Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin offensichtlich heute morgen etwas begriffsstutzig. Ich kann nämlich nicht so recht erkennen, wohin diese Debatte eigentlich läuft.
Will man eine rechtliche Regelung, oder will man keine rechtliche Regelung, oder will man eine schärfere rechtliche Regelung, als hier vorgeschlagen worden ist? - Ich glaube, hier besteht noch einiger Klärungsbedarf.
Meine Damen und Herren, wer den schlanken Staat fordert und auf Deregulierung setzt, der ist gegenüber neuen Gesetzen grundsätzlich skeptisch. Ich glaube, das ist auch angebracht. Die F.D.P. hat sich deshalb dem heute eingebrachten Entwurf des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes anfangs nur sehr zögerlich genähert. Ich will das gern zugeben.
Die neuen Medien handeln mit alten, bekannten Inhalten, für die es einen umfassenden und funktionierenden Rechtsrahmen gibt - hier sind einige Bereiche genannt worden; ich werde darauf zurückkommen -, der möglichst nicht ausgeweitet werden sollte. An einigen Stellen allerdings entstehen durch die technologische Entwicklung aber derart neue Verwendungsmöglichkeiten, daß zweifellos die Notwendigkeit besteht, das bestehende Recht an diese Entwicklungen anzupassen.
Zudem fehlt wohl jedem von uns die notwendige Phantasie, sich vorstellen zu können, wohin denn die Entwicklungen in der Zukunft noch gehen werden. Wir wollen diese Entwicklungen, wir dürfen sie nicht durch zu stringente Gesetze blockieren. Meiner Meinung nach entspricht der neue Gesetzentwurf gerade dieser Forderung. Er läßt, wie von einigen Vorrednern kritisiert wurde, viele Bereiche offen, ohne die Dinge im Detail zu regeln, die wir noch gar nicht im Detail regeln können. Wir brauchen aber bestimmte Rahmenbedingungen, die für die Nutzer, für die Anwender, für die Kunden den rechtlichen Rahmen abstecken, in dem sie sich bewegen können.
Daher darf und kann es keine ins einzelne gehenden Regelungen geben. Wir müssen in der Lage sein, flexibel auf die jeweiligen Entwicklungen zu reagieren.
Meine Damen und Herren, Anfang nächsten Jahres fallen die Netzmonopole. Wir werden mit einer Fülle von neuen Dienstleistungen rechnen können. Dabei denken wir wahrscheinlich in den Kategorien der uns heute vertrauten Computerwelt. Wir können uns auch noch vorstellen, was es bedeutet, wenn die Kapazitäten der heutigen PC-Welt zukünftig auf halbem Raum verdoppelt werden. Aber können wir uns auch vorstellen, wie denn der Datentransfer funktioniert, wenn er nicht mehr über Festnetze läuft? - Nach meiner Kenntnis laufen weltweit auf dem Sektor der Datendirektübertragung über Satelliten sechs große Firmenprojekte. Kann sich jemand vorstellen, wie ein DNA-Computer arbeitet, welche Möglichkeiten diese neuen Techniken eröffnen? - 20 Minuten von Bonn entfernt, in der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, arbeitet man an einer neuen Computergeneration, die mit den bestehenden Technologien so viel gemein hat wie ein modernes Notebook mit der raumfüllenden Rechenmaschine von Konrad Zuse.
Wir können nicht erkennen, wie sich die Dinge in der Zukunft entwickeln werden, aber wir müssen gerüstet sein, um das, was dann auf uns zukommt, auch politisch handhaben zu können. Wir sollten es mit dem Philosophen Popper halten: Wir können die Zukunft nicht vorhersehen, aber wir müssen sie möglich machen und dürfen sie nicht verhindern. - Das ist der Grund, warum dieser Gesetzentwurf vorgelegt worden ist.
Ich denke, er entspricht dieser politischen Grundforderung.
An dieser Stelle möchte ich Herrn Minister Rüttgers, insbesondere aber auch den Mitarbeitern des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, ausdrücklich danken.
Man muß es einmal anerkennen: Sie haben diese komplexe Materie in sehr kurzer Zeit in den Griff bekommen, das Gesetz initiiert und die Mithilfe vieler Ressorts der Bundesregierung einbezogen, sie integriert. Ich denke, das ist wirklich der Erwähnung wert; denn schließlich befassen wir uns im Parlament und auch im federführenden Ausschuß - die Federführung hat der Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie erhalten - nicht so sehr mit Gesetzgebungsprozeduren. Wir haben sicherlich einige Anstrengungen zu unternehmen, um die Beratung dieses Gesetzentwurfes gut über die Runden zu bringen. Ich denke, wir sind gut beraten, wenn wir die anderen beteiligten Ausschüsse, insbesondere den Rechts- und den Innenausschuß, in angemessener Form an diesen Beratungen beteiligen und ihre Voten mit einbeziehen.
