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    Plenarprotokoll 13/170 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 170. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. April 1997 Inhalt: Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienstegesetz) (Drucksache 13/7385) 15373 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Technikfolgenabschätzung hier: Multimedia - Mythen, Chancen und Herausforderungen (Drucksachen 13/2475, 13/5163) 15373 B c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Thierse, Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD:... Deutschlands demokratischer Weg in die Informationsgesellschaft - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Manuel Kiper, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), Manfred Such, Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:... Ein ökologischer, sozialer und demokratischer Weg in die Informationsgesellschaft III (Schutz und Entfaltung selbstbestimmter Nutzung) (Drucksachen 13/5197, 13/5777, 13/ 6856) 15373 B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 15373 D Siegmar Mosdorf SPD 15378 A Wolfgang Thierse SPD 15378 D Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 15382 B, 15387 B Thomas Krüger SPD 15386 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15387 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. . . 15390 A Wolfgang Bierstedt PDS 15392 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 15393 D Jörg Tauss SPD 15394 A Franz Thönnes SPD 15395 C Hans-Otto Wilhelm (Mainz) CDU/CSU 15397 C Jörg Tauss SPD 15399 C Tagesordnungspunkt 15: Große Anfrage der Abgeordneten Horst Sielaff, Dr. Gerald Thalheim, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zukunft der Landwirtschaft im Zusammenhang mit der EU-Agrarreform, der Osterweiterung und GATT/ WTO (Drucksachen 13/4205, 13/5333) 15402 B Horst Sielaff SPD 15402 B Jochen Borchert, Bundesminister BML 15404 B Horst Sielaff SPD 15404 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15407 B Ulrich Heinrich F.D.P. 15408 D Eva Bulling-Schröter PDS 15410 B Albert Deß CDU/CSU 15411 A Dr. Gerald Thalheim SPD 15412 C Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . . 15414 B Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Detlef Kleinert (Hannover), Norbert Geis und weiterer Abgeordneter: Rechtschreibung in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 13/7028) 15416 A Franz Peter Basten CDU/CSU 15416 B Dr. Liesel Hartenstein SPD 15418 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15420 B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 15421 C Maritta Böttcher PDS 15422 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. (zur GO) . . 15423 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15423 D Ulrich Irmer F.D.P 15424 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (zur GO) 15424 D Nächste Sitzung 15424 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 15425* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 15425* C 170. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. April 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bachmaier, Hermann SPD 18.4. 97 Bläss, Petra PDS 18. 4. 97 Blunck, Lilo SPD 18. 4. 97 Duve, Freimut SPD 18. 4. 97 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 18. 4. 97 90/DIE GRÜNEN Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 18. 4. 97 Gansel, Norbert SPD 18. 4. 97 Götz, Peter CDU/CSU 18. 4. 97 Haack (Extertal), SPD 18. 4. 97 Karl Hermann Hempelmann, Rolf SPD 18. 4. 97 Dr. Hendricks, Barbara SPD 18. 4. 97 Homburger, Birgit F.D.P. 18. 4. 97 Horn, Erwin SPD 18. 4. 97 Dr. Jacob, Willibald PDS 18. 4. 97 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 18. 4. 97 Knoche, Monika BÜNDNIS 18. 4. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 18. 4. 97 Koppelin, Jürgen F.D.P. 18. 4. 97 Kröning, Volker SPD 18. 4. 97 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 18. 4. 97 Lehn, Waltraud SPD 18. 4. 97 Löwisch, Sigrun CDU/CSU 18. 4. 97 Dr. Maleuda, Günther PDS 18. 4. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 18. 4. 97 Dr. Pick, Eckhart SPD 18. 4. 97 Purps, Rudolf SPD 18. 4. 97 Reschke, Otto SPD 18. 4. 97 Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 18. 4. 97 90/DIE GRÜNEN Rühe, Volker CDU/CSU 18. 4. 97 Schenk, Christa PDS 18. 4. 97 Schloten, Dieter SPD 18. 4. 97 Schmidt-Zadel, Regina SPD 18. 4. 97 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 18. 4. 97 Hans Peter Schütz (Oldenburg), SPD 18. 4. 97 Dietmar Steen, Antje-Marie SPD 18. 4. 97 Such, Manfred BÜNDNIS 18. 4. 97 90/DIE GRÜNEN Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Terborg, Margitta SPD 18. 4. 97 Türk, Jürgen F.D.P. 18. 4. 97 Vogt (Pforzheim), Ute SPD 18.4. 97 Wallow, Hans SPD 18.4. 97 Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 18.4. 97 Welt, Jochen SPD 18. 4. 97 Wester, Hildegard SPD 18. 4. 97 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 18. 4. 97 Margareta 90/DIE GRÜNEN Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 18. 4. 97 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Abgeordnete Dr. Wolfgang Wodarg hat mit Schreiben vom 16. April 1997 den Gruppenantrag „Änderung des Bundesseuchengesetzes: Aufnahme der übertragbaren spongiformen Gehirnentzündung" - Drucksache 13/7359 - zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Haushaltsausschuß - Unterrichtung durch die Bundesregierung Über- und außerplanmäßige Ausgaben im ersten Vierteljahr des Haushaltsjahres 1993 - Drucksachen 12/5088, 13/725 Nr. 74 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Über- und außerplanmäßige Ausgaben im zweiten Vierteljahr des Haushaltsjahres 1993 - Drucksachen 12/5675, 13/725 Nr. 75 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Über- und außerplanmäßige Ausgaben im dritten Vierteljahr des Haushaltsjahres 1993 - Drucksachen 12/6292, 13/725 Nr. 76 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung Über- und außerplanmäßige Ausgaben im vierten Vierteljahr des Haushaltsjahres 1993 - Drucksachen 12/7065, 13/725 Nr. 78 - Ausschuß für Verkehr - Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht über Schäden an Bauwerken der Bundesverkehrswege - Drucksachen 13/3970, 13/4401 Nr. 4 - Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/7117 Nr. 1.1 Finanzausschuß Drucksachen 13/6357 Nr. 2.18, 13/6861 Nr. 4 Drucksache 13/6861 Nr. 1.1 Drucksache 13/6861 Nr. 1.2 Drucksache 13/6861 Nr. 2.13 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/6454 Nr. 1.11 Drucksache 13/6766 Nr. 1.4 Drucksache 13/6766 Nr. 1.6 Drucksache 13/6766 Nr. 1.7 Drucksache 13/6766 Nr. 1.12 Drucksache 13/6766 Nr. 1.13 Drucksache 13/6766 Nr. 2.5 Drucksache 13/6766 Nr. 2.12 Drucksache 13/6766 Nr. 2.13 Drucksache 13/6766 Nr. 2.16 Drucksache 13/6766 Nr. 2.18 Drucksache 13/6766 Nr. 2.24 Drucksache 13/6766 Nr. 3.1 Drucksache 13/7017 Nr. 1.12 Drucksache 13/7017 Nr. 2.13 Drucksache 13/7017 Nr. 2.28 Drucksache 13/7017 Nr. 2.35 Drucksache 13/7017 Nr. 2.38 Drucksache 13/7017 Nr. 2.40 Drucksache 13/7017 Nr. 2.42 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/2306 Nr. 2.41 Drucksache 13/3668 Nr. 1.14 Drucksache 13/4137 Nr. 2.16 Drucksache 13/4137 Nr. 2.46 Drucksache 13/5056 Nr. 2.1 Drucksache 13/5687 Nr. 2.10 Drucksache 13/6152 Nr. 2.10 Drucksache 13/6357 Nr. 2.19 Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/6357 Nr. 2.3 Drucksache 13/6593 Nr. 1.11 Drucksache 13/6861 Nr. 2.16 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/6454 Nr. 1.19 Drucksache 13/6861 Nr. 1.3 Drucksache 13/6861 Nr. 2.5 Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Drucksache 13/6357 Nr. 1.5 Drucksache 13/6357 Nr. 1.6 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/6357 Nr. 1.2 Drucksache 13/6357 Nr. 1.3 Drucksache 13/6593 Nr. 1.8 Drucksache 13/6593 Nr. 1.9 Drucksache 13/6766 Nr. 1.1 Drucksache 13/6766 Nr. 2.8 Drucksache 13/6766 Nr. 2.17 Drucksache 13/6861 Nr. 2.14 Drucksache 13/7017 Nr. 1.1
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    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Begriff der Informationsgesellschaft wird fast schon wie eine Beschwörungsformel verwendet. Politiker und Publizisten unterscheiden sich meist nur darin, daß der eine den Übergang zur Informationsgesellschaft beschwört, der andere uns an ihrem Beginn sieht und dieser oder jener feststellt, wir seien bereits mittendrin.
    In Wirklichkeit finden wir einen rasanten Vorgang, bei dem es um die Existenzchancen und um die Lebensweise schon in den allernächsten Jahren geht. Der Vorgang ist nur zu vergleichen mit der industriellen Revolution, die binnen 200 Jahren das gesellschaftliche Leben total veränderte. Jetzt kommt ein solcher Einschnitt wieder vor. Er wird schneller durchschlagen als die Industrialisierung und genauso tief in unsere Lebenswelt eingreifen.
    „Wir befinden uns mitten in einem Umbruch des geltenden Systems der Wertschöpfung", schreibt Johann Welsch. Das System ist noch gekennzeichnet durch Tätigkeiten wie „Rohstoffe gewinnen, Werkstoffe und Gegenstände verformen, Dinge bearbeiten, materielle Produkte bewegen und transportieren. Unterstützt werden diese Arbeiten durch die Nutzung von Sachkapitalgütern." Das geht zu Ende. Sie werden ersetzt durch „Sammeln, Auswerten, Ver-

