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    Plenarprotokoll 13/157 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 157. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1997 Inhalt: Nachträgliche Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Horst Sielaff und Dr. Gerhard Päselt 14077 A Erweiterung der Tagesordnung 14077 B Geänderte und nachträgliche Ausschußüberweisungen 14077 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1997 der Bundesregierung 14078 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 3: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 1997 der Bundesregierung „Reformen für Beschäftigung" (Drucksache 13/6800) 14078 A b) Antrag der Fraktion der SPD: Mit einem Nachtragshaushalt die Arbeitslosigkeit bekämpfen und den Bundeshaushalt auf eine solide Basis stellen (Drucksache 13/6903) 14078 A c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Margareta Wolf (Frankfurt), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reformblockaden überwinden: Die ökologische, wirtschaftliche und soziale Erneuerung einleiten (Drucksachen 13/3713, 13/5077) 14078 B d) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresgutachten 1996/97 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 13/6200) . . . 14078 B e) Große Anfrage der Abgeordneten Christa Nickels, Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsames Wort der Kirchen „Zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland" (Drucksachen 13/3864, 13/5482) 14078 C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 14078 D, 14105 C, 14114 C Rudolf Scharping SPD 14083 B, 14093 C Dr. Gerhard Stoltenberg CDU/CSU . . . 14088 A, 14093 D, 14113 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 14089 B Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD 14090 B, 14126A, B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14094 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . 14097 A, 14101 C Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14100 C, 14122 B Dr. Christa Luft PDS 14101 A, 14127 A Dr. Gregor Gysi PDS 14102 B, 14105 D Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . 14104 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 14106 A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14109 A Gerhard Schröder, Ministerpräsident (Niedersachsen) 14110 A, 14114 A,14115 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 14115 B, 14121 D Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14116 B Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14121 B Paul K. Friedhoff F.D.P. . . . . 14124 A, 14127 C Wolfgang Weiermann SPD 14124 D Rolf Kutzmutz PDS 14127 D Christian Müller (Zittau) SPD 14129 A Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU 14130 C Siegmar Mosdorf SPD 14132 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14134 B Otto Schily SPD 14134 C Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD 14135 A Tagesordnungspunkt 14: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zweiten und Dritten Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 1. Juli 1970 über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) (Drucksache 13/6440) . . . . 14137 A b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung fahrpersonalrechtlicher Vorschriften (Drucksache 13/6629) 14137 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu dem Schengener Übereinkommen vom 19. Juni 1990 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Drucksache 13/6671) 14137 B d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung (Drucksache 13/197) 14137 B e) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes (Drucksache 13/6619 [neu]) 14137 B f) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (Drucksache 13/6830) 14137 C g) Antrag des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS: Ausweis der Mittel für den Bundesnachrichtendienst (Drucksache 13/6531) 14137 C h) Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reinheitsgebot bei Schokolade (Drucksache 13/6536) 14137 C i) Antrag der Abgeordneten Horst Schmidbauer (Nürnberg), Klaus Kirschner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rettungsdienst in der gesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache 13/6578) 14137 D j) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bierstedt, Dr. Ruth Fuchs und der Gruppe der PDS: Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates (Drucksache 13/6778) 14137 D k) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung der Waldmann-Kaserne in München (Drucksache 13/6832) . . 14137 D l) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung hier: Kontrollkriterien für die Bewertung und Entscheidung bezüglich neuer Technologien im Rüstungsbereich (Drucksache 13/6449) 14138 A m) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung hier: „Möglichkeiten und Probleme bei der Verfolgung und Sicherung nationaler und EG-weiter Umweltschutzziele im Rahmen der europäischen Normung" (Drucksache 13/6450) . . 14138 A n) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung hier: Machbarkeitsstudie zu einem „Forum für Wissenschaft und Technik" (Drucksache 13/6451) 14138 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Juni 1996 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinten Nationen und dem Sekretariat des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen über den Sitz des Sekretariats des Übereinkommens (Drucksache 13/ 6917) 14138 B b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Mai 1995 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Hongkong über den Fluglinienverkehr (Drucksache 13/6918) 14138 C c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll II in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung und zum Protokoll IV vom 13. Oktober 1995 zum VN-Waffenübereinkommen (Drucksache 13/6916) 14138 C d) Antrag der Abgeordneten Volker Kröning, Uta Zapf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: VN-Waffenübereinkommen und Durchsetzung eines vollständigen Verbots von AntiPersonenMinen (Drucksache 13/6965) 14138 C e) Antrag der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln), Manfred Such und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Humanisierung der Drogenpolitik (Teil II) - Heroinverschreibung (Drucksache 13/3671) . . 14138 D Tagesordnungspunkt 15: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 13/4386, 13/6721) 14139 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks in Frankfurt/Main, ehemaliges US-Shopping-Center (Teilfläche) (Drucksachen 13/6456, 13/6847) . . . 14139 B c) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1996; überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 02 Titel 682 01 - Erstattung von Fahrgeldausfällen - (Drucksachen 13/6404, 13/6445 Nr. 4, 13/6747) 14139 B d) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 13 Titel 656 06 - Zuschuß des Bundes an die Rentenversicherung der Arbeiter in den neuen Ländern (einschl. ehemaliges Ost-Berlin) - und Titel 656 07 - Zuschuß des Bundes an die Rentenversicherung der Angestellten in den neuen Ländern (einschl. ehemaliges Ost-Berlin) (Drucksachen 13/6176, 13/6352 Nr. 1.1, 13/6748) 14139 C e) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1996; überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 13 Titel 656 03 - Beteiligung des Bundes in der knappschaftlichen Rentenversicherung - (Drucksachen 13/6360, 13/6445 Nr. 2, 13/6749) 14139 D f) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1996; überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 02 Titel 656 58 - Zuschüsse zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit - (Produktionsaufgaberente) (Drucksachen 13/6361, 13/6445 Nr. 3, 13/6750) 14139 D g) Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Haushaltsführung 1996; überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 25 02 Titel 642 01 - Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz - (Drucksachen 13/6343, 13/6352 Nr. 1.2, 13/6751) 14140 A h) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Neunzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - (Drucksachen 13/5946, 13/6091 Nr. 2.1, 13/6785) 14140 A i) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 175 zu Petitionen (Drucksache 13/6839) . . . . 14140 B j) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 176 zu Petitionen (Drucksache 13/6840) . . . 14140 B Wolfgang Dehnel CDU/CSU 14140 C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD (zur GO) 14140 C Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 14140 D k) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 177 zu Petitionen (Drucksache 13/6841) . . . . 14141 B l) Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 178 zu Petitionen (Drucksache 13/6842) . . . . 14141 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Einhundertzweiunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - (Drucksachen 13/6161, 13/6352 Nr. 2.1, 13/6976) 14141 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Sorge um Arbeitsplätze und Leistungsabbau bei der Post 14141 D Gerhard Jüttemann PDS 14141 D Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 14142 D Hans Martin Bury SPD 14144 B Dr. Michael Meister CDU/CSU 14145 B Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14146 B Paul K. Friedhoff F.D.P 14147 B Dr. Gregor Gysi PDS 14148 B Wolfgang Schulhoff CDU/CSU 14149 B Christine Kurzhals SPD 14150 D Renate Blank CDU/CSU 14151 D Klaus Barthel SPD 14152 C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . 14154 A Anke Fuchs (Köln) SPD 14155 A Tagesordnungspunkt 4: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr zu dem Antrag der Abgeordneten Elke Ferner, Michael Müller (Düsseldorf), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Minderung des Verkehrslärms an Straßen und Schienen (Drucksachen 13/ 1042, 13/5390) 14156 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Gila Altmann (Aurich), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vorlage eines Gesetzes zum Schutz vor Verkehrslärm an Straßen und Schienen (Drucksache 13/6958) . 14156 B Heinz-Günter Bargfrede CDU/CSU . . . 14156 C Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . 14158 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14160 C Heinz-Günter Bargfrede CDU/CSU . 14162 C Horst Friedrich F.D.P. 14163 B Dr. Winfried Wolf PDS 14165 B Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär BMV 14167 B, 14172 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14168 A Dr. R. Werner Schuster SPD . 14168 B, 14180 C Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14169 B, 14179 D Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . 14170 D Dr. Barbara Hendricks SPD 14171 D Jutta Müller (Völklingen) SPD 14172 B Dr. Wolf Bauer CDU/CSU 14174 B Elke Ferner SPD 14175 B Günter Oesinghaus SPD 14176 C Berthold Wittich SPD 14177 A Horst Friedrich F.D.P. 14177 C Michael Jung (Limburg) CDU/CSU . . 14178 D Tagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1996/1997 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1996/1997) (Drucksachen 13/5983, 13/6892, 13/6989) . . 14181 C b) Unterrichtung durch die Präsidentin des Deutschen Bundestages: Bericht der Präsidentin des Deutschen Bundestages über die Entwicklung der Bezüge der hauptberuflichen Amts- und Mandatsträger auf Bundes-, Landes- und Gemeindebene sowie bei öffentlichen Einrichtungen (Drucksache 13/ 6637) 14181 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Peter Conradi, Norbert Gansel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (Drucksache 13/6452) 14181 D Otto Regenspurger 14182 A Peter Conradi SPD 14183 D Dieter Wiefelspütz SPD . . . . 14184 B, 14191 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14185 A Dr. Max Stadler F D P. 14186 C Maritta Böttcher PDS 14187 C Peter Conradi SPD 14188 B Herbert Lattmann CDU/CSU 14189 B Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär 14190 B Peter Conradi SPD (Erklärung nach § 31 GO) 14192 A Tagesordnungspunkt 6: Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 39 zu Petitionen (Weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet für abgelehnte Asylbewerber) (Drucksache 13/1411) 14193 A Christel Hanewinckel SPD . . . 14193 B, 14196 C Norbert Röttgen CDU/CSU . . 14194 D, 14197 A Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14197 B Wolfgang Dehnel CDU/CSU 14197 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 14198 C Ulla Jelpke PDS 14199 A Tagesordnungspunkt 7: Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 88 zu Petitionen (Zahlung einer Entschädigungsrente nach dem Entschädigungsrentengesetz) (Drucksache 13/3149) . . . . 14199 D Helmut Heiderich CDU/CSU 14199 D Reinhold Hiller (Lübeck) SPD 14201 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14203 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 14203 D Petra Bläss PDS 14204 B Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungsbedürftige Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 80/68/EWG vom 17. Dezember 1979 über den Schutz von Grundwasser gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (Drucksachen 13/6902, 13/6971) 14204 D Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Roland Sauer (Stuttgart), Uta TitzeStecher und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Nichtraucher (Nichtraucherschutzgesetz) (Drucksache 13/6100) 14205 A b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Gerald Häfner, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Nichtraucher in der Öffentlichkeit (Nichtraucherschutzgesetz) (Drucksache 13/6166) 14205 B Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . 14205 C Dr. Barbara Höll PDS 14206 D Uta Titze-Stecher SPD 14208 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14211 B, 14213 B Wolf-Michael Catenhusen SPD 14212 D Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . 14213 D, 14216 C Dr. Wolfgang Wodarg SPD 14214 C Dr. Gregor Gysi PDS 14214 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 14215 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 14216 A Dr. Barbara Höll PDS 14217 A Petra Bläss PDS 14217 B Franz Peter Basten CDU/CSU 14218 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14219 A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 14220 A Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Gruppe der PDS: Kontinuierliche Berichterstattung über Einkommens- und Vermögensreichtum in der Bundesrepublik Deutschland (Reichtumsbericht) (Drucksache 13/ 6527) 14221 A Dr. Gregor Gysi PDS 14221 B Heinz-Georg Seiffert CDU/CSU . . . 14222 A Herbert Meißner SPD 14223 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14225 A Gisela Frick F.D.P 14226 A Tagesordnungspunkt 10: Große Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer, Winfried Nachtwei, Christian Sterzing und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neue Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland (I) (Drucksachen 13/4287, 13/5181) 14226 C Nächste Sitzung 14226 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14227* A Anlage 2 Transport von Postgütern mit Lkw, Befreiung des Bahnverkehrs von der Mineralölsteuer MdlAnfr 3 - Drs 13/6931 - Wolfgang Behrendt SPD SchrAntw PStSekr Dr. Paul Laufs BMPT . 14227* C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zum Zusatztagesordnungspunkt 8 (Beschlußempfehlung zu der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 80/68/EWG vom 17. Dezember 1979 über den Schutz von Grundwasser gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe) Susanne Kastner SPD 14227* D Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14229* A Günther Bredehorn F.D.P. 14229* D Eva Bulling-Schröter PDS 14230* B Ulrich Klinkert, Parl. Staatssekretär BMU 14230* D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Große Anfrage: Neue Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland - I -) Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14231* B Andreas Krautscheid CDU/CSU . . . 14232* B Peter Zumkley SPD 14233* A Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 14234* D Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 14235* C Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär BMVg 14236* B 157. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Anlage 4 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 20. 2. 97 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Blunck, Lilo SPD 20. 2. 97 Brandt-Elsweier, Anni SPD 20. 2. 97 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 20. 2. 97 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 20. 2. 97 90/DIE GRÜNEN Gysi, Andrea PDS 20. 2. 97 Hartmann, Hanns-Peter PDS 20. 2. 97 Hasenfratz, Klaus SPD 20. 2. 97 Kanther, Manfred CDU/CSU 20. 2. 97 Körper, Fritz-Rudolf SPD 20. 2. 97 Kolbe, Manfred CDU/CSU 20. 2. 97 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 20. 2. 97 Karl-Hans Leidinger, Robert SPD 20. 2. 97 Lüth, Heidemarie PDS 20. 2. 97 Dr. Mayer (Siegertsbrunn), CDU/CSU 20. 2. 97 Martin Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 20. 2. 97 Opel, Manfred SPD 20. 2. 97 Poppe, Gerd BÜNDNIS 20. 2. 97 90/DIE GRÜNEN Reschke, Otto SPD 20. 2. 97 Schoppe, Waltraud BÜNDNIS 20. 2. 97 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 20. 2. 97 Reinhard Seib, Marion CDU/CSU 20. 2. 97 Tauss, Jörg SPD 20. 2. 97 Vergin, Siegfried SPD 20. 2. 97 Voigt (Frankfurt), SPD 20. 2. 97 Karsten D. Vosen, Josef SPD 20. 2. 97 Wallow, Hans SPD 20. 2. 97 Willner, Gert CDU/CSU 20. 2. 