Das Informations- und KommunikationsdiensteGesetz bietet für unser Land und die in diesem Bereich tätigen Unternehmen wirtschaftliche Wettbe-
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
werbsvorteile, da Deutschland gegenwärtig das einzige Land mit einer gesetzlichen Gesamtkonzeption hierfür ist. Nun mögen andere das für hinderlich halten. Die zukünftigen Regeln zur Verantwortlichkeit, zum Urheberrecht und zum Datenschutz, aber auch die neugeschaffene digitale Signatur sind schon jetzt Grundlage entsprechender Überlegungen in der Europäischen Union und in weiteren internationalen Gremien. Die OECD, die Arbeitsgruppe ,,Elektronischer Handelsverkehr" der UNO und auch die G-7- Finanzministerkonferenz haben ebenso großes Interesse an unserem Gesetzesvorschlag wie die USA, Japan, Rußland oder China. Sie alle diskutieren internationale Regelungen auf der Grundlage des vorliegenden Gesetzesvorschlages. Das ist gut so.
Daß wir letztlich einen internationalen Rechtsrahmen brauchen, ist wohl jedermann klar und unumstritten. Hier folge ich Herrn Rüttgers: Es darf keinen rechtsfreien Raum geben, auch nicht im Internet. Wir wissen, wie schwierig das ist.
Dieser Gesetzentwurf steht im Gegensatz zum Entwurf des Gentechnikgesetzes. Da haben wir in unserer ersten Fassung wohl etwas überzogen; niemand in der Welt ist auf unsere Vorstellungen eingegangen. Heute sieht das etwas anders aus. Ich denke, wir sollten dies zur Kenntnis nehmen und bei unseren Beratungen immer im Blick haben.
Besondere Probleme stellen der Datenschutz und die berechtigten Interessen der Menschen am Schutz ihrer Informationen und Inhalte vor unbemerktem Einblick dar. Die Tatsache, daß dieser Gesetzentwurf keinerlei Aussagen zur Kryptographie enthält, wird an mancher Stelle - siehe Herr Kiper - so interpretiert, als solle dies zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert werden.
Meine Damen und Herren, für die F.D.P.-Bundestagsfraktion erkläre ich unmißverständlich, daß es ein Kryptographiegesetz, das zum Ziel hat, die Verschlüsselungsmöglichkeiten der Nutzer zu beschränken oder sogar zu verbieten, mit der F.D.P. nicht geben wird.
Dies sage ich aus der Erkenntnis, daß das, was hiermit beabsichtigt würde, erstens technologisch nie erreichbar wäre und zweitens eine Preisgabe von Schutzmöglichkeiten privater, wirtschaftlicher und - das sage ich aus eigener, jüngst gemachter schmerzlicher Erfahrung - wissenschaftlicher Daten und Informationen vor unautorisierten, unlauteren oder sogar kriminellen Machenschaften nicht zugelassen werden darf. Die F.D.P. wird dies nicht zulassen.
- Wir stehen ganz stabil.
Im übrigen sollten wir vielleicht eher von Verschlüsselungstechnik reden. Ich habe nämlich einmal nachgesehen, was Kryptographie eigentlich ist. Vielleicht darf ich das zur Erheiterung sagen; es steht im Lexikon. Kryptographie ist „absichtslos entstandene Kritzelzeichnung bei Erwachsenen".
Betreiben Sie hier also Kryptographie?
Die F.D.P. begrüßt die gefundene Aufteilung der Anwendungsbereiche zwischen dem Medienstaatsvertrag und dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz. Angesichts der Notwendigkeit, schnell Rechtsklarheit zu schaffen, war es richtig, eine pragmatische Definition der Anwendungsbereiche einem jahrelangen Verfassungsstreit zwischen Bund und Ländern vorzuziehen. Auch Herrn Thierse muß doch bewußt sein, welche Schwierigkeiten es da gibt. Wir alle wissen, daß die Abgrenzung Mediendienste und Teledienste sehr künstlich ist. Die Bereiche sind miteinander verwachsen, und sie werden in Zukunft noch viel stärker miteinander verwachsen. Das kommt alleine schon durch die technischen Entwicklungen. Dann gibt es kein Fernsehgerät oder einen getrennten Monitor beim PC mehr, sondern das wächst alles zusammen; die Kommunikations-Welt wächst zusammen. Deswegen wird auch das, was nun als Regelungsmöglichkeit auf dem Tisch liegt, irgendwann wieder auf den Prüfstand gestellt werden müssen.
Wir haben im Augenblick keine andere Wahl; wir müssen uns mit der Realität der verfassungsrechtlichen Regelungen auseinandersetzen und diese in unsere Überlegungen und Lösungskonzepte mit einbeziehen. Da hilft alles Wehklagen nichts. Wir müssen die Entwicklungen aber sehr interessiert weiterverfolgen.
Ich hätte gerne noch ein Wort zum Signaturgesetz gesagt. Herr Kiper, ich stimme Ihnen nicht zu. Sie vermuten, damit würden die Dinge endgültig festgeschrieben.