Rede von
Dr.
Wolfgang
Schäuble
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Scharping, ich habe bewußt präzise geantwortet. Ich verstehe schon, daß Sie einen zusätzlichen Akzent hineinbringen wollen. Damit überfordern Sie mich im Moment.
- Ihre Bedingungen waren unterschiedlichster Art. Ich möchte den Gesetzentwurf sehen. Außerdem müssen wir das im Vermittlungsausschuß machen. Meine Privatmeinung nützt Ihnen nur wenig. Wir müssen vernünftig miteinander umgehen.
Es besteht die Sorge, daß die Gewerbeertragsteuer bei einer Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer nicht mehr erhoben werden könne, weil sie dann keine verfassungsrechtliche Grundlage mehr habe. Auf Ihre Anfrage, ob wir bereit wären, das abzusichern, kann ich Ihnen versichern, daß wir dazu bereit sind; das kann ich sogar für die ganze Koalition erklären. Wenn Sie allerdings fragen, ob wir bei dieser Gelegenheit eine Ewigkeitsgarantie für die Gewerbeertragsteuer geben können, kann ich nur sagen: Lassen Sie uns darüber vernünftig ein paar Argumente austauschen.
Im übrigen möchte ich, wenn wir uns dieser Frage nähern - dazu gebe ich Ihnen heute aber keine verbindliche Antwort -, auch gerne wissen: Wie ist eigentlich in der Europäischen Union der Stand der Harmonisierung von Ertragsteuern? Denn ich bin noch immer der Meinung, außer Luxemburg hat niemand eine besondere Gewerbeertragsteuer. Ich glaube, wir brauchen eine Kommunalfinanzreform.
- Ja, gut, wir können nicht alles an einem Tag machen. Auch Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden. Wenn Sie jetzt Ihre Blockadeposition aufgeben, sehe ich auch eine verbesserte Chance, daß wir bald zu einer Gemeindefinanzreform kommen.
Dann lassen Sie uns zunächst über die Gemeindefinanzreform und erst später darüber reden, ob wir eine Ewigkeitsgarantie für die Gewerbeertragsteuer geben können.
Aber die Zusage, daß die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer nicht die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Gewerbeertragsteuer beseitigt, gebe ich Ihnen für die Koalition. Deswegen sollten wir dabei bleiben, daß wir jetzt die Botschaft aussenden: Die Gewerbekapitalsteuer wird abgeschafft.
Das könnte ein gemeinsames Interesse von uns allen sein.
Unsere Gespräche sind in dieser Woche zu Ende gegangen. Der Gesetzentwurf wird heute, drei Monate nach der ersten Vorstellung, gelesen. Herr Bundesfinanzminister, Ihnen, aber auch den Mitarbeitern Ihres Hauses sollten wir Dank und Respekt dafür übermitteln, daß in so kurzer Zeit ein Gesetzentwurf erstellt werden konnte.
Aber von vielen Bürgern ist die Botschaft verstanden worden: Die bekommen nichts zustande. Wir hatten ein wenig die Sorge, daß Sie sogar das Gefühl von Stillstand vermitteln wollten. Wenn jetzt die Botschaft ausgesendet wird, es gibt keinen Stillstand, die Gewerbekapitalsteuer wird abgeschafft, die gesetzliche Krankenversicherung ist reformiert, die Rentenreform kommt, so oder so, und auch in der Steuerreform werden wir, wenn wir spätestens im Bundesrat verantwortlich darüber reden, ein Stück vorankommen, dann besteht eine bessere Chance.
Es wird doch niemand ein Interesse daran haben, daß wir etwa die gute konjunkturelle Entwicklung in diesem Land, die wir gerade im Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute diagnostiziert bekommen haben, aufs Spiel setzen.
Dr. Wolfgang Schäuble
- Herr von Larcher, Sie sollten wirklich nicht lachen. Sie sollten bei viereinhalb Millionen Arbeitslosen den Verdacht vermeiden, Sie würden sich freuen.
- Mir ist das Lachen im Zusammenhang mit den strukturellen Verwerfungen auf unserem Arbeitsmarkt lange vergangen, und ich hoffe, Ihnen auch.
