Rede von
Prof. Dr.
Erika
Schuchardt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Dazu sage ich gerne etwas. Eine globale Minderausgabe besagt überhaupt nichts. Wenn die globale Minderausgabe von einem höheren Wachstum ausgeht, dann reduziert sie lediglich das Wachstum ein bißchen.
Ich habe mit Ihnen einmal beim RCDS auf einem Podium gesessen. Da haben Sie sich als Unternehmensberater ausgegeben.
Setzen Sie diese Kenntnisse hier einmal ein!
Zur Problematik mit dem BAföG.
Zunächst ist das Ziel, mehr soziale Gerechtigkeit herzustellen, tatsächlich erreicht worden.
Frau Odendahl hat eben eine Zwischenfrage gestellt. Da hat Herr Neumann gesagt, er komme noch darauf zurück. Das hat er in seiner Rede leider nicht getan. Es ging darum, wie sich die Förderquote von 1983 bis heute verändert hat. Sie hat sich dramatisch verändert. Man kann heute sagen, daß wir wieder eine Situation wie Anfang der 70er Jahre haben, nämlich insofern, als das soziale Mischungsverhältnis an den Universitäten dasselbe wie damals ist - eine außerordentlich traurige Erfahrung.
Das BAföG war in den letzten Jahren in dramatischer Weise - deswegen habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen, heute mehr zu fordern, als in den Haushalten angesetzt wurde; keiner der Wissenschaftsminister hat dies, auch nicht diejenigen, die der CDU angehören - die Spardose des Bundes und aller Länder. Das ist ein unerträglicher Zustand. Dies darf nicht so weitergehen.
Die Grundidee der vom Deutschen Studentenwerk und der Länder-Arbeitsgruppe erarbeiteten Modelle geht davon aus, wie beim BAföG auch die Leistungen aus der Familienförderung, also das Kindergeld, die Kinderfreibeträge und die Ausbildungsfreibeträge, die wegen des Studiums eines Kindes gezahlt werden, von Leistungsnachweisen abhängig zu machen. Dadurch werden erhebliche Mittel frei, die ein hinreichendes Fördermodell möglich machen würden.
Ich möchte hier ganz bewußt nicht auf Details eingehen, wie es Herr Neumann gemacht hat. Herr Neumann, Sie werden dem Bundesrat und den einzelnen Ländern doch nicht unterstellen, daß sie ein für verfassungswidrig erachtetes Konzept verfolgen. Entscheidend ist, daß man den Sachverstand akquiriert, der bei bestimmten Bereichen Bedenken erhebt. Wir können auf der Grundlage dieser Bedenken selbstverständlich Veränderungen vornehmen. So empfinde jedenfalls ich eine seriöse Arbeit.
Eine seriöse Arbeit ist es aber nicht, sich zurückzuziehen und zu sagen: Nun prüfen Sie erst einmal; sagen Sie zunächst einmal, was Sie wollen. Das kann es doch wohl nicht gewesen sein.
Natürlich wurden sofort Bedenken laut. Wir kennen die Bedenkenträger doch ganz genau. Es gibt Verwaltungen, die ermöglichen, und es gibt Verwaltungen, die verhindern. Die Länder sind im Augen-
Ministerin Helga Schuchardt
blick die Ermöglicher, und die Bundesregierung ist die Verwaltung der Verhinderer.
Meine Damen und Herren, ein anderer Streitpunkt - darauf möchte ich gerne eingehen - ist noch existentieller. Natürlich haben auch die Länder Haushaltsengpässe. Die müssen sie auch im Auge haben. Als der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten am 13. Juni 1996 den Beschluß faßten, das Ausbildungsförderungsrecht im Zusammenhang mit der Steuerreform neu zu regeln, und damit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe beauftragten, gingen Bund und Länder natürlich von einer Kostenneutralität aus. Nun kann nicht derjenige, der laufend zur Verzögerung beiträgt, anschließend sagen: Moment mal, diese Kostenneutralität definieren wir von Jahr zu Jahr neu.
Man muß sich vielmehr einmal einigen und auf dieser Grundlage handeln. Diese Grundlage ist die Einigung aus dem Jahre 1996. Selbstverständlich haben wir also das damalige Recht zugrunde gelegt und - das füge ich hinzu - die damaligen Haushaltsansätze, zumindest diejenigen, die in den Landeshaushalten standen.
Der Bundesminister geht aber von der 18. Novelle aus - das ist hier ja bereits deutlich gemacht worden - und im vorauseilenden Gehorsam - das ist noch viel ärgerlicher, ja sogar deprimierender - von einer Steuerreform auf der Grundlage von Beschlüssen von Kommissionen, die noch nicht einmal Teil der Bundesregierung sind.
Er legt also bewußt ein Finanzvolumen zugrunde, das schon jetzt absehbar eine wirksame Ausbildungsförderung unmöglich macht.
Was man wohl vom Bundesminister erwarten müßte, ist, daß er sich aktiv in steuerpolitische Diskussionen einschaltet, um offensiv die Interessen der Studenten zu vertreten.
Aber nichts passiert. Das ist soeben von Herrn Neumann in unglaublich ehrlicher Weise noch einmal gesagt worden. Er hat nämlich gesagt: Wir warten doch erst einmal ab, was uns der Finanzminister sagt. - So verstehe ich meinen Job nicht, sondern ich setze mich meinem Finanzminister gegenüber für eine ganz bestimmte Sache ein. Wenn ich am Ende eine Niederlage erleide, habe ich eben Pech gehabt. Sich aber erst gar nicht dafür einzusetzen, das ist doch das Dilemma.
Manchmal wünsche ich mir - ich muß das an dieser Stelle einfach einmal sagen - Herrn Möllemann zurück. Zu seiner Zeit als Bildungsminister hatte dieses Ministerium eine stärkere Anerkennung als jetzt.
- Nein, das nicht.
Das eigentlich für mich Deprimierende ist, daß diejenigen, die an der Ausbildungsförderung nicht interessiert sind, dafür sorgen können, daß es zu keiner Gesetzesänderung kommt. Das heißt, man braucht nur nichts zu tun. Das ist wie bei der Vermögensbildung: Man braucht nur nichts zu tun, und dann ist sie weg. Ich sage Ihnen: Sie kommen aus dieser Sache nicht ohne Kritik heraus. Wir werden schon die Schuldigen benennen, die dann die Verantwortung dafür tragen.
Bei Nichtstun hätte sich das BAföG in wenigen Jahren abgewickelt, weil Freibeträge und Förderhöhe nur noch marginal wären und keine Wirkung mehr erzielen würden.
Meine Bitte an die Mehrheit im Bundestag ist: Tragen Sie zur Beschleunigung einer befriedigenden Lösung bei! Schaffen Sie die finanziellen Voraussetzungen für eine auskömmliche Förderung!
Herr Guttmacher, ich würde gerne an das anschließen, was Sie gesagt haben. Sie sprachen von einer Fondsidee. Wir sollten, wenn es schon um langfristige Lösungen geht, keinen Vorschlag ungeprüft lassen. Das gleiche gilt übrigens auch für den Vorschlag der Grünen. Ich bin von meiner Kollegin aus Hessen angesprochen worden, die gebeten hat, auch diesen Bereich mit zu fördern. Es darf keine Idee ungeprüft bleiben, um eine wirklich langfristige Lösung zu finden.
Ich möchte deshalb noch an folgendes erinnern. Sie wissen, daß wir für BAföG viel weniger ausgeben, als im Haushalt steht; denn die Rückflüsse gehen in den allgemeinen Haushalt, ohne daß sie irgendwo gezielt auftauchen.
Das ist das Problem. Das heißt, wir müssen die Rückflüsse im Sinne von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zum aktiven Bestandteil der Bildungspolitik machen. Man muß Fondslösungen mit in die Überlegungen einbeziehen, weil es vielleicht auch Sinn machen könnte, sie langfristig zu sichern. Das könnte übrigens am Ende zu einer größeren Kompatibilität im europäischen Rahmen führen.
Meine Bitte an Herrn Rüttgers ist - ich tue einfach so, als ob er da wäre -: Verwechseln Sie nicht weiterhin Politik mit Öffentlichkeitsarbeit!
Kümmern Sie sich weniger um Dinge, die sowieso nicht in Ihrer Kompetenz liegen!
Ministerin Helga Schuchardt
- Nein, das ist genau die Wahrheit, und das ist das, was alle Länder unglaublich nervt, nämlich daß Herr Rüttgers uns ununterbrochen vorschreibt, was wir zu machen haben, wohlwissend, daß wir den größten Teil dessen, was er uns ratschlagend untergejubelt hat, schon umgesetzt haben.
Bei den Haushaltsberatungen sollte er wirklich mehr Kraft einsetzen - die würde dann nämlich frei -, sich um seine Hauptaufgabe zu kümmern, nämlich für die Forschung und zum Beispiel auch für den Hochschulbau stärkere Anteile am Bundeshaushalt durchzusetzen, statt immer der Verlierer zu sein.
Zunächst einmal ist er uns doch als Zukunftsminister angekündigt worden; aber davon ist leider nicht viel übriggeblieben.
Herr Neumann, ich bitte Sie, Herrn Rüttgers folgendes weiterzutragen: Er muß endlich zur Kenntnis nehmen, daß er für die soziale Lage der Studenten verantwortlich ist. Also kann man nur sagen, er soll endlich etwas tun und seine Verantwortung wahrnehmen.
Vielen Dank.