97 Zwerenz, Gerhard PDS 20. 2. 97 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Paul Laufs auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Behrend (SPD) (Drucksache 13/6931 Frage 3): Wird die Bundesregierung auf die Deutsche Post AG einwirken, um zu verhindern, daß Postgüter zukünftig ausschließlich per Lkw und nicht mehr per Bahn transportiert werden, und wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, den Bahnverkehr ebenso wie die Luftfahrt und die Binnenschiffahrt durch eine Befreiung von der Mineralölsteuer zu begünstigen? Die Auswahl der geeigneten Transportwege für Postgüter unterliegt nach der Postreform des Jahres 1994 ausschließlich der unternehmerischen Entscheidungskompetenz der Deutschen Post AG. Nach Angaben der Deutschen Post AG werden derzeit werktäglich ca. 20 % der Frachtsendungen auf der Schiene transportiert, am Wochenende ca. 60 %. Es läßt sich derzeit nicht absehen, in welchem Umfang die wachsenden Ansprüche der Postkunden an Laufzeitqualitäten eine weitere Verlagerung auf die Straße bewirken werden. Für Brieftransporte macht die Deutsche Post AG geltend, daß die von der Post-Kundenschutzverordnung seit 1. Januar 1996 geforderte Laufzeitqualität mit dem bisherigen Angebot der Deutschen Bahn AG nicht erreicht werden kann, weil die zeitlichen Rahmenbedingungen des Brieftransports (Abgang gegen 21.15 Uhr, Eingang im Zielgebiet spätestens um 4.15 Uhr) von der Deutschen Bahn AG nicht erfüllt werden. Gleichwohl wird die Deutsche Post AG auf Wunsch der Bundesregierung in weiteren Gesprächen mit der Deutschen Bahn AG eine Fortführung der Zusammenarbeit prüfen. Zur Frage nach einer möglichen mineralölsteuerlichen Begünstigung des Bahnverkehrs ist zu sagen, daß die Bundesregierung nicht die Absicht hat, eine Mineralölsteuerbefreiung für den Bahnverkehr einzuführen. Sie tritt vielmehr dafür ein, die Begünstigung des Luftverkehrs abzuschaffen und wird dafür eine einheitliche Lösung für die Europäische Union im Zuge der bis zum 31. Dezember 1997 geplanten Überprüfung der Steuerbefreiung durch die einschlägigen EWG-Richtlinien anstreben. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zum Zusatztagesordnungspunkt 8 (Beschlußempfehlung zu der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 80/68/EWG vom 17. Dezember 1979 über den Schutz von Grundwasser gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe) Susanne Kastner (SPD): Die Bundesregierung will mit der jetzt im Eilverfahren durch den Bundestag gebrachten Grundwasserverordnung endlich die EG-Grundwasserrichtlinie vom 17. Dezember 1979 vollständig umsetzen. Wir könnten ihr dazu eigentlich nur gratulieren, wären die Umstände nicht so traurig. Man muß sich die Entwicklung dieser Verordnung noch einmal deutlich vor Augen halten, um die Ernsthaftigkeit, mit der diese Bundesregierung europäische Richtlinien zur Gesundheitsvorsorge und Urteile des Europäischen Gerichtshofes umsetzt, auch richtig würdigen zu können. Im Dezember 1979 wird die EG-Grundwasserrichtlinie verabschiedet, und damit ist die Bundesrepublik Deutschland laut EG-Vertrag verpflichtet, diese in deutsches Recht umzusetzen. Im Februar 1991, also 12 Jahre später, entscheidet der Europäische Gerichtshof, daß die Bundesrepublik Deutschland gegen diese Verpflichtung verstoßen hat, weil noch nicht alle erforderlichen Maßnahmen umgesetzt sind. Was folgt daraus für diese Bundesregierung? Nichts 1 Sechs Jahre lang ignoriert die Bundesregierung dieses Urteil und verweist darauf, daß die Ziele dieser EG-Richtlinie ja im Prinzip schon gängige Praxis sind. Ich bestreite gar nicht, daß die zur Abstimmung stehende Verordnung zur Umsetzung der EG- Grundwasserrichtlinie nur formale Bedeutung hat, aber was ist das für eine Auffassung von Recht, die Sie da seit Jahren praktizieren? Wissen Sie, wenn diese Rechtsauffassung der Bundesregierung zur gängigen Praxis in dieser Republik würde, dann wäre das Ende von Recht und Ordnung, auf die Sie doch sonst so gerne pochen, bald erreicht. Es ist dabei auch kein Trost, daß sich die allermeisten Bundesländer nicht viel besser verhalten als die Bundesregierung, wie die anderen Anklagen wegen der Nichtumsetzung der Vogelschutzrichtlinie und der Richtlinie zum Schutz der Oberflächengewässer zeigen; denn ein Vorbild ist die Bundesregierung ja nun wirklich nicht. Ich kann die Entscheidung der Europäischen Kommission, zum erstenmal in der Geschichte der EU wegen fortdauernder Nichtumsetzung eine Verurteilung zu Zwangsgeldern zu beantragen, gut verstehen. „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun" - treffender als Molière hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Für Sie, liebe Frau Merkel, ist dies eine schallende Ohrfeige und für die Europapolitik dieser Bundesregierung eine Blamage erster Klasse. Wenn es bei den nunmehr drohenden Zwangsgeldern in Höhe von rund 500 000 DM täglich nicht um Steuergelder ginge, sondern diese Strafe vom Verursacher selbst, also von den Mitgliedern der Bundesregierung und den zuständigen Beamten im Ministerium persönlich gezahlt werden müßte, hätten Sie sich ja ruhig noch mehr Zeit lassen können. So aber muß tatsächlich schnell gehandelt werden. Die SPD-Fraktion wird der vorliegenden Verordnung deshalb zustimmen. Da die Bundesregierung aber die EG-Grundwasserrichtlinie nach dem neuen § 6 a des Wasserhaushaltsgesetzes nur streng formal mit dieser zustimmungsbedürftigen Verordnung umsetzen will, enthält der Entwurf keine Regelung zum Schutz des Grundwassers vor Nitrat und vor Pestiziden. In der Richtlinie von 1979 werden in der Stoffliste II neben anderen Stoffen nur Biozide, Ammoniak und Nitrate aufgeführt, deren Ableitung ins Grundwasser verhütet werden soll. Die heute besonders oft auftretenden und nachteiligen Grundwasserbelastungen mit Pestiziden und Nitrat aus der landwirtschaftlichen Produktion sind aber im Prinzip mitgemeint. Um dies klarzustellen, hat die SPD in einem Änderungsantrag zur Grundwasserverordnung im Umweltausschuß gefordert, eine erläuternde Anmerkung im Anhang der Verordnung aufzunehmen, die feststellt, daß die in Liste II aufgeführten Biozide auch die Pestizide und die Stoffe Ammoniak und Nitrite sowie deren Umwandlungsprodukt Nitrat umfassen. Diese Klarstellung ist auch deshalb notwendig, da in der im Entwurf vorliegenden EG-RahmenWasserrichtlinie ein Einleitungsverbot für Biozide und Pflanzenschutzmittel und Nitrat geregelt werden soll. Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, liebe Frau Merkel, auf diese Klarstellung zu achten. Daß sie dies nicht getan haben, zeigt Ihr Engagement in der ganzen Angelegenheit. Um aber eine weitere Beratung im Bundeskabinett und damit eine weitere zeitliche Verzögerung zu vermeiden, wurde dies jetzt in einer Protokollnotiz der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses aufgenommen. Da die Verordnung aber auch noch im Bundesrat beraten und beschlossen werden muß, erwarte ich, daß das Bundeskabinett bis dahin auch unserem Änderungsantrag zugestimmt hat und diese Klarstellung dann beschlossen wird. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber auch einmal etwas Grundsätzliches zu den Gesetzgebungsverfahren in der Europäischen Union sagen. Dieses und viele andere Beispiele zeigen, daß die Gesetzgebung in der EU dringend aus den bürokratischen, undemokratischen und für die Öffentlichkeit undurchschaubaren Gremien, wie den hinter verschlossenen Türen tagenden Fachausschüssen und Ministerräten, herausgeholt werden müßte, um eine solche Mißachtung des Rechts der Gemeinschaft, wie es die Bundesregierung zum wiederholten Male vorführt, zu verhindern. Die Behandlung der BSE-Seuche oder die Zulassung von gentechnisch verändertem Mais und Soja zeigen, daß die Verbraucher- und Gesundheitsinteressen in der EU nicht den notwendigen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen genießen. Einigen fortschrittlichen EG-Richtlinien zum Umweltschutz stehen viele von der Wirtschaftslobby verhinderte, überfällige Regelungen auf dem Gebiet der Umwelt-, Agrar-, Energie-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik gegenüber. Nur wenn Umweltschutzanforderungen im Gewässerschutz, Artenschutz oder Klimaschutz auf hohem Niveau durchgesetzt und in die Fachpolitikbereiche integriert werden - wie es der Vertrag von Maastricht vorsieht - können die großspurigen Beschlüsse über die nachhaltige umweltverträgliche Entwicklung in Deutschland, in Europa und weltweit verwirklicht werden. Die SPD-Fraktion hat mit ihrem Antrag im Umwelt- und Europaausschuß die Bundesregierung auf- gefordert, unverzüglich die Umsetzung des europäischen Umweltrechts zu gewährleisten. Außerdem soll die Öffentlichkeit über das bestehende europäische Umweltrecht besser