Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit Ihnen, Herr Kollege Thierse, was Ihre Analyse der Auswirkungen und auch was manche Ziele betrifft, die Sie hier genannt haben, zum Beispiel Fortschritt durch mehr Wettbewerb, im Grundsatz durchaus überein. Allerdings haben Sie hier auch einige Aussagen gemacht, die nicht unwidersprochen bleiben können.
Zum Beispiel haben Sie dem Bundesminister vorgeworfen, er tue zu wenig dafür, daß die Schulen mit Computern ausgestattet werden. Verschwiegen haben Sie, daß dafür die Länder und die Kommunen zuständig sind.
- Ja, wider besseres Wissen. - Daß der Bund trotzdem eine Initiative ergriffen hat, ist eine zusätzliche Leistung.
Wenn Sie das Gesetz madig machen wollen, muß ich Ihnen entgegenhalten: Ich vermisse Ihre eigenen Vorschläge.
Das, was Sie vorgeschlagen haben, bedeutet mehr Bürokratie, neue Behörden, noch schwerfälligere Regelungen. Das kann doch nicht die Lösung sein.
Ich möchte Ihnen ein Weiteres nahelegen: Hören Sie auf, einen Türken zu bauen, indem Sie der Union - ich muß schon sagen: böswillig - unterstellen, sie wolle das duale Rundfunksystem in Frage stellen. Ich sage hier noch einmal: Wir stehen zu diesem System, natürlich auch zur Bestandsgarantie des öffentlich- rechtlichen Rundfunks.
Wir reden viel von der Informationsgesellschaft. Lassen Sie mich deshalb am Beginn der Debatte noch einmal einige Gedanken bewußtmachen und der Frage nachgehen: Was wird anders, und was ist neu? Man muß feststellen, daß es in diesem Bereich, wie kaum woanders, eine Kommunikationslücke gibt.
Da gibt es zum einen die Freaks, denen Begriffe wie Homepage, E-mail, Browser - und was es da so alles gibt - ganz locker über die Lippen gehen und die überhaupt nicht verstehen können, daß jemand damit nichts anfangen kann. Aber wenn man mit Kollegen, mit Schulklassen oder mit welcher Gruppe auch immer darüber redet und diese Begriffe verwendet, gibt es zum anderen immer einige, die ganz schüchtern sagen: Ich weiß eigentlich gar nicht, was das ist. Ich meine deshalb, jeder sollte sich einmal eine halbe Stunde Zeit nehmen, um sich mit den Grundbegriffen dieser Technik auseinanderzusetzen.
Ausgang dieser Entwicklung ist ja eine rasante technische Entwicklung von Computern und Netzen. Übertragungsleistung, Rechnergeschwindigkeit und Speicherkapazität entwickeln sich mit atemberaubendem Tempo. Die Leistungsfähigkeit der Mikrochips verdoppelt sich alle eineinhalb Jahre. Es ist abzusehen, wann ein Chip mit Daumennagelgröße 1 Milliarde digitale Informationen wird speichern können. Der Gigabit-Chip kommt zur Jahrtausendwende.
Mit der rasanten Entwicklung der Geräte nimmt aber ihre relative Bedeutung ab. Zunehmend gewinnt die Software an Bedeutung. Ich möchte hier den Vorstandsvorsitzenden von Siemens zitieren, der gesagt hat, daß im Bereich Telekommunikation Software und Engineering mittlerweile einen Anteil in der Größenordnung von 80 Prozent der Wertschöpfung haben. Also: Die Software, die für den Compu-
Dr. Martin Mayer
ter übersetzten menschlichen Gedanken und Handlungsanweisungen, verdrängen die faßbaren Produkte auf den zweiten Platz.
Angesichts dieser rasanten Entwicklung wird sich auch im Alltag viel verändern, zum Teil unmerklich und zum Teil sprunghaft. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ich möchte dafür einige Beispiele bringen.
