Rede von
Karsten D.
Voigt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ein Sinn dieser Debatte ist, den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land deutlich zu machen, daß sich in diesem Jahr 1997 ganz entscheidende Weichenstellungen durch die Einleitung der Osterweiterung der Europäischen Union und der Osterweiterung der NATO, die faktisch, wenn ich von der Ratifikation absehe, in diesem Jahr abgeschlossen wird, vollziehen. Dadurch soll eine dauerhafte, sicherheitspolitisch, ökonomisch und politisch stabile europäische Ordnung bewirkt werden.
Ich finde es gut, daß in diesem Zusammenhang hier nicht nur über die NATO-Osterweiterung geredet wird, sondern auch über die Erweiterung der EU. Ich finde es noch besser, daß auf der heutigen Tagesordnung die abschließende Ratifizierung und Zustimmung zu dem Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Rußland steht. Das zeigt nämlich symbolisch, daß die Osterweiterung der bisher auf Westeuropa beschränkten Institutionen, EU und NATO, sich nicht gegen Rußland richtet und im Gegenteil zu einer engeren Kooperation mit Rußland sowohl in der Politik und Ökonomie als auch in der Sicherheitspolitik führen wird.
Das geschieht nicht nur aus Gründen der Moral, sondern auch aus Gründen des beiderseitigen Interesses.
Ich möchte das einmal an Hand der Ökonomie deutlich machen: Rußland ist der wichtigste Handelspartner für alle einzelnen GUS-Staaten. Es hat aber in den letzten Jahren einen größeren Handel mit der Europäischen Union als mit allen GUS-Staaten zusammengenommen getrieben. Das hat sich jetzt leicht verändert. Wenn ich aber die Staaten dazurechne, die einen Assoziierungsvertrag mit der Europäischen Union abgeschlossen haben und ihr künftig angehören werden, dann wird auch künftig der Handel zwischen der Europäischen Union und Rußland größer sein als der Handel Rußlands mit den GUS- Staaten. Das zeigt das genuine Interesse Rußlands an einer dauerhaften Stabilisierung dieser engen Kooperation. In der Sicherheitspolitik ist es genauso.
Es gibt noch ein interessantes Beispiel: Traditionell war Deutschland der größte Handelspartner Rußlands. Das ist so geblieben. Aber der Handel Rußlands mit Polen hat in den letzten Jahren nicht abgenommen, sondern zugenommen. Das geschah parallel zu den Bemühungen Polens, der Europäischen Union beizutreten. Das heißt, daß die manchmal in
Moskau geäußerten Sorgen, daß die Osterweiterung der EU - das gleiche gilt für die NATO - zu einer Verringerung der Kontakte mit Polen und den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes in Ost- und Mitteleuropa führen würde, unbegründet sind. Die Osterweiterung von EU und NATO ist die Voraussetzung für eine engere Kooperation mit Rußland.
Ich habe das eben an Hand der Ökonomie verdeutlicht. Ich verdeutliche es nun an Hand der Sicherheitspolitik. Wenn ich nach Moskau gehe und für eine engere deutsch-russische Zusammenarbeit eintrete, aber wegen des Widerstandes Rußlands gegen die NATO-Osterweiterung Polen den Beitritt zur NATO verweigern würde, dann träte der Fall ein, daß nicht nur Polen und ganz Mittelosteuropa nervös werden, sondern auch ganz Westeuropa.
Wenn ich aber nach Moskau gehe, für eine NATO- Osterweiterung eintrete und gleichzeitig sage, ich will, daß in der erweiterten NATO nicht nur Deutschland, sondern auch Polen enger mit Rußland zusammenarbeitet, und ich gleichzeitig Polen zu einer engeren Zusammenarbeit mit Rußland dränge, ohne auf die NATO-Osterweiterung zu verzichten, liegt hier eindeutig ein konstruktives Gesamtkonzept vor, das eine stärkere und intensivere ökonomische Kooperation zwischen Polen und Rußland mit einer im sicherheitspolitischen Bereich verbindet.
Ich verstehe überhaupt nicht, warum der Kollege Volmer in den letzten Tagen gesagt hat, daß die Grünen jetzt endlich über die NATO-Osterweiterung entscheiden müssen. Sie haben doch eigentlich schon lange zugestimmt.
Vor wenigen Wochen lag dem Parlament die Deutsch-Tschechische Erklärung vor. Ich zitiere daraus: „im Bewußtsein, daß die Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union und die Nordatlantische Allianz nachdrücklich und aus der Überzeugung heraus unterstützt, daß dies im gemeinsamen Interesse liegt" . Es ist hier namentlich abgestimmt worden. Der Kollege Volmer hat zugestimmt. Ich kenne keine Gegenstimme und keine Vorbehalte aus der Fraktion der Grünen.
Ich verstehe überhaupt nicht, was diese Debatte soll. Sie haben zugestimmt. Wenn Sie sagen, das hätten Sie nicht gemeint, dann hätten Sie das in der Debatte sagen sollen. Übrigens hätten die Tschechen dann gesagt: Wir haben das auch nicht so gemeint. Das heißt, auf beiden Seiten muß man wissen, daß man vertragstreu bleiben soll. Man kann sich nicht nur die Rosinen aus beidseitigen Vereinbarungen herauspicken.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Darüber hinaus - ich sage das etwas plastisch -: Die NATO-Osterweiterung ist entschieden. Ich finde es nicht sinnvoll - ich habe das im Auswärtigen Ausschuß etwas drastisch ausgedrückt -, wenn man im neunten Monat einer Schwangerschaft darüber berät, ob man ein Kind haben will. Ich glaube, die Sache ist entschieden. Wenn man sich negativ entscheidet, dann bedeutet das ganz erhebliche Belastungen, die viel größer wären, als wenn man sich am Anfang so oder so entschieden hätte. Es geht also nicht mehr um das Ob, sondern es geht um das Wer und um das Wie.