    Wolfgang Thierse
    ändern, Übertragen und Verteilen von Informationen - das sind Tätigkeiten, die mehr und mehr den Schwerpunkt menschlicher Arbeit bilden und die die unmittelbar fertigungsbezogene Produktionsarbeit aus ihrer bislang vorherrschenden Position verdrängen". So weit das Zitat.
    Ich überlasse es Ihrer Phantasie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich die Folgen der Revolution auszumalen. Unsere Aufgabe, die Aufgabe des Parlaments, ist es, in diese technische und ökonomische Revolution insoweit einzugreifen, als ihre sozialen Folgen und Begleitumstände erträglich sind und die Regeln, die wir für diese neuartige Gesellschaft benötigen, rechtzeitig zur Verfügung stehen. Bei der Regelung der Informations- und Kommunikationsdienste geht es um unsere zukünftigen Chancen auf Wohlstand im internationalen Wettbewerb.
    Der Bundesforschungsminister ist nun der Auffassung - so las ich in der „Wirtschaftswoche" -, Deutschland sei auf die Informationsgesellschaft optimal vorbereitet;

    (Lachen bei der SPD)

    er hat dies hier gerade wieder gesagt. Das Blatt findet, Herr Kollege Rüttgers, Sie dächten gerne positiv, und das ist durchaus ein Lob. Es setzt dann aber nach - ich zitiere -:
    Da muß der Kanzler-Zögling wohl die falschen Datenbanken angezapft haben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Zwar haben wir in der Tat das bestausgebaute ISDN- und Glasfasernetz der Welt,

    (Hans-Otto Wilhelm [Mainz] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    aber sonst hinken wir meilenweit hinterher. In den USA kommen auf 100 Einwohner 48 Computer, bei uns sind es 28; der Minister hat gerade dieselbe Zahl genannt. In Japan werden pro Kopf der Bevölkerung 1 100 DM in Investitionstechnik investiert, bei uns sind es nur 900 DM.
    Das hat auch - Kollege Mosdorf hat gerade darauf hingewiesen - mit dem Forschungsetat zu tun. Wie gern spricht der Minister von der Wissensgesellschaft, die es vorzubereiten gelte. Recht hat er. Das heißt aber vor allem: Wissen vermehren, Wissen anwenden und weitergeben. Dazu bedarf es schon lange auch staatlicher Förderung; denn die Investitionen dafür sind enorm.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundesregierung aber senkt die Forschungsaufwendungen - zuletzt sogar um 5,6 Prozent -, statt tatsächlich in die Wissensgesellschaft zu investieren. Der Zukunftsminister sagt dazu, jeder müsse sparen und auch sein Ressort könne und wolle sich dem nicht entziehen. Na, denn gute Nacht!
    Was wir dagegen tatsächlich brauchen, ist eine gewaltige Anstrengung, so groß, daß sie nur von Staat - Bund, Länder und Gemeinden - und Wirtschaft gemeinsam durchgehalten werden kann. Ich nenne nur ein Beispiel, um die Aufgabe, aber auch die Lage zu illustrieren.
    Junge Menschen, Schülerinnen und Schüler, unterscheiden sich heute auf eine neue Art voneinander: solche aus Elternhäusern mit PC und InternetAnschluß und solche aus Elternhäusern mit Videorekordern. Das ist eine folgenreichere Unterscheidung als die bisher übliche. Da hatten wir Kinder aus gebildeten Haushalten, an den Umgang mit Buch und Sprache gewöhnt, die größere Chancen auf weiterführende Bildung hatten. An dieser Chancenungleichheit vermochte man einiges zu ändern.
    Jetzt aber bereiten sich die einen - bisher wenige - intensiv auf die Informationsgesellschaft vor, die doch bereits vorhanden ist, und den vielen anderen bleibt das praktisch vorenthalten. Da werden auf eine Art und Weise Lebenschancen ungleich verteilt, die die Ungleichheiten der letzten Jahrzehnte in den Schatten stellen könnte.
    Die Antwort der Bundesregierung darauf ist im Prinzip richtig: Schulen ans Netz. Tatsächlich aber ändert sich dadurch noch nicht viel. Das Land Nordrhein-Westfalen, aber auch andere haben zusätzlich eigene Programme aufgelegt, um Schulen mit Internet-Zugängen zu versorgen. Stolz meldet zum Beispiel Düsseldorf, daß in diesem Jahr 60 Prozent aller Schulen über einen Zugang verfügen. Aber wieviel Prozent der Schulen werden insgesamt über Internet-Zugänge verfügen, wenn Ihr Programm in den nächsten Jahren abgeschlossen sein wird? Die Antwort kann nur unbefriedigend sein.
    Und: Ein Netzzugang bedeutet noch lange nicht, daß jeder Schüler und jede Schülerin ausreichend Kompetenz im Umgang mit der Informationstechnik erwerben kann. Es bleibt also beim Startvorteil der wenigen.
    Das Programm „Schulen ans Netz" wird rund 60 Millionen DM gekostet haben. Benötigt wird aber mindestens 1 Milliarde DM. Und wir haben nicht viel Zeit zur Vorbereitung; denn die heutige Schülergeneration wird bereits in einer veränderten Gesellschaft, in einer veränderten Arbeitswelt zurechtkommen müssen. Darauf zielt unser Konzept der Bildungspartnerschaft.
    In diesem Rahmen steht der Entwurf der Bundesregierung für ein Multimediagesetz. Es verhält sich zum Stand der Informationstechnik wie der reitende Bote zum Internet.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Sie haben angekündigt, Herr Forschungsminister, mit dem heute zur Beratung anstehenden Entwurf für ein Informations- und Kommunikationsdienstegesetz einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen für die neuen Dienste zu schaffen und eine Schneise für Multimedia zu schlagen. Ich will gar nicht in Abrede stellen, daß Sie, um die notwendige Vereinbarkeit Ihres Gesetzentwurfs mit dem Mediendienstestaatsvertrag der Länder herzustellen, schwierige Verhandlungen mit verschiedenen Positionen zu führen hatten. Es ist gelungen, Annäherungen zu erreichen. Das ist zu begrüßen. Denn am Regulierungsbedarf der neuen Dienste gibt es keinen ernstzunehmenden Zweifel. Aber zwischen Regulierungsbedarf und Regulierungswut liegen Welten.

    Wolfgang Thierse
    Im Multimediabericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag findet sich ein Satz, der präzise zum Ausdruck bringt, weshalb Ihr Gesetzentwurf bestenfalls wirkungslos bleiben wird. Dort ist zu lesen -ich zitiere -:
    Im Kern geht es heute bei Multimedia um die Interaktion mit computerbasierten Anwendungen, in denen unterschiedliche Medientypen integriert sind.
    Das genau ist das Problem, das mit Ihrem Gesetzentwurf nicht gelöst wird, ja noch nicht einmal hinreichend erkannt wurde. Die Ihrem Gesetzentwurf zugrunde liegende Unterscheidung zwischen Mediendiensten und Telediensten - die einen in Länderzuständigkeiten, die anderen in Bundeszuständigkeit - und die Aufrechterhaltung der Unterscheidung zwischen Massen- und Individualkommunikation lassen diesen Integrationsaspekt außer acht. Der Online-Dienste-Anbieter Compuserve kommt zu dem Schluß, daß alles und jedes sowohl als Mediendienst als auch als Teledienst einzuordnen ist.
    Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, Herr Dr. Rüttgers, die in Ihrem Hause eingegangenen Stellungnahmen aus der Wirtschaft und den Gewerkschaften sorgfältig durchzulesen, werden Sie feststellen, daß meine Kritik darin mehrheitlich geteilt wird. Ich verzichte darauf, die Absender dieser kritischen Stellungnahmen aufzuzählen. Es sind sehr viele.

    (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

    In der Wirtschaft ist man in großer Sorge, daß die künstliche Trennung von Telediensten und Mediendiensten zu erheblichen Abgrenzungsproblemen mit zum Teil schwerwiegenden Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland führen wird. Dort weiß man sehr wohl, daß diese Unterscheidung praxisfern ist, und befürchtet endlose juristische Auseinandersetzungen zwischen Anbietern und der jeweils zuständigen Regelungsinstanz.
    Nur, welcher Regelungsinstanz eigentlich? Ich zitiere:
    Der Gesetzgeber definiert keine einheitliche Regelungsinstanz, stellt keine einheitliche Anspruchsstelle für Verbraucherbelange zur Verfügung, bietet keine Stelle zur Regelung von Zweifelsfragen an und stellt damit keine Regelung bereit, die seine Ausführung sicherstellen.
    Dieses Zitat aus der Stellungnahme der Deutschen Postgewerkschaft - von der ich hoffe, daß Sie sie gelesen haben, Herr Minister - trifft den Nagel auf den Kopf.
    Vor diesem Hintergrund fürchte ich, daß sich bereits auf dem Markt tätige Unternehmen bzw. potentielle Anbieter den zu erwartenden langen Verfahren erst gar nicht aussetzen und statt dessen gleich ins benachbarte Ausland abwandern. Ob ein OnlineDienst in Hamburg, Berlin oder München oder in Rom, Prag oder Zürich seinen Sitz nimmt, spielt unter den Bedingungen weltweiter Vernetzung und der Datenübertragung in Echtzeit längst keine Rolle mehr.
    Ein Grund für die einhellige Skepsis gegenüber Ihrem Entwurf ist, daß Sie die dramatischen Veränderungen in der Medienlandschaft, das Zusammenwachsen von Fernsehgerät, Telefon, Fax und Computer schlicht ignorieren. Die technische Entwicklung ist es, die den Gesetzentwurf schon heute zu einer Art Relikt macht. Wer will denn künftig noch sachgerecht zwischen Medien- und Telediensten unterscheiden, wenn das Internet längst dazu fähig ist, sowohl digitale Informationsdienste jeder Art als auch das klassische Fernsehen zu übertragen? Microsoft fängt in den USA gerade damit an. Wir konnten das vor zwei Tagen lesen.
    Sie selbst, Herr Minister, mußten eine gewisse Vorahnung gehabt haben, als Sie davon sprachen, daß es Grauzonen gebe, derentwegen man mit den Ländern im Gespräch bleiben müsse. Mir scheint, das ganze Gesetz ist eine Grauzone. Die im Regierungsentwurf vorgenommene Unterscheidung zwischen Massen- und Individualkommunikation ist technisch veraltet. Die Unterscheidung zwischen an die Allgemeinheit gerichteten Mediendiensten und nicht an die Allgemeinheit gerichteten Telediensten ist sachlich falsch und deshalb begrifflich willkürlich.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Der Gesetzentwurf provoziert ohne Not ein Abgrenzungsproblem, das in der Praxis nicht aufgelöst werden kann, ein Regulierungswirrwarr, das Ihrer eigenen Deregulierungsparole eklatant widerspricht. Eine Medienordnung, die sich auf solchen Irrtümern gründet, wird notgedrungen keinen Bestand haben und die Entwicklung behindern, statt sie zu fördern.

