Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Es ist kaum zehn Jahre her, da rückten Wissenschaftler wie der von mir hockgeschätzte Professor Hans-Peter Wolff auf dem Deutschen Ärztetag das Klonen von Menschen in den Bereich der Utopie. Er sprach damals, im Jahr 1985, von „utopischen Eingriffen wie der Klonierung, der Herstellung beliebig vieler identischer Individuen" . Wir wissen heute, daß uns nur noch einige hundert Versuche an menschlichen Eizellen von der Herstellung eines menschlichen Klons, der auch lebt, trennen.
Eigentlich kann uns diese Entwicklung nicht überraschen; sie lag in der Luft. Es ist interessant, daß gerade im Bereich der Künstler dieses Zeitgefühl sehr stark vorhanden ist.
Im Oktober 1996 wurde das Stück „Die Menschenfabrik" von Wolfgang Bauer in Graz uraufgeführt. Darin wurde das Klonen als Tragödie dargestellt. Vielleicht hat der eine oder andere die Filmkomödie „Geliebt von vier" gesehen, ein Film, in dem dargestellt wird, wie strapaziös es für eine Frau sein kann, wenn sich der geliebte Mann, der Partner, auf einmal vervierfacht.
Der Gedanke an das Klonen löst eine Mischung von Faszination und Horror aus.
In der Idee des Klonens, die viel älter ist als die Entwicklung dieser technischen Möglichkeit, schlägt sich offenkundig der Wahn der Menschen nieder, wir könnten aus dem Prozeß des Lebens und Sterbens herausspringen, wir könnten gleichsam aus unserer biologisch vorbestimmten Existenz aussteigen, wir könnten als wertvolles, unverzichtbares Individuum, so der Glaube eines Menschen von sich selbst, ewig werden.
Diese Idee wird auch nach dem Schaf „Dolly" nicht Wirklichkeit werden. Wir können mit dem Klonen biologische Kopien von Menschen herstellen. Aber wenn es stimmt, daß der Mensch nicht nur Produkt seiner Gene ist, dann wird natürlich auch die Kopie, wenn sie leben würde, nicht identischer Mensch sein. Die Hoffnung, die vielleicht der eine oder andere auf seinen Klon setzen könnte, wäre schwer zu erfüllen. Im Gegenteil: Die Idee des Klonens schließt die Planung ein, daß das neue Wesen, zumindest in groben Zügen, den Lebensweg seines Vorbilds wiederholen wird. Das heißt, daß ein inhumaner Erwartungsdruck des Schöpfers eines Klons auf dem Leben dieses Klons lasten würde.
Nun ist es sicherlich so, daß wir mit diesem Thema vertraut sind schon aus der Lektüre von Büchern wie denen von Aldous Huxley und gleichen Wahrnehmungen etwa in einer Folge von „Star Trek", in der die Astronauten auf die Mariposers treffen, Klone, die auf einem Planeten voller Klone leben. Das Interessante ist, daß es in all diesen Bildern von Gesellschaften, in der das Klonen von Menschen akzeptiert und praktiziert wird, keine Familien, keine sozialen Beziehungen gibt, in denen Klone aufwachsen und leben. Im Kern geht es doch um das Problem, daß dann, wenn Klonen in der Gesellschaft akzeptiert und praktiziert würde, der Prozeß der Zeugung, der Geburt menschlichen Lebens und der Prozeß des Lebens ohne Familie, ohne ein soziales Umfeld stattfinden würde. Wäre wirklich mein Klon mein Sohn? Sind Klone untereinander Geschwister?
„Emma" frohlockt, Väter könnten entbehrlich werden. Klonen erzwänge eine großflächig praktizierte Leihmutterschaft; denn eine Mutter könnte nicht das Potential von beliebig vielen genetisch identischen Kopien ausschöpfen. Das heißt wir werden mit einer gesellschaftlichen Veränderung konfrontiert, die nach meiner Überzeugung im Kern begründet, warum wir uns als Gesellschaft in Deutschland gegen das Klonen entscheiden und warum wir die Feststellung treffen, daß das Klonen gegen die im Grundgesetz geschützte Würde des Menschen verstößt. Mit dem Klonen lösen wir die Herstellung von Menschen aus dem natürlichen Zeugungsprozeß und aus dem Familienverband heraus und beschreiten damit für den Menschen den Weg der asexuellen Vermehrung: Vermehrung ohne Liebe, ohne Familie, ohne Angehörige.
