Herr Kollege von Larcher, ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Sie das aus der Anhörung berichten. Aber ich füge noch zwei Bemerkungen hinzu.
Erstens. Es zeigt sich, daß es gut ist, daß die Ausschüsse des Bundestages Anhörungen immer zu den Gesetzen machen, die ihnen schon überwiesen sind. Zu diesem Gesetzentwurf konnten sie noch keine Anhörung durchführen, denn er wird ihnen heute erst am Schluß dieser Beratung überwiesen.
Zweitens. Ich kann nicht an den Sitzungen des Finanzausschusses teilnehmen, aber ich kann Ihnen aus dem Gemeinschaftsgutachten aller wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute im Frühjahr 1997 so lange, wie immer Sie wollen, vorlesen. Es ist vom 17. April 1997.
Darin steht - der Satz ist schon vorgelesen worden -:
Mit der Senkung der Steuersätze bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage verfolgt die Bundesregierung eine Strategie, die auch in anderen Ländern schon umgesetzt wurde. Bei dieser Strategie bestehen gute Chancen, die Leistungsanreize zu verbessern und die steuerliche Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen ökonomischen Aktivitäten zu verringern, so daß die Allokation der Ressourcen durch das Steuersystem weniger verzerrt wird.
Dann geht es weiter, und es wird in der Tat gesagt: Kurzfristig hat es nicht so viel Wirkung.
Das ist übrigens etwas, was wir Ihnen immer zu erklären versucht haben. Der Gesetzgeber kann in der sozialen Marktwirtschaft kurzfristig gar nicht soviel verbessern. Aber was er kann, ist, Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß wir langfristig die Chancen für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze verbessern. Darum geht es.
Im übrigen, Herr Kollege Scharping, endet die Passage, aus der Sie Teile selektiv vorgelesen haben, damit:
Der aufkommensneutrale Umbau des Steuersystems im Unternehmensbereich hin zu niedrigeren Steuersätzen und weniger großzügigen Abschreibungsbedingungen begünstigt die weniger kapitalintensiven Wirtschaftszweige, also insbesondere die Dienstleistungen, so daß diese durch die Steuerreform zusätzliche Impulse erhalten.
Meine Damen und Herren, darüber haben wir noch gar nicht diskutiert. In Wahrheit ist es doch so: Wenn uns der Arbeitsmarkt vorrangig beschäftigt und wir wissen, daß uns - nicht wegen angeblicher Fehler der Koalition, sondern wegen der Veränderungen in der Weltwirtschaft und in der technologischen Entwicklung - durch die Rationalisierung in der industriellen Produktion immer mehr Arbeits-
Dr. Wolfgang Schäuble
plätze verlorengehen, müssen wir doch alles daransetzen, daß wir im Dienstleistungsbereich zusätzliche Arbeitsplätze bekommen. Das zeigt, daß auch von daher unser Steuerreformansatz richtig ist, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Deswegen sage ich Ihnen: Ich weiß schon, warum Sie die Debatte zur Sache weder im Kanzleramt noch hier im Bundestag bisher wirklich geführt haben.
- Das zeigen alle Äußerungen, die Sie selbst getan haben. - Sie selbst wissen, daß die meisten von Ihnen die Konzeption, das Kindergeld zu erhöhen - dieses übrigens aufkommensneutral zu finanzieren, indem man die Unternehmensteuer weiter erhöht; denn Ihr Vorschlag läuft auf eine Erhöhung der Unternehmensbesteuerung hinaus -, im Ernst selbst nicht vertreten können. Das ist die Wahrheit.
Deswegen sollten wir die Debatte lassen. Sie wissen doch, Sie haben alle das Gegenteil gesagt.
Es ist daher vielleicht auch richtig, daß wir den Versuch, vorab zwischen den Parteien eine Einigung zu erzielen, aufgegeben haben und sagen, daß wir jetzt diskutieren. Die Gespräche sind ja nicht beendet; heute ist die erste Lesung in der Öffentlichkeit. Jeder steht unter einem Argumentationszwang.
Ich will Ihnen noch etwas sagen. Ich habe das genau verfolgt: Seit zweieinhalb Jahren bemühen wir uns ja, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen, weil sie eine der Steuern ist, die ursächlich dafür sind, daß wir in Deutschland zuwenig Investitionen und damit zuviel Arbeitsplatzverluste haben.
Heute mußte der Bundesrat zum erstenmal über die Gewerbekapitalsteuer abstimmen. Bisher sind wir damit ja nie in den Bundesrat gekommen, weil wir eine Grundgesetzänderung damit verbinden müssen. Damit sind wir immer schon hier gescheitert.
Jetzt haben wir gesagt: Wir möchten einmal sehen, wie es ist, wenn die Herren nicht mehr nur als Parteipolitiker reden und Interviews geben, sondern verantwortlich Position beziehen müssen. Sie haben den Wegfall dieser Steuer zwar heute abgelehnt - wir werden den Vermittlungsausschuß anrufen müssen, und das wird auch geschehen -, aber ich habe gestern mit großem Interesse eine Agenturmeldung gelesen, wonach Herr Voscherau angekündigt hat, er werde einen Kompromißvorschlag vorlegen, mit dem man kurzfristig die Gewerbekapitalsteuer abschaffen könnte.
- Das ist ja wunderbar.
- Das überrascht mich gar nicht. Herr von Larcher, ich schicke Ihnen die gesammelten Protokolle der Sitzungen des Deutschen Bundestages.
Sie haben schon mit dem Argument Vermögensteuer, Herr Lafontaine mit dem Argument, man dürfe nicht Abschreibungssätze in Zusammenhang mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer bringen, argumentiert. Sie haben bisher jede Ausrede wie die Maus ein Loch gesucht, um die Gewerbekapitalsteuer zu blockieren.
Deswegen sage ich Ihnen: Wir setzen darauf, daß wir im Rahmen der von der Verfassung vorgesehenen parlamentarischen Beratung die Verantwortung eines jeden einfordern, und zwar unter der Kontrolle und Beobachtung der Öffentlichkeit.
Wir werden im übrigen dort, wo wir selbst handeln können, Schritt für Schritt vorangehen. Es ist ja nicht so, daß in diesem Lande durch die Blockadestrategie der SPD im Bundesrat Stillstand herrscht. Wir haben im vergangenen Jahr eine Menge der Punkte, die schon zwischen Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaften im Januar verabredet waren, Schritt für Schritt umgesetzt. Wir sind bei der Gesundheitsreform im ersten Anlauf an der Mehrheit im Bundesrat gescheitert. Wir haben sie geändert, und sie wird jetzt, notfalls auch gegen einen Einspruch des Bundesrats, durchgesetzt. Wir werden die Rentenstrukturreform und anschließend eine Beitragssenkung durch Umfinanzierung zustande bringen - lieber im Konsens mit Ihnen, notfalls auch ohne Sie.
- Verzeihen Sie, Herr Kollege Poß, die Verfassung schreibt genau vor, wofür die Zustimmung des Bundesrats notwendig ist und wofür nicht. Herr Lafontaine hat im übrigen - Sie waren nicht dabei, deswegen ist es gut, daß wir hier darüber diskutieren - am Mittwoch auf die Frage der Koalition „Machen Sie die Rentenreform gemeinsam?" gesagt: „Die können Sie auch allein machen, die braucht nicht die Zustimmung. "
-Entschuldigung, das war die Antwort von Herrn Lafontaine, das ist Ihr Parteivorsitzender. Deswegen sage ich Ihnen: Wir möchten es lieber im Konsens machen, lieber mit Ihnen zusammen, aber wenn Sie es im Konsens nicht machen, weil Sie es blockieren wollen, sind wir bereit und in der Lage, es notfalls auch allein zu machen.
Ich sage Ihnen noch einmal: Wir wollen alles daran setzen, daß jetzt endlich die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft wird. Ich glaube nach den Äußerungen von Herrn Voscherau und anderen, daß dazu ein Kompromiß im Vermittlungsausschuß auch möglich werden wird.
Dr. Wolfgang Schäuble
Ich sage Ihnen auch auf Ihre Frage: Wir sind bereit, darüber zu reden, was man von der Steuerreform auf 1998 vorziehen kann. Ich habe ja nicht gesagt, daß wir das nicht wollen, sondern ich habe gesagt: Wenn Sie uns 1998 blockieren, dann lassen Sie es uns zusammenfügen, dann lassen Sie uns die Auseinandersetzung über ein Gesetz. Wenn Sie sagen, es bestehe eine Verständigungschance, man könne einen Schritt - einen größeren oder einen anderen, wie auch immer -, der Wirtschaft und Arbeitsmarkt hilft, vorziehen auf 1998: Herzlich gerne, das Gesetz ist nicht zurückgezogen, das können wir jederzeit machen.