    (Beifall der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    Ihr Gesetzentwurf verstetigt die Rechtsunsicherheit, die er zu beseitigen vorgibt.
    In unserem Antrag „Deutschlands demokratischer Weg in die Informationsgesellschaft" haben wir die Weiterentwicklung der bewährten dualen Rundfunkordnung zu einer dualen, einer bundeseinheitlichen Informations- und Medienordnung vorgeschlagen, in der der klassische Rundfunk, das Internet und die noch relativ jungen Online-Dienste geregelt werden. Wir brauchen eine Informations- und Mediengesetzgebung aus einem Guß. Der von Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern und zahlreichen Medienexperten wiederholt unterbreitete Vorschlag einer gemeinsamen Bund-Länder-Regulierungsinstanz scheint mir insoweit plausibel zu sein, als er erstens der technischen Entwicklung gerecht werden kann und zweitens der im Grundgesetz festgelegten Verteilung der medienpolitischen Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern entgegenkommt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Deutschland den Anschluß an die internationale Entwicklung nicht verlieren will, sollte es uns doch gelingen, angemessene Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Übergang in die Informationsgesellschaft zu schaffen. Dazu gehört aber auch, daß Sie, meine Damen und Herren in der Bundesregierung und in den Koalitionsfraktionen, auf Gedan-

    Wolfgang Thierse
    kenspielereien über die Beseitigung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks, wie sie noch im vergangenen Jahr angestellt wurden, künftig verzichten.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bestands- und Entwicklungsgarantie für ARD und ZDF ist mit der SPD nicht verhandelbar.
    Wir haben keine andere Wahl, als den Weg in eine neue Medien- und Informationsordnung gemeinsam zu gehen. Der erste Anlauf ist mit diesem Gesetzentwurf nicht geglückt. Der Wille zur Gemeinsamkeit zeigt sich aber auch darin, daß man solche Provokationen wie in der Frage der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten künftig unterläßt.
    Die Informationsgesellschaft im anarchischen oder marktradikalen, nur dem totalen Kommerz verpflichteten Selbstlauf erzeugt eine neue soziale Spaltungslinie zwischen „information rich" und ,,information poor". Wir wollen möglichst viele Menschen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft mitnehmen. Wir wollen, daß der Wandel von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft sozial- und demokratieverträglich vonstatten geht, daß neue Arbeit erwächst, daß neue Ideen neue Produkte hervorbringen, daß die Umwelt entlastet und die Menschen überall auf der Welt näher zusammenrücken. Diese Vision möglich zu machen ist die wichtigste Aufgabe politischer Gestaltung. Politik und Wirtschaft sind verpflichtet, die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, damit diese Vision Wirklichkeit werden kann. Zu dieser Aufgabe gehört auch eine tragfähige Medien- und Informationsordnung, die die Entwicklung befördert und nicht behindert.
    Die frühzeitige Vermittlung von Medienkompetenz ist übrigens auch der beste Jugendschutz.

    (Beifall bei der SPD)

    Eltern und Lehrer müssen die Jugendlichen gemeinsam auf einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet vorbereiten. Der Staat seinerseits muß tätig werden, wiewohl aber auch unmißverständlich klargemacht werden muß, daß es keinen hundertprozentigen Schutz gegen kriminelle Inhalte geben kann. Ja, das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein, aber wir müssen ebenfalls wissen, daß nicht alles, was wir wollen, technisch und rechtlich sinnvoll und möglich ist.
    Kinderpornographie und Rechtsextremismus sind im übrigen keine Erfindungen des Netzes, sondern ein Problem der ganzen Gesellschaft. Es ist durchaus problematisch, wenn die Staatsanwaltschaft gegen seriöse Unternehmen wie Eunet, Microsoft oder Compuserve wegen der Verbreitung pornographischer Inhalte vorgeht, für die die genannten Diensteanbieter überhaupt nicht verantwortlich zeichnen

    (Beifall bei der SPD)

    und von denen sie insofern noch nicht einmal Kenntnis hatten. Angesichts von gerade einmal 1 Prozent krimineller Inhalte - Herr Minister, Sie haben die Zahl gerade auch genannt -, die man im Netz finden
    kann, ist die fortwährende Diskreditierung des Netzes fast hysterisch zu nennen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie gesagt, Jugendschutz beginnt mit der Vermittlung von Medienkompetenz. Zum anderen muß die Bundesregierung initiativ werden, damit rasch gemeinsame Mindeststandards im europäischen Raum und auch auf der Ebene der G-7-Staaten vereinbart werden können. Ich hoffe, Ihren Worten, Herr Minister, folgen Taten.

    (Zuruf von der SPD: Das wäre aber neu!)

    Bisher gab es nur Ankündigungen. Die Provider selbst haben im übrigen ein großes Interesse daran, ihre Dienste von kriminellen Angeboten freizuhalten. Selbstverpflichtung und Selbstkontrolle der Anbieter sind meines Erachtens ein wesentlich wirkungsvollerer Weg als die Ingangsetzung einer behäbigen staatlichen Kontrollmaschinerie.

    (Beifall bei der SPD)

    Schließlich steht der Staat in der Pflicht, seine Strafverfolgungsorgane personell und materiell, also technisch, so auszustatten, daß eine wirkungsvolle Bekämpfung der Kriminalität im Netz erfolgen kann. Ich erwarte auch hierbei ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern, zum Beispiel mit dem Ziel der Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle beim Bundeskriminalamt. Der allgemeine Ruf nach Zensur verschleiert das Problem und löst es noch nicht einmal im Ansatz.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, mit einem erwarteten Wachstum von jährlich zirka 9 Prozent ist die Telekommunikation zu einem Wachstumsmotor der Wirtschaft geworden. Die Wertschöpfung des gesamten informations- und kommunikationstechnischen Bereichs ist heute schon größer als die der Automobilindustrie.
    Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat Anfang April mitgeteilt, daß die Zahl der direkten OnlineAnschlüsse in Deutschland von 1995 bis 1996 um 42 Prozent auf 2,3 Millionen gestiegen ist. Damit liegen wir zwar immer noch 8 Prozent hinter Japan und 22 Prozent hinter den USA; aber eine dynamischere Entwicklung ist unverkennbar.
    Ich erwähne dies, um deutlich zu machen, daß, wer über die Informationsgesellschaft redet - einschließlich des Multimediagesetzes -, zugleich über Arbeitsplätze und die künftige Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft redet.
    Nachdem die Informationstechnik in den vergangenen 15 bis 20 Jahren hauptsächlich zu Automatisierungs- und Rationalisierungszwecken eingesetzt wurde, wird die Hauptaufgabe des Informationsmarktes nun darin liegen, die Informationsströme zwischen Menschen produktiver und kreativer zu gestalten. Der Informationssektor in Deutschland ist bis heute von monopolistischen Strukturen geprägt. Durch Einführung wettbewerblicher Strukturen sind erhebliche Kostensenkungspotentiale zu realisieren. Hemmnisse, wie zum Beispiel die unverhältnismä-

