Rede von
Dr.
Jürgen
Rüttgers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit zwei Feststellungen beginnen. Die erste Feststellung: Das Klonen von Menschen ist in Deutschland verboten. Die zweite Feststellung: Es gibt in Deutschland keine Forschungen, die das Ziel haben, Menschen zu klonen.
Beide Sätze sind mir wichtig, und beide Sätze sind ohne jede Einschränkung gesagt.
Lassen Sie mich zu der ersten Feststellung etwas sagen, auch vor dem Hintergrund der hier stattfindenden Diskussion. Ich finde es richtig und wichtig, daß der Deutsche Bundestag bei der Ablehnung des Klonens und auch in der Feststellung, daß dies in Deutschland rechtlich klar verboten ist, einer Meinung ist.
Dennoch scheint es mir notwendig zu sein, gerade nach dem Ablauf dieser Diskussion und weil ich weiß, daß wir gemeinsam dieser Auffassung sind, davor zu warnen, einen Weg zu gehen, der auf der Basis des jetzt beginnenden Diskussionsprozesses diese Aussage relativiert.
Natürlich gehört es zur politischen Diskussion, auch nachzufragen, ob das, was man 1990 geregelt hat und was in einem Diskussionsprozeß, der 1984 begann, dann festgelegt wurde, noch ausreichend ist. Diese Frage ist legitim; das ist unsere Aufgabe.
Aber diese Fragestellung beinhaltet natürlich nicht nur eine Infragestellung des damals bereits Genormten und hat insofern natürlich auch eine, um es vorsichtig zu formulieren, durchaus ambivalente Wirkung in der Öffentlichkeit; sondern je nachdem, wie die Diskussion dann weitergeführt wird, kann sie auch dazu führen, daß man plötzlich in Diskussionsschleifen kommt, die vom Ergebnis her völlig inakzeptabel sind.
Ich bin sicher, daß Sie es so nicht gemeint haben, aber Kollegin Frau Däubler-Gmelin hat gesagt: Wir brauchen von der Bundesregierung eine Übersicht. Meine Damen und Herren, auch ich bin der Auffassung, daß es notwendig ist, in dieser Diskussion mit der Öffentlichkeit, mit der Bevölkerung sehr transparent über das zu reden, was jetzt unter dem Stichwort „Dolly" diskutiert worden ist und wissenschaftlich geschehen ist.
Das ist der Grund, weshalb ich fünf Mitglieder des nationalen Technologierates gebeten habe, einen solchen Bericht zu erstellen. Denn ich habe auch den Eindruck, daß manches, was in deutschen Zeitungen veröffentlicht worden ist, nichts mit der Realität zu tun hat, eine Vielzahl von Fehlern enthält. Insofern soll auch denjenigen, die dieses Thema interessiert, Gelegenheit gegeben werden, sich damit zu beschäftigen.
Dennoch komme ich noch einmal auf den Satz zurück, daß wir eine Übersicht brauchen. Ich stelle dagegen: Nein, wir brauchen keine Übersicht über all die Techniken, die in diesem Bereich denkbar sind oder vielleicht in Zukunft noch denkbar sein könnten. Wir müssen vom Ergebnis her diskutieren. Das heißt in diesem Fall: Egal, welche Techniken auf dem Markt sind, egal, was Wissenschaftler noch erfinden mögen, egal, wie die technische und die wissenschaftliche Weiterentwicklung ist, aus anderen Gründen kann ein Ergebnis nicht akzeptiert werden, das wir mit unserer Begrifflichkeit „geklonter Mensch" umschreiben.
Wenn dies so ist, meine Damen, meine Herren, dann ist es ein ganz wichtiger Wert, daß die erste Feststellung unbedingt bleibt: Das Klonen von Menschen ist in Deutschland verboten.
1984 begannen erste Forschungen, die sich mit dem Klonen von Amphibien beschäftigten. Zum damaligen Zeitpunkt war überhaupt noch nicht daran zu denken, daß das Klonen von Tieren oder gar von Menschen einmal Realität wird. Völlig egal, was in diesem Bereich an Technik denkbar und machbar ist: Das Ergebnis ist nicht akzeptabel, und zwar nicht nur wegen des Embryonenschutzgesetzes, sondern wegen unseres Bildes vom Menschen, wegen der Regelungen im Grundgesetz, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist, wegen eines über unser Grundgesetz hinausgehenden Naturrechts, das eine solche Technik und ein solches Ergebnis für unmöglich, für verboten erklärt.
Ich weiß, was ich damit sage. Ich will durchaus, auch aus aktuellem Anlaß, der umgekehrten Konsequenz der Diskussion nicht ausweichen. Ich denke zum Beispiel an ein Mitglied des von Präsident Clinton berufenen Wissenschaftlerkreises, der immer den berühmten Fall des zweijährigen leukämiekranken Menschen diskutierte, für den kein Knochenmark zur Verfügung steht und bei dem es doch - gerade, weil er und sein Klon altersmäßig nicht so weit auseinander wären und die Mutter vielleicht noch im gebärfähigen Alter wäre - möglich sein könnte, daß
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers
man sich das Knochenmark auf dem Wege des Klonens besorgt.
