Rede von
Wolfgang
Bierstedt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie es aussieht, ist sich der gesamte Deutsche Bundestag einig - darüber kann wohl auch die parteipolitisch und wahltaktisch begründete und zumindest von wenig entwickelter politischer Kultur zeugende Ausgrenzung der PDS bei der Erstellung des interfraktionellen Antrages nicht hinwegtäuschen -:
Die Klonierung von Menschen und menschlichen Embryonen muß definitiv verboten sein.
Ein solches Verbot muß grundsätzlich für alle Versuche der Klonierung gelten, gleich ob das Ergebnis ein gentechnisch vollständig identisches Erbgut ist oder nicht. Es hat ebenso für zellkerntransplantierte Zellen, für Eier im Vorkernstadium und für nicht entwicklungsfähige Embryonen der Frühphase zu gelten.
Wenn wir verhindern wollen, daß menschliches Leben einem umfassenden technischen Zugriff und der
notwendig folgenden totalen Kommerzialisierung unterworfen wird, muß dieses Verbot durchgesetzt und verteidigt werden; verteidigt werden deshalb, weil meine Befürchtung ist, daß der heute noch relativ einhellige Chor der Ablehnung von Klonierung und Embryonenforschung nicht lange anhalten wird.
Ist es die Klonierung betreffend noch eine sehr geringe Zahl von Stimmen, zumindest in der Bundesrepublik, so ist es bei anderen Regelungen des Embryonenschutzgesetzes bereits eine Vielzahl, die Aufweichungen und Änderungen dieses Gesetzes nahelegen bzw. sogar offen fordern; Stimmen, die vorrangig aus der Industrie und der ihr nahestehenden bzw. von ihr abhängigen Forschung kommen.
Meine Damen und Herren, genau das war für uns Anlaß, in unserem Antrag auch das Verbot der Keimbahnintervention zu bekräftigen. Denn es ist nicht nur die Aufgabe des Parlamentes, auf ein aktuell in den Medien und von den Bürgerinnen und Bürgern diskutiertes Thema einzugehen, sondern frühzeitig auch auf andere drohende Dammbrüche hinzuweisen. Ethische Grenzen mögen ja der Entwicklung unterliegen, wie die lange Geschichte der Menschheit zeigt; sie können aber keine Verhandlungssache sein.
Den Versuch, die Präimplantationstechnik, die Selektion von Embryonen nach genetischen Qualitäten, in der Bundesrepublik zu etablieren, haben wir vor wenigen Monaten auch hier im Hause erlebt. Ich könnte Ihnen mehrere Zitate von Forschern und Bioethikern vorlesen, die nicht nur die Präimplantationstechnologie, sondern auch die Keimbahnintervention einfordern und rechtfertigen. Bei einem Zitat aus einem Buch zur medizinischen Ethik will ich es belassen, weil es charakteristisch ist. Ich zitiere:
Die Keimbahntherapie ist derzeit sittlich nicht zu verantworten. Dennoch sollte hinsichtlich der Keimbahntherapie keine generelle Vorabverurteilung vorgenommen werden.
Es folgen dann die Rechtfertigungen im Einzelfall.
Worauf ich aufmerksam machen will, ist: Die Angriffe gegen das Embryonenschutzgesetz häufen sich parallel zur Entwicklung der Technologie. Nur die Klonierung zu beachten und zu behandeln erscheint fahrlässig. Klonierung, Embryonenforschung und Keimbahneingriffe verstoßen gegen die Würde des Menschen und müssen verboten sein und bleiben.
An die Adresse der Bundesregierung gerichtet ist zu sagen: Wer wie sie die Gentechnologie, ausschließlich monetären Überlegungen folgend, zur Schlüsseltechnologie, zum heiligen Gral der Menscheitsentwicklung erklärt und in bezug auf die Gentechnologie wie Herr Minister Rüttgers erklärt „Es ist zu fragen, ob wir schon alles können, was wir können müssen" , der darf sich nicht wundern, wenn Forschung und Industrie dies als Aufforderung verstehen, auch alles zu machen, was technisch machbar ist.
Natürlich kenne ich auch Ihre Aussage, Herr Minister Rüttgers: Den geklonten Menschen darf und wird es nicht geben. Aber stellt sich Ihnen beim Ver-
Wolfgang Bierstedt
gleich der beiden Aussagen nicht die Frage: Was ist ernstgemeint, und was ist ausschließlich der Tagespolitik geschuldet?
Wie ernst es der Bundesregierung mit dem Verbot der Klonierung, der Präimplantationstechnologie oder der Keimbahnintervention ist, werden wir daran sehen, wie sie sich zum Menschenrechtsübereinkommen des Europarates zur Biomedizin und zur UNESCO-Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms stellt.
Im übrigen verstehen wir unseren Antrag nicht als Konkurrent zum vorliegenden interfraktionellen Antrag. Wir werden Ihrem interfraktionellen Antrag natürlich zustimmen, denn das Thema ist uns viel zu wichtig, um hier parteipolitische Egoismen zu kultivieren.
Danke.