Wem ist denn schon aufgefallen, daß die Darstellung von Magazinen, aber auch Zeitungen immer mehr einem Computerbild ähnelt? Das wird natürlich auch auf andere Bereiche übergehen. Daraus folgt: Das Bild und die Vorgehensweise der Arbeit am Computer werden immer mehr unser Denken und unsere Wahrnehmung beeinflussen.
Ein anderes Beispiel: Kürzlich habe ich am Montag abend ein Eckwertepapier aus dem Internet geholt, das mir am Dienstag abend offiziell per Post zugeleitet worden ist. Das bedeutet doch: Der Bürger in Berchtesgaden, Flensburg oder San Francisco ist, wenn er zum richtigen Zeitpunkt zugreift, besser informiert als der Abgeordnete vor Ort, der sich nur der herkömmlichen Mittel bedient.
Das gilt nicht nur für die Abgeordneten, sondern bedeutet eine Herausforderung für alle Berufe, die sich damit beschäftigen. Wer der Information nicht hinterherhinken will, muß sich umstellen.
Weitere Beispiele sind die Browser, die Suchmaschinen - das Suchen im Netz wird sehr viel einfacher -, die Links und die Querverbindungen im World-Wide-Web. Auch wenn das alles noch nicht vollkommen ist, läßt es doch erahnen, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben, daß man jede Information, die irgendwo auf der Welt gespeichert ist, zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufen kann.
An diesen Beispielen wird klar: Es wird sich viel ändern, wir werden viel lernen müssen. Das führt zu gewaltigen kulturellen und politischen Herausforderungen.
Ziel des Gesetzentwurfes ist es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß Deutschland diese Herausforderung bestehen kann. Unser Ziel muß es sein, bei den neuen Diensten weltweit in der ersten Liga zu spielen, und zwar möglichst unmittelbar hinter den unangefochten führenden USA auf dem zweiten Platz. Ich glaube, es ist ganz wichtig, daß wir uns dieses Ziel setzen.
Für die Verwirklichung dieses Ziels spielt die Gesetzgebung eine entscheidende Rolle. Sie muß auf die raschen Veränderungen eingehen können. Dabei können wir von den Softwareentwicklern in den USA lernen. Wenn diese ein großes Programm entwickeln, gehen sie auch dann auf den Markt, wenn sie noch nicht alle Fehlerquellen ausgetestet haben. Wenn dann ein Fehler auftaucht, sagen sie: Das ist eine Herausforderung. Mit der deutschen Mentalität, die gleich alles hundertprozentig perfekt machen möchte und jeden Fehler als Schande und Skandal empfindet, kann man nicht erfolgreich sein. Das gilt sowohl für große Computerprogramme als auch für die Gesetzgebung in einem Bereich, in dem sich alles schnell ändert.
In der Gesetzgebung zur Informationstechnik brauchen wir bei den rechtlichen Regelungen den Mut, der Innovation Spielraum zu lassen. Das tut der vorliegende Gesetzentwurf.
Ich möchte aber auch eine kritische Anmerkung zu einem Beispiel machen, zu dem noch Diskussionen notwendig sind. In Art. 2- Teledienstedatenschutzgesetz - § 3 Abs. 3 wird verboten, daß ein Diensteanbieter die Erbringung von Telediensten von einer Einwilligung des Nutzers in eine Verarbeitung und Nutzung seiner Daten für andere Zwecke abhängig macht. Das darf ein Diensteanbieter nicht. Das mag zunächst einleuchtend sein und dem Mißbrauch von Monopolen entgegenwirken.
Es könnte aber auch sein, daß man bestimmte Dienste in der Werbung nur unter der Voraussetzung erbringen kann, daß der Nutzer in die Verwendung der Daten für andere Zwecke einwilligt. Wollen wir solche Entwicklungen für ganz bestimmte Dienste in der Werbung in Deutschland von vornherein abschneiden? Ich meine, wir sollten das nicht tun. Wir sollten deshalb nach dem Grundsatz „Lieber eine Vorschrift weglassen und dann, wenn es sich als notwendig erweist, nachbessern" handeln.
