Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Streit, der auch heute morgen hier wieder ausgetragen wird, und zwar über eine Große Anfrage der SPD, deren Einbringung ich an sich für sehr vernünftig erachte, macht sich erneut daran fest, daß einige offenbar dann, wenn sie eine Große Anfrage stellen, die Antworten darauf nicht zur Kenntnis nehmen.
- Herr Sielaff, dann lesen Sie doch bitte einmal die Antworten, die zu den WTO-Verhandlungen von der Bundesregierung gegeben worden sind.
Die Bundesregierung hat ganz eindeutig erklärt, welche Spielräume es noch immer bei diesen WTO- Verhandlungen gibt. Sie hat erklärt, daß wir diese Spielräume letztlich auch nutzen müssen. Wir können uns in keinen Automatismus hineinbegeben, wenn dieser, so wie er hier immer wieder aufgezeigt wird, durch die GATT-Verhandlungen und den GATT-Abschluß gar nicht vorgegeben ist.
Ich gebe Herrn Thalheim recht, wenn er hier sagt, daß die EU-Kommission dazu eine andere Auffassung hat.
Die deutsche Agrarpolitik darf aber nicht das Vollzugsorgan der agrarpolitischen Vorstellungen des Herrn Fischler werden.
Sie muß vielmehr eigene Vorstellungen entwickeln.
Dies hat Herr Borchert immer wieder getan.
Nur, Sie von der SPD nehmen dies nicht zur Kenntnis, Sie fordern Herrn Borchert auf, er möge seine Vorstellungen aufgeben, da es Vorstellungen der EU-Kommission gebe. Genau das tut er nicht. Das halten wir von den Koalitionsfraktionen auch für richtig.
Sie sagen: Es muß auch bei der EU-Agrarreform Anpassungsprozesse geben; wir müssen immer wieder das Stichwort der flächendeckenden Extensivierung - ich halte es aus der Sicht der deutschen Agrarpolitik für ein falsches Stichwort - auf EU-Ebene anbringen.
- Sie haben dazu wieder etwas gesagt. Lassen Sie mich nun bitte ausreden. Auch ich habe Sie ausreden lassen!
Sie sagen weiter: An der Extensivierung der Landwirtschaft müssen wir auch noch Prämienzahlungen festmachen.
Wenn wir das tun würden, dann würden wir anderen Landwirtschaften in der Europäischen Union
- zum Beispiel der schottischen und der irischen - nützen, aber nicht der deutschen,
weil wir uns in einer ganz anderen Situation befinden.
Deswegen sollten wir nach meiner Auffassung alles tun, um zusammen mit Jochen Borchert unsere gemeinsame agrarpolitische Vorstellung - häufig sind die Fraktionen dieses Hauses gar nicht soweit voneinander entfernt - immer wieder in Brüssel einzubringen. Er hat das in der Vergangenheit auch sehr erfolgreich getan.
Es steht doch fest, daß Jochen Borchert sehr viel zur bürokratischen Vereinfachung der EU-Agrarreform beigetragen hat. Ich selber mußte ja im Rahmen dieser EU-Agrarreform immer wieder Anträge stellen. Dabei habe ich festgestellt, welche Vereinfachung sich dort in den letzten Jahren durchgesetzt hat. Natürlich kann ich mir noch weitere Vereinfachungen vorstellen.
- Im Gegensatz zu manchen hier betreibe ich noch Landwirtschaft und kenne ein bißchen die Praxis.
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Die kennen ja manche in diesem Hause gar nicht, mein lieber Uli Heinrich.
Deswegen muß ich ja nachvollziehen können, was hier gemacht wird.
Ich kann mich noch an die kritischen Stimmen erinnern, durch die Zweifel in die deutsche Landwirtschaft hineingetragen wurden, als es um die Absicherung des Währungsrisikos bei den Ausgleichszahlungen ging.
Da hat er sich durchgesetzt, obwohl vorher so viele Zweifel geäußert haben, immer wieder versucht haben, Zweifel in die Landwirtschaft hineinzutragen. Warten wir doch einmal ab, inwieweit sich Jochen Borchert auch bei anderen Fragen durchsetzen wird!
Ich finde es eigenartig, wenn die SPD hier fordert, wir müßten die Wettbewerbsposition der deutschen Landwirtschaft innerhalb der Europäischen Gemeinschaft verbessern.
- Ja, das ist richtig, wenn sie diese Forderung stellt, aber ich frage, meine Damen und Herren: Inwieweit unterwerfen sich denn rot-grüne oder rote Landesregierungen dieser agrarpolitischen Aufgabenstellung?
Inzwischen existieren innerhalb der Bundesrepublik Deutschland auf Grund des Wirkens rot-grüner und roter Landesregierungen mehr Wettbewerbsverzerrungen als zwischen uns und den anderen europäischen Partnerländern. Das ist nicht hinnehmbar.
Wenn Sie etwas zur Verbesserung der Wettbewerbsposition tun wollen, dann tun Sie doch erst einmal etwas in Ihren eigenen Reihen. Das machte Ihre agrarpolitischen Aussagen im Bundestag dann auch glaubwürdiger.
Herr Thalheim, wenn Sie hier sagen, Sie hörten die Botschaft, aber Ihnen fehle der Glaube, dann muß ich anmerken: Ich höre in dieser Richtung von den SPD-Landesregierungen und den rot-grünen Landesregierungen überhaupt keine oder höchstens eine gegenteilige Botschaft, die im Grunde genommen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft verschlechtert, zumindest in den Bundesländern, in denen solche Landesregierungen bestehen.
Das ist nicht hinnehmbar.
Wenn Sie eine solche Forderung stellen, dann sollten Sie zuerst einmal die eigenen Wirkungsmöglichkeiten ausschöpfen. Das jedenfalls hielte ich für richtig.
Ich meine also, daß es Spielräume für die WTO- Verhandlungen gibt und daß wir diese Spielräume
konsequent nutzen müssen, auch in dem Sinne, in dem es Albert Deß hier angesprochen hat. Wir müssen sie konsequent nutzen, weil die deutsche Landwirtschaft, die europäische Landwirtschaft mit Weltmarktpreisen nicht zurechtkommt.
Bevor wir immer fordern, andere sollten sofort unsere Standards übernehmen, müssen wir auch noch so weit als möglich Außenschutz in der EU durchsetzen, wenn die anderen nicht sofort bereit sind, unsere Standards zu übernehmen. Und sie werden dazu nicht immer bereit sein.
Das heißt, es gibt hier vielfältige Möglichkeiten, aber die Opposition spricht sie manchmal nur einfältig an. Wir sollten nicht zu einfältigen Aussagen, sondern zu Differenzierungen kommen. Das sollten wir uns in diesem Haus leisten.
Ich glaube, daß wir nach wie vor - auch wenn wir einiges bei WTO und vieles im Bereich der Europäischen Union tun - ebenso auf die hausgemachten Aufgabenstellungen schauen müssen, auf diejenigen Wettbewerbsverzerrungen, die von den Bundesländern ausgehen.