Herr Kollege Uelhoff, das ist mir natürlich nicht entgangen. Diese Tatsache spricht sich bis zu den Kommunen herum. Man spricht in den Kommunen schon von der sogenannten Sportfraktion. Darum geht es aber überhaupt nicht.
Es geht um die Frage, ob der Bund bereit ist, über das hinaus, was er jetzt leistet, mehr zu tun.
Das ist Gegenstand der Großen Anfrage; darum sitzen wir heute hier und diskutieren.
Sie haben in diesem 8. Sportbericht eine imposante Aufzählung über die Bedeutung des Sports gebracht. Aber ich sage noch einmal: Sie sind als Bund nicht bereit, mehr zu tun. Ganz im Gegenteil: Sie belasten diejenigen, die 97 Prozent der Ausgaben tragen, nämlich die Länder und insbesondere die Kommunen.
Dies ist die Folge - darüber haben wir gestern diskutiert - Ihrer außergewöhnlich angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Das ist der eigentliche Kernpunkt.
Bernd Scheelen
Ihre Politik, die Sie seit 14 Jahren betreiben, führt zu einer immens hohen Arbeitslosigkeit. Die Lasten der Arbeitslosigkeit wälzen Sie durch Kürzungen der entsprechenden Leistungen auf die Kommunen ab: durch Leistungskürzungen bei der Arbeitsförderung, durch Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosenunterstützung. Diese Menschen fallen aus den Förderprogrammen heraus und fallen den Kommunen als Sozialhilfeempfänger zur Last.
Sie sagen in der Antwort auf die Große Anfrage, daß der Vorwurf, der Bund verlagere die Kosten der Arbeitslosigkeit auf die Sozialhilfe - Sie haben das gerade wiederholt, Herr Kollege Feldmann; ich bitte um Nachsicht, daß ich nicht im Sportausschuß, sondern im Finanzausschuß tätig bin -,
nicht zutrifft. Der entsprechende Satz in der Antwort lautet, dieser Vorwurf sei total verfehlt. Ich sage ganz deutlich, daß dies eine sehr kühne Behauptung ist.
Ich habe Ihnen dazu ein kleines Zitat mitgebracht. Ich hoffe, ich habe die Erlaubnis des Präsidenten, dies kurz zu verlesen. In einer Zeitungsmeldung aus meiner Heimatkommune Krefeld, am wunderschönen linken Niederrhein gelegen
- nein, das ist nicht von unserer Presse, sondern von der anderen Presse - einer Meldung der „Westdeutschen Zeitung" vom 24. Dezember 1996, steht unter der Überschrift „Städte werden alleine gelassen" - da beklagt sich ein Krefelder Kommunalpolitiker -: „Die hohe Arbeitslosigkeit führe zu immer höheren Sozialhilfeausgaben, die von den Städten und Gemeinden getragen werden müßten". In diesem Zusammenhang schreibt er an den Bundeskanzler und mahnt eine kommunalfreundlichere Bundespolitik an. Es handelt sich um den Vorsitzenden der CDU- Ratsfraktion in Krefeld, den Kollegen Fabel. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
- Er hat aber an den Bundeskanzler geschrieben, und ich habe Ihnen das verlesen, was er geschrieben hat. Sie müssen das so zur Kenntnis nehmen; Sie können ihn ja einmal anrufen.
Ich sage Ihnen noch ein anderes Zitat vom selben Kollegen. Er sagt, daß die Zahl der Sozialhilfeempfänger, bezogen auf Krefeld - Sie können die Zahl bundesweit hochrechnen -, von 1980 bis 1995 von 9 072 auf 14 876 gestiegen ist und daß das den kommunalen Haushalt mit 183 Millionen DM im Jahr belastet. Das macht knapp 15 Prozent des Verwaltungshaushaltes aus.
Sich dann hinzustellen und zu sagen, diese Behauptung sei doch wirklich etwas verfehlt, ist schon wirklich kühn.
- Ja, „kühn" ist schon sehr moderat ausgedrückt. - Einen Moment bitte, Zettelwirtschaften sind ein Problem. Die Rede sollte eigentlich heute morgen geschrieben werden.
- Die sollte dann aber bis 13 Uhr über die Bühne gehen. Dann kommt sie noch in die Nachrichten von morgen hinein. Noch hat er Zeit.