Dabei könnte natürlich die Frage auftauchen: Warum brauchen wir überhaupt ein Gesetz? Ich meine, es gibt eine Reihe von offenen Fragen, die bei den Anbietern zu Rechtsunsicherheit führen. Rechtssicherheit ist aber eine wichtige Voraussetzung für Investitionen am Standort Deutschland. Sie bereitet den Boden für Arbeitsplätze, die neu entstehen könnten.
Jeder weiß, daß durch die neuen Informations- und Teletechniken Arbeitsplätze wegfallen. Um so wichtiger ist es, daß wir neue Dienste dort fördern können, wo neue Arbeitsplätze entstehen. Über diesen Punkt sind sich im übrigen auch Bund und Länder einig.
Streitig ist allerdings die Verteilung der Kompetenz und die Regelungsdichte, bei der die Länder zum Teil auf höhere Regelungsdichte setzen. Die Lösung, die jetzt gefunden worden ist - das war ein schwieriger Kompromiß -, lautet: Mediendienstestaatsvertrag der Länder einerseits und Informations- und Kommunikationsdienstegesetz des Bundes andererseits mit inhaltlich weitgehend wortgleichen Regelungen.
Diese Lösung ist ein tragfähiger Kompromiß. Sie gewährleistet die Zugangsfreiheit, regelt grundsätzlich die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern und bringt eine Reihe von Klarstellungen.
Die Wortgleichheit der Regelungswerke und die Entscheidung der Länder für den Staatsvertrag haben allerdings einen erheblichen Nachteil, nämlich den, daß diese Regelungen insgesamt schwer zu än-
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dern sind. Das ist in einer Welt, die sich schnell verändert, ein erheblicher Nachteil.
Sie hat zweitens den Nachteil, daß den Parlamenten in der Gesetzgebung die Hände weitgehend gebunden sind; denn bei einem Staatsvertrag haben die Länderparlamente - anders als bei den Landesgesetzen - nur die Möglichkeit, zu ratifizieren oder nicht zu ratifizieren. Wir stehen vor dem Problem, daß wir möglicherweise vom Mediendienstestaatsvertrag abweichen, wenn wir im Informations- und Kommunikationsdienstegesetz etwas ändern.
Ich möchte Ihnen für die raschen Veränderungen ein Beispiel nennen: Bis vor eineinhalb Jahren war es für den Normalverbraucher praktisch unmöglich, eine eigene Homepage, das heißt: eine Darstellung von eigenen Inhalten im Netz zu haben. Mittlerweile kann sich jeder, der bei den großen Online-Diensten wie T-Online, Compuserve und AOL ist, ohne Zusatzkosten selber eine Homepage einrichten. Mehrere Zehntausend haben diese Möglichkeit genutzt. Daß diese Homepages ein Angebot an die Allgemeinheit sind, wird wohl keiner abstreiten wollen. Aber daß sie deshalb unter den Multimedia-Staatsvertrag fallen sollen, würde ich doch schwer in Zweifel ziehen.
Eine erfolgreiche Entwicklung bei den Informations- und Kommunikationstechniken ist nur privatwirtschaftlich möglich. Dem trägt das Gesetz Rechnung, indem es sich auf die Regelung von Rahmenbedingungen konzentriert. Im Gegensatz dazu stehen die Anträge der Opposition, die im Grundsatz alle Verantwortlichkeit auf den Staat abladen. Ich könnte jetzt die entsprechenden Passagen aus Anträgen von den Grünen und von der SPD vorlesen, wo das im einzelnen gemacht wird, wo die Verantwortlichkeit immer vollständig auf den Staat abgeladen wird. Ich halte das für völlig falsch.
