, sich die von ihnen benötigten Substanzen zu verabreichen. Die Senatorin hat hier schon einige Beispiele dafür genannt, wie die Bedingungen sind. Wenn Sie in St. Georg mit den Betroffenen wirklich einmal reden sollten, dann werden Sie feststellen: Sie finden es keineswegs lustig, daß sie ständig Angst vor der Polizei haben müssen und sich unter stressigen Bedingungen mit verdreckten Nadeln in inzwischen vereiterte Venen auf der Straße die Spritze setzen müssen.
Ich kann von meinem Arbeitszimmer zu Hause aus beobachten, wie auf einem kleinen Parkplatz, der vor einem Spielplatz liegt, Drogenabhängige jeden Tag
drücken, weil sie offensichtlich keine anderen Ecken finden. Das ist beispielsweise in Hamburg-Altona so.
Diese Leute, die Betroffenen, die sozial und gesundheitlich Verelendeten, kommen bei Herrn Lintner, aber leider auch in Ihrem Beitrag, Herr Hüppe, überhaupt nicht mehr vor.
Aus der Gegenäußerung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates wird im Gegenteil deutlich, daß Ihnen selbst die Verringerung des Gesundheitsrisikos beim Drogenkonsum gleichgültig ist.
Herr Lintner und Herr Hüppe, ich schlage Ihnen vor: Sagen Sie den Betroffenen dochmal offen ins Gesicht, daß Sie diese Menschen eigentlich abgeschrieben haben und daß Ihnen das Schicksal dieser Menschen völlig schnuppe ist!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.