Rede von
Karl
Lamers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Betrüblich ist an dieser Debatte eigentlich nur, daß sie um diese Uhrzeit von der deutschen Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird.
Karl Lamers
Ich finde, es ist schon beachtlich, daß wir ein überraschendes und positiv zu wertendes Maß an Übereinstimmung haben feststellen können.
Wir sind alle von der Überzeugung getragen, daß die Währungsunion ein Muß für Deutschland und Europa ist.
Es ist auch richtig, was der Bundesfinanzminister gesagt hat:
daß von der Politik Führung ausgehen muß. Wenn Sie ihn kritisieren, was Ihr Recht und sogar Ihre Pflicht ist, dann bitte ich Sie, auch zu sehen, daß der deutsche Bundesfinanzminister eine ganz ungewöhnlich schwierige Position hat.
Denn mit jeder Äußerung, die er macht, hat er drei grundsätzlich unterschiedliche Adressaten zu beachten. Der eine Adressat ist die deutsche Öffentlichkeit, von der wir alle wissen, wie sie ist. Der zweite Adressat ist die Öffentlichkeit unserer Partnerländer, die auch noch jeweils unterschiedlich ist, wie wir wissen.
Der dritte Adressat sind die Finanzmärkte.
- Die rechne ich mal mit zur deutschen Öffentlichkeit, Frau Kollegin Matthäus-Maier.
Es allen drei Adressaten gleichzeitig recht zu machen ist schon schwierig.
Ich finde, daß der deutsche Bundesfinanzminister ungeheuer viel erreicht hat.
Da wir hier alle die Fortschritte in Europa übereinstimmend gepriesen haben, müssen wir auch sagen, daß dem etwas vorausging und daß es begleitet wurde von etwas, was ich im Falle Frankreichs geradezu eine mentale Revolution nenne.
Ich finde, das ist vielleicht ein noch viel größerer Erfolg, Kollege Haussmann, als das, was an den Ziffern deutlich wird. Das ist nämlich die Grundlage dafür.
Da muß der Bundesfinanzminister es in Kauf nehmen, wenn er manchmal als Zuchtmeister, als Lehrmeister kritisiert wird. Ich finde, der Erfolg ist überwältigend.
Es ist in der Tat unsere Aufgabe, gerade die deutsche Aufgabe, Vertrauen zu entwickeln und zu fördern. Es ist keine leichte Aufgabe. Deutschland trägt hier ohne jeden Zweifel die Hauptverantwortung, nicht nur deswegen, weil wir auf Grund unseres ökonomischen Gewichtes alle der Meinung sind, ohne Deutschland und Frankreich könne es keine Währungsunion geben, sondern auch deswegen, weil die Währungsunion in der Tat nach dem deutschen Modell konstruiert worden ist.
Wenn ich sage „deutsches Modell", dann meine ich nicht nur die Bundesbank, sondern auch jene in der Tat einzigartige Mischung einer liberalen und wirtschaftsstarken Gesellschaft mit einer solidarischen Gesellschaft. Das ist das, was unsere Partner als das deutsche Modell empfinden und was sie als ein wenig gefährdet ansehen. In der Tat: Auch dieses Modell steht jetzt auf dem Prüfstand.
Da kommen wir nun auch zu den Unterschieden, Frau Kollegin Matthäus-Maier und Herr Kollege Hiksch. Wir sind uns alle einig: Wir wollen nicht nur ein wirtschaftsstarkes Europa, sondern auch ein soziales Europa.
Wir wollen im Augenblick ganz konkret vor allem die Arbeitslosigkeit überwinden. Die Frage ist aber, wie.
Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß das Entscheidende ist, die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, das heißt die strukturellen Reformen durchzuführen, von denen der Kollege Haussmann gesprochen hat.
Ohne diese Reformen werden wir dauerhaft weder Arbeitsplätze schaffen noch in der Lage sein, Sozialpolitik in einer völlig veränderten Welt neu zu gestalten. Da liegt der Unterschied.
Wenn ich es richtig sehe, läuft Ihre Politik im Grunde genommen wieder auf Beschäftigungsprogramme hinaus.
Sie erhöht die Verschuldung, führt uns weiter in die Verschuldungsfalle und macht uns die Aufgabe nur noch viel schwerer.
Karl Lamers
Ein letzter Punkt. Ich stimme dem Kollegen Fischer ausdrücklich zu, wenn er sagt: Wir müssen die Leistungen unserer Partner anerkennen. Wir dürfen sie nicht entmutigen, sondern müssen sie ermutigen auf ihrem schwierigen Weg.
Es kann kein Zweifel bestehen, daß gerade ein Land wie Italien ganz beachtliche Erfolge erzielt hat. Über den Beitritt Italiens so wie über den anderer Länder wird im Frühjahr 1998 zu entscheiden sein - auf der Basis der dann bekannten Ergebnisse und in Kenntnis des Haushalts 1997 sowie der Planung für den Haushalt 1998.
Ich bin zuversichtlich, daß die Währungsunion nicht nur frist- und termingerecht, sondern auch stabil errichtet werden wird. Helfen Sie bitte alle mit, dieses Ziel zu erreichen!