Die Steuerquote hat mit den Spitzensteuersätzen nichts zu tun, sondern das ist ja auch eine Frage der Steuerstruktur. Insofern geht Ihre Frage etwas an unserer Reform vorbei; denn wir wollen ja in erster Linie die Struktur unserer Einkommensteuer so verbessern, daß die Spitzensteuersätze
mit den tatsächlich gezahlten Steuern wieder deutlicher in Einklang stehen. Das wollte ich nachher noch ausführen; ich ziehe es jetzt vor.
Im übrigen habe ich auch darauf hingewiesen, daß die steuerlichen Rahmenbedingungen natürlich nur eine von mehreren Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze sind und daß es nicht wie bei einem Automaten funktioniert, in den man oben eine Steuerreform hineinsteckt und aus dem dann unten fertige Arbeitsplätze herauskommen. Das haben wir doch nie behauptet. Aber Beispiele dafür sehen wir reichlich, daß durchgreifende und konsequente Strukturreformen zu solchen Verbesserungen in der Wirtschaft und insbesondere auf den Arbeitsmärkten geführt haben. Darauf vertrauen wir.
Ich habe auf die Globalisierung und den Wettbewerb hingewiesen. Das ist ja bekannt, auch wenn hier unterschiedliche Einschätzungen offenkundig werden.
Ein zweites Motiv für die Steuerreform, das in letzter Zeit in der öffentlichen Diskussion immer ein bißchen unter die Räder gerät, möchte ich gerade als Liberale einmal einführen: Wir sind dabei, uns von einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung zu entfernen. Wir haben eine Staatsquote von über 50 Prozent. Wir haben eine durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung von annähernd 47 Prozent. Wir können dann nicht mehr davon reden, daß der einzelne noch genügend Dispositionsfreiheit über das von ihm selbst verdiente Einkommen hat.
Es handelt sich also um ein Freiheitsproblem, das wir mit der Steuerreform angehen können. Wir können es allein mit Hilfe der Steuerreform nicht lösen; da gebe ich der Opposition recht. Natürlich müssen auch die anderen Abgaben und damit die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Frau Hasselfeldt hat es eben zugestanden. Aber wir dürfen das eine nicht mit dem anderen vermengen und uns dadurch selber Fesseln anlegen und uns binden.
Vielmehr müssen wir eine Reform neben der anderen durchführen, möglicherweise auch nacheinander, weil wir uns bei einem Nebeneinander sozusagen verheben. Das ist aber doch kein Argument gegen eine Steuerreform, sondern eher ein Grund dafür, so früh wie möglich an einer Stelle zu beginnen. Wir haben uns entschieden, mit der Steuerreform anzufangen.
Außer dem Freiheitsproblem gibt es ein Gerechtigkeits- und Gleichheitsproblem: Ich muß mich schon wundern, daß gerade dieser Aspekt von der SPD so wenig gesehen wird. Sie haben in den letzten Monaten immer wieder sehr lebhaft geklagt, daß die nominalen Spitzensteuersätze von den Spitzenverdienern überhaupt nicht bezahlt werden. Das ging bis zu dem Vorwurf, daß beispielsweise in Hamburg alle Einkommensmillionäre Null Einkommensteuer zahlen.
Gisela Frick
Das hängt damit zusammen, daß wir in der Vergangenheit eine Reihe von legalen - ich möchte ausdrücklich betonen: legalen - Möglichkeiten geschaffen haben, die Steuerschuld durch Investitionen in ganz bestimmten Richtungen entsprechend abzusenken, die vom Gesetzgeber gewünscht waren und deshalb entsprechend gefördert wurden.
Heute sagen wir: Wir wollen uns von diesem System abwenden, weil wir festgestellt haben, daß das System zu Fehlallokationen führt, daß nicht unbedingt die Investitionen erfolgen, die volkswirtschaftlich sinnvoll und notwendig sind und die vielleicht auch nicht für den einzelnen notwendig sind. Sie wehren sich aber dagegen, wenn wir sagen: Wir wollen das erreichen, indem wir die nominalen Spitzensteuersätze senken, aber die sogenannten Schlupflöcher weitgehend verstopfen - sprich: Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Damit wollen wir letztendlich bewirken, daß der Gutverdienende, der Leistungsfähige die Steuer, die auf dem Papier steht, auch tatsächlich zahlt. Das ist ein riesengroßer Fortschritt gegenüber der heutigen Situation.
Ich meine, daß gerade hier von der Opposition Zustimmung kommen müßte. Bei einem entsprechenden Steuergespräch müßte darüber doch Konsens möglich sein. Heute richtet sich ein Großteil der Kreativität unserer Menschen angesichts der hohen Grenzsteuerbelastungen auf Steuervermeidungsüberlegungen. Man sollte überlegen: Was mache ich, um die wahnsinnig hohe Grenzsteuerbelastung zu vermeiden? Die Kreativität sollte statt dessen umgelenkt werden in Innovationen und Investitionen. Dadurch würden wir einen weiteren Schub für unsere Wirtschaft und insbesondere für unsere Arbeitsplätze erreichen. Auch das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt. Ich bitte Sie also - auch die Opposition - das sehr hoch einzuschätzen und bei den Gesprächen entsprechend zu berücksichtigen.
Ein weiterer Punkt, der eine wichtige Rolle spielt: Unser Steuerrecht hat sich in der Vergangenheit mittlerweile in einem solchen Umfang entwickelt, daß es intransparent geworden ist. Manche werfen ihm vor, es sei chaotisch. Aber das hat auch weitere Folgen. Es gibt nämlich eine gewisse Steuerverdrossenheit angesichts dieses Steuersystems, die man dem Bürger und dem Unternehmer auch nicht verübeln kann.
