Rede von
Dr.
Theodor
Waigel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich wüßte gar nicht, warum Sie sich verpflichtet fühlen, die Finanzministerin von Brandenburg hier zu verteidigen. Im übrigen wissen Sie - so hoffe ich jedenfalls - genauso wie die Finanzministerin von Brandenburg,
daß es unser erklärtes Ziel war, alles daranzusetzen, die Erhebung nicht notwendigerweise erfolgen zu lassen
und sie, wenn dies nicht möglich gewesen wäre, durch eine Aussetzung im Interesse der Wirtschaft und im Interesse der Betriebe in den östlichen Bundesländern im Einvernehmen mit der EU-Kommission auch 1997 nicht durchführen lassen zu müssen. Das wissen Sie sehr genau.
Die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern wäre Gift für Wachstum und Beschäftigung. Als Zeitpunkt des Inkrafttretens der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist der 1. Januar 1998 vorgesehen. Ich habe Verständnis für die Kommunen in den neuen Ländern, die 1997 mit
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
500 Millionen DM Mehreinnahmen gerechnet haben.
Aber alle sollten wissen: Für die Verschiebung sind nicht wir verantwortlich.
Das hätte 1996 anders gelöst werden können. Dennoch: Der Bund wird über die Kreditanstalt für Wiederaufbau für die Kommunen in den neuen Bundesländern zusätzliche Kredite von insgesamt 1 Milliarde DM zu einem Zinssatz von nur 3,85 Prozent zur Verfügung stellen. Damit stehen zusammen mit den bereits verfügbaren 2 Milliarden DM insgesamt 3 Milliarden DM zu äußerst günstigen Konditionen bereit.
Diese Mittel im Rahmen des KfW-Infrastrukturprogramms sind für alle wichtigen Kommunalinvestitionen wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft, Baulanderschließung, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhäuser, Kindergärten und Sanierungsvorhaben an kommunalen Einrichtungen einsetzbar. Die Kreditkonditionen sind auf kommunale Finanzierungsaufgaben zugeschnitten: Zinsbindung bis 10 Jahre, Laufzeit bis 30 Jahre, bis zu fünf tilgungsfreie Anlaufjahre, Auszahlung 100 Prozent, Finanzierung bis zu 50 Prozent des Investitionsvolumens, und auch kommunale Eigenbetriebe sind antragsberechtigt.
Mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist eine große Gemeindefinanzreform verbunden. Die Beteiligung an der Umsatzsteuer bringt einen Quantensprung für die Finanzausstattung der Gemeinden, und zwar quantitativ und qualitativ. Im Gegensatz zur Gewerbesteuer wird das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht sinken. Die Gemeinden erhalten eine gut kalkulierbare und stetig wachsende Einnahmequelle. Dies wird ihre Finanzplanung erleichtern und ihr Investitionsverhalten stärken und verstetigen. Die Wirtschaft vor Ort wird davon profitieren.
Die Gemeindefinanzreform kommt den Wünschen der Kommunen entgegen. Erst am Mittwoch hatte ich ein längeres Gespräch mit Kommunalvertretern. Das Meinungsbild war deutlich: Die Kommunen verstehen dieses Vorhaben als eine historische Chance.
Der Präsident des Deutschen Städtetages hat mehrfach beklagt, daß die Gemeindefinanzreform noch nicht umgesetzt ist.
Die Bundesregierung hat die Grundkonzeption aus dem Jahr 1995 fortentwickelt und auch im Detail mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. So soll die Verteilung des Umsatzsteueranteils zu 70 Prozent nach dem bisherigen Gewerbesteueraufkommen und zu 30 Prozent nach der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erfolgen.
Zur Vermeidung von zu großen Umverteilungswirkungen zwischen einzelnen Gemeinden ist im Gesetzentwurf eine Härtefallregelung vorgesehen. Danach werden 80 Prozent des Ausgleichsvolumens nach dem vorgesehenen Schlüssel verteilt. 20 Prozent werden von den Ländern nach Maßgabe landesgesetzlicher Regelungen für Härtefälle reserviert. Diese Mittel fließen den Kommunen ungeschmälert außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs zu.
Es ist ganz wichtig, daß diese Mittel nicht der Disposition der Länder unterstehen, sondern auf Mark und Pfennig den Kommunen zukommen.
Bei der Höhe des Kompensationsvolumens sind wir mit unserem neuen Angebot einer Umsatzsteuerbeteiligung in Höhe von 2,1 Prozent an die Grenze des finanziell Machbaren gegangen. Allein durch die Erhöhung von 1,9 Prozent auf 2,1 Prozent ergeben sich für die Kommunen Mehreinnahmen von fast einer halben Milliarde DM.
Bei der Berechnung des notwendigen Kompensationsvolumens hat die Bundesregierung den von kommunaler Seite angenommenen Gewerbekapitalsteueranteil von 15 Prozent aufgenommen. Durch den Umsatzsteueranteil von 2,1 Prozent und unter Berücksichtigung der Mehreinnahmen der Gemeinden durch die Gegenfinanzierung bei der Einkommensteuer wird die von kommunaler Seite geforderte Kompensation von 5,6 Milliarden DM erreicht.
