Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lohmann, Ihre Rede hat mich schon betroffen gemacht,
weil ich Sie eigentlich so nicht eingeschätzt habe. Ich halte es für eine schlimme Entgleisung, daß Sie den Suizid eines jungen Menschen zu einer abstrusen parteipolitischen Interpretationskette zusammenführen.
- Aber Ihre weitere Kette des Zitats war in meinen Augen parteipolitisch unterlegt. - Wir sollten uns in der Tat auch über immaterielle Gründe von solchem Tun unterhalten, aber nicht am Schluß noch die Bundesregierung unterschwellig für so etwas verantwortlich machen.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Bundesregierung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien ist für die umfassende Beantwortung der Großen Anfrage der SPD zu Sportförderung und Sportsicherung besonders zu danken, vor allem deshalb, weil die Anfrage den falschen Adressaten hat. Sie hätte an die Landesregierungen und den Deutschen Städtetag gerichtet sein müssen. Dort liegen im wesentlichen die Zuständigkeiten für die Inhalte der Fragen.
Dennoch: Die ausführliche Stellungnahme der Bundesregierung hilft der SPD vielleicht auf dem Weg der Orientierung, ihr Verhältnis zum Sport zu prüfen und zu klären. Nicht für alles sollte der Staat verantwortlich gemacht werden, und nicht alles sollte der Staat regeln.
Dieses Staatsverständnis hat schon oft in die Irre geführt.
Klaus Riegert
Unser föderales System regelt die Zuständigkeiten. Der Bund ist für die Fragen des Spitzensports, die Länder sind für die Aufgaben des Breiten-, Freizeit- und Schulsports zuständig. In seiner Zuständigkeit für den Spitzensport hat der Bund diesem trotz angespannter Haushaltslage auch 1997 die Mittel zur Verfügung gestellt, um deutschen Sportlerinnen und Sportlern gleiche Chancen für ein erfolgreiches Abschneiden im Vergleich mit den Sportlern anderer Länder zu geben.
Es ist deshalb bezeichnend, daß der SPD hierzu keine Fragen eingefallen sind. Der Spitzensport sieht sich bei dieser Bundesregierung gut aufgehoben. Der Vorwurf der SPD, die Sozialgesetzgebung des Bundes sei für eine Reduzierung der Sportförderung von Ländern und Kommunen verantwortlich, ist geradezu absurd. Die Bundesregierung hat diesen Vorwurf begründet und entschieden zurückgewiesen.
Wer sich weigert, sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung des Mißbrauchs sozialer Leistungen mitzutragen, der sollte nicht unbegründet über mangelnde Finanzkraft der Länder und Kommunen klagen. Wer im Bundesrat wichtige Gesetzesvorhaben der Bundesregierung blockiert, der entzieht Ländern und Kommunen beträchtliche Gelder. Allein durch eine Zustimmung des Bundesrates zum Asylbewerberleistungsgesetz würde den Ländern und den Kommunen rund 1 Milliarde DM jährlich mehr zur Verfügung stehen.
Herr Kollege Scheelen, lassen Sie mich auch das noch einflechten: Wenn Sie sich statt an Polemik an Zahlen, Daten und Fakten hielten, dann würden Sie in die Staatskanzlei in Düsseldorf gehen, um diese Beschwerde vorzubringen. Die Sozialausgabensteigerung von 1990 bis 1993 kennen Sie; sie ist in der Tat enorm. Der Anteil des Bundes ist allerdings von 18,8 Prozent auf 20,8 Prozent, also um 2 Prozentpunkte, gestiegen.
Der Anteil der Länder ist von 10,2 Prozent auf 9,7 Prozent, also um 0,5 Prozentpunkte, gefallen.
Und in der Tat: Der Anteil der Kommunen ist von 8 Prozent auf 8,5 Prozent angewachsen. Es sollten schnellstens verstärkte Maßnahmen getroffen werden, um die mißbräuchliche Inanspruchnahme sozialer Leistungen zu verhindern. Kommunen und Länder könnten sich dadurch Milliardenbeträge ersparen.
Um nicht mißverstanden zu werden: Es geht nicht um die rechtmäßige Inanspruchnahme sozialer Leistungen, sondern um die mißbräuchliche derselben.
Lassen Sie mich zu den Entschließungsanträgen der SPD und der Grünen, die an die zuständigen
Ausschüsse überwiesen und dort beraten werden sollen, heute nur soviel sagen: Die durchgängige Botschaft beider Anträge lautet: Staat, Staat und nochmals Staat. Er soll für alles verantwortlich sein, auch - so grotesk es klingen mag - für den Erhalt sonstiger Freiflächen in den Kommunen. Dies soll die Bundesregierung unter anderem durch einen eigens dafür einzurichtenden „fairen runden Tisch" prüfen lassen. Dieser soll auch über Angebote sportlich-spielerischer Betätigung, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich, befinden. Ich sage: Dies können doch keine Prüfungsaufträge an eine Bundesregierung sein
Der Präsident des Deutschen Sportbundes hat übrigens vor zwei Tagen die Initiative des Bundeskanzlers zum runden Tisch ausdrücklich gelobt. Ein solcher runder Tisch mache Sinn und gebe dem Sport einen Schub nach vorn.
Hinsichtlich der im Entschließungsantrag erhobenen Forderung zur Stärkung der Ehrenamtlichkeit im Sport, zur Aufnahme der Sportmedizin in die Approbationsordnung, zur Sicherung der Belange des Sports in Europa und zur ergänzenden sozialwissenschaftlichen Forschung durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft sage ich: Da laufen Sie der Zeit schlichtweg hinterher.
