Was wollen Sie? Die zweite Frage lautet: Tun Sie das, was Sie wollen? Die dritte Frage wäre: Wollen wir das, was Sie gegenwärtig tun?
- Wir wissen, was wir wollen; aber die Bundesregierung weiß vermutlich nicht, was sie tut.
Zur ersten Frage wird sich hier im Hause wahrscheinlich kein Dissens ergeben. Mit der SPD-Fraktion sagt die Bundesregierung, daß der Wandel zur Informationsgesellschaft aktiv gestaltet und die durch die neuen Kommunikationstechnologien gegebenen Chancen für Deutschland genutzt werden müssen. Wir sind uns einig, daß dem tiefgreifenden Wandel der Informations- und Kommunikationstechnologie und der Bedeutung des Wachstumsmarktes Rechnung getragen werden muß. Wir sind uns weiter einig, daß das Ziel eine verläßliche Grundlage für die Gestaltung der Angebote im Bereich der Dienste sein muß und daß dadurch in Deutschland zukunftssichere und qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden können, ohne daß wir Rationalisierungspotentiale ignorieren.
Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir über verläßliche Grundlagen sprechen. Aber Sie, Herr Bundesjustizminister - er ist nicht mehr da -, gehen haarscharf am Problem vorbei. Das Problem habe ich vorhin mit meiner Zwischenfrage beleuchtet. Zwischenzeitlich finden wir nämlich auf der CeBIT kaum mehr einen hochrangigen Gesprächspartner, gegen den nicht die abenteuerlichsten Ermittlungen angestellt werden. Herr Kollege Mayer, der Compuserve-Geschäftsführer in Ihrem Wahlkreis ist als Beispiel heute ausdrücklich genannt worden.
Vor diesem Hintergrund wäre die Initiative der Bundesregierung, mit einem Gesetz einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen für die neuen Dienste zu schaffen, zu begrüßen. Das ist keine Frage. Auch das gemeinsame Handeln von Bund und Ländern wäre wegen der auseinanderfallenden verfassungsrechtlichen Kompetenzen ausdrücklich zu begrüßen. Herr Kollege Wilhelm, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang mit einem Mißverständnis aufräumen. Wir haben an keiner Stelle gesagt - auch nicht mein Kollege Thierse -, daß wir die Bundeskompetenz für die neuen Medien einfordern. Wir haben den Vorschlag gemacht, ein Instrumentarium zu schaffen, das die Interessen der Länder, die im Rahmen ihres gesellschaftspolitischen und kulturpolitischen Auftrags unbestritten sind, mit dem Anliegen des Bundes in dieser Frage und mit der Tatsache
Jörg Tauss
sinnvoll verbindet, daß wir es mit einem globalen Netz zu tun haben, das über die Länder hinausgreifender Regelungen bedarf. Das ist der Punkt, ich denke, Sie sollten nicht versuchen, an dieser Stelle einen falschen Eindruck zu erwecken.
Mit der Überlegung, ob wir die Entwürfe als tragfähig betrachten, sind wir bei der zweiten Frage angekommen: Tun Sie das, was Sie wollen oder ankündigen? Hier fällt die Bewertung des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs leider etwas anders aus. Herr Minister, wenn Sie sagen, das Gesetz schlage eine Schneise für Multimedia, es schaffe verläßliche rechtliche Grundlagen und es lasse gar Deutschland weltweit zum Schrittmacher in der Zukunftswerkstatt aufsteigen, dann bitte ich Sie einfach, daß Sie die zunehmende Resignation in der betroffenen Wirtschaft, in der Branche, nicht auch noch als Zustimmung werten. Dort herrscht nichts als Resignation über das, was Sie auf den Tisch gelegt haben, weil man das für völlig unzureichend hält. Sie wissen es, denn Sie haben die Stellungnahmen auf dem Tisch.
Was für eine Arroganz steckt eigentlich hinter Ihrem Anspruch, Schrittmacher in der Zukunftswerkstatt zu sein? Kein wichtiges Industrieland leistet sich eine derart rigide Internet-Regulierung, wie sie uns hier vorliegt. Sie aber jubeln noch darüber. In der Regulierung sind wir Weltmeister; bei der Nutzung sind wir aber tiefste Provinz. Wir liegen, Herr Bundesminister, nach neuesten Zahlen der IBM, die ich mir gestern extra noch einmal habe zufaxen lassen, entgegen Ihrer Aussage hinter solchen Ländern wie USA und Kanada. Vor uns liegen aber auch Australien, Schweden, England, Holland, die Schweiz, Neuseeland und die berühmte Industrienation Island, um nur einige zu nennen. Man könnte diesen Katalog ergänzen.