Ich habe natürlich Verständnis dafür, daß die kommunale Seite gerne mehr hätte. Wenn wir im Überfluß schwimmen würden, könnten wir auch über einen Anteil von 2,3 Prozent reden. Dem ist aber nicht so.
Ich habe auch Verständnis dafür, daß die kommunalen Spitzenverbände jeder einzelnen Stadt, jeder einzelnen Gemeinde Gerechtigkeit willfahren lassen wollen und keine einzige Gemeinde zu den Verlierern gehören will. Bei der gegenwärtigen Situation können wir allerdings nur einen vollen Ausgleich anbieten. Und dies ist meines Erachtens, auch unter Bezugnahme auf die Entwicklung der Umsatzsteuer, nicht nur vertretbar, sondern in den nächsten vier Jahren für die Kommunen und Städte wesentlich günstiger, als wenn es beim bisherigen Zustand mit der Gewerbekapitalsteuer bliebe.
Zur Fixierung des endgültigen Verteilungsschlüssels des Umsatzsteueraufkommens ab dem Jahr 2000 muß der Gesetzgeber im Jahre 1999 erneut tätig werden. Zwei Erfordernisse sind dann zu erfüllen: Das Band zwischen Wirtschaft und Kommunen muß erhalten bleiben, und interkommunale Disparitäten müssen überdacht werden. Die Bundesregierung wird auch hier Einvernehmen mit den Kommunen herstellen.
Ich lege auch Wert auf die Tatsache, daß die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände in der Vergangenheit noch nie in den Prozeß der Willensbildung so einbezogen wurden, wie das in den letzten zwei Jahren erfolgt ist.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Auch wenn die für die Umsatzsteuerbeteiligung notwendige Grundgesetzänderung heute nicht zur Debatte steht: Die kommunalen Spitzenverbände haben die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen des Art. 106 GG akzeptiert. Hierzu gehören die Umsatzsteuerbeteiligung sowie die Absicherung der Ertragshoheit der Gemeinden an der verbleibenden Gewerbeertragsteuer.
Diese Grundgesetzänderung muß rechtzeitig vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgen. Der entsprechende Vorschlag liegt in den Ausschüssen zur Beratung vor.
Der vorgeschaltete Beschluß über das einfache Gesetz ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da die zeitliche Abfolge der Verkündung der beschlossenen Änderungen entscheidend ist. Solche Fragen sollten Sie zunächst von Ihren Rechtsexperten prüfen lassen, Herr Kollege Poß, bevor Sie an die Öffentlichkeit treten.
Meine Damen und Herren, heute mittag gehen die Gespräche über die Steuerreform im kleinen Kreise weiter. Ein weiterer Streit - auch das will ich von dieser Stelle aus sagen - um die richtigen Zahlen ist nicht dienlich.
Alle Zahlen müssen selbstverständlich transparent und jederzeit überprüfbar sein. Bisher sind die Zahlen des Finanzministeriums nicht entkräftet worden.
Es wäre gut, wenn wir diese der Sache nicht dienliche Diskussion und damit die Verunsicherung beenden würden.
Es geht jetzt nämlich nicht um taktische Manöver, für die die Menschen kein Verständnis haben, sondern um das ehrliche Bemühen, aufeinander zuzugehen und überzeugende Lösungen zu finden.
Mit einem Spitzensteuersatz für gewerbliche Einkünfte und für Körperschaftsteuer von 35 Prozent und einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent gibt es wichtige Übereinstimmungen. Diese sollten die Kristallisationspunkte für die Lösung der strittigen Punkte sein. Wenn man unser Steuersystem als Ganzes betrachtet und die Hinweise des Bundesverfassungsgerichtes ernst nimmt, ergibt sich beispielsweise ein vernünftiger Spitzensteuersatz fast automatisch.
Unser Leitgedanke sollte sein, was die Menschen von der Politik erwarten. Sie erwarten die schnelle und entschiedene Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Sie wollen klare Signale, ein überzeugendes Konzept, keine zermürbende Hängepartie und kein endloses Feilschen.
Die Unternehmen brauchen jetzt Klarheit. Dann werden sie nämlich Investitionen vorziehen, heute von den günstigen Abschreibungssätzen und ab 1998/99 von den günstigeren Steuersätzen profitieren. Damit werden Arbeitsplätze geschaffen.
Meine Damen und Herren, machen Sie den Weg für die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer frei. Trotz des begrenzten Finanzrahmens haben wir einen Vorschlag unterbreitet, der die Wirtschaft entlastet, Arbeitsplätze schafft und die Finanzsituation der Gemeinden nachhaltig stärkt. Im Interesse der vielen Arbeitsuchenden in Deutschland: Stimmen Sie unserem Gesetzesvorschlag zu!
Ich danke Ihnen.