Die Retortenbefruchtung war immerhin noch der Versuch, Paaren den Wunsch nach einem eigenen Kind zu erfüllen. Das kann man kritisch sehen; wir haben Einschränkungen vorgenommen. Aber ich denke: Eine Behandlung wegen Kinderwunsch ist immer noch auf das Bedürfnis orientiert, daß sich
Wolf-Michael Catenhusen
Paare den Wunsch nach ihrem eigenen Kind erfüllen. Klonen fällt ganz aus diesem personalen Verband heraus. Deshalb, denke ich, gibt es gute Gründe, warum wir uns grundsätzlich, kategorisch gegen eine Gesellschaft mit geklonten Menschen aussprechen.
Die Würde des Menschen gründet sich nicht zuletzt auf der Individualität, der Unverwechselbarkeit der menschlichen Person als Ergebnis des biologischen Zufalls. Sowohl der gezielte Eingriff in die menschlichen Erbanlagen - daher ist es legitim, daß die PDS diesen Punkt in die Debatte einbringt -
als auch das Klonen stimmen mit diesem unseren Verständnis von der Würde des Menschen nicht überein. Deshalb war es eine weitsichtige Entscheidung des Parlamentes, 1990 dieses strafrechtliche Verbot gesetzlich zu verankern.
Ich denke, das ist einer der Fälle, in denen die Politik der Öffentlichkeit vermitteln kann, daß wir dem, was technisch machbar ist, nicht hinterherlaufen, daß wir nicht nur aufgeweckt werden, wenn es passiert, sondern daß wir in Einzelfällen - ich will das nicht überstrapazieren - zu einer gewissen Vorsorge, zu der wir auch von der Verfassung verpflichtet sind, fähig sind. Denn ich verstehe unsere Verfassung so, daß wir als Gesetzgeber die Pflicht und die Aufgabe haben, die Würde des Menschen gegen sich abzeichnende neue technische Entwicklungen dort, wo sie die Menschenwürde gefährden und beeinträchtigen könnten, zu verteidigen. Wir haben diesen vorbeugenden Schutz der menschlichen Würde mit dem Verbot des Klonens sichergestellt.
Ich möchte alle in diesem Hause darum bitten, daß wir uns mit den Aussagen, die wir hier heute gemeinsam treffen, gegenseitig ernst nehmen. Ich halte nichts von einer taktisch geführten Debatte, nach dem Motto: Die Glaubwürdigkeit in bezug auf die Ablehnung des Klonens entscheidet sich erst dann, wenn wir die Position der Grünen in der Fortpflanzungsmedizin und der Präimplantationsdiagnostik oder auf anderen Gebieten teilen.
Wir müssen davon ausgehen: Es gibt ein breites Methodenspektrum der modernen Biologie. Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, mit denen man Abwägungen vornehmen kann. Es gibt gute Gründe, warum man zum Beispiel die Retortenbefruchtung mit bestimmten Einschränkungen gesellschaftlich akzeptiert, warum man aber das Klonen als eine inhumane Entwicklung unserer Gesellschaft gemeinsam abwehrt. Ich glaube, wir tun uns auch keinen Gefallen, wenn wir uns gegenseitig taktisches Denken unterstellen. Ich nehme Herrn Rüttgers genauso wie Frau Steindor ihre Position ab; ich freue mich darüber, daß wir hier eine gemeinsame Grundüberzeugung haben.