Hören Sie doch auf, die Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang zu täuschen!
Wir wurden unter diesem Datenautobahnverwechselungskanzler zum Internet-Entwicklungsland. Wir laufen Gefahr, daß wir unsere Kompetenz in der Informatik verlieren und unsere besten Köpfe in die USA abwandern. Es sind die Folgen von Ihrer Politik, von 14 Jahren Kohl, daß wir heute in diesen Bereichen mehr Technologie einkaufen müssen, als wir exportieren können. Das hat es in Deutschland noch nie gegeben, daß wir mehr Technologie einkaufen mußten, als wir exportieren konnten.
Das sind die Folgen von der Technologiepolitik der letzten 14 Jahre, die von Ihnen im wesentlichen mitzuverantworten ist.
Entgegen Art. 1 ermöglicht dieses Gesetz Multimedia also nicht, sondern verhindert Multimedia. Es schafft nicht Rechtssicherheit, sondern erzeugt Rechtsunsicherheit. Viele Unternehmen denken bereits über eine Verlagerung ihrer Investitionen ins Ausland nach.
Herr Wilhelm, ich halte Ihre Kritik an Teilen des Mediendienste-Staatsvertrages für berechtigt, aber noch sind nicht alle Länder SPD-regiert. Das wäre schön, wenn wir es bald so hätten; dann hätten wir es mit der Koordination einfacher. Gehen Sie doch zum CSU-regierten Bayern; Sie könnten das, was Sie hier beklagen, sehr schnell reparieren. Im übrigen habe ich Herrn Rüttgers genau denselben Brief geschickt wie den Ministerpräsidenten der Länder, - um dies hier klar zu sagen.
Noch einige Anmerkungen zu Urheberrecht, Datenschutz und Jugendschutz.
Im Rechtsausschuß liegt die Novellierung des Urheberrechts. Ob wir deswegen im IuKDG einen eigenen Art. 7 brauchen, werden wir mit den Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuß klären. Die SPD- Fraktion ist wie üblich jeder vernünftigen Regelung gegenüber aufgeschlossen.
Das gilt auch für Regelungen zum Datenschutz. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hat in bezug auf das heute zu beratende Gesetz erhebliche Bedenken angemeldet. Wir wollen sie nicht ignorieren, wir werden darüber beraten. Es gibt Abgrenzungsprobleme gegenüber den Datenschutzregelungen der Länder, dem Bundesdatenschutzgesetz und der Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen-Datenschutzverordnung; das Ding heißt wirklich so.
Nicht nur der Gesichtspunkt der einheitlichen Behandlung von Tele- und Mediendiensten spricht für die Aufnahme einer Regelung des Datenschutz-Audits, wie es im Mediendienste-Staatsvertrag vorgesehen ist - eine hervorragende Lösung. Hier kann die Chance bestehen, daß Datenschutz international das Qualitätsmerkmal „Made in Germany" bekommt und damit zum Wettbewerbsvorteil wird. Ich kann Sie nur auffordern: Blockieren Sie in diesem Punkte keine von uns vorgeschlagenen vernünftigen Regelungen.
Als besonders problematisch erweist sich an Ihrer Vorlage - darauf hat der Kollege Krüger hingewiesen - der Art. 6. Es gibt hier niemanden, der nicht in der Sache - ich hoffe, wir sind uns im Hause alle darüber einig - für den unbestritten notwendigen Schutz von Kindern und Jugendlichen ist. Nur, Herr Rüttgers, Sie wollen Handeln vorgaukeln und verlangen von uns als Gesetzgeber symbolische Rechtsgebung. Für Symbolik, Scheinrecht und Täuschung der Öffentlichkeit ist die SPD-Bundestagsfraktion auch bei noch so schönen Paragraphen nicht zu haben. Für diese Abteilungen sind Sie zuständig. Über unsere Vorschläge werden wir gerne mit Ihnen diskutieren, aber sperren Sie sich nicht gegen vernünftige Vorschläge.
Noch einige Anmerkungen zum Gesetz zur digitalen Signatur. Die digitale Signatur ist unumgänglich, um die ökonomischen Hoffnungen, die wir für die Wirtschaft und unsere Gesellschaft in die Netze setzen, tatsächlich in die Realität umzusetzen.
