Die Rechnung und die Zahlen, die Sie vorlegen, will ich weder kommentieren noch überprüfen. Es geht um das Prinzip, daß die Unternehmen in Deutschland im Zusammenhang mit der Reform der Einkommensteuer sagen: Wir machen dies alles mit, weil uns am langen Ende der Wegfall der Gewerbekapitalsteuer und bei der Reform der Einkommensteuer die Absenkung der Steuersätze mehr bringt, als wenn wir an dem festhalten, was wir jetzt haben.
Da die Betriebe in Ostdeutschland im Durchschnitt also Verlust erwirtschaften, wird deutlich, daß die überwiegende Zahl dieser Firmen die Gewerbekapitalsteuer aus ihrer Substanz bezahlen muß. Wer das nicht sieht, muß ein mit Brettern zugenagelter Ignorant sein.
Ein typisches Beispiel aus Leipzig: Bei einem Firmenvermögen von rund 200 Millionen DM, bestehend aus Gebäuden und Maschinen, die voll auf Kreditbasis finanziert sind - das ist die Regel -, muß das Unternehmen, obwohl es 50 000 DM Verlust verzeichnet, 12 000 DM Gewerbekapitalsteuer zahlen.
Versetzen wir uns einmal in die Lage eines ostdeutschen Handwerksmeisters, der nach der Wiedervereinigung mühsam seinen Betrieb aufgebaut hat und nun bis zur Halskrause in Schulden steckt. Dieser Handwerksmeister bangt jeden Tag um die Existenz seiner Firma, damit um die Existenz seiner Beschäftigten und nicht zuletzt auch um seine eigene Existenz.
Denn geht seine Firma pleite, bleibt für ihn nur noch die Sozialhilfe übrig. Er haftet mit seinem Privatvermögen, sofern er eines hat. Wenn dieser Unternehmer dann einen Steuerbescheid in Händen hält und schwarz auf weiß sieht, daß er auf seine Schulden Steuern zahlen muß, dann kann ich verstehen, daß er sich fragt: Warum mache ich das hier eigentlich? Warum setze ich ständig meine Existenz aufs Spiel? Warum beschäftige ich Menschen? Warum bilde ich Lehrlinge aus?
Die Gewerbekapitalsteuer ist für jeden Unternehmer nicht nur eine Belastung, sie ist eine Bestrafung.
- Im mittelständischen Bereich bezahlt die Gewerbekapitalsteuer zum Beispiel jeder größere ostdeutsche Baubetrieb, der sich mit hohen Krediten einen großen Maschinenpark angeschafft hat.
Wir dürfen in dieser Diskussion nicht die Fakten verdrehen. Die SPD verweigert seit Ende 1995 die Abschaffung dieser Steuer. Sie verweigert damit die Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer. Dafür soll der Bundesfinanzminister einen Ausgleich leisten. Warum eigentlich?
Die westdeutsch dominierten kommunalen Spitzenverbände verweigern ebenfalls ihre Zustimmung und streiten über eine Beteiligung an der Umsatzsteuer in Höhe von 2,1 oder 2,3 Prozent, obwohl intern zugegeben wird, mit einer Beteiligung in Höhe von 2,1 Prozent könne man zurechtkommen. Dafür, daß dabei die ostdeutschen Kommunen hinten runterfallen und Einnahmeverluste hinnehmen müssen, soll der Finanzminister aufkommen. Warum?
Ich bin froh, daß wir Ostabgeordneten zusammen mit dem Finanzminister auf einem anderen Weg eine Teilentlastung der ostdeutschen Kommunen erreichen konnten, nachdem es nicht möglich war, eine rückwirkende Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer in diesem Jahr zu ermöglichen.
Mit der Aufstockung des Infrastrukturprogramms der Kreditanstalt für Wiederaufbau von 2 auf 3 Milliarden DM werden die ostdeutschen Städte und Gemeinden wichtige Investitionen ihrer Infrastruktur finanzieren können. Wir haben ebenfalls vereinbart, daß diese Mittel auch für Sanierungen und nicht nur, wie bisher, für Neubauten Verwendung finden können.
Die Sanierung - das muß man wissen - schafft Aufträge direkt für den heimischen Mittelstand und sichert Arbeitsplätze. Ich weiß, wie schwierig es war,
Gerhard Schulz
diese Lösung zu finden. Ich weiß, Herr Finanzminister, Sie bzw. der Bundeshaushalt sind weder für die Verzögerung bei der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer noch für die daraus entstehenden Notlagen der ostdeutschen Kommunen verantwortlich zu machen, um das einmal ganz deutlich zu sagen.
Ich bin mir aber auch bewußt, daß es sich bei der Verbesserung der Kreditfinanzierung nicht um eine vollständige Kompensation handelt. Krediterleichterungen in Höhe von 150 bis 200 Millionen DM sind etwas anderes als direkte Einnahmen in Höhe von 500 Millionen DM. Das gebe ich zu. Wenn sich nun aber die Länder im Bundesrat bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß darauf verständigen könnten, daß sie aus ihren Mitteln eine zusätzliche Kompensation für die ostdeutschen Kommunen bereitstellen, wäre das ein toller Akt der Solidarität.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einmal an die Abgeordneten der SPD zu appellieren: Helfen Sie uns, viele existenzgefährdete ostdeutsche Unternehmen vor der Pleite zu retten! Helfen Sie uns, ostdeutsche Arbeitsplätze zu sichern!
Helfen Sie uns, daß die betriebs- und arbeitsplatzvernichtende Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern nicht erhoben werden muß und in Gesamtdeutschland abgeschafft wird!
Schon ab Mai können wir in Ostdeutschland mit einem zusätzlichen Anstieg von Unternehmenszusammenbrüchen und Arbeitslosigkeit rechnen; denn wir wissen aus Verlautbarungen, daß sich einige Länderfinanzminister an das geltende Gesetz halten werden und die Gewerbekapitalsteuer erheben werden. Der sächsische Finanzminister sagt, er könne dieses Verfahren bestenfalls bis Juni aufhalten.
Es ist also ganz deutlich, daß wir dieses Gesetz heute beschließen müssen, daß wir es rasch durch den Bundesrat und durch den Vermittlungsausschuß bringen müssen und daß wir dann rasch die Verfassungsänderung bewerkstelligen müssen. Damit würden Sie uns allen einen großen Dienst tun.
Recht schönen Dank.