Nein, man muß in aller Härte sagen, daß selbst der Tod eines zweijährigen Menschen, der dann eintreten kann - es ist schwer, das zu formulieren -, so schlimm das im Einzelfall mit all der menschlichen Tragik ist, es nicht rechtfertigen würde, im Umkehrschluß einen Menschen zu klonen, um diesen Tod zu verhindern. Man muß ein solches Beispiel bewußt auf den Punkt führen, damit klar wird, daß das richtig ist.
Eine solche Denke, wie sie von Wissenschaftlern im Vorfeld der amerikanischen Diskussion vorgetragen worden ist, erinnert mich sehr - ich will sie jetzt gar nicht persönlich treffen - an das, was in der NaziBarbarei an Züchtungsforschungsüberlegungen angestellt worden ist. Es kann nicht wahr sein, daß wir Menschen züchten, um sie dann auszuschlachten. Da bleibt es bei dem Satz: Wehret den Anfängen!
Ich will noch eine Bemerkung zu dem zweiten Satz machen: „Es gibt keine Forschungen in Deutschland." Ich bin ganz dankbar, daß ein Großteil unserer Nobelpreisträger und ein Großteil der Präsidenten der deutschen Forschungseinrichtungen mit mir zusammen in dieser Frage ein klares Wort auch an die Öffentlichkeit gerichtet haben. Wir als Politiker dürfen nicht auf der einen Seite hier klare Positionen bekennen, und auf der anderen Seite in der Art, wie wir diskutieren, unseren Wissenschaftlern und übrigens auch der Industrie unterstellen, Sie wollten diese Forschung. Unsere Forscher wissen nicht nur, daß das Klonen verboten ist, sondern es ist auch klar, daß sie das Verbot bei ihrer Aufgabe als Forscher - übrigens auch in dem Bewußtsein, daß sie wegen des Verbotes nie veröffentlichen könnten, was sie erforscht hätten - nicht nur aus ethischen, sondern auch aus rein praktischen Gründen bejahen, einhalten und akzeptieren.
Ich sage das deshalb, weil ich den Satz „Das, was einmal gedacht worden ist, wird auch gemacht" in der Diskussion ein wenig hinterfragen will. Natürlich kann niemand irgendwelche kriminellen Machenschaften ausschließen. Es wäre falsch, wenn man diesen Eindruck erwecken würde. Aber für die deutschen Forscher, die ihre verantwortungsvolle Tätigkeit ausüben, sollte man dies sagen.
Lassen sie mich eine dritte Bemerkung machen, die mir wichtig ist. Es ist bereits über die internationale Debatte gesprochen worden. Jawohl, wir haben in Deutschland eine klare rechtliche Lage. Jawohl, es ist leider auch so, daß die internationalen Regelungen dem nicht entsprechen. Dies ist der Grund, warum wir als Bundesrepublik Deutschland den Regelungen im Bereich des Europarates bisher nicht zugestimmt haben. Ich hoffe sehr, daß es uns gelingt, bei den jetzt anstehenden Formulierungen des Protokolls zum Schutz des menschlichen Embryos ein klares Verbot einzuführen.
Nur - das will ich unseren Partnern in aller undiplomatischen Unhöflichkeit nicht ersparen -, es ist nicht so, als ob wir in dieser Frage nicht diskutiert
hätten. Es ist nicht so, als ob wir als Bundesrepublik Deutschland unsere Position in dieser Frage nicht auf den Tisch gelegt hätten. Es war vielmehr so, daß wir keine Mehrheit bekommen haben. Ich finde es schon bemerkenswert - ich sage das in aller Deutlichkeit, obwohl ich mich darüber freue, daß es endlich dahin gekommen ist -, daß erst, nachdem die Debatte über Dolly losging, etwa in Italien eine hektische Reaktion im Sinne einer Notverordnung eingetreten ist und daß in Frankreich und übrigens auch in den USA entsprechende Regelungen erst zu diesem Zeitpunkt gefunden worden sind. Daß in Großbritannien entsprechende Bemühungen und öffentliche Diskussionen anstehen, vermag ich noch nicht zu sehen.
Ich sage wiederum bewußt sehr undiplomatisch, daß ich inzwischen schon etwas Probleme damit habe - auch als jemand, der sich dafür einsetzt, daß wir in Europa eine moderne Forschungslandschaft haben -, daß manches, was in Großbritannien jetzt selbstverständlich zu sein scheint - die Debatten über BSE gehören für mich in denselben Kontext wie die Debatte über das Klonen -, mit einer Art von Unbekümmertheit stattfindet, die ich nicht nur nicht akzeptieren kann, sondern die auch verändert werden muß. Das sage ich nicht aus der Position desjenigen, der glaubt, in allen Fragen recht zu haben.