In diesem Bereich ist es viel wichtiger, die Rahmenbedingungen richtig zu setzen und der Innovation Spielraum zu lassen, als ständig nach staatlichem Geld zu rufen. Hier muß privates Geld hinein; hier muß letztlich unternehmerischer Mut greifen.
Der Staat muß sich auf die Festlegung der allgemeinen Spielregeln und ihrer Einhaltung beschränken. Jeder Versuch, den Unternehmen darüber hinaus ins Handwerk zu pfuschen, muß zu Mißerfolgen führen. Herr Thierse, wenn sie vorhin beklagt haben, daß wir zu wenig Wettbewerb haben, dann kann ich nur die Gegenfrage stellen: Wer saß denn eigentlich, als es darum ging, im Bereich der Telekommunikation den Wettbewerb zu liberalisieren, im Bremserhäuschen? Das war doch die SPD.
Die Spielregeln, die der Staat festlegen muß, beziehen sich auf die Verfolgung strafbarer Handlungen, auf den Jugendschutz, auf den Datenschutz, auf die Gewährleistung der allgemeinen Sicherheit, auf die Regelungen für das Urheberrecht und den Wettbewerb und auf einiges andere mehr.
Für die strafbaren Inhalte und den Jugendschutz gilt grundsätzlich, daß über das Netz keine anderen Inhalte übermittelt werden als über Band und Diskette. Der Unterschied ist allerdings, daß ich im Fall von Band und Diskette die Information unmittelbar sozusagen körperlich mitnehmen muß, während mir über das Netz die Information unmittelbar ins Wohnzimmer geliefert wird, ohne daß es jemand bemerkt.
Der Gesetzentwurf hat einige Klarstellungen getroffen, nämlich: Der Diensteanbieter ist nur für eigene Inhalte verantwortlich. Im Falle von fremden Inhalten, zu denen lediglich Zugang vermittelt wird, ist der Diensteanbieter nicht verantwortlich. Allerdings gibt es eine Zone, die sehr schwierig zu fassen ist, nämlich im Fall der fremden Inhalte, die zur Nutzung bereitgehalten werden. Hinsichtlich einer genauen Definition ist noch eine eingehende Diskussion notwendig. Beispielsweise ist der Diensteanbieter im Fall der News-Gruppen nur dann verantwortlich, wenn er von den Inhalten Kenntnis hat und wenn es technisch möglich und zumutbar ist, die Nutzung zu verhindern.
Wir stellen hier auch einen gewissen Widerspruch fest,
einen Widerspruch innerhalb der Forderungen der Diensteanbieter. Einerseits wollen sie, daß alles bis ins letzte geregelt ist- sie wollen Sicherheit haben, was gehört zum einen und was zum anderen -, und andererseits erheben sie die Forderung, daß das Gesetz für neue technische Entwicklungen offen sein soll. Da muß man sich für das eine oder andere entscheiden. Ich bin eher dafür, daß wir das Gesetz so formulieren, daß es für neue technische Entwicklungen offen ist, daß wir im Hinblick auf eine dynami-
Dr. Martin Mayer
sche Entwicklung die Dinge nur allgemein festschreiben und nicht ins Detail gehen.
Es ist im übrigen klargestellt worden, daß die elektronische Präsentation der Schrift- und Bildform gleichgestellt wird.
Beim Schutz vor strafbaren Handlungen im Internet haben wir mit zwei Problemen im besonderen zu kämpfen. Das eine Problem ist, daß auf der Infobahn auf den gleichen technischen Wegen und technisch nicht unterscheidbar einerseits Informationen, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, und andererseits Informationen transportiert werden, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Das ist gegenwärtig technisch nicht zu trennen, vielleicht später einmal.
