Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Dem Kollegen Thönnes ist in weiten Punkten seiner Ausführungen zuzustimmen, auch in seiner Feststellung, daß Lernen ein lebenslanger Vorgang ist. Das bezieht sich natürlich auch auf die Mitglieder der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion.
Denn, meine Damen und Herren, da hat ja dieser Zukunftsminister schon etwas angerichtet: Da geht er in freiwilliger Selbstverpflichtung hin, um ein Beispiel zu geben für diejenigen, die zuständig sind, aktiviert Drittmittelgelder, um genau das zu erreichen, was Sie hier gefordert haben. Heute aber erwecken sowohl Herr Thierse als auch Sie, Herr Thönnes, in der Öffentlichkeit den Eindruck, als sei die Versorgung der Schulen mit Internet und Internetanschlüssen Sache des Bundeszukunftsministers. Sie müßten es doch besser wissen, daß der Sachkostenmittelträger in dieser Frage die jeweilige Kommune und gegebenenfalls, wenn ich mir einige Beschlüsse von Kabinetten betrachte, die jeweiligen Länderkabinette sind.
Nur, auffällig ist, daß beispielsweise die sozialdemokratisch regierten Länder Saarland, RheinlandPfalz und Hessen in dieser Frage überhaupt noch keine Erklärung abgegeben haben.
Ich würde also empfehlen, Anspruch und Wirklichkeit etwas stärker zu koordinieren. Wirken Sie doch nach diesem freiwilligen Beispiel des Bundesministers auf Ihre Parteifreunde ein, und halten Sie diese Rede, die Sie hier vorgetragen haben, an anderer Stelle zur Befruchtung Ihrer eigenen Parteifreunde!
Meine Damen und Herren, genau diesen Punkt hat auch Herr Thierse, der die Generallinie der SPD- Fraktion hier dargestellt hat, behandelt. Er hat neben Zustimmendem - was die globale Herausforderung anbelangt, stimmen unsere Auffassungen überein - auch Kritisches gesagt. Kritisch war beispielsweise der Hinweis - dies hat mich in der Tat überrascht -, daß er endlose - so war die Formulierung - Streitigkeiten zwischen Bund und den Ländern in dieser Frage befürchtet und daß er diesen Ansatz für konzeptionell falsch hält. Er hat im Ergebnis eine weitestgehende Bundeszuständigkeit für diese Dienste reklamiert. Welch eine Veränderung der Auffassung der SPD!
Hans-Otto Wilhelm
Meine Damen und Herren, haben Herr Thierse und andere nicht mitbekommen, daß Gegenstand des Streites der letzten eineinhalb Jahre war, daß die Länder alle neuen Dienste unter ihrer eigenen Zuständigkeit subsumiert wissen wollten, während der Bund der Auffassung war: Da es sich hier um Individualkommunikation handelt, ist das Zuständigkeit des Bundes?
-Dadurch werden Ihre Kritik und Ihre neuen Vorschläge nicht besser.
Meine Damen und Herren, Sie müssen doch den unmittelbaren Zusammenhang - deswegen ist diese Kritik unseriös und falsch - zwischen dem, was wir heute als Gesetz verabschieden, und dem Mediendienste-Staatsvertrag sehen. Sie wissen doch selbst sehr genau, daß das in Teilbereichen wortgleich ist, als Ergebnis eines Kompromisses, an dem auch die SPD in den Ländern mitgearbeitet hat.
Genau diesen Punkt greifen Sie als verantwortlicher Politiker der Bundestagsfraktion auf, erwarten daraus Streitereien und tadeln den Bundesminister. So unseriös oberflächlich kann man über diese Fragen nicht reden.
Ich hätte überhaupt nichts dagegen gehabt, wenn wir zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt - viele von uns waren dieser Meinung - diese neuen Dienste unter dem Begriff der Individualkommunikation subsumiert hätten. Denn dann wäre die alleinige Zuständigkeit des Bundes gegeben gewesen. Nur, die Länder haben doch - unabhängig von ihrer Farbe - die Frage aufgeworfen, ob dies nicht doch durch den Rundfunkbegriff gedeckt sei. Genau diese Frage, was Rundfunk und was Individualkommunikation ist, hat über viele Monate einen Streit zwischen Bund und Ländern, auch unter SPD-regierten und CDU-regierten Ländern wie auch querbeet herbeigeführt.
Jetzt kommen Sie auf einmal mit Ihrem neuen Modell, nachdem diese Probleme im MediendiensteStaatsvertrag Gott sei Dank einigermaßen geregelt sind, und werfen genau diesen Punkt unserem Minister vor. So können Sie doch - Entschuldigung - für jemanden, der aufmerksam diese Diskussion verfolgt, keine seriöse Politik machen.
Welche Folgen hat denn diese Feststellung, daß das alles falsch sei, obwohl das erst gerade gemacht wurde? Wir beschließen ja diese Gesetze erst noch. Der Mediendienste-Staatsvertrag soll in allen Ländern ratifiziert werden, und Sie stellen heute schon fest, daß das alles nur Anlaß zum Verdruß sei. Haben Sie keine Kommunikation mit Ihren sozialdemokratischen Genossen in diesen Fragen? Macht in einer für unsere industrielle und auch menschliche Entwicklung so bedeutsamen nationalen Frage - das haben Sie ja unterstrichen - jeder, was er will? Ich muß Ihnen sagen: Ich bin überrascht. Wollen Sie einen Gesetzentwurf vorlegen, nach dem wir jetzt wieder alles anders machen sollen? Reden Sie einmal mit Ihren sozialdemokratischen Länderkollegen, was die von Ihren Vorschlägen halten.
