Meine Damen und Herren, ich habe zur Kenntnis genommen, was beispielsweise das Frühjahrsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, und zwar aller sechs gemeinsam, zum Ausdruck bringt. Ich zitiere gerne:
Mit einer Senkung der Steuersätze bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage verfolgt die Bundesregierung eine Strategie, die auch in anderen Ländern schon umgesetzt wurde. Bei dieser Strategie bestehen gute Chancen,
Dr. Hermann Otto Solms
- merken Sie sich: gute Chancen -
die Leistungsanreize zu verbessern und die steuerliche Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen ökonomischen Aktivitäten zu verringern, so daß die Allokation der Ressourcen durch das Steuersystem weniger verzerrt wird. Die Steuerreformpläne sind insgesamt gesehen positiv zu beurteilen.
Die Institute sind der Meinung, daß wegen der Verbesserung der Leistungsanreize generell positive Wirkungen auf den Arbeitsmarkt zu erwarten sind.
Ich finde, das ist eine ausgezeichnete Äußerung der sechs Institute. Ich kann sie durch ein Zitat des Vorsitzenden des Sachverständigenrates, Professor Peffekoven, ergänzen. Ich zitiere: „Würde das jetzt vorliegende Reformmodell verwirklicht, kann mit mehr Investitionen, mehr Wachstum und mehr Beschäftigung gerechnet werden. "
Genau darum geht es uns, um nichts anderes.
Wir wollen mit der Steuerreform mehr Arbeitsplätze und weniger Sozialkosten haben, weil mehr Menschen durch eigene Arbeit und eigene Leistungen ihren Lebensunterhalt verdienen können. Das ist unser Ziel, und ich glaube, das ist ein soziales und gerechtes Ziel. Ich glaube auch, daß die meisten Sachverständigen in der Sozialdemokratischen Partei im Grunde genommen gar nicht viel anders denken. Herr Poß, da Sie an den Gesprächen nicht teilnehmen konnten - Herr Fischer zu seinem Bedauern ja leider auch nicht -, darf ich nur sagen: Ich hatte, als ich die kategorische Ablehnung der Tarifreform durch den Parteivorsitzenden der SPD hörte, das Gefühl, daß die anderen mit Bauchgrimmen danebensaßen
und das schlucken mußten. Der Bundesfinanzminister hat vorhin die vielfältigen Zitate angeführt, die die Meinung von Kollegen - von Ihnen persönlich ja auch -, von Herrn Scharping, von Herrn Schleußer und von Herrn Voscherau belegen, die sehr wohl der Meinung sind, daß wir die Tarifreform auf den Gesamttarif und nicht nur auf den Eingangssteuersatz anlegen müssen. Das ist ja auch bei allen Sachverständigen völlig unbestritten.
Deswegen will ich noch ein paar Bemerkungen zum Tarif machen. Wir schlagen einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent - das ist eine deutliche Absenkung gegenüber heute - und einen Spitzensteuersatz von 39 Prozent vor, und zwar auch das nicht aus Willkür oder aus dem Wunsch, bestimmte Gruppen zu begünstigen, sondern im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Auch die Vereinigten Staaten haben einen Spitzensteuersatz von präzise 39,6 Prozent, und in Großbritannien liegt er bei 40 Prozent. Sie sehen also, daß wir hier nicht außerhalb der Welt sind.
Die Diskussion über die sogenannten privaten Einkünfte ärgert micht schon seit langem. Es gibt neben den gewerblichen Einkünften sechs weitere Einkunftsarten, die sehr wohl auch etwas mit den Arbeitsplätzen zu tun haben.
Die Besteuerung der Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit belasten eben die Freiberufler. Bei Freiberuflern sind rund 2 Millionen Menschen beschäftigt. Die Abgaben der Land- und Forstwirtschaft belasten die in diesem Bereich Tätigen; das betrifft auch über 1 Million Menschen. Die Steuern auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffen die Investoren, die die Voraussetzungen für den Wohnungsbau schaffen. Wenn Sie sie stärker zur Kasse bitten wollen, werden weniger Wohnungen gebaut werden. Der Zusammenhang ist sehr eng. Das trifft auch für die anderen Einkunftsarten zu. Zu glauben, man müsse sich nur auf die gewerblichen Einkünfte konzentrieren, ist von daher schon ein Grundfehler.
Der krasseste Fehler aber wäre, zu meinen - mir ist der Atem stehengeblieben, als Herr Lafontaine es gesagt hat -, die Körperschaftsteuer für thesaurierte Gewinne könne auf 35 Prozent gesenkt werden, aber alles andere müsse so bleiben. Wissen Sie denn, was das bedeutet? Nahezu 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Personengesellschaften. Das hieße, daß die international agierenden Großunternehmen wie Daimler-Benz oder Siemens, die heute schon auf Grund ihrer Internationalität Steuergestaltungsspielräume haben, die die kleinen nicht haben, zusätzlich begünstigt würden, während die kleinen die Zeche bezahlen müßten. Das ist völlig undenkbar. Fragen Sie einmal das Handwerk, was es dazu sagt!
Wenn die Steuersätze - dieser Zusammenhang ist einfach zwingend - bei den Körperschaften auf internationalem Niveau liegen sollen - mit 35 Prozent liegen wir in etwa dort -, dann ergeben sich die Steuer- und Spitzensätze der anderen Tarifbereiche auf Grund der Verfassungsrechtsprechung genauso wie auf Grund der ökonomischen Auswirkungen völlig automatisch. Sie müssen dann auch den Grenzsteuersatz für gewerbliche Einkünfte aus Personengesellschaften herabsetzen, damit es keine Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des Unternehmensektors gibt, und können den Spitzensteuersatz für andere Einkünfte nicht weit darüber festsetzen. Die Spreizungsmöglichkeit ist verfassungsrechtlich begrenzt. Sie liegt heute bei 6 Prozent. Das scheint mir die äußerste Grenze für eine solche Spreizung zu sein. Darüber kann man diskutieren, aber der Spielraum ist nicht viel größer. Mir liegen auch eine Reihe von Zitaten von Herrn Ministerpräsident Schröder und
Dr. Hermann Otto Solms
anderen aus den Reihen von Sozialdemokraten vor, die das bestätigen.
Wenn solche Fakten vorliegen, an denen man nicht vorbeikommt, muß man doch irgendwann bereit sein, die Diskussion auf der Basis harter Fakten zu führen, statt Scheingefechte auszulösen, die dann nur noch zu Neidkampagnen führen, den Standort Deutschland weiter belasten, keinen Anschub erreichen, keine Investitionen anziehen und dazu führen, daß die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt weiter in die bisherige Richtung geht; genau das wollen wir umkehren.
Zum Abschluß: Die F.D.P. tritt für diese Steuerreform ein; sie hält sie für gerecht und ausgewogen. Sie ist der Meinung, daß sie mit einer Nettosteuersenkung und -entlastung verbunden sein muß. Ich meine, daß sich die öffentlichen Haushalte aller Gebietskörperschaften auf allen Gebieten auf diese Situation einstellen müssen. Denn das ist die zentrale Voraussetzung dafür, daß wir mehr Investitionen und Arbeitsplätze bekommen. Das führt dann automatisch wieder zu höheren Steuereinnahmen und wird die Haushalte aller Gebietskörperschaften entlasten.
Ich sehe bis heute zu dieser Strategie keine Alternative.
Vielen Dank.