Das zweite Problem ist, daß das Internet so organisiert ist, daß alle weltweit für die Allgemeinheit verfügbaren Informationen für jedermann, der Zugang zum Internet hat, an jeder Stelle zugänglich sind. Das führt zu dem Ergebnis, daß rechtsradikale Inhalte, die in Kanada eingespeist werden, oder pornographische Inhalte, die in irgendeinem Land der Welt eingespeist werden, in Deutschland abgerufen werden können.
- Ich erkläre es allen, die zuhören wollen.
Dies führt dazu, daß Dinge auch in anderen Ländern verbreitet werden.
Da das Internet so organisiert ist, daß uneingeschränkt alle weltweit angebotenen Inhalte jedem weltweit zum Abruf zur Verfügung stehen, wird eine Sperrung einzelner Leitungen oder Knoten in Deutschland systemimmanent dazu führen, daß das Ganze auf anderem Wege den Nutzer erreicht. Somit laufen alle Vorschriften, die sich speziell darauf beziehen, ins Leere. Deshalb muß man sich, wenn man absolut verhindern will, daß Inhalte, die strafbar sind, den deutschen Nutzer erreichen, vom Internet abkoppeln. Das wird in Deutschland bei dieser Entwicklung im Ernst wohl niemand wollen.
Wir müssen deshalb andere Wege gehen. Die Anstrengungen - das ist schon gesagt worden - um internationale Vereinbarungen müssen verstärkt werden. Das ist angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in den einzelnen Kulturräumen der Welt sehr schwierig. Daher sollten wir einen Anfang machen und sollten einmal versuchen, wenigstens in Europa und Nordamerika zu einheitlichen Anforderungen zu kommen, weil damit ein wichtiger Schritt gemacht wird. Außerdem müssen natürlich die technischen Voraussetzungen weiterentwickelt werden, um strafbare und jugendgefährdende Inhalte vom heimischen Computer fernzuhalten. Ich nenne nur das Stichwort „Filtertechnik".
Voraussetzung für die Bekämpfung von strafbaren Inhalten im Netz, auch im Inland, ist natürlich das Auffinden dieser Inhalte. Hier sind besonders die Länder gefordert. Herr Thierse, Sie haben Vorwürfe an den Bund gerichtet und haben die Länder vergessen. Aber ich will die Länder hier besonders nennen. Alle Länder sollten nach dem Vorbild Bayerns eigene Polizeieinheiten bilden, die im Netz patrouillieren. Es gibt schon Beispiele dafür, daß das sehr hilfreich ist. Dabei müssen wir auf die Mithilfe der Bürger zählen. Es kommt hinzu, daß mit der Verfeinerung der Suchmaschinen auch die Suche nach strafbaren Inhalten leichter wird.
Mit der Pflicht, einen Jugendschutzbeauftragten zu benennen oder einer entsprechenden Organisation beizutreten, wird zusätzlich etwas für den Kinder- und Jugendschutz getan. Selbstverständlich müssen alle Beteiligten bereit sein, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, um im Rahmen des Zumutbaren einen Beitrag zum Jugendschutz zu leisten. Die Verantwortung der Eltern und die Vermittlung von Wertvorstellungen in der Erziehung gewinnen an Bedeutung. Dem Zuwachs an Freiheit durch das Netz muß ein Zuwachs an Verantwortungsbereitschaft gegenüberstehen.
Herr Thierse, Sie haben vorhin das Thema Medienkompetenz angesprochen. Es geht doch nicht darum, die Kinder und Jugendlichen zu lehren, wie man mit der Maus umgeht oder wie man ins Internet hineinkommt; das können sie alle schon. Vielmehr geht es darum, denen ein Wertebewußtsein beizubringen.
Das ist ein wichtiger Punkt, die Erziehung muß hier im Vordergrund stehen.
Über die Gewährleistung der Datensicherheit ist bereits gesprochen worden. Hier gilt noch mehr als in anderen Bereichen die vorrangige Verantwortung derjenigen, die ein derartiges System den Kunden anbieten: der Banken, der Kreditkartenfirmen, der Versandhäuser und anderer Diensteanbieter.