Wir haben einen Kompromiß gefunden, der sehr länderfreundlich ist. Herr Minister, ich bin nach wie vor nicht der Meinung, daß beispielsweise „pay per view" oder „video on demand" Rundfunk sind. Wir haben akzeptiert, daß es Rundfunk ist. Wir haben im Bereich des Zugangs einen Kompromiß erzielt. Das hat uns geholfen. Jetzt belassen wir es doch dabei! Versuchen wir doch einmal, auf dieser Basis gemeinsam eine Perspektive zu entwickeln! Denn wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre die Konsequenz gewesen, daß es einen erbitterten Rechtsstreit zwischen der Auffassung des Bundes und der Auffassung der Länder gegeben hätte, der nur vor dem Bundesverfassungsgericht hätte ausgetragen werden können. Stellen Sie sich bitte vor, was es für den Standort Deutschland bedeutet hätte, wenn wir die Frage, was Rundfunk und was Individualkommunikation ist, über mehrere Jahre vor dem Verwaltungsgericht hätten klären lassen wollen. Meinen Sie, damit wäre Verläßlichkeit, Solidität und Vertrauen, was diese Entwicklung anbelangt, in der Unternehmerschaft herbeigeführt worden?
Aber genau um dies herbeizuführen, haben wir einen Kompromiß geschlossen, an dem Sie beteiligt waren. Ich erwarte heute, daß Sie bei diesem Kompromiß bleiben und ihn nicht schon vor der Verabschiedung in den Ländern wieder zur Disposition stellen.
Sie haben emphatisch gerufen, das Thema Multimedia habe eine Bedeutung wie das Industriezeitalter. Dann helfen Sie durch konstruktives und pragmatisches Handeln, wie es mit dem vorliegenden Gesetz und dem Mediendienste-Staatsvertrag in einigermaßen guter Weise herbeigeführt wurde, mit, daß wir das erreichen. Hier muß also noch ein Stück Verantwortung hinzukommen.
Die Aufgabe der Opposition ist es nicht, Kritik an falschen Stellen zu üben. Sie ist vielmehr in wichtiger Zeit auch aufgefordert, Verantwortung mitzutragen. Dieser Verantwortung haben Sie sich heute - so finde ich - deutlich entzogen.
Meine Damen und Herren, ich bin auch nicht der Meinung, daß Ihr Vorwurf bezüglich der Verantwortlichkeiten im Internet - ich will nur diesen einen Aspekt herausgreifen - zutreffend ist. Der Geschäftsführer von Compuserve, Felix Somm - man soll immer die richtigen Leute zitieren -, hat dazu gesagt:
Endlich wird Klarheit über die Verantwortlichkeit für Inhalte im Internet geschaffen.
Er lobt vor allen Dingen den liberalen Ansatz des Gesetzentwurfes, Diensteanbieter sollten nur für eigene Inhalte verantwortlich gemacht werden.
Hans-Otto Wilhelm
- Aus der „Wirtschaftswoche" Nr. 10, Seite 111. Herr Tauss, schreiben Sie es sich auf, damit Sie es nicht wieder vergessen!
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, ist der vorliegende Entwurf der erste europäische Versuch, Ordnung in eine stürmische und sich nahezu jeden Tag verändernde Landschaft hineinzubringen.
Herr Thierse, Sie haben selbst gesagt, wir haben uns vor zwei Tagen über Microsoft-Entwicklungen informiert. Es gibt natürlich eine riesige Konvergenz, was Fernsehen und was PC anbelangt. Sony geht den Weg, auf dem klassischen Bildschirm zu surfen. Microsoft und NBC gehen den anderen Weg und wollen das im Computer herbeiführen. Das sind Entwicklungen, über deren Plausibilität und Übertragbarkeit in die Technik wir heute noch nichts Abschließendes sagen können. Wenn wir unsere Bereitschaft nicht erhalten, auch gesetzgeberisch flexibel auf diese Veränderungen einzugehen, werden wir die Zukunft verlieren. Aus diesem Grunde bin ich für ein Gesetz, das diese Entwicklungsmöglichkeiten gewährleistet, auch, wenn Sie so wollen, als Modell für vergleichbare andere nationale Gesetzgebung. Im Europäischen Parlament wird beispielsweise ein Signaturgesetz entwickelt, das sich offenkundig eng an das anlehnt, was bei uns im Bundestag entwickelt wurde. Es muß unser Ziel sein, Beispiel zu geben für andere, eine Entwicklung zu begleiten und innerhalb Europas zu Vereinheitlichungen zu kommen.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, bei allem Wenn und Aber, bei aller Notwendigkeit, über das eine und das andere zu reden, sollten wir versuchen, wenn die Länder den MediendiensteStaatsvertrag wirklich zum 1. Juli verabschieden wollen, ebenfalls zu diesem Zeitpunkt unser Gesetz zu verabschieden. Denn nur das macht Sinn. Es gibt diese Konvergenz, die wir alle wollten, zumindest früher. Sie kündigen sie heute offensichtlich auf. Bitte überlegen Sie das noch einmal. Ich glaube, daß dieses Gesetz genug Anreize für internationale Übereinkünfte bietet, sich anzupassen.