Rede von
Doris
Barnett
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst mache ich Sie, Kollege Reichardt, darauf aufmerksam, daß nicht nur Kollegen von uns fehlen. Auch betroffene Kollegen aus Mannheim, Herr Jüttner, und aus Ludwigshafen, Herr Kohl, sind nicht anwesend.
Ich wiederhole: Der Antrag, über den wir jetzt reden, ist notwendig geworden, weil die Bundesregierung seit Jahren, nämlich seit der Vereinbarung mit der französischen Regierung von La Rochelle 1992, gebetsmühlenartig wiederholt: Die Verbindung Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland habe für sie hohe Priorität, und zwar gleichermaßen in ihrem Südast wie in ihrem Nordast.
Zugleich hat sie in all den Jahren außer guten Worten nichts dafür getan, daß die Vereinbarung von La Rochelle wirklich, wie seinerzeit gewollt, realisiert wird. Bis zum heutigen Tage gibt es keine Finanzierungsvereinbarungen der Bahn AG über die Strecke Saarbrücken-Kaiserslautern-Mannheim. Nach wie vor hält die Bundesregierung an den längst veralteten Zahlen aus dem Dreijahresplan „Schiene" fest, anstatt sich um eine solide und rasche Finanzierung gemäß aktuellen Zahlen zu kümmern.
Die Aufstockung der Mittel für den Grunderwerb in diesem Jahr um 15 Millionen DM ändert nichts daran, daß die Bundesregierung zusammen mit der Bahn AG versucht, diese Region im Herzen Europas mit einer zweitklassigen Lösung abzuspeisen, indem der Einsatz von Neigetechnikzügen - die es noch gar nicht gibt - propagiert wird.
Gerade gestern hat der Kollege Schindler - der, nebenbei bemerkt, ebenfalls nicht da ist - diesen als großen Erfolg in der Presse des Rhein-Neckar-Raums gepriesen. Dort hat er sogar gesagt, die Zeiteinsparung sei nicht 15 Minuten, sondern 20 Minuten.
Neigetechnikzüge auf der Strecke SaarbrückenKaiserslautern-Mannheim würden bedeuten: Umsteigezwang in Metz und Mannheim, reine Zubringerfunktion und damit Abwertung zu einer Nebenstrecke im europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz.
Die Westpfalz, mühsam durch Landeskonversionsprogramme vom Land Rheinland-Pfalz hochgepäppelt, um den Arbeitsplatzverlust durch Truppenreduzierungen aufzufangen, soll abgehängt werden. Die Menschen dort können den Versprechungen dieser Bundesregierung nicht mehr trauen. Arbeitslosenquoten von 20 Prozent schreien geradezu danach, daß diese Region nicht noch durch Wortbruch zusätzlich benachteiligt wird -
und das, obwohl die POS-Verbindung in ihrer Gesamtheit zu den Projekten der transeuropäischen Netze gehört und auch von der EU gefördert wird.
Doris Barnett
Mit ihrer Politik des Lavierens und der Unübersichtlichkeit, der Versprechen ohne verläßliche Zusagen hat die Bundesregierung die betroffenen Regionen mehr als nur verunsichert. Neben der Westpfalz sind auch die Südpfalz und das wirtschaftlich aufstrebende Rhein-Neckar-Dreieck massiv betroffen.
Auch in den Regionen auf der französischen Seite ist von „geringem Eifer" bei der Realisierung der Verbindung Saarbrücken-Mannheim die Rede. Die Bundesregierung mißbraucht nicht nur in den deutschen Regionen das Vertrauen, sondern richtet auch großen Schaden in Frankreich an, gar nicht zu reden von den Folgen für die übrigen deutschen Projekte innerhalb der transeuropäischen Netze.
Ich jedenfalls glaube nicht, daß es eine erfolgversprechende Politik ist, die Menschen in den Regionen in dieser Weise im ungewissen zu lassen.
In diesem Zusammenhang bedauere ich es ausdrücklich wie meine Vorrednerin Elke Ferner, daß die Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion und der Fraktion der Grünen sich nicht unserem Antrag angeschlossen haben.
Angesichts der allseits bestätigten Untätigkeit der Bundesregierung kann der Brief des Kollegen Reichardt an die Kollegin Ferner wohl nicht ganz ernst gemeint gewesen sein. Er schrieb nämlich, daß er dem Antrag deshalb nicht beitrete, weil die Bundesregierung ja schon genug getan habe. Diese Antwort könnte vielleicht damit etwas zu tun haben, daß der Abgeordnete des Nachbarwahlkreises von Herrn Reichardt der Bundesregierung vorsteht, und der will sich natürlich nicht selbst auffordern, seine Untätigkeit zuzugeben.
An dieser Stelle betone ich noch einmal, welch eminent wichtige Rolle die Verbindung Saarbrükken-Mannheim innerhalb des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes spielt. Der Raum Ludwigshafen/Mannheim, also das Rhein-Neckar-Dreieck, würde zu einem Knotenpunkt des ICE/TGV-Netzes mit Verbindungen nach Norden in Richtung Frankfurt, nach Süden in Richtung Stuttgart und weiter nach München sowie nach Westen über Saarbrücken bis nach Paris. Der Nordast der POS bietet darüber hinaus die Möglichkeit, eine weitere Verbindung zwischen Paris und Berlin zu schaffen, die den südwestdeutschen Raum einbindet. Der Nutzen für die ganze Pfalz und das Saarland wäre gewaltig. Keine dieser Regionen darf durch die Aufgabe dieser POS- Verbindungen ins Abseits gestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat viel Zeit ungenutzt vergehen lassen. Deshalb war und ist dieser Antrag nötig. Ich hoffe, daß sich nach den Beratungen im Ausschuß alle Abgeordneten aus der Region hinter diesen Antrag stellen und er dann in diesem Haus die Mehrheit findet.
Vielen Dank.