Ein gewisses Regulativ ergibt sich bereits über den Markt und den Kunden. Wenn die Bezahlung über das Netz mit viel größerer Unsicherheit verbunden ist als der Versand eines Verrechnungsschecks, dann werden die Kunden auf diesen schnellen und einfachen Weg schon verzichten, wenn ihnen die Sicherheit wichtiger ist.
Aber natürlich ist in dieser Frage auch der Staat gefordert, und zwar in zwei Bereichen: einmal, wenn es um die öffentliche Sicherheit und Ordnung geht, und zum anderen beim Schutz des Schwächeren.
Mit dem Signaturgesetz wird zusätzlich die Voraussetzung geschaffen, daß in den Fällen, wo die Sicherheit eine entscheidende Rolle spielt, der be-
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treffende Betreiber eine staatliche Garantie erlangen kann.
Der Schutz des Schwächeren ist besonders auch im Urheberrecht erforderlich, wo der einzelne im Vergleich zu den großen Anbietern oft nicht in der Lage ist, sein Recht durchzusetzen. Die Enquete-Kommission wird zu dieser Frage einen Bericht vorlegen. Ich meine, der Grundgedanke lautet: Der Gesetzgeber muß sich vom Ziel leiten lassen, dem Urheber, dem Künstler, zu helfen, daß er zumindest finanziell nicht übervorteilt wird.
Wir müssen weiterhin dem Gedanken Rechnung tragen, daß die Regelungen des Urheberrechts nicht zu einer Blockade und zu einer unverhältnismäßigen Erschwerung der Verwertung von Inhalten durch einzelne führen dürfen. Wenn man beispielsweise bei. einer digitalen Verwertung von Daten die Zustimmung aller Beteiligten einholen wollte, wäre ein Verkauf entsprechender CD-ROMs nicht möglich.
Weltweit nimmt die Bedeutung der Inhalte im Netz zu. Wir Europäer haben so große Reichtümer in der Musik, in der Kunst, in der Malerei, in der Architektur zu bieten. Es ist eine kulturelle Verpflichtung, daß wir es ermöglichen, daß diese künstlerischen Werte der Welt zugänglich gemacht werden.
Das ist aber nicht nur eine kulturelle Verpflichtung, sondern das hat auch erhebliche wirtschaftliche Bedeutung und Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Es kann doch nicht sein, daß große amerikanische Unternehmen die Inhalte ganzer Museen in Europa aufkaufen.
Ich meine, da sollten wir uns auf die Füße stellen und selbst ein Bewußtsein entwickeln.
Die musischen Fähigkeiten, die Kreativität und die Bereitschaft, auf die Kunden einzugehen, gewinnen immer größere Bedeutung. Das ist auch eine große Chance für Frauen, die bisher im technischen Bereich eigentlich nicht präsent sind. Gehen sie doch einmal in die großen Firmen der Informationstechnik, und schauen Sie sich dort an, wie gering leider der Anteil der Frauen ist. Wenn es um Inhalte, wenn es um musische Fähigkeiten geht, können gerade die Frauen hier ihre Chancen wahrnehmen. Ich glaube, dies sollten wir bei einer solchen Gelegenheit auch einmal aussprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Art und Weise, wie wir die Info- und Teletechniken, die immer leistungsfähiger werden, in neuen Anwendungen und Diensten umsetzen, wird unsere Zukunft entscheidend prägen. Erfolgreich werden wir nur dann sein, wenn wir Gefahren und Risiken begrenzen, den Beteiligten mehr Rechtssicherheit geben, genügend Freiraum für neue Entwicklungen schaffen, Kreativität und Innovationsbereitschaft fördern und insgesamt die Begeisterung für neue Aufgaben wecken. In diesem Sinne und mit diesem Zielwünsche ich dem Gesetzentwurf gute Beratungen in den Ausschüssen.