- Herr Kollege Irmer, ich bemühe mich ja. Ich glaube nicht, daß Sie mir vorwerfen können, daß ich mich nicht bemühe, die Rede auch wirklich frei zu halten. Ich habe hier nur Stichworte, keine vorformulierte Rede. Deswegen werden die Saaldiener gleich von mir auch nichts für das Protokoll bekommen. Das müssen die Protokollanten alles selber machen.
- Ich bitte die Damen und Herren Protokollführer um Nachsicht.
Ich komme zum zweiten Bereich. Sie verweisen auf das Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz und das Arbeitsförderungs-Reformgesetz und behaupten, es seien alles nur Wohltaten, was Sie für die Langzeitarbeitslosen beschlossen hätten, und daß hiervon keinerlei negative Auswirkungen für die Kommunen zu erwarten seien. Der Städtetag hat Ihnen bescheinigt, daß allein durch das AFRG, das ArbeitsförderungsReformgesetz, eine Mehrbelastung in Höhe von 2 Milliarden DM auf die Kommunen zukommt.
Ich frage Sie: Wo sollen die Kommunen das denn noch hernehmen?
Wenn vor 14 Tagen in Dortmund etwa 7 000 oder 8 000 Behinderte mit ihren Lehrern auf die Straße gingen und gegen dieses Gesetz protestierten, weil hier hinsichtlich der Integration Behinderter aus einer Soll-Bestimmung eine Kann-Bestimmung geworden ist - das heißt mit anderen Worten, daß die Arbeitsämter, weil sie die Mittel dafür gar nicht mehr haben, natürlich dann dort den Rotstift ansetzen werden -, dann kann ich nur fragen: Liegt das daran, daß Sie hier eine solche tolle Politik machen und die Menschen das nicht verstehen, oder liegt das vielleicht daran, daß Sie eine Politik machen, die die Menschen sehr gut verstehen, die deswegen auf die
Bernd Scheelen
Straße gehen und protestieren oder sogar als CDU-
Kollege an den Bundeskanzler einen Brief schreiben?
Ich komme jetzt zur Frage der Pflichtaufgabe. Sie sagen, eine Pflichtaufgabe sei nicht nötig, weil insbesondere Gemeinden schon sehr viel freiwillig tun. Das ist völlig richtig. Die Kommunen leisten Sportförderung in Höhe von 5,5 Milliarden DM. Die Frage ist aber: Wie lange denn noch? In den Kommunen sind die Pflichtaufgaben insbesondere im Sozialbereich vorrangig zu bedienen. Ich habe sie gerade genannt. Hiervon kann sich keine Kommune freisprechen. Die Ausgaben müssen gemacht werden. Wenn aber eingespart werden muß - den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals; das wissen wir alle -, dann wird in den freiwilligen Bereichen eingespart. Das sind im wesentlichen Kultur und Sport.
Ich darf hier einmal meinen Kollegen Pützhofen zitieren, der der CDU/CSU-Fraktion angehört. Er hat am 13. September 1996 eine Rede gehalten und hat hier das rheinische Gerundium eingeführt. Er hat gesagt: Die Kommunen sind „am kaputt am gehen". Ich weiß nicht, ob sich der ein oder andere von Ihnen daran erinnert. Er hat völlig recht. Die Gemeinden sind „am kaputt am gehen". Das kann man nicht oft genug unterstreichen.
Jetzt kommen Sie daher und sagen: Ihre Politik führt nicht dazu, daß die Kommunen weiter belastet werden. Deswegen würden Sie dem Sport tatsächlich helfen, wenn Sie ihn zur Pflichtaufgabe machten, weil dann der Druck in den Kommunen, in diesem Bereich einzusparen, nicht mehr so hoch ist.
Ein gewisser finanzieller Druck in den Kommunen, den Ländern und im Bund ist oft hilfreich. Er ist insbesondere dann hilfreich, wenn man aus einer Situation des Überflusses heraus handeln kann. Diese Zeiten aber sind lange vorbei. Die Kommunen - ich sage das jetzt einmal aus Krefelder Sicht - haben insbesondere im Sportbereich alle Rationalisierungsreserven ausgeschöpft. Die Sporthallen und -plätze sind an die Vereine übertragen worden - eine gute Lösung, die Geld spart und motiviert. Irgendwann aber ist alles übertragen. Dann muß trotzdem weiter eingespart werden. Dann sind die Kommunen wirklich am Ende und erwarten Hilfe auch seitens des Bundes.