    Wolfgang Thierse
    Bige Kostenbelastung der Lizenzen für neue Telekommunikationsdienste, sind zu beseitigen.
    Der Wachstumsmarkt Informationstechnologie findet seinen eigentlichen Schwerpunkt in seinem Dienstleistungscharakter. Gerade in Deutschland ist der Dienstleistungsanteil aber auch deshalb noch gering, weil die Kosten der elektronischen Übertragung von Informationen zu hoch sind.
    Der Standort Deutschland würde bei Beibehaltung der Kostenunterschiede, insbesondere im Vergleich mit den USA, nicht am Wachstum der Zukunftsmärkte teilhaben und somit bei gleichzeitigem Verlust traditioneller Massenproduktionsmärkte weiter Arbeitsplätze verlieren. Das gilt es zu verhindern.
    Die angestrebte Wettbewerbssituation auf dem Telekommunikationsmarkt in Deutschland wird ab 1998 zum einen sinkende Preise für die Informationsübertragung mit sich bringen; zum anderen wird sich die zunehmende Konkurrenz der Anbieter im Idealfall positiv und innovativ auf die Entwicklung neuer Dienste auswirken. Dies setzt allerdings die Schaffung wirksamer Wettbewerbsstrukturen auf dem deutschen Markt voraus.
    Ich komme zum Schluß. Verfügung über Wissen, das Verarbeiten, Aufbereiten und Verteilen von Informationen werden in Zukunft die Güterproduktion der klassischen Industriegesellschaft in ihrer zentralen ökonomischen Bedeutung nach und nach ablösen und dürfen deshalb nicht durch künstlich errichtete Gesetzeshürden wie dem Multimediagesetz blockiert werden.
    Meine Damen und Herren, eine sorgfältige, an gemeinsamen Zielen orientierte Beratung dieses Gesetzentwurfs ist nötig. Ich fürchte jedoch, daß wir uns bald an die Arbeit für ein weiteres Gesetz werden machen müssen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster spricht in der Debatte der Kollege Dr. Martin Mayer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Mayer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit Ihnen, Herr Kollege Thierse, was Ihre Analyse der Auswirkungen und auch was manche Ziele betrifft, die Sie hier genannt haben, zum Beispiel Fortschritt durch mehr Wettbewerb, im Grundsatz durchaus überein. Allerdings haben Sie hier auch einige Aussagen gemacht, die nicht unwidersprochen bleiben können.
    Zum Beispiel haben Sie dem Bundesminister vorgeworfen, er tue zu wenig dafür, daß die Schulen mit Computern ausgestattet werden. Verschwiegen haben Sie, daß dafür die Länder und die Kommunen zuständig sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Wider besseres Wissen!)

    - Ja, wider besseres Wissen. - Daß der Bund trotzdem eine Initiative ergriffen hat, ist eine zusätzliche Leistung.
    Wenn Sie das Gesetz madig machen wollen, muß ich Ihnen entgegenhalten: Ich vermisse Ihre eigenen Vorschläge.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Er hat vor fünf Jahren noch keinen Telefonanschluß gehabt!)

    Das, was Sie vorgeschlagen haben, bedeutet mehr Bürokratie, neue Behörden, noch schwerfälligere Regelungen. Das kann doch nicht die Lösung sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte Ihnen ein Weiteres nahelegen: Hören Sie auf, einen Türken zu bauen, indem Sie der Union - ich muß schon sagen: böswillig - unterstellen, sie wolle das duale Rundfunksystem in Frage stellen. Ich sage hier noch einmal: Wir stehen zu diesem System, natürlich auch zur Bestandsgarantie des öffentlich- rechtlichen Rundfunks.

    (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber nichts mit Türken zu tun!)

    Wir reden viel von der Informationsgesellschaft. Lassen Sie mich deshalb am Beginn der Debatte noch einmal einige Gedanken bewußtmachen und der Frage nachgehen: Was wird anders, und was ist neu? Man muß feststellen, daß es in diesem Bereich, wie kaum woanders, eine Kommunikationslücke gibt.
    Da gibt es zum einen die Freaks, denen Begriffe wie Homepage, E-mail, Browser - und was es da so alles gibt - ganz locker über die Lippen gehen und die überhaupt nicht verstehen können, daß jemand damit nichts anfangen kann. Aber wenn man mit Kollegen, mit Schulklassen oder mit welcher Gruppe auch immer darüber redet und diese Begriffe verwendet, gibt es zum anderen immer einige, die ganz schüchtern sagen: Ich weiß eigentlich gar nicht, was das ist. Ich meine deshalb, jeder sollte sich einmal eine halbe Stunde Zeit nehmen, um sich mit den Grundbegriffen dieser Technik auseinanderzusetzen.
    Ausgang dieser Entwicklung ist ja eine rasante technische Entwicklung von Computern und Netzen. Übertragungsleistung, Rechnergeschwindigkeit und Speicherkapazität entwickeln sich mit atemberaubendem Tempo. Die Leistungsfähigkeit der Mikrochips verdoppelt sich alle eineinhalb Jahre. Es ist abzusehen, wann ein Chip mit Daumennagelgröße 1 Milliarde digitale Informationen wird speichern können. Der Gigabit-Chip kommt zur Jahrtausendwende.
    Mit der rasanten Entwicklung der Geräte nimmt aber ihre relative Bedeutung ab. Zunehmend gewinnt die Software an Bedeutung. Ich möchte hier den Vorstandsvorsitzenden von Siemens zitieren, der gesagt hat, daß im Bereich Telekommunikation Software und Engineering mittlerweile einen Anteil in der Größenordnung von 80 Prozent der Wertschöpfung haben. Also: Die Software, die für den Compu-

    Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

    ter übersetzten menschlichen Gedanken und Handlungsanweisungen, verdrängen die faßbaren Produkte auf den zweiten Platz.
    Angesichts dieser rasanten Entwicklung wird sich auch im Alltag viel verändern, zum Teil unmerklich und zum Teil sprunghaft. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ich möchte dafür einige Beispiele bringen.
    Wem ist denn schon aufgefallen, daß die Darstellung von Magazinen, aber auch Zeitungen immer mehr einem Computerbild ähnelt? Das wird natürlich auch auf andere Bereiche übergehen. Daraus folgt: Das Bild und die Vorgehensweise der Arbeit am Computer werden immer mehr unser Denken und unsere Wahrnehmung beeinflussen.
    Ein anderes Beispiel: Kürzlich habe ich am Montag abend ein Eckwertepapier aus dem Internet geholt, das mir am Dienstag abend offiziell per Post zugeleitet worden ist. Das bedeutet doch: Der Bürger in Berchtesgaden, Flensburg oder San Francisco ist, wenn er zum richtigen Zeitpunkt zugreift, besser informiert als der Abgeordnete vor Ort, der sich nur der herkömmlichen Mittel bedient.

