Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schauerte, Sie haben in diese währungspolitische Debatte leider Falschmünzerei hineingetragen.
Das, was Sie eben gesagt haben, war ein grobes Umdrehen von Worten. Frau Matthäus-Maier hat vorhin nicht gesagt, für Sie sei Geldpolitik alles und Europa nichts, sondern sie hat gesagt, für Sie sei Geldpolitik alles und europäische Beschäftigungspolitik nichts.
Daran muß man auch erinnern; denn es steht schon im Vertrag, daß die Europäische Gemeinschaft das Ziel verfolgt, neben der stabilen Währung einen hohen Grad der Beschäftigung zu erreichen.
Es ist ein Jahr vor der Entscheidung über den Beginn der Währungsunion Unsicherheit aufgekommen, ob Deutschland bei der Währungsunion dabei sein kann. Dazu hat natürlich beigetragen, daß Herr Bundesfinanzminister Waigel am Montag dieser Woche die Äußerung getan hat, die Einhaltung der Kriterien sei wichtiger als der Zeitplan. Natürlich hat Herr Waigel und haben auch andere dies schon vor zwei Jahren gesagt. Da gab es aber eine andere Situation.
Damals konnte jeder zu Recht davon ausgehen, Deutschland werde es schaffen, die Kriterien zu erfüllen. Wir haben heute die Situation, daß der deutsche Bundesfinanzminister die Kriterien besonders streng auslegt, sich aber an die eigenen Zielsetzungen nicht hält, weil er eine unsolide Haushaltspolitik betreibt.
Es ist doch nicht die Tatsache, daß er denselben Satz wie vor zwei Jahren gesagt hat, sondern die Tatsache, daß die Umstände, nämlich das Zahlenwerk der eigenen Haushaltsgestaltung, dem nicht entsprechen. Da gibt es - da darf man sich nicht wundern - zunehmend Skepsis bei unseren europäischen Partnern. Es trifft zu, daß im Vertrag von Maastricht nicht steht, daß Deutschland beim Beginn der europäischen Währungsunion dabei sein muß. Aber es war bisher Konsens, auch hier in diesem Hause, daß es eine europäische Währungsunion ökonomisch und politisch sinnvoll nur geben kann, wenn sowohl Frankreich als auch Deutschland von Anfang an dabei sind.
- Es freut mich, daß Sie das sagen, daß es so bleibt. - Aber es gab leider Äußerungen, die den Eindruck erweckten, als sei Deutschland dabei, einen Rückzieher zu machen: die Kriterien hochschrauben und dann Zweifel aufkommen lassen, ob man sie selber erfüllen will.
Auch der Herr Präsident der Deutschen Bundesbank hat sich in Äußerungen gefallen, es sei nicht so ganz selbstverständlich, daß Deutschland unbedingt dabei sein müsse. Das ist schädlich. Man kann nicht unvorsichtig über die Währungsunion reden; denn das ist ein zentrales Thema sowohl für die Deutschen wie auch für Europa insgesamt. Da darf man nicht einfach so reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist.
Der Ministerpräsident von Luxemburg hat zu Recht vor einigen Tagen in einem Interview mit dem „Handelsblatt" darauf hingewiesen:
Ihn irritierten auch zunehmend die Lektionen, die Deutsche glaubten ständig anderen erteilen zu müssen ... Die Deutschen sollten erst mal selbst ihre Hausaufgaben machen, bevor sie anderen erzählten, was diese tun sollten.
Dazu hat der Bundesfinanzminister leider wiederholt beigetragen. Die Diskrepanz zwischen der Aufforderung, was andere tun sollen, und dem, was man selber zu leisten vermag,
trübt einfach die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung.
Ich gebe dem Bundesfinanzminister recht: Es kommt nicht nur darauf an, 1998 festzustellen, daß die Eingangskriterien erfüllt sind, man sich aber danach nicht weiter darum kümmert. Es ist schon wich-
Jörg-Otto Spiller
fig, zu einer nachhaltigen, stabilitätskonformen Politik zu kommen.
- Ja, Herr Haussmann. - Deswegen war es auch so wichtig, zu fragen: Wie geht es weiter?
In dem Konvergenzprogramm, das am Montag in Brüssel vom Ministerrat beraten wurde, hat der Bundesfinanzminister auch Ausführungen zur Steuerreform in Deutschland gemacht. Das ist etwas, was Sie, Herr Haussmann, vielleicht besonders interessiert. Darin steht: „Die Nettoentlastung sollte 20 bis 30 Milliarden DM betragen". In derselben Woche aber legt der Bundesfinanzminister ein Tableau von Zahlen vor, wie sich die Steuerreform im Jahre 1999 auswirken wird: Steuermindereinnahmen von 56 Milliarden DM.
- Ja, so ähnlich. Das nennt man meiner Ansicht nach zweizüngige Finanzpolitik.
Wenn man keine solide finanzierte Steuerreform macht, dann darf man sich nicht wundern, wenn es in Europa Zweifel an der Solidität der Währungspolitik der Bundesregierung gibt.
Eine letzte Bemerkung: Der Herr Bundesfinanzminister hat heute morgen unter dem Beifall des gesamten Hauses Hans-Dietrich Genscher zum 70. Geburtstag gratuliert. Es wäre Herrn Genscher zu wünschen, daß sich der Bundesfinanzminister vielleicht einmal die Zeit nimmt, das Interview mit Genscher zu lesen, das gestern in der „Süddeutschen Zeitung" erschienen ist.
Da steht: