Rede von
Roland
Richwien
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich würde zwar sagen, Frau Bulmahn, daß das eher eine Kurzintervention war und keine Fragestellung. Diese zwei Fragen kann ich aber durchaus beantworten: Wir waren uns damals im Ausschuß einig. Es wäre auch schizophren, das jetzt zu leugnen. - Wir wollten eigentlich nur diese Bestrafung nicht so im Raum stehen lassen.
Roland Richwien
Deswegen haben wir das hier noch einmal ganz kurz angesprochen.
Zurück zu meiner Rede. Die Finanzministerkonferenz wird sich - das ist hier schon geäußert worden - auf ihrer nächsten Sitzung am 10. April 1997 erneut mit der Problematik befassen.
Ich möchte nun die Hauptaussagen der Rechtsexperten in der Sachverständigenanhörung vom 22. Januar 1997 kurz darstellen.
Grundanliegen dieser Anhörung war die Klärung der Paßfähigkeit der vorliegenden Modelle im Hinblick auf die bestehende Gesetzgebung. Dabei wurde deutlich, daß sowohl das Drei-Körbe-Modell als auch das Drei-Stufen-Modell aus mehreren Gründen nicht mit dem bestehenden Verfassungsrecht konform sind. Das Bayern-Modell wurde zwar als rechtstechnisch realisierbar eingeschätzt, seiner Realisierung stünden aber schwerwiegende rechtssystematische Gründe entgegen.
Allgemein wurde festgestellt, daß sich die Voraussetzung zur Leistung von Ausbildungsunterhalt nach dem bürgerlichen Recht in ihrer Zielrichtung wesentlich von der BAföG-Leistungsvoraussetzung unterscheidet. Der Hauptgrund besteht darin, daß das zivilrechtliche Unterhaltsrecht richterrechtlich geprägt ist und den Einzelfall in den Vordergrund rückt, während das zum öffentlichen Recht gehörende BAfÖG als typisches Massenleistungsgesetz pauschalierende Regelungen enthält. Eine Paßfähigkeit beider Rechtsgebiete wäre nur durch eine Einschränkung des Unterhaltsrechts zu erreichen.
Die Sachverständigen des Unterhaltsrechts haben jedoch gegen eine solche Lösung erhebliche rechtssystematische Bedenken, da dem BGB-Unterhaltsrecht jegliche Detailregelung fremd sei und seine Ausgestaltung auf einzelfallbezogenen richterlichen Entscheidungen beruhe.
Im Ergebnis ist also festzustellen, daß eine Paßfähigkeit beider Rechtsgebiete zwar rechtstechnisch machbar wäre, aber von den Sachverständigen des Unterhaltsrechts wegen der benannten Bedenken nicht befürwortet wird.
Dieser Sachverhalt hat Auswirkungen auf die Beurteilung aller vorgestellten Modelle. Sie sind demnach nur umsetzbar, wenn der Gesetzgeber zugleich das BGB-Unterhaltsrecht ändert.
Hinsichtlich der Sockelmodelle sind folgende Überlegungen zu berücksichtigen: Das Drei-KörbeModell der Kultusministerkonferenz wie auch das Drei-Stufen-Modell des Deutschen Studentenwerkes sehen eine Sockelzahlung direkt an den Studierenden vor. Aus verfassungsrechtlicher Sicht muß jedoch der Staat die durch tatsächliche Unterhaltsaufwendungen verminderte Leistungsfähigkeit der Eltern bei ihrer Besteuerung berücksichtigen. Staatssekretär Neumann hat das vorhin schon angesprochen.
Das heißt, die Entlastung muß den Eltern als Steuerpflichtigen selbst zufließen. Die Gewährung eines Sockelbetrages direkt an den Auszubildenden führt dann zur notwendigen Entlastung der Eltern, wenn diese Zahlung den Eltern als steuerliche Entlastung
zugerechnet werden kann und sie das Recht haben, die unmittelbare Zahlung an sich selbst zu wählen.
Um diese Vorgaben des Verfassungsrechts umzusetzen, bedarf es gewichtiger Änderungen des Einkommensteuergesetzes, die aber bei den Sachverständigen - ich sage erneut: bei den Sachverständigen - erhebliche steuersystematische und verwaltungspraktische Einwände hervorrufen. Mir ist klar, daß diese komplizierten Vernetzungen der Modellvorstellungen mit den notwendigen Verfassungs-, Unterhalts- und Steuerrechtsänderungen für eine schnelle und durchschaubare Neuordnung des BAföG-Systems nicht gerade förderlich sind.
Derzeit haben die Finanz- und Justizminister der Länder die Möglichkeit, sich zu diesen Vorschlägen zu äußern. Sie haben eine schriftliche Stellungnahme bis Mitte April abzugeben. Auf diesen Zeitplan - das sage ich hier auch ganz deutlich - haben wir keinerlei Einfluß.
Wie Sie sehen, ist alles komplizierter, und durch das Stellen von polemischen Anträgen von Ihrer Seite tritt nicht gerade eine Beschleunigung der Problemlösung ein. Ich möchte aus diesem Grunde noch einmal auf Ihre Bedenken eingehen.
Bei der Befassung mit dem amerikanischen Bildungssystem - ich beziehe mich hier auf einen Vortrag des Präsidenten der Georgetown University in Washington vom 28. Januar 1997 - ist mir erneut bewußt geworden, daß in einer Zeit der zunehmenden Internationalisierung von Forschung und Lehre eine Orientierung an unseren amerikanischen wie auch an unseren europäischen Partnern unumgänglich ist.
In dieser amerikanischen Studie finden sich viele interessante Aspekte, die ich hier als Anregung für weitere Überlegungen nur skizzieren möchte. Zunächst sei auf einen aussagekräftigen statistischen Vergleich hingewiesen: Die Gesamtzahl der deutschen Studenten in den USA belief sich im Jahre 1975 auf 1 630 und im Jahre 1992 auf 7 877. Das entspricht einer Steigerung um über 400 Prozent. Umgekehrt betrug die Zahl der amerikanischen Studenten an deutschen Institutionen im Jahr 1975 3 049 und im Jahr 1992 4 436. Das entspricht nicht einmal einer Steigerung um 50 Prozent, obwohl ja die Belastungen in den USA wesentlich stärker sind. Daraus ist zu schließen, daß sich deutsche Studenten offenbar verstärkt am amerikanischen Bildungssystem orientieren, aber amerikanische weniger am deutschen Bildungssystem.
Betrachtet man die vergleichsweise junge Bildungsgeschichte der USA, so stellt man fest, daß zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Kulturtransfer von Deutschland nach Amerika stattgefunden hat. Amerikanische Universitäten wurden vermehrt nach deutschen universitären Modellen gegründet. Vor allem die zahlreichen amerikanischen Studenten in Deutschland brachten nicht nur Bildung und akademische Abschlüsse in die USA zurück, sondern sie waren auch aus ganzem Herzen dem deutschen Bil-
Roland Richwien
dungssystem verschrieben, von dem sie so sehr profitiert hatten.
- Da müssen Sie zuhören, Herr Tauss.
Das heutige amerikanische Bildungssystem ist vor allem durch eine Vielzahl an Institutionen gekennzeichnet, die in gemeinnützige, öffentliche und private Institutionen gegliedert sind. Für alle Studierenden wird der finanzielle Aufwand für ihr Studium von Anfang an durchschaubar und kalkulierbar gestaltet; hier sehe ich noch eine Parallele zu unserer Studienberatung. Ist ein Student einmal zugelassen, dann stellt ein Amt für die Finanzierung des Studiums ein Kostenbudget zusammen, das alle anfallenden Ausgaben, angefangen von Studiengebühren über Kosten für Bücher bis zu den Reisekosten für Fahrten nach Hause, beinhaltet.
Die vollen Kosten für ein vierjähriges Studium in Amerika belaufen sich an einer Privatinstitution - ich will es hier nur noch einmal erwähnen - durchschnittlich auf 18 525 Dollar, an einer öffentlichen Einrichtung auf durchschnittlich 6 878 Dollar.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte keine Kopie des amerikanischen Systems, aber wir sollten, wie schon eingangs betont, lernfähig gegenüber anderen Bildungssystemen sein. In diesem Zusammenhang müssen wir uns schon die Frage gefallen lassen, warum unser Bildungssystem so an Attraktivität verloren hat. Bei der Beantwortung dieser Frage kann man nicht immer nur auf den Bund schauen, sondern sollte auch an die Universitäten und die Länder denken.
Wir brauchen praktikablere Antworten im Interesse unserer Studierenden. Polemische Anträge und Fragestellungen von seiten der SPD und der Grünen helfen hier den Studierenden auf keinen Fall.
Vielen Dank.