Wir sind schon wesentlich weiter. Wir werden die Opposition bei der Beratung in den Ausschüssen umfassend aufklären.
Die SPD fordert in ihrem Entschließungsantrag eine Vermarktungsabgabe. Dazu meine ich: Nicht der Staat ist gefragt, sondern die Solidarität des Sports ist gefordert. Beispiel: Fußball-Bundesliga. Dort findet Vermarktung statt, und öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen werden gegen geringe Entgelte genutzt. Zudem übernehmen die Kommunen und Länder in der Regel den Sanierungsaufwand für diese Sportstätten. Hier sollten die Kommunen und Länder nicht zögern, die Entgelte an den gestiegenen Gewinnen und Umsätzen zu orientieren.
Sollten die Nutzer dieser Einrichtungen in Zukunft Pay-TV einführen und damit Steuerzahler und Sportfreunde von den Veranstaltungen ausschließen oder noch mehr zur Kasse bitten, haben die Kommunen und Länder Gelegenheit, hier einen Riegel vorzuschieben.
Ich bin gespannt, wie sich Stadt- und Landesparlamente verhalten werden. Es wäre unverantwortlich, vom Breitensport für die Nutzung von Sportstätten Gebühren zu verlangen und gleichzeitig Vereine mit über 100 Millionen DM Umsatz so zu behandeln, als wären sie gemeinnützig.
Klaus Riegert
Spertförderung und Sportsicherung stehen in unserem Lande auf einem breiten, soliden Fundament. Bund, Länder und Kommunen fördern nach dem Subsidiaritätsprinzip den Sport mit über 7 Milliarden DM jährlich. Das sind Investitionen, die den Menschen durch den Bau und die Unterhaltung von Sportsiatten, durch die Qualifizierung und Ausbildung im Bereich des Sports, durch die Förderung internationaler Begegnungen und des Jugendaustausches und durch die Förderung der Sportwissenschaften usw. usw. direkt zugute kommen. Den Hauptanteil dieser Leistungen tragen dabei - es ist richtig, was Sie dazu ausführen - mit rund 5,5 Milliarden DM die Kommunen; 1,2 Milliarden DM entfallen auf die Länder und 340 Millionen DM auf d Bund. Dieser Zahlenvergleich zeigt, daß Sportförderung und Sportsicherung in erster Linie Sache der Länder und Kommunen sind.
Der Sportförderung und der Sportsicherung dienen des weiteren das Vereinsförderungsgesetz, die Anerkennung der Sportvereine als gemeinnützige Körperschaften.- die steuerfreie Übungsleiterpauschale, die dank unserer Aktivitäten nicht in das Streichprogramm aufgenommen wurde,
und die Tatsache, daß über 2,5 Millionen ehrenamtlich tätige Mitarbeiter sich für den Sport freiwillig und unentgeltlich einsetzen.
Herr Kollege Berninger, Ihre Reden halte ich für sehr gefährlich. Sie erwecken nämlich immer den Eindruck, als sei die Politik für das Ehrenamt zuständig. Dem entgegne ich: Wir können die Stärkung des Ehrenamts nicht mit Haushaltstiteln und nicht mit Gesetzen oder Verordnungen hinbekommen. Ich rate Ihnen, in unserem Entschließungsantrag nachzulesen, welche verschiedenen Adressaten es gibt.
Was ich genannt habe, gehört zur Sportförderung und Sportsicherung im breitesten Sinne und zeigt, auf welch sicherem und solidem Fundament der Sport in Deutschland steht. Dafür gebührt allen Beteiligten unser Dank.
Über 26 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben sich in über 85 000 Sportvereinen des Deutschen Sportbundes organisiert, um Sport zu treiben, und dies mit steigender Tendenz.
Den Sportvereinen kommt im Bereich der Gesundheit, des Sozialen, der Bildung und der Freizeit eine besondere Bedeutung zu. Es ist unverkennbar, welch wichtige soziale Hilfe die Vereine bei der Integration verschiedener weltanschaulicher, politischer, religiöser und ethnischer Gruppen leisten.
Dies erreichen wir nicht durch immer neue staatliche Reglementierungen und behördliche Regelungen, wie es die SPD immer wieder fordert, sondern durch die freie, eigenverantwortliche Mitarbeit und Mitgestaltung seitens unserer Bürgerinnen und Bürger.
Den Sportvereinen stehen Sporteinrichtungen hoher Qualität für die Vielfalt des Sportes zur Verfügung. Allein in den alten Bundesländern sind dies über 52 000 Sportplätze, über 26 000 Sporthallen, rund 3 700 Hallenbäder und 2 400 Freibäder. Dies sind Zeichen aktiver Sportförderung und Sportsicherung. Ein solch dichtes Netz vielfältiger und qualitativ guter Sporteinrichtungen gibt es in keinem unserer Nachbarländer.
Richtig ist, daß bei knapper werdenden Mitteln ein im Laufe der Jahrzehnte gewachsenes Anspruchsdenken nicht mehr im bisherigen Umfang befriedigt werden kann. Darauf müssen wir uns auch in anderen Lebensbereichen einstellen. Gefragt sind nicht Klagen und Forderungen; vielmehr sollte dies als Chance zum Umdenken ergriffen und genutzt werden. Mehr Eigeninitiative, stärkere Eigenverantwortung und höhere Innovationsfähigkeit sind erforderlich. Dies bedeutet nicht den Rückzug öffentlicher Förderung, aber Qualität und Standard der jetzigen Sporteinrichtungen sind nur durch Beteiligung der Nutzer zu sichern.