Rede von
Dr.
Barbara
Hendricks
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unbezweifelbar richtig, daß sich dieses ganze Haus in der Frage einig ist, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit das vorrangige Ziel der Politik sein muß. Ich will aber darauf aufmerksam machen, daß es geradezu üblich geworden ist - Herr Bundesfinanzminister, so haben Sie es heute wieder zu Beginn und zum Ende Ihrer Rede getan -, jede Maßnahme, die Sie von der Koalition vorschlagen, mit dem Arbeitsplatzargument zu begründen. Der Kollege Möllemann hat es gestern in geradezu triefender Weise im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform getan.
Sie verbinden es jetzt mit der Gewerbekapitalsteuer. Bei jeder dieser Maßnahmen versprechen Sie den Bürgerinnen und Bürgern, dadurch würden Arbeitsplätze geschaffen. Dies ist leider nicht der Fall.
Ich erkläre hier für die SPD-Fraktion: Wir sind gleichwohl damit einverstanden, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen, wenn unsere Bedingungen erfüllt werden. Dies erklären wir seit zwei Jahren. Aber wir versprechen nicht, daß dadurch in nennenswertem Umfange Arbeitsplätze geschaffen werden. Sie machen Versprechungen, die Sie nicht halten können,
und wir wollen uns für diese Versprechungen nicht vereinnahmen lassen.
Die Gewerbekapitalsteuer hat einen Umfang von 0,8 Prozent am gesamten Steueraufkommen; das sind netto 4 Milliarden DM.
Dr. Barbara Hendricks
Da kann sich jeder Mensch ausrechnen, welche Bedeutung das haben kann,
nämlich eine allenfalls sehr marginale.
Gleichwohl sind wir damit einverstanden, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen. Aber wir sollten den Bürgerinnen und Bürgern doch bitte nicht falsche Versprechungen machen. Diese marginale Wirkung wird nicht so eintreten, wie Sie es heute wieder vollmundig versprochen haben.
Ich komme noch einmal kurz zu den unterschiedlichen Zahlen, die Ihr Haus, Herr Bundesfinanzminister, und die der Landesfinanzminister Schleußer im Zusammenhang mit der sogenannten großen Steuerreform vorgelegt haben. Die Experten haben sich am Dienstag zusammengesetzt. Ich vermute, sie haben sich angenähert. Wie man den Zeitungen entnehmen konnte, stammen Ihre Zahlen von 1989, die von Nordrhein-Westfalen von 1994.
Man hat sich mittlerweile darauf verständigt, auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu warten, die im März kommen sollen. Es ist vernünftig, auf einer gemeinsamen Datenbasis zu arbeiten. Wie man hört, hat Bayern eine noch andere Datenbasis.
Natürlich sind es schwierige Voraussetzungen, wenn man auf drei unterschiedlichen Datenbasen rechnet. Insofern ist es richtig - wir sollten damit unspektakulär umgehen -, auf die neuen Daten von März zu warten.
Aber eines wollen wir hier auch festhalten, Herr Bundesfinanzminister: Ihre Zahlen, welche Sie auch vorgelegt haben, waren bisher immer geschönt. Mißtrauen ist immer angebracht.
Herr Bundesfinanzminister, Sie wären froh, wenn Sie nur die Differenz zwischen den von Ihnen geschätzten Steuereinnahmeausfällen
nach dem Standortsicherungsgesetz und den tatsächlich eingetretenen Steuereinnahmeausfällen nach dem Standortsicherungsgesetz zur Verfügung hätten.
Mit der Differenz könnte man heute eine Menge anfangen.
Jetzt werde ich mich dem heutigen Thema im engeren Sinne zuwenden. Was wir hier heute erleben, meine Damen und Herren, ist die Fortsetzung eines Stückes aus dem Tollhaus. Gewöhnlich nennen wir dieses Tollhaus Regierungskoalition.