    (Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: Richtig!)

    Das gilt nicht nur für die Abgeordneten, sondern bedeutet eine Herausforderung für alle Berufe, die sich damit beschäftigen. Wer der Information nicht hinterherhinken will, muß sich umstellen.
    Weitere Beispiele sind die Browser, die Suchmaschinen - das Suchen im Netz wird sehr viel einfacher -, die Links und die Querverbindungen im World-Wide-Web. Auch wenn das alles noch nicht vollkommen ist, läßt es doch erahnen, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben, daß man jede Information, die irgendwo auf der Welt gespeichert ist, zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufen kann.
    An diesen Beispielen wird klar: Es wird sich viel ändern, wir werden viel lernen müssen. Das führt zu gewaltigen kulturellen und politischen Herausforderungen.
    Ziel des Gesetzentwurfes ist es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß Deutschland diese Herausforderung bestehen kann. Unser Ziel muß es sein, bei den neuen Diensten weltweit in der ersten Liga zu spielen, und zwar möglichst unmittelbar hinter den unangefochten führenden USA auf dem zweiten Platz. Ich glaube, es ist ganz wichtig, daß wir uns dieses Ziel setzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Für die Verwirklichung dieses Ziels spielt die Gesetzgebung eine entscheidende Rolle. Sie muß auf die raschen Veränderungen eingehen können. Dabei können wir von den Softwareentwicklern in den USA lernen. Wenn diese ein großes Programm entwickeln, gehen sie auch dann auf den Markt, wenn sie noch nicht alle Fehlerquellen ausgetestet haben. Wenn dann ein Fehler auftaucht, sagen sie: Das ist eine Herausforderung. Mit der deutschen Mentalität, die gleich alles hundertprozentig perfekt machen möchte und jeden Fehler als Schande und Skandal empfindet, kann man nicht erfolgreich sein. Das gilt sowohl für große Computerprogramme als auch für die Gesetzgebung in einem Bereich, in dem sich alles schnell ändert.
    In der Gesetzgebung zur Informationstechnik brauchen wir bei den rechtlichen Regelungen den Mut, der Innovation Spielraum zu lassen. Das tut der vorliegende Gesetzentwurf.
    Ich möchte aber auch eine kritische Anmerkung zu einem Beispiel machen, zu dem noch Diskussionen notwendig sind. In Art. 2- Teledienstedatenschutzgesetz - § 3 Abs. 3 wird verboten, daß ein Diensteanbieter die Erbringung von Telediensten von einer Einwilligung des Nutzers in eine Verarbeitung und Nutzung seiner Daten für andere Zwecke abhängig macht. Das darf ein Diensteanbieter nicht. Das mag zunächst einleuchtend sein und dem Mißbrauch von Monopolen entgegenwirken.
    Es könnte aber auch sein, daß man bestimmte Dienste in der Werbung nur unter der Voraussetzung erbringen kann, daß der Nutzer in die Verwendung der Daten für andere Zwecke einwilligt. Wollen wir solche Entwicklungen für ganz bestimmte Dienste in der Werbung in Deutschland von vornherein abschneiden? Ich meine, wir sollten das nicht tun. Wir sollten deshalb nach dem Grundsatz „Lieber eine Vorschrift weglassen und dann, wenn es sich als notwendig erweist, nachbessern" handeln.
    Dabei könnte natürlich die Frage auftauchen: Warum brauchen wir überhaupt ein Gesetz? Ich meine, es gibt eine Reihe von offenen Fragen, die bei den Anbietern zu Rechtsunsicherheit führen. Rechtssicherheit ist aber eine wichtige Voraussetzung für Investitionen am Standort Deutschland. Sie bereitet den Boden für Arbeitsplätze, die neu entstehen könnten.
    Jeder weiß, daß durch die neuen Informations- und Teletechniken Arbeitsplätze wegfallen. Um so wichtiger ist es, daß wir neue Dienste dort fördern können, wo neue Arbeitsplätze entstehen. Über diesen Punkt sind sich im übrigen auch Bund und Länder einig.
    Streitig ist allerdings die Verteilung der Kompetenz und die Regelungsdichte, bei der die Länder zum Teil auf höhere Regelungsdichte setzen. Die Lösung, die jetzt gefunden worden ist - das war ein schwieriger Kompromiß -, lautet: Mediendienstestaatsvertrag der Länder einerseits und Informations- und Kommunikationsdienstegesetz des Bundes andererseits mit inhaltlich weitgehend wortgleichen Regelungen.
    Diese Lösung ist ein tragfähiger Kompromiß. Sie gewährleistet die Zugangsfreiheit, regelt grundsätzlich die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern und bringt eine Reihe von Klarstellungen.
    Die Wortgleichheit der Regelungswerke und die Entscheidung der Länder für den Staatsvertrag haben allerdings einen erheblichen Nachteil, nämlich den, daß diese Regelungen insgesamt schwer zu än-

    Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

    dern sind. Das ist in einer Welt, die sich schnell verändert, ein erheblicher Nachteil.
    Sie hat zweitens den Nachteil, daß den Parlamenten in der Gesetzgebung die Hände weitgehend gebunden sind; denn bei einem Staatsvertrag haben die Länderparlamente - anders als bei den Landesgesetzen - nur die Möglichkeit, zu ratifizieren oder nicht zu ratifizieren. Wir stehen vor dem Problem, daß wir möglicherweise vom Mediendienstestaatsvertrag abweichen, wenn wir im Informations- und Kommunikationsdienstegesetz etwas ändern.

    (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ein Aushebeln der Demokratie!)