informiert werden. Dies wurde von allen Fraktionen im Bundestag unterstützt. Sie, liebe Frau Merkel, und die Bundesregierung insgesamt sollten sich deshalb dringend daranmachen, dies jetzt auch endlich zu tun. Weitere Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof und weitere Androhungen von Zwangsgeldern wegen Mißachtung können wir uns nicht leisten, es sei denn, die Bundesregierung würde diese dann tatsächlich einmal aus der eigenen Tasche bezahlen. Dr. Jürgen Rochlitz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ob wir dem Herrn Bundeskanzler zuhören oder der Frau Umweltministerin, stets erzählen Bundesregierung und Koalitionsredner die Mär vom deutschen Spitzenreiter, insbesonders in der europäischen Umweltpolitik. In Wirklichkeit jedoch ist die Bundesrepublik schon lange nicht mehr Motor, sondern Bremser. Wir jedenfalls haben an der Rolle des deutschen Musterknaben seit geraumer Zeit erhebliche Zweifel: 123 europäische Richtlinien, so teilte das Wirtschaftsministerium Mitte Januar mit, seien bisher nicht rechtzeitig umgesetzt worden, davon 15 aus dem Zuständigkeitsbereich des Umweltministeriums. Die Bundesregierung selbst sprach Mitte November noch von insgesamt 161 Fällen. Eine Diskrepanz, die die Frau Ministerin übrigens dem Parlament einmal erklären sollte. Auch wenn heute abend mit der Grundwasserrichtlinie eine weitere europäische Direktive umgesetzt sein sollte, das Dilemma mit den europäischen Richtlinien bleibt bestehen: Zu den nicht rechtzeitig umgesetzten Richtlinien gesellen sich nämlich noch die Vertragsverletzungsverfahren aufgrund mangelhafter Umsetzung. Ich nenne hier nur das deutsche Umweltinformationsgesetz. Die Beanstandungen der Europäischen Kommission sind vollkommen begründet. Um dem abzuhelfen, hat fast auf den Tag genau vor einem Jahr unsere Fraktion eine Gesetzesänderung zum UIG eingereicht, an deren Beratung die Koalition jedoch trotz gerichtlichen Drucks kein Interesse hat. Nach Auskunft der Bundesregierung liegt der Grund für die nicht rechtzeitige Umsetzung der Richtlinien in der langwierigen Abstimmung mit den Ländern und dem Bundesrat. Doch der wahre Grund ist, daß Sie von der Bundesregierung sich elementarsten ökologischen Zwängen verweigern, daß Sie eine Umweltpolitik der Konfrontation mit Opposition und Ländern durchziehen, statt eine mögliche Abstimmung auf hohem Niveau zu suchen. Ob Öko-AuditGesetz, Beschleunigungsgesetze oder Wasserhaushaltsgesetz, immer häufiger landen Sie mit Ihrem Konfrontationskurs im Vermittlungsausschuß. Auch bei der heute vorliegenden Verordnung zur Grundwasserrichtlinie waren Abstimmung und Mitarbeit nicht gefragt. Obwohl technisch und wissenschaftlich längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit, war es nicht mehr möglich, rudimentäre Verbesserungen wie beispielsweise den Schutz vor hormonell und cytotoxisch wirkenden Chemikalien im Grundwasser vorzunehmen. In einer Nacht- und Nebelaktion muß statt einer planvollen parlamentarischen Beratung die Verordnung schnell durch alle Gremien gepeitscht werden. Gestern Umweltausschuß, heute Plenum - diese Hetze hatten wir schon bei der verspäteten Umsetzung der europäischen Öko-AuditRichtlinie. Und angesichts der Tatsache, daß zur Zeit aus der Zuständigkeit der Umweltministerin neben den 15 verspäteten noch zig andere europäische Richtlinien auf rechtzeitige Umsetzung harren, läßt diese Verweigerungshaltung Schlimmes ahnen. Vielleicht sollten wir uns angesichts des künftigen Arbeitsanfalls gleich um Bonn als neuen Sitz des Europäischen Gerichtshofs bemühen. Immerhin halten wir bereits heute den traurigen Europarekord von 21 Vertragsverletzungsverfahren. Der große Europäer Helmut Kohl entpuppt sich so im Detail als Hinterbänkler der europäischen Umweltpolitik. In einer beispiellosen Mischung aus Perfektion im Unwichtigen und Schlamperei im Wichtigen hat seine Ministerialbürokratie in ganz Europa inzwischen negative Umweltschlagzeilen gemacht. Aber wer die Umweltpolitik in seinem eigenen Land nicht pflegt, kann bekanntlich auf Dauer auch in Brüssel nicht glänzen. Dabei warten gerade die kleineren, aber progressiveren Mitgliedstaaten darauf, daß die Bundesrepublik endlich wieder Lokomotivfunktion in der europäischen Umweltpolitik übernimmt. Bei der Umsetzung der Grundwasserrichtlinie wählte die Koalition aus Furcht, für ihr Versäumnis mit einem Tages-Zwangsgeld in Höhe von knapp 530 000 DM belangt zu werden, ein Express-Verfahren, bei dem eine Einwirkung auf die Listen der gefährlichen Stoffe nicht mehr möglich war. Zu solcher Flickschusterei können wir uns nur enthalten. Günther Bredehom (F.D.P.): Die von der SPD beantragte heutige Debatte ist eigentlich überflüssig, denn inhaltlich ist der Verordnungsentwurf der Bundesregierung zum Schutz des Grundwassers relativ unstrittig. Dies hat die gestrige Sitzung des Umweltausschusses gezeigt, in der der Verordnung bei nur zwei Stimmenthaltungen mit den Stimmen der SPD einstimmig zugestimmt wurde. Mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes zu Ende des vergangenen Jahres hat die Bundesregierung die Rechtsgrundlage für eine Umsetzung der EG-Richtlinie zum Grundwasserschutz in nationales Recht geschaffen. Der Bundesrepublik drohen auf Grund der bisherigen Nichtumsetzung der EG-Richtlinie vom Europäischen Gerichtshof Zwangsgelder in erheblichem Umfang. Deshalb muß die Grundwasserschutzverordnung schnellstmöglich verabschiedet und umgesetzt werden. Dabei bedaure ich sehr, daß wir die Thematik unter einem so großen Zeitdruck erörtern müssen. Es wäre doch erfreulich gewesen, wenn dies ohne den Druck der Strafgeldan- drohung geschehen wäre. Ich fordere die Bundesregierung - aber auch uns als Parlament - auf, hier zukünftig etwas zielstrebiger und effektiver europäische Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. In diesem Zusammenhang weise ich ausdrücklich darauf hin, daß die Umsetzung der Richtlinie den Grundwasserschutz der Bundesrepublik Deutschland nicht grundsätzlich ändern wird. Die Umsetzung ist ein rein formaler Akt. Denn mit der Verordnung sollen die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes zum Grundwasserschutz und die Vorschriften des Abfallrechtes hinsichtlich bestimmter gefährlicher Stoffe im Sinne der Richtlinie 80/68/EWG rechtsförmlich präzisiert und konkretisiert werden. Ich begrüße es sehr, daß wir uns im Umweltausschuß mit der SPD schnell einigen konnten. Dadurch wird es möglich, den mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes im letzten Spätherbst gesteckten Zeitplan einzuhalten. Das Risiko der Strafzahlungen haben wir somit gemindert. Nun sind der Bundesrat und insbesondere die SPD-geführten Länder gefordert, die Verordnung auch weiterhin schnellstens auf den Weg zu bringen. Abschließend weise ich darauf hin, daß noch zwei weitere Strafverfahren durch den Europäischen Gerichtshof auf Grund der Nichtumsetzung in einigen Bundesländern drohen. Zum einen wurde bislang die Richtlinie für die Trinkwassergewinnung (75/440) trotz EuGH-Urteil aus dem Jahr 1991 auf Grund des Widerstandes des Saarlandes und Niedersachsens noch nicht in allen Bundesländern umgesetzt. Auch die EU-Bestimmung zum Schutz wildlebender Vogelarten wurde noch nicht in das Landesjagdrecht des Saarlandes übernommen. Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht. Nun sind die Länder gefordert, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Eva Bulling-Schröter (PDS): Der vorliegende Gesetzentwurf setzt EU-Recht in nationales Recht um. Wir haben ja eben schon mehrfach gehört, daß in der Bundesrepublik dieses Recht schon lange in materielles Recht umgesetzt wurde und es nur um einen formalen Rechtsakt geht. Dennoch ist es irgendwie seltsam, daß erst eine halbe Million DM pro Tag Strafgelder angedroht werden müssen, damit sich die Bundesregierung nach 18 Jahren endlich bewegt. Wenn es wirklich nur um Formalien geht, ist dies um so unverständlicher. Die EU-Grundwasserrichtlinie ist nur eine von 123 EU-Richtlinien, die bis zum 1. März letzten Jahres oder früher hätten umgesetzt werden müssen, in Deutschland aber noch auf eine rechtliche Umsetzung warten. Im Verantwortungsbereich des BMU sind dies 15 Richtlinien. Nur sieben davon existieren schon als Verwaltungsvorschriften, müssen also - wie bei der vorliegenden Grundwasserrichtlinie - lediglich formal in eine Rechtsnorm umgesetzt werden. Die anderen acht Richtlinien liegen jedoch teilweise seit mehreren Jahren auf Eis, weil im Gezerre zwischen EU, Bund und Ländern keine Einigungen in Sicht sind oder weil der Bundesregierung der politische Wille fehlt, ihren Pflichten nachzukommen. So beispielsweise bei der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, die nun irgendwann