Rede von
Gerda
Hasselfeldt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich habe noch nicht einmal richtig angefangen. Ich bitte, zunächst einmal meine Gedankengänge - und zwar nicht nur einen Gedanken - hier darlegen zu dürfen.
Also: Die Entscheidungen über Investitionen, über Arbeitsplätze finden unter international vergleichbaren Bedingungen statt. Wenn wir uns diesen Bedingungen nicht stellen, wird es uns nicht gelingen, Arbeitsplätze zurückzugewinnen, wird es uns nicht gelingen, unseren Wohlstand und die Grundlagen unserer sozialen Sicherheit zu erhalten.
Deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, als uns den internationalen Wettbewerbsbedingungen zu stellen.
Gerda Hasselfeldt
Eine dieser Bedingungen - nicht die einzige, damit wir uns nicht mißverstehen - ist die Steuerbelastung. Wir haben im internationalen Vergleich zu hohe Steuersätze in der Einkommensteuer und in der Körperschaftsteuer. Dazu kommt eine Fülle von Sondervergünstigungen, von Sondertatbeständen, die das System unübersichtlich, kompliziert und auch ungerecht machen. Genau hier setzt unsere Steuerreform an: erstens Senkung der Steuersätze, zweitens Abbau von Sondervergünstigungen und damit Schaffung eines gerechteren Steuersystems.
Dieses Konzept wird von Experten, die etwas von der Sache verstehen, im In- und Ausland begrüßt und positiv bewertet. Nicht nur von uns, sondern auch von den Fachleuten wird die Meinung vertreten, daß von diesem Konzept, wenn es so realisiert wird, eine enorme Signalwirkung für Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland ausgeht.
Nach wenigen Monaten Vorbereitungszeit liegen nun der Gesetzentwurf für die erste Stufe und der Referentenentwurf für die zweite Stufe vor. Ich möchte dem Bundesfinanzminister und seinen Mitarbeitern für die zügige Umsetzung der Koalitionsbeschlüsse danken.
Es wäre gut, meine Damen und Herren, wenn die Bürger und die Wirtschaft möglichst bald wüßten, was letztendlich im Gesetzblatt steht. Deshalb ist es richtig und notwendig, Gespräche mit der SPD zu führen. Es wäre aber auch hilfreich, wenn die SPD in diesen Gesprächen eine einheitliche Linie vertreten würde.
Zur Zeit liest man in den Zeitungen: Die einen in der SPD sind für, die anderen sind gegen die Mehrwertsteuererhöhung.
- Natürlich! Ministerpräsident Schröder hat doch erst vor kurzem gesagt, er sei für eine Mehrwertsteuererhöhung. -
Die Frage der Aufkommensneutralität ist bei Ihnen umstritten: Der eine ist für Aufkommensneutralität, der andere ist dagegen. Das gilt auch für die Frage des Spitzensteuersatzes: Der eine ist für 50 Prozent, der andere für 53 Prozent; wieder andere sagen, bei 40 Prozent könne man sich durchaus treffen.
Es würde schon vieles erleichtern, wenn wir wüßten, wo die SPD eigentlich steht und was sie will.
Im Ergebnis kommt es aber darauf an, daß unser in
sich stimmiges Gesamtkonzept nicht verwässert und
nicht zerredet wird. Entscheidend ist, daß Investitionen nachhaltig angestoßen und nicht kurzfristig irgendwelche Strohfeuer entfacht werden.
Herr Kollege Scharping, ich halte nichts von Ihrer Idee der Stärkung der Massenkaufkraft. Sie ist meines Erachtens nicht der richtige Weg; denn die Probleme, die wir am Arbeitsmarkt haben, liegen nicht primär in einer geringen Massenkaufkraft begründet, sondern darin, daß unsere Wirtschaft mit den Bedingungen einer globalisierten Weltwirtschaft nicht zurechtkommt. Die Globalisierung der Wirtschaft und die damit zusammenhängenden Bedingungen sind die eigentlichen Probleme; hier muß angesetzt werden.
Dieses Problem können Sie nicht mit einer massiven Stärkung der Massenkaufkraft lösen; denn dann würden Sie das forcieren, was der Kollege Dr. Schäuble in einer der letzten Debatten zu Recht gesagt hat, nämlich daß noch mehr Geld ins Ausland geht und nicht bei uns investiert wird. Das, was wir brauchen, sind Investitionen bei uns, Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland.
Die vorgelegte erste Stufe der Steuerreform trägt dem durch die Senkung der Steuersätze bei der Körperschaftsteuer und durch die Senkung des Höchststeuersatzes für die gewerblichen Einkünfte in besonderer Weise Rechnung.
Sie sprachen, Herr Scharping, die Frage der Abschreibungssätze an. Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß die degressive AfA wie auch andere Möglichkeiten der Abschreibung qualitativ etwas ganz anderes sind als die Senkung der Steuersätze,
nämlich Steuerstundung. Das andere ist eine effektive Steuersenkung.
Außerdem haben Sie bei Ihrer Bewertung vergessen, daß der Kern dieses Konzepts die Senkung der Steuersätze ist. Wenn wir niedrigere Steuersätze haben, dann können wir auch mit niedrigeren Abschreibungssätzen arbeiten und stünden dann im internationalen Wettbewerb immer noch gut dar.
