Rede von
Detlef
Kleinert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! So schön wie Frau Hartenstein und Herr Basten kann ich mich zur Sache selbst hier nicht einlassen. Ich bin ja von Herrn Lippelt auch wegen meiner Satzkonstruktionen eben schon gerügt worden. Aber auch in diesem Punkt seien Sie doch so nett und lassen ein bißchen Liberalität walten. Der eine drückt sich eben etwas komplizierter aus und der andere etwas leichter.
Nur, Beliebigkeit ist vielleicht der deutschen Sprache doch nicht ganz angemessen. In einigen Nebensätzen klang das bei Ihnen so an: sich wichtigeren Dingen zuwenden; zwei Sprachen über einige Jahre nebeneinander haben.
Es handelt sich ja nicht um ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Sie hier zitiert haben, sondern um einen Beschluß, mit dem die Klage in dem Zeitpunkt aus den ausgeführten Gründen nicht für zulässig gehalten worden ist. Wir werden einmal sehen, ob wir in diesem Zusammenhang noch zu einem Urteil, das naturgemäß insgesamt gründlicher erarbeitet wird, kommen.
Bedauernswert ist es, daß diejenigen- nämlich unsere Kultusminister-, die für die politische Bildung unserer nachwachsenden Generation in besonderer Weise zuständig sind, hier mit einer unbegreiflichen Großzügigkeit an allem vorbeigehen, was schon ganz speziell im Hinblick auf kultusministerielle Aktivitäten vom Verfassungsgericht und von anderen oberen Bundesgerichten gesagt worden ist.
Wir haben den Wesentlichkeitsgrundsatz. Den müßte man eigentlich gar nicht so kompliziert als Wesentlichkeitsgrundsatz formulieren. Vielmehr müßte jedem, der in unserer Demokratie großgeworden ist, klar sein, daß Dinge von erheblicher Bedeutung für uns alle - das ist schon dargestellt worden - nicht einfach so mir nichts dir nichts im undurchsichtigen Bereich von Erlassen und Verordnungen der Tätigkeitsfreude von Ministerialbeamten anheimgegeben werden dürfen, sondern daß man zu diesem Zweck die Bürger Vertretungen in den Parlamenten hat wählen lassen, die sich auch mit dieser Frage beschäftigen sollten.
Daß das nicht geschehen ist, ist bedauerlich. Aber was heißt hier bedauerlich? Wir tun es ja gerade. Es ist notwendig und auch nicht zu spät. Es ist schon gesagt worden: Für die Verfassung ist es nie zu spät.
Wenn ich mich in der Sache selbst mangels ausreichender germanistischer und philologischer Kenntnisse nicht einlasse, dann erkenne ich doch jedenfalls das, was alle Bürger betrifft. Durch eine ganz penible, detaillierte neue Ordnung wird über Jahr-
Detlef Kleinert
zehnte eine neue Unordnung geschaffen. Das kann doch nicht Sinn der Veranstaltung sein.
Das kann es nicht sein!
Diese Unordnung entsteht so leicht, wenn man in sehr kleinen Kränzchen so eine Reform ausknobelt und nach jahrzehntelangen Konferenzen zum Schluß nicht zugeben möchte - Herr Lippelt, Sie haben ja selbst gesagt, daß einmal Größeres angedacht worden war-, daß das alles vergebens war. Darum hat man dann diesen völlig unzulänglichen Kompromiß beschlossen und will ihn möglichst unauffällig und ohne die notwendige Beteiligung der Volksvertretungen in die Tat umsetzen.
Es ist nun einmal das Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 und das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 in unserer Verfassung festgeschrieben. Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern richtet sich gemäß Art. 28 des Grundgesetzes nach eben diesen Prinzipien. Das sind die Punkte, die uns Veranlassung geben, uns jetzt wirklich in einem transparenten und ordentlichen Verfahren zu unterrichten, wie das alles zustande gekommen ist und wie wir damit zum Wohle aller betroffenen Bürger umgehen sollen.
Da soll uns niemand, der 20 Jahre lang an so einer Sorte von Reform herumgearbeitet hat, sagen, wir kämen zu spät, wenn wir jetzt nach den ersten Veröffentlichungen im Herbst letzten Jahres und den ersten sachkundigen Äußerungen dazu die rechtliche Seite der Sache betrachten, weil die Verfasser dies bedauerlicherweise unterlassen haben.
Es offenbart schon einen erheblichen Mangel an wünschenswerter Aufrichtigkeit, wenn die gleichen Kultusminister, die genau wissen, was sie hier anrichten, und deshalb möglichst schnell vollendete Tatsachen schaffen möchten, sagen: Wir sind nur für die Schule zuständig, und woanders können die Schüler schreiben, wie sie wollen. - Das ist doch nicht die Lebenswirklichkeit.
Der liberale Abgeordnete Dr. Stephani hat am 7. April 1880 - es ist erst wenig mehr als hundert Jahre her - im Deutschen Reichstag gesagt:
Allerdings sind zur Zeit diese Verordnungen ja beschränkt auf Anordnungen für die Schule, in der Hauptsache wenigstens. Indes wird man doch anerkennen müssen, daß es ganz unmöglich ist, so die Schule vom Leben zu trennen, daß nicht mit diesen Verfügungen die außerhalb der Schule Stehenden ebenso stark in Mitleidenschaft gezogen werden wie die Schulen.