Rede von
Werner
Schulz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können uns in einem Punkt ganz schnell einig werden: Die heutige Geschäftsordnungsdebatte ist mißlich und überflüssig.
Wir sind es leid, daß dieses Parlament im Rhythmus der koalitionsinternen Zuckungen oder der fraktionsinternen Querelen nacharbeiten soll. Das ganze Hickhack um die Unternehmensteuerreform zeigt doch deutlich die Handlungsunfähigkeit dieser Koalitionsregierung.
Daran ändert auch nichts die plötzliche Eile, mit der Sie sich jetzt auf die Suche nach der verlorenen Zeit und der verschwommenen Idee machen. Anstelle einer umständlichen Erklärung, Herr Repnik, warum heute die Unternehmensteuerreform oder die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer auf die Tagesordnung gesetzt werden soll, hätten Sie vielleicht erst einmal eine schlüssige Erklärung anbieten sollen, warum Sie denn dieses Werk letzte Woche so kurzerhand von der Tagesordnung abgesetzt haben.
Einerseits prahlen Sie damit, daß Sie ausgereifte Reformkonzepte hätten, und andererseits werden diese Meisterwerke dann buchstäblich in letzter Minute zurückgezogen, um schwerwiegende Konstruktionsfehler auszumerzen. Sie sollten sich wirklich Zeit für die interne Klärung lassen; denn wenn ich Herrn Linssen, den CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen, richtig verstanden habe, dann bestreitet er überhaupt die Berechtigung einer KfW-Kompensation. Er meint, daß hier die Kommunen der neuen Länder Ansprüche erheben würden für Einnahmen, die sie bisher überhaupt nicht gehabt hätten, und daß diese Kompensation ein Verschiebebahnhof wäre. Nein, ich glaube, Sie haben selbst großen Klärungsbedarf.
Für eines habe ich allerdings Verständnis: Daß die ostdeutschen CDU-Abgeordneten, die sich in einem mühsamen Kraftakt aus der Bauchlage in die Hocke bewegt haben, jetzt nicht länger auf den Knien rutschen wollen, um das Erreichte hinter die Ziellinie zu bringen, kann ich gut nachvollziehen. Ich glaube, da ist wirklich Eile angebracht.
Wenn aber die Fraktionen von Sozialdemokratie und Bündnisgrünen hier schwerwiegende Bedenken anmelden, dann ist es, wie ich finde, einfach nur fair, daß Sie uns die gleiche Zeit einräumen, die Sie den Zweiflern oder dem Protest in den eigenen Reihen eingeräumt haben. Also wozu diese große Eile? Ich hätte noch Verständnis für eine Vorlage, die am 1. Januar 1997 in Kraft tritt. Aber dieses Gesetz soll doch erst am 1. Januar 1998 in Kraft treten.
Das ist ein klassischer Vorratsbeschluß, obwohl Sie behaupten, es würde hier große Eile bestehen. Gar nichts davon stimmt! Es wird in der Unterschriftsmappe des Bundespräsidenten liegen bleiben, bis die entsprechende Grundgesetzänderung nachgereicht ist. Das ist der Fall.
Die kommunalen Spitzenverbände, Sie wissen es genau, bestehen darauf, daß beides im Zusammenhang behandelt werden soll. Ich bitte Sie also darum: Behandeln wir doch beides gemeinsam in der nächsten Sitzungswoche. Oder wollen Sie unbedingt den laufenden Gesprächen zur großen Koalition noch Verhandlungsmasse nachschieben?