Rede von
Albert
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bemerkenswerte an der Rede gerade eben war: Mein Vorredner hat alle angegriffen, hat jedem irgendwie ein bißchen recht gegeben und eigentlich nichts konkret dazu gesagt,
warum es seit sechs Jahren klemmt, warum nichts weitergeht und wann und wie es nach Ihrer Meinung weitergehen soll. Dazu haben Sie kein einziges Wort gesagt.
Aber nun zum Thema.
- Das ist nun wirklich eine wegweisende, auf dem aktuellsten Stand der politischen Diskussion befindliche Bemerkung.
Der Hochgeschwindigkeitsausbau auf der Achse Paris-Saarbrücken-Frankfurt ist der Sache nach völlig unstrittig. Auch wir halten eine Verknüpfung des Hochgeschwindigkeitsnetzes zwischen Deutschland und Frankreich für von zentraler Bedeutung für sämtliche angesprochenen Regionen, die davon unmittelbar profitieren würden.
Albert Schmidt
Was allerdings jetzt in der Diskussion ist, ist die Frage des Zeitrahmens, ist die Frage des Ausbaustandards und ist insbesondere, wenn wir einmal ehrlich sind - es wundert mich, daß keiner das bisher ehrlich angesprochen hat -, die Frage des Finanzrahmens. Auf deutsch gesagt: Wieviel Geld wird es kosten? Wieviel Geld steht zur Verfügung? Um es gleich vor weg zusagen: Wir können mit dieser Debatte weitere sechs Jahre verbringen, und passieren wird gar nichts.
Bei Punkt 1 Ihres Antrages, liebe Kollegin Ferner, sind wir hundertprozentig d'accord. Womit wir Schwierigkeiten haben, ist die Formulierung - ich sage das ganz klar - in Punkt 4, wo es heißt: „Dabei kann die Verwendung von Neigetechnikzügen nur vorübergehend sein ..." Hierzu sagen wir: Das wird der technologischen Entwicklung nicht gerecht. Denn der ICT wird ein Hochgeschwindigkeitszug mit serienmäßig eingebauter Neigetechnik sein. Er wird das Regelfahrzeug der Zukunft werden. Die Forderung, er solle nur übergangsweise unterwegs sein, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Diese Zukunft, von der ich spreche, beginnt übrigens schon 1998.
Nun aber ganz konkret zu dem geplanten Strekkenmodell. Für die Strecke Paris-Frankfurt benötigt man derzeit eine Fahrzeit von etwa sechs Stunden. Wenn wir hier mit dem Flugverkehr konkurrieren wollen - ich bin mit der SPD einer Meinung, daß wir auf der Schiene eine attraktive Alternative zum Flugverkehr benötigen -, dann müssen wir in beiden Bereichen ansetzen - bei der Schiene, auf der der Zug unterwegs ist, aber auch bei der Belastung des Luftverkehrs. Das haben wir diese Woche schon einmal diskutiert. Nur zusammen macht dies einen Sinn.
Nun zur Fahrzeit. Ich betrachte einmal den deutschen Abschnitt zwischen Saarbrücken und Frankfurt. Dazu hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Heinz Dürr, am 13. März 1996 - also vor einem Jahr - im Verkehrsausschuß ausgeführt, daß wir derzeit eine Fahrzeit von 130 Minuten hätten. Nach der bisherigen Planung des Bundesverkehrswegeplanes werde sich diese Fahrzeit auf 107 Minuten - Kostenpunkt: 650 Millionen DM - verkürzen. Die Fertigstellung sei für das Jahr 2001 in Aussicht genommen.
Als Alternative hat er uns vorgerechnet, wie es sei, wenn wir die Nei-Tech-Lösung wählen, also Neigetechnikzüge einsetzen. Dies gäbe eine Fahrzeitverkürzung auf 105 Minuten, also angeblich noch zwei Minuten schneller. Der Effekt wäre also ungefähr der gleiche. Die Kosten lägen bei 250 Millionen DM, also etwa bei einem Drittel der zuvor genannten Kosten. Die Fertigstellung - das ist für mich der entscheidende Punkt - wäre 1998.
Wenn ich vor einer solchen Alternative stehe - Sie wissen ja, daß ich mit Heinz Dürr nicht immer einer Meinung bin; über diesen Verdacht bin ich, so glaube ich, erhaben -, dann muß ich feststellen: Wo
er recht hat, hat er einfach recht. Das muß man so deutlich sagen.
- Ich komme noch auf die Strecke Frankfurt-Paris.
Die Grünen - das gilt nicht nur für die Grünen in Deutschland, hier insbesondere die in Baden-Württemberg oder Bayern, sondern auch für die Grünen in Lothringen und im Elsaß; wir haben uns mit unseren französischen Kolleginnen und Kollegen zusammengesetzt und haben am 22. Juni letzten Jahres eine gemeinsame Erklärung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Heinz Dürr verfaßt und abgegeben - haben folgende vier Forderungen für die gesamte Strecke aufgestellt:
Erstens. Wir sind ausdrücklich für die Anwendung der modernsten Technik der Neigezugtechnik, inklusive der Telematik, und zwar dort, wo es Schwierigkeiten bei der Kapazität gibt.
Zweitens. Wir sind für einen effizienten Einsatz der Finanzmittel.
Drittens. Wir sind für einen Ausbau in ökologisch vertretbarem Rahmen. Das ist für uns mindestens genauso wichtig wie der verkehrliche Aspekt. Denn wenn ich zum Beispiel im Pfälzer Wald zuerst einen Tunnel bauen müßte, der 1 Milliarde DM kostet, damit ich noch ein paar Minuten Fahrzeitverkürzung herausschinden kann, dabei aber Landschaft zerstört wird, dann wären wir dafür nicht zu haben.
Viertens. Wir wollen, daß die regionale Verknüpfung mit dem Nahverkehr sichergestellt ist. Denn, wie auch das Grünbuch „Bürgernetz" der EU gezeigt hat, die schönste Hochgeschwindigkeitsstrecke nützt nichts, wenn die Anbindung an die Regionen mangelhaft ist.
Das heißt konkret: Der Grundsatz, der hier angewandt wird - moderne Fahrzeugtechnik; ich sage einmal etwas salopp: der Zug mit der eingebauten Neubaustrecke -, kann unter Umständen die intelligentere Lösung darstellen. Wir bitten den Verkehrsminister, die Anwendung dieses Prinzips auch im Hinblick auf andere Streckenführungen, zum Beispiel zwischen Nürnberg und Erfurt, intensiv in Erwägung zu ziehen.
Das ökologisch Verträgliche ist oft auch das technisch Modernste und sehr häufig auch das ökonomisch Vernünftige.