Rede von
Prof.
Gisela
Frick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Scheel, wir denken nicht nur an die Besitzenden, sondern gerade an die anderen in unserem Lande, weil uns die Arbeitsplätze das allerwichtigste sind. Die Arbeitsplätze hängen - das haben wir heute schon mehrfach gehört - nun einmal nicht unwesentlich auch von der Steuer- und Abgabenlast ab; das haben auch Sie selber konzediert.
Ich möchte zunächst einmal auf die SPD bzw. ihren Führer Scharping eingehen. Herr Scharping, positiv habe ich Ihrer Rede entnommen, daß Sie nach wie vor Gesprächsbereitschaft im steuerlichen Bereich signalisieren. Das halte ich für sehr wichtig; das ist sehr begrüßenswert.
Für weniger begrüßenswert halte ich, daß Sie Ihre Gesprächsbereitschaft an enge Vorbedingungen knüpfen. Wenn wir in eine Gesprächsrunde gehen, dann ist doch klar, daß ihr zunächst die Konzeption zugrunde liegt, die wir vorgelegt haben. Wenn Sie eine hätten, dann würde natürlich auch Ihre Konzeption mit in diese Gespräche eingeführt; aber nach wie vor vermissen wir Ihre Konzeption.
Die diversen, total sachfremden Junktims - ob es um Kohlesubventionen, um Lohnnebenkosten oder ähnliches geht -, die Sie immer wieder herstellen, machen die Entwicklung natürlich nicht leichter. Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Behalten Sie Ihre Gesprächsbereitschaft bei, aber machen Sie sie nicht dadurch zunichte, daß Sie Junktims aufbauen, die sachfremd sind und überhaupt nichts mit der Steuerreform als solcher zu tun haben!
Da ich optimistisch bin und hoffe, daß wir doch noch zu einem Konsens bei der anstehenden Steuerreform kommen, möchte ich noch einmal unser Konzept und insbesondere - das ist mir besonders wichtig - die Motive erläutern, die dieses Konzept tragen. Das hat dann auch Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage: Wie weit können wir aufeinander zugehen? Inwieweit sind wir kompromißbereit? Inwieweit lassen Sie von der SPD sich überzeugen? Herr Scharping, auch das ist ein Problem. Deshalb fände ich es ganz gut, wenn Sie jetzt einmal zuhören würden.
Wir haben zunächst einmal festzustellen, daß die Steuerbelastung - das haben wir gehört - nur eine von mehreren Rahmenbedingungen für die Förderung von Investitionen und Beschäftigung bei uns im Lande ist, aber eben eine sehr wesentliche. Hier wollen wir jetzt ansetzen. Das hängt damit zusammen, daß allgemein in der Bevölkerung - darüber besteht eine ganz große Einigkeit - die Meinung vorherrscht, daß unsere Steuern zu zahlreich, zu hoch, zu kompliziert und zu ungerecht sind.
Eine Reform, die diesen Namen auch verdient, muß also genau diese Mißstände beseitigen. Das heißt, sie muß Steuern abschaffen, senken, vereinfachen und sie muß sie dadurch sozusagen als letztes auch noch gerechter machen. Soweit herrscht in der Regel noch Konsens, wenn wir einmal von dem Punkt der Steuersenkungen absehen. In diesem Zusammenhang habe ich von Ihnen, Frau Scheel, die Forderung nach einer Aufkommensneutralität gehört. Das halte ich für einen falschen Weg.
Es muß am Ende eine Nettoentlastung übrigbleiben, damit sich die ganze Operation überhaupt lohnt. Denn eine rein aufkommensneutrale Steuerreform würde ihren wesentlichen Zweck verfehlen. Es muß zu einer Entlastung kommen.
Zunächst einmal zu den Punkten, die für eine solche Steuerreform, wie wir sie vorgelegt haben, sprechen: Sie wissen, wir wollen eine deutliche Absenkung der Spitzensteuersätze auf 35 Prozent im gewerblichen Bereich und 39 Prozent im nichtgewerblichen Bereich. Wir wollen das so konsequent wie möglich durch eine Verbreiterung der Bemessungs-
Gisela Frick
grundlage gegenfinanzieren. Wir wollen tatsächlich ein Stück Nettoentlastung verwirklichen.
Herr Eich, wenn Sie sozusagen nach der Lücke im Zusammenhang mit der Nettoentlastung fragen, dann muß ich natürlich sagen: Wir glauben an den Erfolg unserer Reform. Wir versprechen uns ja etwas von dieser Reform. Wir sind schließlich nicht blauäugig; wir wollen, daß die Investitionstätigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen angeregt werden.
Dazu brauchen wir nur über den Tellerrand unserer nationalen Grenzen hinaus zu sehen, um zu erkennen, wie das andere Länder exerziert haben und welche Erfolge sie damit erreicht haben. Wir müssen nicht unbedingt bis nach Neuseeland schauen - dieses Land bietet sich immer wieder als Beispiel an -, sondern es reicht, wenn wir beispielsweise in unsere Nachbarländer Österreich und die Niederlande sehen und uns die Frage stellen: Welche Investitionen sind in den letzten Jahren beispielsweise im Salzburger Land statt in Bad Reichenhall getätigt worden, und welche Investitionen werden im holländischen Grenzbereich statt bei uns am Niederrhein getätigt? Hier ist eine sehr enge Beziehung zu den steuerlichen Rahmenbedingungen und der Phantasie über eine Steuerreform.
Wir sind auch nicht blauäugig, wenn wir uns von einer Steuerreform in allererster Linie einen wesentlichen Investitionsschub und die Schaffung entsprechend vieler Arbeitsplätze versprechen.
Der erste Grund für eine Steuerreform ist natürlich, daß wir uns dem globalen Wettbewerb der Wirtschaft stellen müssen und uns auch in einem Wettbewerb der Steuersysteme befinden. Das wird im europäischen Bereich in nächster Zeit noch deutlicher werden. Wenn wir eine einheitliche Währung haben werden, werden die Steuersysteme natürlich noch vergleichbarer sein.
Von daher müssen wir unsere Steuersätze, und zwar die nominalen und damit auch die Spitzensteuersätze, so deutlich senken, daß wir im internationalen Wettbewerb bestehen können und Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern.