Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat beantragt mit der Ihnen vorliegenden Drucksache eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes mit dem Ziel, Träger und Mitarbeiter von Drogenhilfeeinrichtungen nicht strafrechtlich zu verfolgen, wenn sie ihren Mienten dort den Konsum von mitgebrachten Drogen gestatten.
Nach bisheriger Rechtslage ist der Betrieb dieser sogenannten Konsum- und Fixerräume zumindest strittig. Herr Hüppe, Sie erwähnten die Wortwahl. Wir haben hier inzwischen ein ganzes Spektrum von Begriffen: Konsum-, Gesundheits- oder Fixerräume. Gemeint ist damit, daß in Drogenhilfestellen für diese legal eine mitgebrachte Droge auch konsumiert werden kann. Daß dieses strittig ist, zeigt sich in der unterschiedlichen Handhabung in der Bundesrepublik. Auf das Beispiel Frankfurt haben Sie selber hingewiesen. Insofern bedarf es also hier dringend einer gesetzlichen Klarstellung, die gemäß § 29 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes vorgenommen werden soll.
In der Sache selbst geht es um eine Verbesserung der hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen, unter denen Drogenabhängige ihre Drogen konsumieren. Dabei sind sich wohl alle - davon gehe ich erst einmal aus - einig, daß die Aufnahme einer
Senatorin Heigrit Fischer-Menzel
Abstinenztherapie oder der Beginn einer Methadonbehandlung der beste Weg des Gesundheitsschutzes und der Verbesserung der hygienischen und psychosozialen Situation von Abhängigen ist. Darüber müssen Sie mit mir und mit uns jedenfalls nicht streiten.
Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. Es gibt viele drogenabhängige, drogenkranke Menschen, denen derzeit die Kraft und vielleicht auch die Chance fehlt, diesen Weg zu gehen. Sie nehmen Drogen, und sie tun dies oft unter den miserabelsten Bedingungen - in Parkanlagen, im Gebüsch, in Hauseingängen, in öffentlichen Toiletten und auf öffentlichen Spielplätzen. Sie riskieren ihre Gesundheit nicht allein durch die Drogen, die sie konsumieren, sondern zugleich auch durch die unhygienischen Bedingungen, unter denen sie sich die Drogen applizieren.
Wenn Sie in Hamburg sehen, daß sich ein Drogensüchtiger Wasser aus einer Pfütze oder aus einer Toilette holt, dann müssen eigentlich auch Sie erkennen, daß dieses nicht länger hingenommen werden kann und daß wir dieses eigentlich auch politisch nicht akzeptieren dürfen.
Die Drogenabhängigen tragen zu einer vor allem in vielen Großstädten oft kaum mehr in den Griff zu bekommenden Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung bei. Sie beängstigen und verunsichern Passanten, Anwohner, Geschäftsleute und gegebenenfalls sogar spielende Kinder. Die gebrauchte Spritze auf dem Spielplatz ist eine Gefahr für die Gesundheit.
Der Versuch, dies ordnungspolitisch und mit repressiven Maßnahmen zu bekämpfen, ist doch gescheitert. Weshalb - Herr Schlauch hat darauf hingewiesen - fordern denn immer mehr Polizeipräsidenten die Politik auf, ihre Drogenpolitik zu ändern und einen neuen Weg zu gehen? Warum schlägt denn inzwischen in Großstädten auch die CDU diesen Weg, den die Sozialdemokraten gegangen sind, ein? Das hängt damit zusammen, daß wir dieses ordnungspolitisch nicht in den Griff bekommen, sondern den Drogenkonsumenten helfen müssen. Sie brauchen unsere Hilfe.
Diese Hilfe können fachlich betreute Einrichtungen bieten: warme Mahlzeiten, Spritzentausch, Dusch- und Waschmöglichkeiten, fachliche Beratung in sozialen und suchtbezogenen Fragen sowie schließlich kontinuierliche Betreuung und Begleitung während der Zeit, in der die Drogenkonsumenten zum Absprung aus der Drogensucht noch nicht bereit sind. Nur weil sie noch nicht soweit sind, dürfen wir der stark verelendeten Klientel dieser Einrichtungen doch nicht die notwendige Hilfe verweigern und diejenigen, die sich helfend engagieren, dem Risiko der Strafverfolgung aussetzen.
Ein weiterer Punkt ist nämlich, daß die Sozialarbeiter, die dieses in den Drogenhilfeeinrichtungen zulassen, mit einem Bein im Knast stehen und Hilfe zur Zeit überhaupt nur durch Wegsehen, durch das Schaffen eines Graubereiches möglich ist. Diesen Graubereich müssen wir durch eine vernünftige Drogenpolitik beseitigen.
Meine Damen und Herren, der Gesetzgeber hatte, als er 1972 das Verschaffen und Gewähren einer Gelegenheit zum unbefugten Drogengebrauch unter Strafe stellte, keine Drogenhilfeeinrichtungen im Auge, sondern Orte, an denen sich vor allen Dingen jungen Leuten Gelegenheiten zum illegalen Drogenkonsum bieten. Wer öffentlich und unkontrolliert Drogenhandel und -konsum duldet und ermöglicht, gegen den muß die Strafjustiz auch künftig mit aller gebotenen Härte vorgehen. Auch das gehört zu einem neuen drogenpolitischen Weg.
Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, welch spürbare Entlastung die Hilfseinrichtungen für die Allgemeinheit bringen.
Ich habe gehört, der Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestags werde in den nächsten Wochen nach Zürich fahren. Ich hoffe, daß Sie sich nicht nur den Heroinversuch, sondern auch die sogenannten Konsumstübli anschauen, damit Sie sehen, wie man so etwas auch in Deutschland vernünftig machen könnte. In dieser Form wollen wir es auch; dort erfährt es breite Unterstützung. Ich hoffe, daß wir in unseren Städten nicht eine noch stärkere Verelendung hinnehmen müssen, um endlich so einen Weg einschlagen zu können. Nehmen wir doch Zürich als Vorbild. Ich hoffe, daß es Sie so beeindruckt, daß Sie anschließend sagen können: Ja, das wollen wir in der Bundesrepublik Deutschland auch.