    Ich möchte Ihnen für die raschen Veränderungen ein Beispiel nennen: Bis vor eineinhalb Jahren war es für den Normalverbraucher praktisch unmöglich, eine eigene Homepage, das heißt: eine Darstellung von eigenen Inhalten im Netz zu haben. Mittlerweile kann sich jeder, der bei den großen Online-Diensten wie T-Online, Compuserve und AOL ist, ohne Zusatzkosten selber eine Homepage einrichten. Mehrere Zehntausend haben diese Möglichkeit genutzt. Daß diese Homepages ein Angebot an die Allgemeinheit sind, wird wohl keiner abstreiten wollen. Aber daß sie deshalb unter den Multimedia-Staatsvertrag fallen sollen, würde ich doch schwer in Zweifel ziehen.
    Eine erfolgreiche Entwicklung bei den Informations- und Kommunikationstechniken ist nur privatwirtschaftlich möglich. Dem trägt das Gesetz Rechnung, indem es sich auf die Regelung von Rahmenbedingungen konzentriert. Im Gegensatz dazu stehen die Anträge der Opposition, die im Grundsatz alle Verantwortlichkeit auf den Staat abladen. Ich könnte jetzt die entsprechenden Passagen aus Anträgen von den Grünen und von der SPD vorlesen, wo das im einzelnen gemacht wird, wo die Verantwortlichkeit immer vollständig auf den Staat abgeladen wird. Ich halte das für völlig falsch.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben Sie unseren Antrag nicht richtig gelesen!)

    In diesem Bereich ist es viel wichtiger, die Rahmenbedingungen richtig zu setzen und der Innovation Spielraum zu lassen, als ständig nach staatlichem Geld zu rufen. Hier muß privates Geld hinein; hier muß letztlich unternehmerischer Mut greifen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Karlheinz Guttmacher [F.D.P.]: Völlig richtig!)

    Der Staat muß sich auf die Festlegung der allgemeinen Spielregeln und ihrer Einhaltung beschränken. Jeder Versuch, den Unternehmen darüber hinaus ins Handwerk zu pfuschen, muß zu Mißerfolgen führen. Herr Thierse, wenn sie vorhin beklagt haben, daß wir zu wenig Wettbewerb haben, dann kann ich nur die Gegenfrage stellen: Wer saß denn eigentlich, als es darum ging, im Bereich der Telekommunikation den Wettbewerb zu liberalisieren, im Bremserhäuschen? Das war doch die SPD.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zuruf von der CDU/CSU: Richtig! Jörg Tauss [SPD]: Wo? Arne Börnsen [Ritterhude] [SPD]: Erzählen Sie doch keine Märchen! Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Also, Herr Stoiber hat da keine andere Politik gemacht! Kritisieren Sie doch nicht Ihren Ministerpräsidenten!)

    Die Spielregeln, die der Staat festlegen muß, beziehen sich auf die Verfolgung strafbarer Handlungen, auf den Jugendschutz, auf den Datenschutz, auf die Gewährleistung der allgemeinen Sicherheit, auf die Regelungen für das Urheberrecht und den Wettbewerb und auf einiges andere mehr.

    (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Herr Mayer, Sie meinten wohl eben Herrn Stoiber!)

    Für die strafbaren Inhalte und den Jugendschutz gilt grundsätzlich, daß über das Netz keine anderen Inhalte übermittelt werden als über Band und Diskette. Der Unterschied ist allerdings, daß ich im Fall von Band und Diskette die Information unmittelbar sozusagen körperlich mitnehmen muß, während mir über das Netz die Information unmittelbar ins Wohnzimmer geliefert wird, ohne daß es jemand bemerkt.

    (Jörg Tauss [SPD]: Nein, Sie müssen sie holen!)

    Der Gesetzentwurf hat einige Klarstellungen getroffen, nämlich: Der Diensteanbieter ist nur für eigene Inhalte verantwortlich. Im Falle von fremden Inhalten, zu denen lediglich Zugang vermittelt wird, ist der Diensteanbieter nicht verantwortlich. Allerdings gibt es eine Zone, die sehr schwierig zu fassen ist, nämlich im Fall der fremden Inhalte, die zur Nutzung bereitgehalten werden. Hinsichtlich einer genauen Definition ist noch eine eingehende Diskussion notwendig. Beispielsweise ist der Diensteanbieter im Fall der News-Gruppen nur dann verantwortlich, wenn er von den Inhalten Kenntnis hat und wenn es technisch möglich und zumutbar ist, die Nutzung zu verhindern.

    (Jörg Tauss [SPD]: Jetzt ziehen Sie daraus einmal die Konsequenzen!)

    Wir stellen hier auch einen gewissen Widerspruch fest,

    (Jörg Tauss [SPD]: So ist es! Einen heftigen!)

    einen Widerspruch innerhalb der Forderungen der Diensteanbieter. Einerseits wollen sie, daß alles bis ins letzte geregelt ist- sie wollen Sicherheit haben, was gehört zum einen und was zum anderen -, und andererseits erheben sie die Forderung, daß das Gesetz für neue technische Entwicklungen offen sein soll. Da muß man sich für das eine oder andere entscheiden. Ich bin eher dafür, daß wir das Gesetz so formulieren, daß es für neue technische Entwicklungen offen ist, daß wir im Hinblick auf eine dynami-

    Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

    sche Entwicklung die Dinge nur allgemein festschreiben und nicht ins Detail gehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist im übrigen klargestellt worden, daß die elektronische Präsentation der Schrift- und Bildform gleichgestellt wird.
    Beim Schutz vor strafbaren Handlungen im Internet haben wir mit zwei Problemen im besonderen zu kämpfen. Das eine Problem ist, daß auf der Infobahn auf den gleichen technischen Wegen und technisch nicht unterscheidbar einerseits Informationen, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, und andererseits Informationen transportiert werden, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Das ist gegenwärtig technisch nicht zu trennen, vielleicht später einmal.
    Das zweite Problem ist, daß das Internet so organisiert ist, daß alle weltweit für die Allgemeinheit verfügbaren Informationen für jedermann, der Zugang zum Internet hat, an jeder Stelle zugänglich sind. Das führt zu dem Ergebnis, daß rechtsradikale Inhalte, die in Kanada eingespeist werden, oder pornographische Inhalte, die in irgendeinem Land der Welt eingespeist werden, in Deutschland abgerufen werden können.

    (Jörg Tauss [SPD]: Herr Mayer, Ihr Minister sollte zuhören! Es wäre nicht schlecht, wenn ihm das erklärt würde!)

    - Ich erkläre es allen, die zuhören wollen.

    (Jörg Tauss [SPD]: Wir wissen das!)

    Dies führt dazu, daß Dinge auch in anderen Ländern verbreitet werden.
    Da das Internet so organisiert ist, daß uneingeschränkt alle weltweit angebotenen Inhalte jedem weltweit zum Abruf zur Verfügung stehen, wird eine Sperrung einzelner Leitungen oder Knoten in Deutschland systemimmanent dazu führen, daß das Ganze auf anderem Wege den Nutzer erreicht. Somit laufen alle Vorschriften, die sich speziell darauf beziehen, ins Leere. Deshalb muß man sich, wenn man absolut verhindern will, daß Inhalte, die strafbar sind, den deutschen Nutzer erreichen, vom Internet abkoppeln. Das wird in Deutschland bei dieser Entwicklung im Ernst wohl niemand wollen.
    Wir müssen deshalb andere Wege gehen. Die Anstrengungen - das ist schon gesagt worden - um internationale Vereinbarungen müssen verstärkt werden. Das ist angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in den einzelnen Kulturräumen der Welt sehr schwierig. Daher sollten wir einen Anfang machen und sollten einmal versuchen, wenigstens in Europa und Nordamerika zu einheitlichen Anforderungen zu kommen, weil damit ein wichtiger Schritt gemacht wird. Außerdem müssen natürlich die technischen Voraussetzungen weiterentwickelt werden, um strafbare und jugendgefährdende Inhalte vom heimischen Computer fernzuhalten. Ich nenne nur das Stichwort „Filtertechnik".
    Voraussetzung für die Bekämpfung von strafbaren Inhalten im Netz, auch im Inland, ist natürlich das Auffinden dieser Inhalte. Hier sind besonders die Länder gefordert. Herr Thierse, Sie haben Vorwürfe an den Bund gerichtet und haben die Länder vergessen. Aber ich will die Länder hier besonders nennen. Alle Länder sollten nach dem Vorbild Bayerns eigene Polizeieinheiten bilden, die im Netz patrouillieren. Es gibt schon Beispiele dafür, daß das sehr hilfreich ist. Dabei müssen wir auf die Mithilfe der Bürger zählen. Es kommt hinzu, daß mit der Verfeinerung der Suchmaschinen auch die Suche nach strafbaren Inhalten leichter wird.
    Mit der Pflicht, einen Jugendschutzbeauftragten zu benennen oder einer entsprechenden Organisation beizutreten, wird zusätzlich etwas für den Kinder- und Jugendschutz getan. Selbstverständlich müssen alle Beteiligten bereit sein, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, um im Rahmen des Zumutbaren einen Beitrag zum Jugendschutz zu leisten. Die Verantwortung der Eltern und die Vermittlung von Wertvorstellungen in der Erziehung gewinnen an Bedeutung. Dem Zuwachs an Freiheit durch das Netz muß ein Zuwachs an Verantwortungsbereitschaft gegenüberstehen.
    Herr Thierse, Sie haben vorhin das Thema Medienkompetenz angesprochen. Es geht doch nicht darum, die Kinder und Jugendlichen zu lehren, wie man mit der Maus umgeht oder wie man ins Internet hineinkommt; das können sie alle schon. Vielmehr geht es darum, denen ein Wertebewußtsein beizubringen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Das ist ein wichtiger Punkt, die Erziehung muß hier im Vordergrund stehen.

    (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber beim Fernsehen nicht anders!)

    Über die Gewährleistung der Datensicherheit ist bereits gesprochen worden. Hier gilt noch mehr als in anderen Bereichen die vorrangige Verantwortung derjenigen, die ein derartiges System den Kunden anbieten: der Banken, der Kreditkartenfirmen, der Versandhäuser und anderer Diensteanbieter.
    Ein gewisses Regulativ ergibt sich bereits über den Markt und den Kunden. Wenn die Bezahlung über das Netz mit viel größerer Unsicherheit verbunden ist als der Versand eines Verrechnungsschecks, dann werden die Kunden auf diesen schnellen und einfachen Weg schon verzichten, wenn ihnen die Sicherheit wichtiger ist.
    Aber natürlich ist in dieser Frage auch der Staat gefordert, und zwar in zwei Bereichen: einmal, wenn es um die öffentliche Sicherheit und Ordnung geht, und zum anderen beim Schutz des Schwächeren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Mit dem Signaturgesetz wird zusätzlich die Voraussetzung geschaffen, daß in den Fällen, wo die Sicherheit eine entscheidende Rolle spielt, der be-

    Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

    treffende Betreiber eine staatliche Garantie erlangen kann.
    Der Schutz des Schwächeren ist besonders auch im Urheberrecht erforderlich, wo der einzelne im Vergleich zu den großen Anbietern oft nicht in der Lage ist, sein Recht durchzusetzen. Die Enquete-Kommission wird zu dieser Frage einen Bericht vorlegen. Ich meine, der Grundgedanke lautet: Der Gesetzgeber muß sich vom Ziel leiten lassen, dem Urheber, dem Künstler, zu helfen, daß er zumindest finanziell nicht übervorteilt wird.
    Wir müssen weiterhin dem Gedanken Rechnung tragen, daß die Regelungen des Urheberrechts nicht zu einer Blockade und zu einer unverhältnismäßigen Erschwerung der Verwertung von Inhalten durch einzelne führen dürfen. Wenn man beispielsweise bei. einer digitalen Verwertung von Daten die Zustimmung aller Beteiligten einholen wollte, wäre ein Verkauf entsprechender CD-ROMs nicht möglich.
    Weltweit nimmt die Bedeutung der Inhalte im Netz zu. Wir Europäer haben so große Reichtümer in der Musik, in der Kunst, in der Malerei, in der Architektur zu bieten. Es ist eine kulturelle Verpflichtung, daß wir es ermöglichen, daß diese künstlerischen Werte der Welt zugänglich gemacht werden.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Das ist aber nicht nur eine kulturelle Verpflichtung, sondern das hat auch erhebliche wirtschaftliche Bedeutung und Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Es kann doch nicht sein, daß große amerikanische Unternehmen die Inhalte ganzer Museen in Europa aufkaufen.

    (Dr. Manuel Kiper [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Virtuell machen die das!)

    Ich meine, da sollten wir uns auf die Füße stellen und selbst ein Bewußtsein entwickeln.
    Die musischen Fähigkeiten, die Kreativität und die Bereitschaft, auf die Kunden einzugehen, gewinnen immer größere Bedeutung. Das ist auch eine große Chance für Frauen, die bisher im technischen Bereich eigentlich nicht präsent sind. Gehen sie doch einmal in die großen Firmen der Informationstechnik, und schauen Sie sich dort an, wie gering leider der Anteil der Frauen ist. Wenn es um Inhalte, wenn es um musische Fähigkeiten geht, können gerade die Frauen hier ihre Chancen wahrnehmen. Ich glaube, dies sollten wir bei einer solchen Gelegenheit auch einmal aussprechen.

    (Zuruf einer SPD-Abgeordneten: Jetzt singe ich gleich!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Art und Weise, wie wir die Info- und Teletechniken, die immer leistungsfähiger werden, in neuen Anwendungen und Diensten umsetzen, wird unsere Zukunft entscheidend prägen. Erfolgreich werden wir nur dann sein, wenn wir Gefahren und Risiken begrenzen, den Beteiligten mehr Rechtssicherheit geben, genügend Freiraum für neue Entwicklungen schaffen, Kreativität und Innovationsbereitschaft fördern und insgesamt die Begeisterung für neue Aufgaben wecken. In diesem Sinne und mit diesem Zielwünsche ich dem Gesetzentwurf gute Beratungen in den Ausschüssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)