Wir müssen wissen, daß diese Diskussion, die wir hier in kleinem Kreise führen, vom Ausland sehr aufmerksam verfolgt wird. Wir in Deutschland wissen,
daß Gesetze nicht Tabus ersetzen können. Das Embryonenschutzgesetz, das wir 1990 verabschiedet haben, kann mit einfacher Mehrheit jederzeit geändert werden. Wir wissen natürlich, daß uns beim Klonen - das unterstelle ich - Wissenschaftler in Zukunft Gründe dafür nennen werden, warum wir auch mit dieser Technik dem einen oder anderen Menschen helfen könnten. Das gilt genauso für die gezielten Eingriffe in die menschlichen Erbanlagen. Wir müssen, in Kenntnis dieser Möglichkeit, die Grundentscheidung gegen das Klonen beibehalten, und deshalb ist auch das strafrechtlich bewehrte Verbot des Klonens die richtige gesellschaftliche Antwort auf diesen Konflikt.
Wir haben beim Klonen eine erste reale Chance, auf dem gesellschaftlich sehr umstrittenen Feld der modernen Biologie zu einer internationalen Vereinbarung zu kommen. Gesellschaftliche Einstellungen zu modernen biologischen Methoden spiegeln auch sehr unterschiedliche kulturelle, soziale und historische Erfahrungen wider. Es geht nicht immer nur darum, daß die einen eine gute und die anderen eine schlechte Ethik haben. Wir haben aber offenkundig, zumindest im Augenblick, eine Chance, da in vielen wichtigen Industrieländern und auch im islamischen Raum - das ist interessant - Stimmen laut werden, die fordern, daß wir eine weltweite Vereinbarung für ein Verbot des Klonens brauchen. Ich denke, wir sollten diese Chance nutzen; wir bekommen sie vielleicht nicht so schnell wieder. In vielen anderen Fragen wie der der Embryonenforschung ist ein Konsens nicht in Sicht. Vereinbarungen zum Eingriff in die Keimbahnen und zum Klonen könnten die ersten Bausteine für eine weltweite Verständigung darüber sein, wie wir der Anwendung moderner biologischer Methoden an Menschen, orientiert an der Respektierung der Menschenwürde, Grenzen ziehen können. Wenn wir die Chance hätten, dies auch interkulturell zu verankern, wäre das ein ganz großer Schritt.
Ich möchte allerdings zwei Hinweise damit verbinden. Ich teile nicht ganz die Überzeugung von Herrn Minister Rüttgers, daß die Bundesregierung seit der Verabschiedung dieses Gesetzes 1990 alle Chancen genutzt hat, Vorreiter für internationale Vereinbarungen auf diesem Gebiet zu werden.
Denn die Vorarbeiten für die Bioethik-Konvention des Europarates begannen schon Ende der 80er Jahre. Ich kenne interne Vermerke, in denen sich zum Beispiel das Bundesgesundheitsministerium massiv über die Untätigkeit und den Attentismus des Bundesjustizministeriums bei den vorbereitenden Beratungen für die Bioethik-Konvention des Europarates beschwert. Von einer stringenten Vertretung der Position, die wir 1990 beschlossen haben, im internationalen Kontext kann nicht durchgängig die Rede sein.
Wolf-Michael Catenhusen
Ich sage das, Herr Minister Rüttgers, ausdrücklich nicht in bezug auf Sie. Aber ich kann der Bundesregierung diesen Vorwurf nicht ersparen. Weder bei dem ersten Entwurf der Bioethik-Konvention des Europarates noch etwa bei den Beratungen über den UNESCO-Entwurf war von Anfang an ein stringentes, ausformuliertes Einbringen der deutschen Position im internationalen Diskurs erkennbar. Ich möchte Sie ermuntern und drängen, daß die Bundesregierung - genauso wie Vertreter der professionellen Ethik in Deutschland - dazu beiträgt, daß wir nicht Außenseiter, sondern Vorreiter sind und daß unsere Vorreiterposition auch Basis für internationale Vereinbarungen wird.
Bei Besuchen im Ausland macht man auch die interessante Erfahrung - die habe ich im letzten Jahr bei dem Besuch der nationalen Ethikkommission in Paris machen müssen -, daß selbst die Beiträge von professionellen Ethikern, die Beiträge der Kirchen in Deutschland, im internationalen Diskurs nicht die Rolle spielen, die wir uns wünschen würden.
Danke schön.