Im Vergleich zum Referentenentwurf enthält der vorliegende Gesetzentwurf eine meines Erachtens wesentliche Änderung, die ich sehr begrüße - der Finanzminister hat es angesprochen -: Statt der zunächst vorgesehenen Änderung des Steuersatzes bei Veräußerungsgewinnen wird eine Senkung der degressiven AfA in der ersten Stufe vorgenommen. Ich finde es richtig, daß von dem ersten Vorschlag Abstand genommen wurde; denn wenn er Realität geworden wäre, dann hätten wir das Vertrauen in die bestehende Rechtslage erschüttert. Der Zeitpunkt wäre nicht richtig gewesen; denn diejenigen, die 1997 vom höheren Steuersatz betroffen gewesen wären, hätten noch keine Begünstigung durch die gesenkten Steuersätze bei der Einkommensteuer erfahren. Der wesentliche Punkt aber ist: Die Landwirte, die Freibe-
Gerda Hasselfeldt
rufler, die freien Handelsvertreter und die Arbeitnehmer beispielsweise mit ihren Abfindungen wären betroffen gewesen, ohne daß sie von den Steuersatzsenkungen hätten profitieren können. Deshalb ist dieser Weg richtig. Er zeigt, daß wir für konstruktive Vorschläge, für richtige Argumentationen durchaus offen sind, auch bei den nächsten Diskussionen.
Durch die vorgesehene Absenkung der Sätze für die Körperschaftsteuer und des Höchststeuersatz für die gewerblichen Einkünfte haben wir nun eine Spreizung des Höchststeuersatzes für die gewerblichen Einkünfte und für die nichtgewerblichen Einkünfte. Dies ist verfassungsrechtlich - darauf wurde hingewiesen - für ein Jahr noch hinnehmbar, und es ist vertretbar im Interesse der Entlastung der Wirtschaft und im Interesse der Schaffung von Arbeitsplätzen. Dies kann und darf aber kein Zustand auf Dauer bleiben. Das ist auch für die weitere Arbeit an der zweiten Stufe der Reform wichtig. Hier müssen wir wieder zu einem Abstand zwischen gewerblichen und nichtgewerblichen Einkünften in der Besteuerung gelangen, der ausschließlich durch die Gewerbesteuerzahlung begründbar ist, das heißt, zu einer Spreizung von 6 bis 8 Prozent.
Ich bitte in diesem Zusammenhang auch sehr herzlich darum, die Diskussion um den Spitzensteuersatz, die wir in den nächsten Monaten wahrscheinlich noch intensiver führen werden, losgelöst zu sehen von einer Neiddiskussion und von einer rein ideologischen Verteilungsdiskussion.
Auch vorhin wurde wieder angesprochen, daß die gut Verdienenden oder die sehr gut Verdienenden nach dem Entwurf eine ähnliche Steuerbelastung hätten wie diejenigen, die ein Einkommen von etwa 90 000 DM haben, wo der Spitzensteuersatz beginnt. Ich möchte darauf hinweisen, daß es schon einen elementaren Unterschied zwischen der Grenzsteuerbelastung und der Durchschnittssteuerbelastung gibt.
Die Argumentation so mancher Kollegen der SPD erinnert mich in dieser Frage ein wenig daran, daß wir schon einmal eine Diskussion um Brutto und Netto gehabt haben, die uns einige Zeit im Bundestag und darüber hinaus beschäftigt hat. Es ist eben nicht so, daß jemand mit 90 000 DM die gleiche Steuerbelastung hat wie jemand mit 300 000 DM oder gar noch mehr.
Vielmehr ist die tatsächliche Steuerbelastung bei dem, der mehr verdient, wesentlich höher.
Herr Scharping, Sie haben angesprochen, daß Ihnen die Senkung der Lohnnebenkosten und die Änderung bei den versicherungsfremden Leistungen das Wichtigste seien. Wir haben nie ein Hehl aus unserer Auffassung gemacht - es ist mir sehr wichtig,
darauf hinzuweisen -, daß die Steuerreform nicht das einzige Instrument sein kann, um diese Probleme zu lösen. Wir haben immer gesagt, daß die Steuerreform ein ganz wichtiges Instrument ist, ein Instrument, das wir jetzt brauchen. Aber wir haben auch gesagt, daß die Konsolidierung und die Reform der Sozialversicherungssysteme genauso wichtig sind. Wer meint, die Probleme bei den Lohnnebenkosten dadurch lösen zu können, daß er nur umschichtet, der irrt. Das ist nur die halbe Wahrheit, das ist der falsche Ansatz;
denn zuerst müssen Einsparungen in den Sozialversicherungssystemen erfolgen, dann können wir über Umfinanzierung reden. Die Umfinanzierung kann nicht an die Stelle der Einsparungen treten.
Das Konzept unserer Steuerreform ist meines Erachtens ein wichtiger Gradmesser für die Reformfähigkeit Deutschlands. Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine hervorragende Grundlage,
die geeignet ist, die Probleme im wirtschaftlichen Bereich unseres Landes ein großes Stück weit zu lösen.
Wir haben keine Zeit mehr für Parteitaktik. Wir sollten die Parteitaktik nicht vor die Lösungssuche stellen!
Deshalb möchte ich Sie ganz herzlich um eine echte, konstruktive Mitarbeit an diesem Reformkonzept bitten. Ich bitte Sie, mit dem Eiertanz der letzten Wochen aufzuhören. Darum bitte ich Sie im Interesse der Menschen in diesem Lande, im Interesse der Menschen, die Arbeit suchen, die arbeitslos sind, aber auch im Interesse derjenigen, die eventuell von Arbeitslosigkeit bedroht sind.