Deswegen freut mich die Botschaft, daß es mit der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Lande wieder aufwärtsgeht und daß wir bessere Chancen haben, die Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Darauf kommt es an. Dazu brauchen wir neben der Abschaffung der Substanzsteuern, die wir neben der Reform unserer sozialen Sicherungssysteme und neben einer Beitragssenkung in der Sozialversicherung hoffentlich bald erreichen, auch eine Strukturreform unseres Einkommen- und Ertragsteuersystems, wie es der Bundesfinanzminister heute hier vorgetragen und eingebracht hat. Das alleine löst zwar nicht die Probleme, aber ohne eine Steuerreform sind die Chancen für weniger Arbeitslosigkeit geringer. Deswegen muß sie zustande kommen.
Wir müssen dabei auch daran denken, daß wir die Standortvorteile, die wir in Deutschland haben - wir haben nicht nur Standortvorteile -, erhalten. Deswegen geht es nicht, die begrenzten Mittel nur auf das Kindergeld zu konzentrieren. Auch der Ansatz, nur den Thesaurierungssatz bei der Körperschaftsteuer zu senken und dadurch die mittelständische Struktur unserer Wirtschaft durch eine nicht mehr neutrale Besteuerung zu zerschlagen, geht nicht.
Wenn Sie bei der Körperschaftsteuer akzeptiert haben - das hat offenbar sogar Herr Lafontaine akzeptiert-, daß wir auf die Rahmenbedingungen in den anderen europäischen Ländern Rücksicht nehmen müssen, wissen Sie, daß wir einen Thesaurierungssatz von 35 Prozent brauchen.
Übrigens muß man dann den Ausschüttungssatz senken; glauben Sie mir. Jeder, der etwas von der Körperschaftsteuer versteht, weiß das. Ich war dabei, als die sozialliberale Regierung damals den Gesetzentwurf für die Körperschaftsteuerreform gemacht hat. Ich war nicht nur Mitglied im Finanzausschuß, sondern auch im Unterausschuß für die Körperschaftsteuerreform. Bei unserem modernen System, das die Doppelbesteuerung durch die Anrechnung vermeidet, muß man, wenn man um Investitionen international wettbewerbsfähig werden und bleiben will, den Ausschüttungssatz entsprechend senken.
Noch wichtiger aber ist: Unsere Wirtschaft hat eine viel breitere mittelständische Struktur als beispielsweise die unseres Nachbarn Frankreich. Wir wären sehr töricht, wenn wir durch ein Steuerrecht, das einseitig die Kapitalgesellschaften begünstigt und die Personengesellschaften benachteiligt, diese mittelständische Struktur zerschlagen würden. Das wollen wir nicht.
Deswegen müssen wir, wenn wir darüber reden wollen, wie man via Steuerrecht Beiträge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leisten kann, nicht nur den Thesaurierungssatz bei der Körperschaftsteuer senken, sondern ebenso den Steuersatz für Einkünfte aus Gewerbebetrieben. Wenn Sie den Steuersatz für Einkünfte aus Gewerbebetrieben senken, dann können Sie den Steuersatz für andere Einkunftsarten nicht bei 53 Prozent lassen. Ansonsten schaffen Sie nämlich genau die Schlupflöcher, über die Sie selber wieder geklagt haben. Das geht nicht; und das wissen auch Sie.
Deswegen haben Sie, Herr Scharping, auch gesagt, ob der Spitzensteuersatz 40 oder 38 Prozent betrüge, sei Ihnen letzten Endes egal. Einigen wir uns auf die Mitte! Einigen wir uns auf 39 Prozent! Dann haben wir doch eine ganz gute Reform.
- Nein, 40 bis 38 Prozent.
Wir haben Ihnen immer gesagt - der Bundeskanzler hat es am Montag noch einmal Herrn Lafontaine geschrieben -: Wir können über alle Einzelfragen reden, wenn das Prinzip klar ist. Es muß eine wirkliche, nachhaltige Senkung aller Steuersätze geben. Unser Steuerrecht, das Körperschaftsteuer- und Einkommensteuerrecht, muß wettbewerbsfähig sein, damit wir mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze bekommen. Dann können wir über die Einzelfragen reden. Diese Debatte haben Sie aber bisher verweigert.
Was ich hier versuche, ist, Sie dafür zu gewinnen, daß Sie sich dieser Debatte nicht mehr verweigern. Bei der Gewerbekapitalsteuer ist mir das ja schon gelungen. Deswegen sage ich Ihnen: Wenn wir auf diesem Weg weitergehen, dann haben wir eine Chance, daß die Arbeitslosigkeit in Deutschland sinkt. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung.
Herzlichen Dank.