mit der Novelle zum Naturschutzgesetz umgesetzt werden soll, welches wiederum ebenfalls ein Jahrzehnt auf seine dringende Novellierung warten mußte. Hier geht es um materielle Umsetzungen, die scheinbar unbequem sind und deshalb immer wieder auf die lange Bank geschoben werden. Zurück zur Grundwasserrichtlinie. Der Antrag der SPD und die Hinweise von Professor Jürgen Rochlitz zeigen, daß die EU-Richtlinie mittlerweile 17 Jahre auf dem Buckel hat. Begriffe werden heute anders verwendet, neue Stoffgruppen als gefährliche Stoffe eingeordnet. Kurzum, die EU-Richtlinie ist selber novellierungsbedürftig, und die EU-Behörden haben ja auch schon seit 10 Jahren den Auftrag, einen Novellierungsvorschlag zu erarbeiten. Wir sind der Auffassung, daß es die Bundesrepublik mit der vorliegenden Verordnung in gewisser Weise verpaßt hat, ein Zeichen zu setzen, um ihre abgetretene Vorreiterrolle in Sachen Gewässer- und Grundwasserschutz in der EU wiederzuerlangen. Sie hätte durchaus die von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN geforderten Formulierungsänderungen direkt in die Verordnung hineinschreiben können - auch wenn das deutsche materielle Recht diese Regelungen schon enthält. Sie hätte neben den Fremdstofföstrogenen beispielsweise auch die Agrochemikalien aufnehmen können. Dies wäre ein Beitrag gewesen, die notwendige Novellierung des Grundwasserschutzrechtes auf EU- Ebene voranzutreiben. Ulrich Klinkert Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir beschließen heute über eine zeitlich äußerst dringliche Vorlage. Zeitdruck ist sicher nichts Ungewöhnliches in diesem Hohen Hause, hier ist er aber von besonderer, bisher unbekannter Art: die Zwangsgeldandrohung wegen Nichtbefolgung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs. Die vorliegende Grundwasserverordnung setzt eine Richtlinie der EU vom Dezember 1979 um. Warum, so drängt sich die Frage auf, so spät? Die Richtlinie ist zunächst durch Verwaltungsvorschriften der Länder umgesetzt worden, und zwar inhaltlich ohne Beanstandungen durch die Kommission. Nach kontroversen Diskussionen über die richtige Rechtsform der Umsetzung hat der EuGH am 28. Februar 1991 entschieden, daß wesentliche Teile der Richtlinie durch eine Rechtsnorm in deutsches Recht transformiert werden müssen. Insofern bringt die Verordnung in der Sache nichts Neues. Zunächst mußte aber im Wasserhaushaltsgesetz die gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen zur Umsetzung von EG-Recht geschaffen werden. Das Gesetzgebungsverfahren konnte erst mit Inkrafttreten der 6. Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz am 19. November 1996 abgeschlossen werden. Ich kann an dieser Stelle auf Einzelheiten nicht eingehen, möchte aber doch deutlich machen, daß das federführende Umweltministerium alle Beteiligten von Anfang an auf den durch das EuGH-Urteil entstandenen Zeitdruck hingewiesen und auf eine schnellere Verabschiedung der Novelle - notfalls sogar unter Beschränkung auf die politisch unstreitigen europapolitischen Teile - gedrängt hat. Um so mehr freue ich mich, daß wir nach der endlich zustande gekommenen Einigung über die WHG- Novelle sehr rasch die Grundwasserverordnung verabschieden können. Nicht nur die Bundesregierung hat rasch gehandelt, sondern auch der nach § 59 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zu beteiligende Bundestag. Für die zügige Beratung und breite Zustimmung möchte ich allen danken. Besonders hervorheben möchte ich das Verständnis der SPD-Fraktion, die, um das Verfahren nicht zu verzögern, einen Antrag zur Änderung der Verordnung zurückgezogen und sich damit einverstanden erklärt hat, ihrem Anliegen durch eine Protokollnotiz im Bericht des Umweltausschusses Rechnung zu tragen. Der Weg ist damit frei für den letzten Schritt, die Zustimmung des Bundesrates. Wenn diese, wie ich hoffe, am 14. März 1997 erteilt wird, können wir mit der Verkündung der Verordnung noch im März Vollzug des EuGH-Urteils melden und damit vermutlich sogar noch die Erhebung der Klage abwenden. Finanzieller Schaden entsteht nicht, der europapolitische Schaden wird in Grenzen gehalten. Künftig muß es uns - die Rechtsgrundlagen hierfür sind jetzt vorhanden - möglich sein, ohne Verzug EU-Recht umzusetzen. Bleibt mir als letztes die wiederholte Bitte an die Bundesländer, die in ihre Zuständigkeit fallenden Umsetzungsaufgaben ebenso rasch voranzutreiben wie der Bund. Nur wenn es uns insgesamt in Deutschland gelingt, die Verhängung von Zwangsgeldern zu verhindern, können wir uns weiterhin international mit Anspruch auf Glaubwürdigkeit dafür einsetzen, unsere Umwelt nachhaltig zu schützen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Tagesordnungspunkt 10 (Große Anfrage: Neue Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland - I -) Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ich mir die Entwicklung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik in den letzten Jahren so ansehe, die im Parlament auf ein Minimum reduziert wurde, dann beunruhigt mich vor allem eines: Es gibt kaum mehr Stimmen, die sich der bedrohlichen Entwicklung entgegenstemmen. Die Sozialdemokratie hat inzwischen die Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik unter Kohl und Rühe akzeptiert nach dem Motto: Wenn die Instrumente denn schon da sind, dann können sie auch genutzt werden. Nach dem Sinn dieser Instrumente, nach dem interessenpolitischen Hintergrund fragt kaum jemand mehr. Deshalb ist es wichtig, auf den Hintergrund dieser Neuorientierung einzugehen. Denn es geht ganz einfach um Machtpolitik. Die neue deutsche Außenpolitik soll militärisch fundiert werden, damit die Bundesregierung in den allianzinternen Konflikten ihre Position stärkt. Sie ist für eine Einbeziehung der militärischen Strukturen WEU in die Europäische Union, weil sie hofft, auch darüber ihren Einfluß auszubauen. Und es werden gerade Interventionskräfte aufgebaut, weil die Militäreinsätze der Industriestaaten in Zukunft interventionistischer Natur sein werden. Diese Politik soll der Durchsetzung der seit 1989 neu definierten sogenannten nationalen Interessen dienen. Der Bundesverteidigungsminister hat es - und hier muß ich ihm ein Kompliment machen - geschickt verstanden, die Neuorientierung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik und insbesondere die Rolle der Bundeswehr darin zu verkaufen. Schritt für Schritt hat er den militärischen Handlungsspielraum der Bundesrepublik erweitert und dabei nach allen Regeln der PR seine Politik in der Öffentlichkeit verharmlost. In der öffentlichen Debatte wehrt sich der Verteidigungsminister gegen Vorwürfe, die wir ihm gar nicht gemacht haben. Wenn wir den Aufbau der Krisenreaktionskräfte kritisieren, dann behaupten wir nicht, daß Alleingänge" der Bundesrepublik zu erwarten sind. Das wäre eine verharmlosende Darstellung der Entwicklung. Im Gegenteil, gerade die multilaterale Strategie des Verteidigungsministers führte zur Erweiterung des militärischen Handlungsspielraums der deutschen Außenpolitik. Die Strategie ist eine der flexiblen Einsatzmöglichkeiten, und zwar nicht nur im operativen Sinn, sondern gerade auch im multilateralen Rahmen, mal in der NATO, mal in der WEU, mal bilateral und nicht immer im UNO-Auftrag. Das Bundesverfassungsgericht hat zu letzterem im wahrsten Sinne des Wortes Schützenhilfe geleistet, indem es die Ergebnisse einer jahrelangen völkerrechtlichen Diskussion und die internationale Realität beiseite wischt und die NATO zu einem System kollektiver Sicherheit erklärt. Die Regierung hat in der Konsequenz erklärt, daß ein Einsatz der Bundeswehr durch ein Militärbündnis nicht unbedingt einer vorherigen Zustimmung der UNO bedarf. Daraus muß ich folgern, daß ein Beschluß der NATO für einen Einsatz genügen kann. Die Prioritäten bei der Umsetzung sind innenpolitisch klar gesetzt und lassen sich zum Beispiel an den Haushaltsdebatten zeigen. Der Militärhaushalt wird, verglichen mit anderen, verschont. Das kann man daran sehen, daß genug Geld für den Aufbau neuer Kapazitäten vorhanden ist. In Calw wird - was der Verteidigungsminister nicht in der Öffentlichkeit breittritt -, die zukünftige Elitetruppe der Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte aufgebaut. Von der smarten Kämpfertruppe dringen nur die freundlichen Aufgaben nach außen, wie „Retten und Befreien" von Geiseln. Die problematischen Aspekte mußten wir dem Verteidigungsminister durch mehrfaches Nachfragen erst aus der Nase ziehen. Denn die Brisanz beim KSK liegt auf drei Ebenen: zum einen in der Aufgabenstellung, zweitens bei den rechts- und innenpolitischen Folgen und drittens im außenpolitischen Aspekt: Die deutschen Sicherheitspolitiker wollen international auch