Rede von
Carl-Ludwig
Thiele
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Kollegin Scheel, meine Antwort. Ich habe mich - das war in einer Haushaltsdebatte, als ich den Kollegen Metzger im Bundestag dazu gefragt habe - seinerzeit sehr darüber gefreut, daß zunächst ein Abgeordneter der Grünen sich der Argumentation der Koalition angeschlossen hat, daß nämlich die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft werden muß, und daß dies inzwischen die Beschlußlage Ihrer Fraktion ist. Das habe ich gewürdigt, das habe ich anerkannt. Ich finde es gut, daß Sie die Argumente, die in der Sache zutreffend sind, genauso bewerten wie wir.
Ich finde es auch gut, daß dadurch ein erhöhter Druck auf die SPD entstanden ist, die strukturkonservativ ist und alles in unserem Land beibehalten will, auch wenn es unsinnig ist, und insofern mehr Bewegung in die Debatte gekommen ist.
Carl-Ludwig Thiele
Bei einem Punkt stimme ich allerdings nicht zu: Man kann nicht jeden Kompromiß auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners schließen - ich werde darauf gleich noch zu sprechen kommen -, sondern man muß versuchen, Beschlüsse im Deutschen Bundestag in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden so zu gestalten, daß sie von diesen mitgetragen werden und daß wir tatsächlich zu einem Gesetz kommen. Deshalb begrüße ich es, daß wir heute im Deutschen Bundestag an dieser Stelle zu einem Gesetz kommen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die unerträglich hohe Arbeitslosigkeit in unserem Lande belastet uns alle. Die größte Beschränkung der Freiheit für Millionen Bürger unseres Landes besteht darin, daß sie keine Arbeit haben. Deshalb stellt die Lösung dieses Problemes auch gerade für uns als Freie Demokratische Partei die größte Herausforderung der Gegenwart dar. Dieses Problem können wir nur lösen, wenn wir unsere derzeitige Situation analysieren sowie Standortbedingungen und Wettbewerbsnachteile so verändern, daß wir mehr Investitionen in Deutschland schaffen, weil nur durch Investitionen Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden können.
Wir alle wissen, daß die Gewerbekapitalsteuer als Substanzsteuer jeden Arbeitsplatz belastet, auch wenn die Betriebe Verluste erwirtschaften. Die Gewerbekapitalsteuer zehrt die Eigenkapitalbasis der Betriebe aus. Insbesondere in den neuen Bundesländern, in denen sie jetzt nicht erhoben wird, würde sie die Betriebe und die Arbeitsplätze in einer äußerst schwierigen Situation zusätzlich belasten.
Es kann doch nicht richtig sein, daß wir auf der einen Seite Investitionshilfen für Betriebe und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern geben und auf der anderen Seite diese Hilfen, diese Kredite - diese Kredite sind Bemessungsgrundlage für die Gewerbekapitalsteuer -, als Maßstab dafür nehmen, die Betriebe und Arbeitsplätze zusätzlich zu belasten. Wer den Aufschwung in den neuen Bundesländern will, der muß der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer in den alten Ländern und der Nichteinführung dieser Steuer in den neuen Bundesländern zustimmen, wie wir dies heute hier vorschlagen.
In der Debatte in der letzten Woche hat der Kollege und Fraktionsvorsitzende Scharping seitens der SPD hier erklärt, daß wir - Zitat - „verläßliche, klare Orientierung für die Schritte benötigen, die in die Zukunft gegangen werden müssen". Genau dies wollen wir heute schaffen. Deshalb sagen wir: Die Gewerbekapitalsteuer muß weg. Sie stellt eine Zusatzsteuer auf jeden Arbeitsplatz dar. Unsere Mitbewerberländer kennen sie nicht. Sie muß abgeschafft werden.
Ungeachtet der rhetorischen Frontstellung hier im Deutschen Bundestag halte ich es aber für ein gutes Zeichen - das möchte ich in der heutigen Debatte wiederholen -, daß in der Sitzung des Finanzausschusses in der letzten Woche überparteilich, auch von der Opposition, die grundsätzliche Bereitschaft zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer erklärt wurde. Sogar seitens der PDS wurde geäußert, daß sie der Gewerbekapitalsteuer wegen des Charakters dieser Steuer als Substanzsteuer kritisch gegenüberstehe.
Das ist im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages auch für die Opposition jederzeit nachlesbar.
Wir als F.D.P., wie auch die gesamte Koalition, sind allerdings der Auffassung, daß jetzt nicht mehr über das eine oder andere Detail geredet und ins Endlose hinaus diskutiert werden sollte oder die ganzen Überlegungen an eine Kommission überwiesen werden sollten - nach dem Motto: Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis. Das hilft den Arbeitslosen in unserem Lande nicht.
Die Bürger, die Arbeitslosen sind das ewige Gerede satt. Sie wollen Ergebnisse. Deshalb muß die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer heute vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden.
Die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände sind inzwischen, nach langer Überzeugungsarbeit, zu der Auffassung gekommen, daß sie an der Umsatzsteuer an Stelle der Gewerbekapitalsteuer beteiligt werden sollten. In den letzten 20 Jahren ist das Aufkommen aus der Gewerbekapitalsteuer um 120 Prozent gestiegen, das Aufkommen aus der Umsatzsteuer um 320 Prozent. Wer als Kommunalpolitiker weiß, wie konjunkturzyklisch gerade die Gewerbekapitalsteuer ist, der hat doch Verständnis dafür, daß die Kommunen sagen: Gebt uns einmal eine verläßliche Steuerbasis; schadet uns nicht dadurch, daß die Gewerbekapitalsteuer gerade in schlechten Zeiten regelmäßig einbricht und uns die finanzielle Grundlage entzieht.
Dem wollen wir nachkommen. Daher frage ich mich: Warum hindern wir die Kommunen daran? Warum geben wir ihnen nicht die Chance der Beteiligung an der Umsatzsteuer? Warum gehen wir nicht endlich auf die berechtigten Anliegen der Kommunen ein?
In langen und ausführlichen Verhandlungen und Beratungen im Finanzausschuß - in Anhörungen, in Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbän-
Carl-Ludwig Thiele
den - wurde dieses Thema erörtert. Wir haben die konkreten Vorstellungen zur Verteilung der Umsatzsteuer im wesentlichen von den kommunalen Spitzenverbänden übernommen. Das heißt, sie haben konstruktiv gearbeitet. Wir als Gesetzgeber haben die Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände übernommen. Der Punkt, um den es ging, ist, ob die Kommunen mit 1,9, 2,1 oder 2,3 Prozent an der Umsatzsteuer beteiligt werden. Darüber kann man diskutieren, das haben wir erklärt. Den Kompromiß, den wir vorschlagen - 2,1 Prozent - halte ich für durchaus machbar.
Eines müssen wir natürlich auch sehen: Der Bund kann einen solchen Kompromiß nicht allein anbieten; denn es geht um die Umsatzsteuer, die zur Hälfte den Ländern zusteht. Da sind auch die Länder gefragt. Wir wollen eine Diskussion mit den Ländern. In diese Diskussion kommen wir aber nur, wenn das Gesetz verabschiedet wird. Erst dann kann das Gespräch im Bundesrat stattfinden.