Diese Steuerverdrossenheit ist in unserer Demokratiesituation ausgesprochen problematisch, weil daraus sehr schnell ein Sprengstoff für unsere Demokratie werden kann. Es folgt die Unzufriedenheit mit dem System insgesamt, mit unserer Demokratie. Deshalb sollten wir uns um eine Steuerreform bemühen, die diesen Namen wirklich verdient, die also zu einer ganz deutlichen Bereinigung und Vereinfachung führt.
Der Druck muß eben von dem Tarif ausgehen. Man kann nicht - wie zum Teil aus den Reihen der SPD zu hören - sagen: Wir gehen erst einmal die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage an. Dann schauen wir einmal, wo wir beim Spitzensteuersatz ungefähr landen. Unten ist dann alles festgezurrt, aber oben ist es wie bei der Richter-Skala, nach oben offen.
- Nein, Herr Eich, es muß umgekehrt sein: Der Druck
muß vom Tarif auf die Bemessungsgrundlage wirken.
Je konsquenter wir die Tarife senken, desto konsequenter sind wir notgedrungen auch bei der Bemessungsgrundlage.
Beides hängt ganz eng miteinander zusammen. Ich möchte fast das Bild der kommunizierenden Röhren verwenden. Wenn wir auf der einen Seite mit den Steuertarifen weit oben bleiben, kann auch die Bemessungsgrundlage weniger breit sein. Wenn wir aber mit den Tarifen heruntergehen, muß die Bemessungsgrundlage konsequenterweise sehr, sehr breit werden.
Daß das zusammenhängt, müssen wir auch der Bevölkerung klarmachen. Denn es ist leider so, daß die Steuerreform immer separat diskutiert wird. Es wird einmal der Tarif diskutiert. Da heißt es, es ist wunderbar und sehr angenehm, daß er gesenkt wird. Das wird dann abgehakt. Wenn es aber um die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage geht, die damit zusammenhängt, und auch gewisse Verzichte auf Privilegien und Sondertatbestände eingefordert werden, wird dies unheimlich beklagt, ohne daß man dabei daran denkt, daß die Tarife deutlich gesenkt werden. Nur beides zusammen gibt ein Bild, und nur beides zusammen macht auch Sinn.
Deshalb haben wir in unseren Vorschlägen zur Steuerreform auch beides zusammen als ein geschlossenes, in sich konsistentes Paket vorgelegt. Auch die erste Stufe ist in sich konsistent, denn wir haben gesagt: Gerade weil es um den Erhalt und die Neuschaffung von Arbeitsplätzen geht, verträgt diese ganze Operation keinen Aufschub mehr. Das bedeutet, daß wir den gewerblichen Teil, bei dem in erster Linie Investitionen und Arbeitsplätze entstehen, vorziehen wollen.
Dies soll aus Haushaltsgründen in der ersten Stufe sogar weitgehend aufkommensneutral geschehen, was ich für sehr schade halte. Deshalb ist auch eine Gegenfinanzierung aus dem gewerblichen Bereich vorgesehen.
Dazu muß ich insbesondere noch einmal auf Sie, Frau Scheel, eingehen, was § 34 angeht. Der Minister hat es schon einmal erklärt, Frau Hasselfeldt ebenso; ich versuche es jetzt zum dritten Male. Das ist kein Einknicken gegenüber irgendwelchen Klientelen oder so etwas, was immer behauptet wird.
Gisela Frick
§ 34 betrifft vielmehr ausgesprochen unterschiedliche Einkunftsarten, unter anderem auch gewerbliche. Da sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft dabei, da sind insbesondere die Selbständigen und die freien Berufe dabei. Es sind sogar auch Arbeitnehmer mit bestimmten Abfindungen dabei, bis hin zum Handelsvertreter. All das paßt nicht als Gegenfinanzierung zu einer Absenkung der Tarife ausschließlich im gewerblichen Bereich.
Das war der entscheidende Punkt, weshalb wir § 34 schon auf dem Weg zwischen dem Referentenentwurf und dem Regierungsentwurf wieder herausgenommen haben. Die Sache war vom Inhalt her falsch, weil die falschen Gegenfinanzierungsvolumina gesucht worden sind, und es war natürlich erst recht vom Datum her falsch, weil wir sogar eine Rückwirkung auf den 1. Januar 1997 hatten.
Insofern ist es natürlich ganz richtig, daß es im Moment draußen ist und erst einmal der zweiten Stufe vorbehalten ist, nämlich dem Zeitpunkt, zu dem auch die anderen Einkunftsarten entlastet werden, zu dem Land- und Forstwirte und auch Freiberufler etwas von dem neuen Tarif haben. Dann ist es gerechtfertigt, auch in diesen Bereichen an der Bemessungsgrundlage entsprechend etwas zu ändern. Bei einer Vorziehung hätten wir eine wirkliche Schieflage in der ersten Stufe.
- Es sind außerordentliche Einkünfte, aber aus ganz verschiedenen Einkunftsarten.
Deshalb dürfen sie nicht zur Finanzierung von Absenkungen des Tarifs nur im gewerblichen Bereich herangezogen werden. Das macht keinen Sinn.
Wir müssen also ganz klar darauf hinweisen, daß das einen sachlichen Grund hatte und keinerlei Abweichen von der Konsequenz unserer Steuerreform ist. Wir müssen nur jeweils die richtigen Teile zuordnen. Das war im Referentenentwurf noch nicht erfolgt. Das haben wir jetzt richtiggestellt. Für den 1. Januar 1999 wird die entsprechende Formulierung auch in § 34 erfolgen. Wir haben das Ziel insgesamt nicht aufgegeben, aber es muß zeitlich stimmen.
- Nein, das hat er nicht anders dargestellt. Das ist genau die Darstellung, die unserer Meinung entspricht.