Jörg Tauss
Aber - mehrere Redner haben darauf hingewiesen -: Es gibt eine Reihe von Problemen, die wir durchaus noch beachten müssen. Wir sehen es als problematisch an, daß die Schlüssel, die den Zugang zu den Dokumenten ermöglichen, in einem TrustCenter liegen sollen und der Gefahr von geheimdienstlichen oder gar terroristischen Angriffen unterliegen können. Demokratischen Kontrollrechten ist auch noch nicht ausreichend Rechnung getragen. Das Trust-Center selber kann zum Beispiel wegen beabsichtigter Wirtschaftsspionage zum Angriffsziel werden.
Es ist völlig unklar - ich bitte Sie, das dem Bundesjustizminister auszurichten -, welche Rechtsfolgen sich aus dieser Frage ergeben. Alle Aspekte des Zivil- und des Zivilprozeßrechtes bleiben ausgeklammert. Im übrigen werden die §§ 13 und 14 auch hier wieder einmal den wirklichen Entwicklungen im Netz nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, trotz dieser vielen vorhandenen Probleme ist das Gesetz zur digitalen Signatur tatsächlich der einzige wirklich innovative Bestandteil des IuKDG. Mit diesem Schritt werden grundlegende Veränderungen unserer Rechtskultur einhergehen. Dies ist ein Punkt, dessen Auswirkungen bis heute noch überhaupt nicht vollständig abschätzbar sind.
Gerade ein solches Jahrhundertwerk sollte, Herr Kollege Wilhelm, deshalb nicht im Schweinsgalopp durch die parlamentarischen Beratungen gepeitscht werden. Gleichzeitig darf man die in den Stellungnahmen vorgebrachte Kritik und die wichtigen Vorschläge für eine Verbesserung nicht fahrlässig und leichtfertig von der Hand weisen. Gegebenenfalls bietet es sich ja auch an, Art. 3 dieses Gesetzes einer getrennten Beratung zuzuführen. Wir wären für einen Vorschlag dieser Art offen.
Schließlich bleibt noch festzuhalten, daß der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf auch im Bereich der Informationssicherheit viele Fragen offenläßt. Das Problem der Kryptographie ist angesprochen worden. Es ist wirklich interessant, daß sich der Herr Justizminister hier hinstellt und sagt: Wir wenden uns heldenhaft - diese liberalen Kämpfer, nicht wahr - gegen ein Kryptoverbot. Das hat Herr Rexrodt schon anläßlich der CeBIT gesagt. Schon eine Stunde später ist er von der Kritik des Innenpolitikers Zeitlmann der CSU eingeholt worden, der ein Verbot der Kryptographie gefordert hat.
Die Bundesregierung sollte sich einmal einigen, was sie hier tut. Das Bundeskanzleramt blamiert sich mit seinem Referenten auf internationalen Tagungen. Es liegen Äußerungen von Herrn Schönbohm, dem Innensenator von Berlin, vor. Es ist doch peinlich, was da stattfindet. Sie fordern im Grunde genommen für ganz Deutschland, für sämtliche Häuser, die Zulassung - in übertragener Form ausgedrückt - von vier Schlössern. Die Schlüssel sind auch noch bei der Polizei zu hinterlegen. Einen solchen Unfug werden Sie mit uns nicht machen können. Das sage ich Ihnen nochmals in aller Klarheit.
Schönbohm, Zeitlmann und Kanzleramt, was für eine Kombination!
Wir wollen aus diesem Grunde keine Hektik. Ich kann das nur noch einmal betonen. Wir können im Interesse des Medienstandortes Deutschland, der Sicherung von Arbeitsplätzen und einer zukunftsgerichteten Medienpolitik auf die Frage, ob wir das unterstützen, was Sie gegenwärtig tun - das war die dritte Frage -, nur mit einem klaren Nein antworten, auch wenn es in Ihrem Gesetzentwurf Punkte gibt, die noch reparabel sind. Kürzlich hatten die Manager einer Firma mir gesagt: Im Grunde genommen ist dieses Gesetz weder akzeptabel noch tolerabel. - Wir werden uns trotzdem bemühen, mit Ihnen zu Lösungen zu kommen. Ich hoffe, Sie entziehen sich dem nicht.
Es leuchtet hier ein Signal „Präsident". Herr Präsident, ich denke, das ist der Hinweis, daß meine Zeit abgelaufen ist.
- Ich wußte doch, daß ich Ihnen damit eine Freude machen kann.