Rede von
Dr.
Theodor
Waigel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Poß, selbstverständlich haben wir uns bemüht, mit allen Beteiligten ein möglichst großes Einvernehmen zu finden. Nur, wenn Sie in allen Punkten bis zum letzten Komma ausschließlich auf Einvernehmen setzen würden, kämen Sie nie zu Lösungen.
Insofern müssen wir uns jetzt zu einer Lösung entscheiden, die pragmatisch und akzeptabel ist, die schon damals im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hätte entsprechend gestaltet werden und die wir natürlich schon im letzten Jahr hätten verabschieden können.
Herr Kollege Poß, was übrigens das Verfassungsrecht anbelangt, ist es immer gut, wenn man sich an das erinnert, was man einmal gesagt hat. Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen auch über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Spreizung von Steuersätzen sprechen. Da kann ich mich erin-
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
nern - Sie haben sich ja heute zum Verfassungsrecht geäußert -, daß es in einer früheren Debatte eine Wortmeldung des Abgeordneten Poß gab, in der er eine Spreizung der Steuersätze zwischen gewerblichen Einkünften und sonstigen Einkünften als sehr problematisch bezeichnet hat.
- Sehr gut. Das ist ein guter Beginn für die Spitzengespräche im Anschluß.
Ihr Parteifreund, der nordrhein-westfälische Finanzminister, hat gesagt, einer solchen Spreizung sei die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben.
Wenn Sie sich dazu erklären, daß wir den Steuersatz auf die gewerblichen Einkünfte und den Körperschaftsteuersatz auf 35 Prozent reduzieren - das ist für die Investitionen in Deutschland sehr wichtig -, dann nehme ich an, daß für eine andere Differenzierung und Spreizung nur noch ein begrenzter Spielraum zur Verfügung steht.
Insofern bin ich Ihnen, Herr Kollege Poß, dankbar für diesen damaligen Hinweis, weil man auf die Dauer verfassungstreu und verfassungskonform sein muß und soll. Wenn das, was Sie und Herr Schleußer damals gesagt haben, heute noch Gültigkeit hat, dann, so glaube ich, könnten wir auch in diesem schwierigen Feld, das in Ihren Reihen bisher eher durch Ideologie und Polemik geprägt worden ist, zu einem befriedigenden, für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wichtigen Erfolg kommen.
Insofern sehen Sie, Herr Kollege Poß, wie wichtig wir nicht nur Ihre steuersystematischen, sondern auch Ihre verfassungsrechtlichen Argumente nehmen.
Aber nun zum Thema zurück: Ertragsunabhängige Steuern gefährden in wirtschaftlichen Schwächephasen auch gesunde Unternehmen. Sie verhindern die Schaffung neuer innovativer Produktionsanlagen. Sie erschweren die Eigenkapitalbildung, und sie verhindern Existenzgründungen. Es wäre wirklich ein Unding, die von der Zeit überholte Gewerbekapitalsteuer auch noch in den neuen Ländern einzuführen. Das würde dort der Wirtschaft und den Betrieben den noch dünnen Boden unter den Füßen wegziehen.
- Zum Beispiel die Finanzministerin von Brandenburg will das. Sie will die Gewerbekapitalsteuer einführen.
- Sie muß nicht, sondern sie will. Es gibt natürlich auch andere, die das wollen.
Es ist doch wirklich der größte wirtschaftspolitische Unsinn, auf der einen Seite die Betriebe in Ostdeutschland zu fördern und ihnen auf der anderen Seite mit einer Vernichtungssteuer wieder Schaden zuzufügen.
Das kann doch nicht unsere Politik sein!