an der kämpfenden Spitze dabeisein. Bereits auf Grund der jetzt vorliegenden Informationen muß befürchtet werden, daß das Parlament im Regelfall erst nachträglich informiert wird. Die Elitetruppe bildet die Avantgarde einer DreiKlassen-Armee: An erster Stelle die Soldaten des KSK, dann die Krisenreaktionskräfte und unter ferner liefen die Hauptverteidigungskräfte (HVK). Dies drückt sich auch ganz konkret in den Finanzen aus. Das KSK bekommt, was es braucht, die Kosten sind weit höher, als in der Antwort auf unserer Kleine Anfrage angegeben, die Krisenreaktionskräfte haben bei Materialbedarf und Ausbildung die Priorität, und die Hauptverteidigungskräfte sind im nächsten Jahrhundert dran. Die smarten Kämpfer sind die ausgereifteste Form des Soldaten neuen Typs, der von Herrn Willmann propagiert wird, und sie stehen als Symbol für die militärische Fundierung der neuen deutschen Außenpolitik. Dieser neuen deutschen Außenpolitik setzen wir unsere Politik der Abrüstung und der Zivilisierung entgegen. Was Europa heute benötigt, ist eine Politik der zivilen, sozial gerechten und ökologischen Integration. Andreas Krautscheid (CDU/CSU): Wir haben uns hier zu später Stunde zu versammeln, um über eine der Lieblingsneurosen grüner Sicherheitspolitik zu debattieren, nämlich über die vielbeschworene angebliche „Militarisierung der deutschen Außenpolitik". Denn nichts anderes steht hinter vielen der Fragen und Unterstellungen, auf die die Bundesregierung zu antworten hatte. Eine erste Durchsicht der Grünen-Anfrage hat mich zunächst veranlaßt, auf das Datum der Erstellung dieses Papiers zu schauen. Die gestellten Fragen und die damit über weite Strecken verbundenen Beschreibungen grüner Sicherheitspolitik lassen nämlich vermuten, daß das Papier nicht im März 1996, sondern zehn Jahre früher entstanden sein muß. Jedenfalls scheint die Uhr in der Grünen-Fraktion - zumindest was die sicherheitspolitische Diskussion angeht - irgendwann in der Zeit des Kalten Krieges stehengeblieben und eingerostet zu sein. Lassen Sie mich dies an einigen Punkten erklären: Erstens. Zu der absurden Unterstellung einer „Militarisierung der Außenpolitik" kommen die Grünen auch in diesem Fragenkatalog dadurch, daß sie die Beantwortung jedweder sicherheitspolitischen Fragestellung automatisch mit einem vermeintlichen Bundeswehreinsatz in Verbindung bringen. Dies ist zum einen sicherlich Ausfluß eines tiefsitzenden Mißtrauens gegenüber der Institution Bundeswehr, aber zum anderen auch ein Mißtrauen gegenüber dem grundgesetzlich verankerten Primat der Politik. Die Bundeswehr ist unzweifelhaft ein Instrument deutscher Sicherheitspolitik, aber beileibe nicht das einzige. Unser vordringliches Ziel ist und bleibt das Betreiben einer präventiven Sicherheitspolitik, die als Querschnittsaufgabe vieler Politikbereiche zu verstehen ist. Kontinuierliche sicherheitspolitische Wirkungen ergeben sich durch eine verläßliche Diplomatie, die Stabilität fördert, Spannungen abbaut und Vertrauen schafft, durch eine Entwicklungspolitik, die Armut bekämpft, Migrationsursachen vorbeugt und gleiche Entwicklungschancen ermöglicht, durch eine Menschenrechtspolitik, die demokratische Strukturen entwickelt, Meinungsfreiheit fördert und Minderheitenrechte durchsetzt, durch eine Außenwirtschaftspolitik, die allen Ländern die faire Chance der eigenen Entwicklung gibt, durch die Vereinbarung von vertrauensbildenden Maßnahmen, die Bedrohungsängste abbauen und Rüstungswettläufe verhindern, und durch die Erarbeitung internationaler Konventionen, die weitere Abrüstungsschritte ermöglichen und Proliferation bekämpfen. Auf all diesen Gebieten kann auch die Bundeswehr eine wichtige Rolle spielen. Wer nicht erkennt, daß unsere Streitkräfte durch die Überwachung eines Waffenembargos, durch die Sicherung humanitärer Hilfe oder durch ihre schiere Präsenz helfen können, Konflikte zu schlichten und Frieden zu sichern, der hat die Realitäten moderner Sicherheitspolitik nicht verstanden. Wer die Bundeswehr stets nur in den Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen stellt, der redet nicht über moderne Sicherheitspolitik, sondern operiert mit einem veralterten Verständnis von Militärpolitik. Zweitens. Auch bei den Fragen zur internationalen Sicherheitskooperation tritt wieder derselbe intellektuelle Kurzschluß auf. So werden NATO und WEU pauschal als „Militärbündnisse" einsortiert, was den sicherheitspolitischen Charakter dieser Organisationen völlig verzerrt. Die NATO - und dies haben ihre Kritiker nie verstanden - ist kein militärisches Zwangsbündnis, sondern der freiwillige Zusammenschluß von Staaten mit einer gemeinsamen Werteorientierung. Diese politische Funktion zeigt sich bei Einsätzen wie in Bosnien, wo die beteiligten Nationen in Übereinstimmung mit dem NATO-Vertrag gleichzeitig auch ihre eigenen Verpflichtungen als Mitglieder der Vereinten Nationen erfüllen. Daß die Vereinten Nationen gerade die NATO um Unterstützung in Bosnien gebeten haben, ist Beweis für deren Ansehen und Leistungsfähigkeit im Einsatz für Demokratie und Frieden. Auch wenn dabei manches geliebte Vorurteil zerbricht: Die NATO ist derzeit das einzig funktionierende Sicherheitsbündnis. Sie ist zudem die einzige Organisation, die hinreichend flexibel und offen ist, um mit Streitkräften anderer Staaten freundschaftlich zu kooperieren, sei es in Einsätzen wie in Bosnien oder in Programmen wie Partnership-for-peace. Drittens. Besonders unverantwortlich erscheint mir der Fragenkomplex der Bündnisgrünen hinsichtlich der neuen sicherheitspolitischen Risiken. Da ist im vorliegenden Text der Grünen die Rede davon, Regierung und Bundeswehrführung entdeckten „weltweit neue Risiken, deren Reiz sich aus ihrer Unbestimmtheit ergebe". Diese Formulierungen strotzen vor Zynismus und Unverantwortlichkeit. Denn der Vorwurf lautet in seinem Kern: Bundesregierung und Bundeswehr „erfinden" Risiken, um die Existenz der Bundeswehr zu legitimieren. Nachrichten von Massenmorden, ethnischen Säuberungen, Flüchtlingsströmen oder von vagabundierenden Massenvernichtungswaffen müßten aber mittlerweile selbst dem wirklichkeitsresistenten Ostermaschierer zu denken geben. Wer hier vom „Reiz der Risiken" redet, der zeigt, daß er zur Übernahme außenpolitischer Verantwortung nicht fähig ist. Die Fragen und Formulierungen der Großen Anfrage zeigen, daß der pazifistische Teil der Grünen noch immer mit dem Verlust des Feinbildes „Bundeswehr" ringt. Die Antworten der Bundesregierung belegen aber, daß unser Land in den letzten Jahren über die traditionellen Elemente der Sicherheits- und Verteidigungspolitik hinaus ein breit gefächertes Instrumentarium entwickelt hat, um auf die neuen Herausforderungen zu reagieren. Peter Zumkley (SPD): Sicherheit zu bewahren ist nicht mehr in erster Linie Sache der Streitkräfte. Insofern besteht, glaube ich, Konsens über die Bedeutung eines übergeordneten Sicherheitsbegriffs. Vorbeugende Sicherheit kann u. a. durch Wirtschaftshilfe, Bekämpfung von Hunger und sozialem Elend, durch Vermeidung von Umweltzerstörung und durch Bekämpfung von organisierter Kriminalität verbessert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn betroffene Staaten bereits selbst Anstrengungen in dieser Hinsicht unternehmen. Mehr denn je sind wir auf eine präventive Sicherheitspolitik angewiesen. Dies gilt besonders angesichts der heute stattfindenden kriegerischen und mörderischen Auseinandersetzungen mit Tausenden von Toten, Verfolgungen und Zerstörungen von lebenswichtigen Infrastrukturen. Man liest die Antwort der Bundesregierung bezüglich der Notwendigkeit von präventiver Krisen- und Konfliktverhütungen gerne. Aber was wird denn dafür getan? Die Bundesregierung muß sich intensiver als bisher mit der zivilen Krisenprävention und Konfliktregelung auseinandersetzen. Wir werden, weil von der Bundesregierung wenig hierzu kommt, konkrete Anträge stellen, die geeignet sind, Ihre richtigen Überschriften mit Inhalten zu versehen. Haben wir genügend Instrumente, die uns bei der Früherkennung von aufkeimenden Konflikten und Krisen zur Verfügung stehen und dadurch vorbeugende Maßnahmen ermöglichen? Hier haben wir zusammen mit unseren Bündnispartnern ein großes Defizit! Zur Behebung dieses Mangels müssen Mittel bereitgestellt werden und internationale wirksame Vereinbarungen, z. B. im Rahmen der UNO und der OSZE, getroffen werden! Teil der Sicherheitsvorsorge des umfassenden Ansatzes für den Erhalt von Sicherheit sind Streitkräfte, also auch unsere Bundeswehr. Zur Begründung der Bundeswehr brauchen wir keine konkrete Bedrohung oder gar ein Feindbild. Die Grundvorsorge für Landes- und Bündnisverteidigung ist abhängig von der sicherheitspolitischen Lage, höher oder niedriger. Zur