Rede von
Bernd
Neumann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Willen der SPD-Fraktion soll der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern, unverzüglich einen Bericht über den Stand der Beratungen in der Bund-Länder-AG zur Reform der Ausbildungsförderung vorzulegen, sowie seinen Berichtsauftrag vom 27. Juni 1996 zu der Bund-LänderAG bekräftigen.
Hierzu zwei Anmerkungen: Wir haben dem Deutschen Bundestag den „Bericht der Bundesregierung über Arbeitsstrukturen und Arbeitsprogramm der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der Ausbildungsförderung" in diesen Tagen zugeleitet.
- „Vorgestern" heißt doch wohl „in diesen Tagen".
Oder haben Sie da eine andere zeitliche Auffassung?
Dieser Bericht enthält auch die Darstellung des gegenwärtigen Standes der Beratungen in der Arbeitsgruppe. Er erfüllt daher die beiden unter den Nrn. 1 und 2 des SPD-Antrages angesprochenen Berichtsaufträge.
Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, daß wir dem zuständigen Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung permanent Zwischenberichte über die Arbeit der Bund-Länder-AG erstattet haben, und zwar am 7. Oktober 1996, am 28. Januar 1997 und am 17. Februar 1997. Frau Kollegin Odendahl, unter Ihrer Leitung wurden diese Berichte immer mit Begeisterung diskutiert. Eine laufende Information des Deutschen Bundestages war also gewährleistet.
Zu Ihrer Bemerkung, Frau Odendahl, bezogen auf die rechtzeitige Einbindung dieser Problematik in die Steuerreformdiskussion, darf ich Ihnen noch einmal sagen: Es ist Ihnen bekannt, daß wir den Kontakt zum BMF nicht nur gesucht haben. Vielmehr haben wir gebeten, diese Thematik in die zuständigen Arbeitsgruppen einzubeziehen. Im Kabinett, verehrte Kollegin, konnte Herr Rüttgers dazu nichts sagen,
Parl. Staatssekretär Bernd Neumann
weil das Thema Steuerreform insgesamt im Kabinett noch nicht behandelt worden ist.
- Das ist nun einmal so. - Insofern geht Ihr Vorwurf an der Sache vorbei.
Ebenfalls wichtig ist - Frau Schuchardt kann Ihnen das bestätigen -: Auf allen Arbeitsebenen der sogenannten Facharbeitsgruppe zwischen Bund und Ländern ist ein Vertreter des BMF vertreten, so daß dort die Verbindung hergestellt ist.
Jetzt aber zum generellen Thema: In den Anträgen und Verlautbarungen der Opposition wird der Eindruck erweckt, unser geltendes BAföG-System sei ein Desaster und werde seine Aufgabe, Studenten aus einkommensschwachen Familien ein Studium zu ermöglichen, in keiner Weise gerecht.
Es ist sicherlich richtig, daß hier einiges zu tun ist. Aber ich möchte Ihnen einmal sagen - damit Ihnen klar ist, daß wir nicht auf der Insel der Seligen leben; denn Sie ziehen, was die Ausgaben für Forschung betrifft, immer andere Länder herbei -, wie es in anderen Ländern mit der Förderung und der Situation der Studenten aussieht. Wenn Sie dies vergleichen - ich nenne Ihnen gleich einige Beispiele -, werden Sie feststellen, daß wir mit unserem System der Ausbildungsförderung, wenn man alle Maßnahmen zusammennimmt, noch im oberen Drittel liegen. Sie mögen sagen: Das reicht nicht aus. Objektiv ist dies aber so.
Es gibt, wie Sie wissen, in vielen Ländern Studiengebühren. Diese wollen wir nicht. An privaten Hochschulen in Amerika betragen sie durchschnittlich etwa 11 000 Dollar pro Jahr. Etwa 100 private Hochschulen erheben Studiengebühren von mehr als 17 000 Dollar pro Jahr. Es gibt zwar Stipendien in den USA - das ist richtig -, aber erstens mit sehr niedrigen Einkommensgrenzen, und zweitens wird lediglich erreicht, daß Studierende selbst aus der untersten Einkommensschicht nur etwa 40 Prozent der von der Hochschule für Studiengebühren, Unterkunft und Verpflegung erhobenen Kosten selbst bezahlen müssen. Im Klartext: Sie müssen immer noch zahlen.
- Lassen Sie mich nur diesen Gedanken zu Ende bringen, dann können Sie das in Ihre Frage einbeziehen.
Schauen wir uns die Situation in Europa an, nur damit wir wissen, wo wir stehen. In England gibt es Studiengebühren bis 7 000 DM pro Jahr, die die Studenten belasten, in Italien bis 760 DM, in der Schweiz zwischen 600 und 1 500 DM. Oder nehmen Sie die Maximalzuschüsse - vergleichbar mit BAföG -: In Irland 300 Mark, in Italien 425 DM.
Ich gebe zu: Vieles ist nicht vergleichbar. Gut vergleichbar ist unser System zum Beispiel mit dem in Ländern wie Frankreich, Österreich und der
Schweiz, wo die Eltern genauso wie bei uns zur Leistung von Ausbildungsunterhalt verpflichtet sind und zusätzlich einen Familienleistungsausgleich in Form von Kindergeld und steuerlichen Vergünstigungen bekommen. Im Vergleich mit solchen Ländern liegen wir im Hochschulbereich mit einer Gefördertenquote von rund 23 Prozent mit an der Spitze. Auch können sich unsere Förderungshöchstsätze für Studierende von 995 DM pro Monat durchaus sehen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe dies angeführt, nicht weil ich zum Ausdruck bringen will, daß im Hinblick auf die konkrete Situation der Studenten nicht mehr zu tun wäre, sondern um Ihrer Polemik entgegenzutreten, daß es in der Bundesrepublik Deutschland ein besonderes Desaster gäbe. Wer dies sagt, führt die Öffentlichkeit irre.