Rede von
Dr.
Winfried
Wolf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab zum Stil des Hauses und zu der Einleitung der Kollegin Ferner: Beim letzten Tagesordnungspunkt am Don-
Dr. Winfried Wolf
nerstag letzter Woche - es ging auch um das Thema Verkehr, und zwar um das nicht unwichtige Thema der Verlagerung des Postverkehrs von der Schiene auf die Straße - war ich, obwohl es noch nicht sehr spät war - es war 20.30 Uhr - der einzige Redner. Alle anderen haben ihre Reden zu Protokoll gegeben, und von den Verkehrsleuten war niemand anwesend.
Außerdem, wenn Sie, Kollegin Ferner, sagen, daß bei dem Antrag entlang der Strecke alle gefragt worden sind - ich bin Karlsruher Abgeordneter und in Baden-Württemberg auf Platz eins gewählt -: Ich bin zu dem Thema nicht gefragt worden. Soviel zum Thema Stil des Hauses und zum Knigge.
In dem zur Debatte stehenden Antrag wird eine Hochgeschwindigkeitsverbindung Paris-Ostfrankreich-Südwestdeutschland und ihre Weiterführung über Frankfurt, Berlin und München nach Ost- und Südosteuropa propagiert und behauptet:
Eine schnelle Anbindung an das europäische Eisenbahnhochgeschwindigkeitsnetz ist ... von grundlegender Bedeutung für die Menschen .. . in Europa, aber auch für die Länder Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
Es klingt wie eine Freudsche Fehlleistung: Ganz obenan stehen die Menschen und die Wirtschaft in Europa. Erst darüber hinaus soll den Menschen in der Region gedient werden. Wo der Antrag recht hat, da hat er recht: Tatsächlich ist es vor Ort so, daß sich 90 Prozent der Schienenverkehre im Entfernungsbereich unter 50 Kilometern bewegen.
Tatsächlich liegt die Reichweite von Fernverkehrsfahrkarten, die bei der Bahn in dieser Region gelöst werden, im Durchschnitt bei 210 Kilometern Entfernung. Dennoch wird von Entfernungen wie ParisMoskau und Paris-Warschau sowie von Fernverkehren zwischen Frankreich und Südosteuropa geredet. Den Hochgeschwindigkeitsverkehren Paris-Südwestdeutschland, gar noch bis Süd- und Osteuropa kommt also diejenige Rolle zu, die jedem Fernverkehr mit solchen Entfernungen zukommt: Sie betreffen eine wirklich kleine Minderheit, die vielleicht 5 Prozent der Bahnreisenden ausmacht.
Derzeit findet aber in dieser Region der Abbau von grenzüberschreitenden Schienenverbindungen statt. Im Augenblick wird die Bliestalbahn - die Strecke Homburg-Blieskastel-Saargemünd - abgebaut. Auf der jüngst ans Licht gezerrten Liste der Deutschen Bahn AG sind die Verbindungen Dillingen-Hemmersdorf(-Metz) und Müllheim-Neuenburg(-Mülhausen) als für eine Stillegung zu prüfen vorgesehen. Dazu kein Wort im Antrag der Kollegin Ferner und anderer, auch in keiner Rede heute.
Vor kurzem setzte sich der örtliche CDU-Bürgermeisterkandidat am Infostand der PDS-Saarland in Blieskastel nachdrücklich für die Wiederinbetriebnahme der Bliestalbahn ein. Wir gestehen, daß uns bei einer solchen Aktionseinheit von CDU und PDS nicht besonders wohl ist. Aber sie ist heute real vor Ort gegeben.
Auch dies sind verkehrspolitische Realitäten. Durchaus im Kontrast zur SPD in Rheinland-Pfalz scheinen die SPD des Saarlandes und dieser Antrag auf der Linie zu liegen: Hochgeschwindigkeitsverbindungen ja, aber wenig zum Thema Flächenbahnen.
Nur so läßt sich verstehen, daß es in dem Antrag unter anderem heißt: Die Verwendung von Neigetechnikzügen kann nur vorübergehend sein. Elke Ferner hat nochmals diesen Standpunkt vertreten. Im Kern finde ich den Antrag ebenso populistisch, weil anscheinend pro Schiene, wie bevölkerungsfern, weil jenseits der Interessen des durchschnittlichen Bahnreisenden und die technischen Möglichkeiten wie Neigetechnik nicht voll berücksichtigend.
Wir empfehlen deswegen den Antragstellern von F wie Ferner bis Z wie Zapf, sich diesen Antrag nochmals zu Gemüte zu führen. Das mindeste wäre, das Thema der Stillegungen in der Fläche in den Antrag aufzunehmen und Abstriche bei der Geschwindigkeit zu machen. Es wären auch sofortige Verbesserungen im internationalen Verkehr möglich und sinnvoll. Es gibt zur Zeit zum Beispiel nur drei EC-Verbindungen Frankfurt-Paris über Saarbrücken und einen Nachtzug. Hinsichtlich der Fernverbindungen stimme ich dem Kollegen Schmidt zu. Ich meine, daß hier endlich eine Lösung mit Neigetechnik im Rahmen einer regional konkretisierten Flächenbahn nochmals zu prüfen wäre.
Danke schön.