Zeit kann sie erfreulicherweise wesentlich niedriger sein als noch vor 10 Jahren. Streitkräfte können im Hinblick auf Stärke und Ausrüstung aber nicht beliebig in kurzer Zeit nach unten oder oben organisiert werden. Deshalb brauchen wir eine über die Zeitachse angemessene Planung und Realisation. In der Vergangenheit waren deutsche Streitkräfte auf den Einsatz zur Verteidigung insbesondere des eigenen Landes, aber auch des Bündnisgebietes optimiert. Künftig können Konfliktverhütung und Krisenbewältigung in einem erweiterten geographischen Umfeld unter einem völkerrechtlich legitimierten Mandat auch Teil unserer Sicherheitsvorsorge, aber auch Solidarität mit anderen geschundenen Völkern, insbesondere bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen oder gar Völkermord, sein. Eine derartige Sicherheitsvorsorge muß als erweiterte Schutzfunktion verstanden werden. Der Einsatz militärischer Mittel als „Ultima ratio" ist nur im Verteidigungsfall sowie vorübergehend mit einem klaren UN-Mandat zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Frieden zu vertreten. Und dies nach strenger Einzelfallprüfung des vorgesehenen Einsatzes, die eine konstitutive Zustimmung des Parlamentes zusätzlich zwingend erforderlich macht. Für den „Ultima-ratio"-Einsatz, aber auch aus Gründen einer von anderen Staaten beachteten und anerkannten vorsorglichen Verteidigungsfähigkeit im Bündnis brauchen wir unsere Bundeswehr. Sie dient nach wie vor der Kriegsverhütung! Sie muß die Mittel zur Verfügung bekommen, die sie für ihre Aufgaben benötigt. Und auch hier setzt unsere Kritik an. Wir plädieren für eine leistungsfähigere Bundeswehr. Für Investitionen, Ausrüstung und Betrieb stehen nicht genügend Mittel zur Verfügung. Wir brauchen eine neue, solide Streitkräfte- und Finanzplanung. Auftrag und Mittel stimmen derzeit nicht überein - zu Lasten der Soldaten der Bundeswehr, die häufig improvisieren müssen, beispielsweise vor fehlender Ersatzteilversorgung stehen und dadurch teilweise keinen interessanten und anforderungsreichen Dienst gestalten können. Generalmajor a. D. Graf von Kielmannsegg - als Oppositionspolitiker nicht verdächtig - urteilt - ich zitiere -: „Es ist kein Geheimnis, daß es der Bundeswehr insgesamt nicht gut geht. Sie ist in den letzten Jahren aus Geldmangel, trotz bestem Willen der Soldaten und auch gegen ihn, weniger reformiert, wie es oft beschönigend heißt, sondern - vor allem mate- riell - schlicht heruntergewirtschaftet worden." Zitat Ende. Dieser Kritik brauche ich nichts hinzuzufügen. Wir brauchen eine wirkliche Reform der Bundeswehr, die für unsere Streitkräfte und unsere Sicherheitsvorsorge die Zukunftsfähigkeit sichert. Reformschritte müssen mittel- und langfristig geplant und umgesetzt werden, damit sie auch sozialverträglich für die betroffenen Menschen gestaltet werden können. Eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, wie in Maastricht vereinbart, muß auch zu weiteren militärischen Integrationsschritten in Europa führen. Ob es dabei zu gemeinsamen europäischen Streitkräften kommt, hängt von der Verwirklichung einer politischen Union ab, von der wir noch weit entfernt sind. Bis dahin sollten europäische Streitkräfte, bei Führung durch integrierte Stäbe, aus engverzahnten und nationalen „Bausteinen" zusammengesetzt sein. Die heute teilweise schon existierenden multinationalen Verbände, in denen die deutschen Streitkräfte besonders eingebunden sind, können hier Vorbild sein. Eine Unterstellung geschlossener nationaler Verbände unter integriertes Kommando ist sinnvoll. Auch politische Erwägungen sprechen dafür: Organisiert man eine nicht mehr entflechtbare Vermischung von unterschiedlichen nationalen Verbänden, könnten divergierende politische Entscheidungen einer der Partnerstaaten zur Handlungsunfähigkeit führen. Nur auf Basis austauschbarer Kontingente sind nationale, politische und parlamentarische Vorbehalte zu realisieren, läßt sich eine unkontrollierbare Einsatzautomatik vermeiden. Europäische Streitkräfte können aus Wehrpflichtigen und/oder Freiwilligen bestehen. Jeder Staat in der EU sollte seine eigene Wehrform festlegen. Wir sollten an der Wehrpflicht festhalten. Die Konzeption der NATO, bestimmte Aufgaben mit Hilfe von Combined Joint Task Forces wahrzunehmen, eröffnet die Möglichkeit einer weitergehenden Integration und Stärkung der nordatlantischen Streitkräfte. Diese Konzeption kann auch NichtNATO-Staaten einschließen und stellt damit eine zu begrüßende wesentliche Änderung der bisherigen NATO-Doktrin dar. Die Kooperation unserer Streitkräfte mit den neuen Partnerstaaten im Osten unserer Landesgrenze ebnet den Weg nach Europa. Die Programme zur militärischen Ausbildungshilfe und Zweijahrespläne mit konkreten Maßnahmen erleichtern nicht nur den Neuaufbau von Streitkräften in den neuen Demokratien und deren zivile Kontrolle, sondern sie bringen auch die Menschen einander näher und wecken das Verständnis für die Probleme der anderen Seite. Über eine Europäische Verteidigungsfähigkeit hinaus sind die Aufrechterhaltung und Pflege der transatlantischen Bindungen ein wichtiges Gebot für die Sicherheit Europas. Wir brauchen die militärische Unterstützung und Präsenz der Vereinigten Staaten von Amerika in Europa und bei uns in Deutschland. Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen den Staaten der NATO, der Russischen Föderation, aber auch der Ukraine ist in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam. Über all diese sicherheitspolitischen Zusammenhänge und Notwendigkeiten hinweg gehört es zu einer verantwortlichen „Vorsorgepolitik", weitere Abrüstungsschritte und Verringerung der Waffenarsenale in Europa in erheblichem Umfang zu vereinbaren. Eine derartige Politik zeichnet sich ab. Sie muß von der Bundesregierung auch im Zusammenhang mit der NATO-Erweiterung aktiv betrieben und unterstützt werden. Dies könnte dann wiederum für die Bundeswehr mittel- und langfristig zu Veränderungen von Struktur der Streitkräfte, der Bundeswehrverwaltung, des Personalumfanges der Soldaten und zivilen Mitarbeiter führen. Über mögliche Optionen im Rahmen internationaler Vereinbarungen muß bereits jetzt nachgedacht werden. Die Bundeswehrangehörigen müssen zur gegebenen Zeit in die Überlegungen einbezogen werden. Verunsicherungen in der Truppe lassen sich vermeiden, wenn dies beachtet wird. Eine offene sicherheitspolitische Diskussion mit der Erörterung von langfristigen Optionen, ohne sich dabei sofort festzulegen, dient der Sache mehr als zu vorsichtige Zurückhaltung oder Ausgabe von „Durchhalteparolen". Dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können wir in der Forderung nach Stärkung der vorbeugenden Maßnahmen zur Konfliktverhütung beipflichten. Diese Forderung ist aber nur ein Teil von verantwortlicher Sicherheits- und Friedenspolitik. Alle anderen Anträge in dieser Entschließung teilen wir nicht. Dazu gehören insbesondere die ungerechtfertigte Behauptung der Militarisierung der deutschen Außenpolitik und die Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht - und dies darüber hinaus als großen Abrüstungsschritt zu bezeichnen -, dazu gehört die Reaktionskräfte auch in begrenztem Umfang nicht aufzustellen und damit keine Möglichkeit zu haben, geschundenen Völkern nach entsprechendem UN-Mandat solidarisch zu helfen und den Frieden zu sichern. Darüber hinaus gäbe es keinen Anteil vollpräsenter Kräfte, die zur Landes- und Bündnisverteidigung sofort zur Verfügung stehen würden. Die in der Begründung des Antrages durchgehend formulierten Zweifel an dem Primat der Politik und das Mißtrauen gegenüber führenden Repräsentanten der Bundeswehr teilen wir ganz und gar nicht. Die Bundeswehr hat sich seit ihrer Gründung 1955 als demokratisch, zuverlässig und den Primat der Politik achtend erwiesen - und dies bei wechselnden Bundesregierungen und Parlamentsmehrheiten. Auch die weiteren inhaltlichen Begründungen des Antrages sind häufig weit von der Realität entfernt. Deshalb werden wir den Entschließungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen. Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Ja: Es gibt eine „neue Sicherheitspolitik der Bundesrepublik"! Aber nicht in dem Sinne, den die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrer Vorbemerkung und ihrer Fragestellung zu suggerieren versucht! Es ist doch schließlich selbstverständlich, daß sich die Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes den veränderten Rahmenbedingungen anpaßt und nicht statisch an einem Punkt verharrt. Dies ist normal, selbstverständlich und trifft übrigens auch auf alle anderen Politikbereiche zu. Sie zielen mit Ihrer Anfrage auf den Wandel ab, der den Umwälzungen von 1989/90 gefolgt ist. Sie fragen also heute nach Entwicklungen, die bereits Anfang der 90er Jahre in Gang gekommen sind. Die weitgehende Eindimensionalität in der Sicherheitspolitik, die bis zum Ende des Kalten Krieges geherrscht hat, ist seitdem vorbei. Sie war politisch eindeutig und leicht verständlich, sogar für Sie von den Grünen. Die Dimension der sicherheitspolitischen Aufgaben hat sich seit vielen Jahren erweitert bis hin zu wirtschafts- und umweltpolitischen Faktoren. Es ist bezeichnend, daß gerade Sie dies nicht begreifen. Ihre Große Anfrage ist geprägt von altem Denken! Sie unterstellen der deutschen Sicherheitspolitik, den Streitkräften und einer Organisation wie der NATO rein militärische Funktionen. In Wahrheit ist die NATO und ist auch die Bundeswehr heute noch politischer als sie es früher schon waren, die Sicherheitspolitik ist - wie gesagt - mehrdimensionaler, gerade was auch die gewandelten Anforderungen betrifft. Es ist ja auch schon merkwürdig, Frau Kollegin Beer, daß Sie sich bei Truppenbesuchen sehr wohl fühlen. Vor Ort bei den Soldaten äußern Sie sich positiv (wie gerade im „Spiegel" zu lesen war), in Ihren öffentlichen Äußerungen reden Sie dann aber ständig von einer vorgeblichen „Militarisierung der Außenpolitik". Sie lehnen alles ab und fordern regelmäßig die Abschaffung der Bundeswehr (z. B. in der PR-Erklärung zum 40jährigen Bestehen der Bw heißt es: „Erst dann, nach der Abschaffung der Bundeswehr, haben wir einen wirklichen Grund zum Feiern"). Ein weiterer wichtiger Punkt besteht darin, daß Sie von den Bündnisgrünen und andere interessierte Gruppen immer wieder versuchen, die strukturellen Grenzen zwischen Systemen kollektiver Verteidigung und Systemen kollektiver Sicherheit zu verwischen, wenn Sie immer wieder den Eindruck erwekken, militärische Missionen von UNO oder OSZE würden oder sollten in den Vordergrund rücken. Dies ist nicht so und wird von uns auch ausdrücklich abgelehnt. Insgesamt muß man abschließend festhalten, daß Sie einerseits die politischen Anforderungen der Zeit nach dem Kalten Krieg noch nicht bewältigt haben, andererseits aber offenkundig auch noch elementare sachliche Verständnisprobleme haben, wenn Sie beispielsweise fragen, ob die Bundeswehr auch politische (!) Führungsaufgaben übernehmen kann (Frage II.12), oder wenn Sie Systeme kollektiver Sicherheit oder kollektiver Verteidigung als „Militärbündnisse" bezeichnen (Frage 11.14). In der Antwort wird zu Recht darauf hingewiesen, daß es sich bei keiner der von Ihnen genannten Institutionen um ein Militärbündnis handelt; denn es gilt in allen der Primat der Politik. Das Fazit meiner Fraktion zu Ihrer Anfrage lautet: Auch in der Sicherheitspolitik sind Sie politikunfähig. Vielen Dank. Heinrich Graf von Einsiedel (PDS): Wie allgemein bekannt, deckt sich die Haltung der PDS zur neuen Sicherheitspolitik der Bundesrepublik weitgehend mit dem Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen und seiner Begründung. Ich brauche daher die Argumente für diesen Entschließungsantrag hier nicht zu wiederholen, ich möchte sie aber ergänzen. Wenn man Sicherheitspolitik mit militärischer Machtpolitik gleichsetzt, wie es die Bundesregierung leider in hohem Ausmaße tut, dann war die bisherige Sicherheitspolitik der Bundesrepublik und ihrer westlichen Verbündeten ohne Zweifel äußerst erfolgreich. Das über Jahrhunderte gewachsene russische Reich ist auf den Zustand seiner demütigendsten Niederlage in der Geschichte zurückgeworfen, auf den Frieden von Brest-Litowsk. Schon jetzt kann man das militärische Machtverhältnis zwischen Rußland und der NATO rein quantitativ gesehen - von Qualität will ich erst gar nicht reden - mit 1 zu 4 bis 1 zu 5 beziffern. Dennoch ist die NATO-Erweiterung bis an die Grenzen Rußlands das A und O der angeblich neuen Sicherheitspolitik. Kein Zweifel, Rußland wird diese NATO-Erweiterung zähneknirschend hinnehmen müssen. Aber erhöht das wirklich unsere Sicherheit? George F. Kennan, einer der herausragendsten Rußland-Kenner Amerikas, hat sich kürzlich dazu in der ZEIT geäußert, ich zitiere: Solch eine Entscheidung - so steht zu erwarten - wird die nationalistischen antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der öffentlichen Meinung Rußlands anheizen. Sie wird sich nachteilig auf die Entwicklung der russischen Demokratie auswirken. Und die russische Außenpolitik in eine Richtung zu treiben, die uns ganz und gar nicht gefallen dürfte. Nicht zuletzt wird die NATO-Erweiterung es erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen, die Ratifizierung des START-II-Abkommens durch die DUMA sicherzustellen und einen weiteren Abbau der Nuklearwaffen zu erreichen. Es ist besonders unglücklich, Rußland mit einer solchen Herausforderung just zu einem Zeit- punkt zu belasten, in dem sich seine Staatsmacht in einem höchst unsicheren, fast gelähmten Zustand befindet. Die Entscheidung ist doppelt unglücklich, weil für sie überhaupt keine Notwendigkeit besteht. All die dialektischen Pirouetten, die Minister Rühe dreht, um Rußland, uns und sogar den beitrittswilligen Ländern einzureden, die NATO-Erweiterung richte sich nicht gegen Rußland, diene nicht militärischer Machtausdehnung, sondern schlicht nur einem Werte- und Stabilitätsexport - wobei man sich allerdings fragen darf, ob sich hinter dem Begriff Werteexport nicht schlicht und einfach Rüstungsexport verbirgt -, werden diese verhängnisvollen Folgen, die sie in Rußland haben wird, nicht abmildern können. Ich weiß, die Würfel sind gefallen. Sie haben die Erweiterung beschlossen und können nicht mehr zurück, obwohl sich auch innerhalb des NATO-Establishment erhebliche Zweifel an der Weisheit dieses Entschlusses regen. Das Ob ist also wohl entschieden, es geht nur noch um das Wie. Ex-NATO-General Schmückle hat kürzlich im „Spiegel" daran erinnert, daß Jelzin ja noch knapp vor einem Jahr einen möglichen Kompromiß signalisiert hat. Rußland könne eventuell die politische Assoziation der beitrittswilligen Länder akzeptieren, aber nicht die praktische Ausdehnung militärischer Macht. Ich beschwöre Sie, betreten Sie wenigstens diese Eselsbrücke, um einen drohenden Rückfall in die Atmosphäre des Kalten Krieges zu vermeiden. Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verteidigung: Die Bundesregierung hat am 28. Juni 1996 die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. März letzten Jahres zur „Neuen Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland" schriftlich beantwortet. Die Grundlinie unserer Politik hat sich nicht verändert. Um es auf eine knappe Formel zu bringen: Kernziel deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik war, ist und bleibt es, zum Frieden in der Welt beizutragen. Frieden praktisch zu sichern bedeutet für die Bundesregierung, im umfassenden Sinne für Stabilität zu sorgen. Stabilitätspolitik entspricht deutscher Verantwortung und deutschen Interessen. Stabilität gewinnen wir heute nicht mehr durch die Balance rivalisierender Mächte und auch nicht mehr - wie in der Ära des kalten Krieges - durch das Gleichgewicht gegeneinander gewichteter militärischer Potentiale. Frieden und Stabilität entstehen, wo Menschenrechte gelten, wo gefestigte demokratische Strukturen existieren, wo es wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit gibt. Stabilität im äußeren wächst aus guter Nachbarschaft und Kooperation, aus der Integration von kleineren und größeren Ländern als gleichberechtigten Partnern. Ein solch umfassender Ansatz ist nur durch ein gemeinsames internationales Vorgehen zu leisten, das sich abstützt auf die Zusammenarbeit mit Freunden und Partnern, auf die aktive Mitwirkung in der Nordatlantischen Allianz, der Europäischen Union und der Westeuropäischen Union sowie in den Vereinten Nationen und den regionalen Organisationen. Die NATO ist und bleibt Rückgrat unserer Sicherheit und Fundament für europäische Handlungsfähigkeit. Unsere Nachbarn und Partner erwarten zu Recht, daß das vereinte Deutschland seine gewachsene Verantwortung wahrnimmt und an der Gestaltung einer friedlichen Zukunft für ganz Europa teilnimmt. Die Bundeswehr ist nur ein Instrument der deutschen Sicherheitspolitik von vielen. Der erweiterte Auftrag unserer Streitkräfte ist insgesamt differenzierter geworden. Er spiegelt die Anforderungen einer neuen Zeit wider. Europa ist freier und geeinter als je zuvor in seiner Geschichte. Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit sind die Grundprinzipien, nach denen sich ganz Europa heute ausrichtet. Aber es bleiben Risiken und Gefahren, die auch unsere Sicherheit betreffen. Landes- und Bündnisverteidigung bleiben Kernauftrag der Bundeswehr. Zugleich helfen sie mit, Frieden und Sicherheit im Rahmen internationaler Einsätze zu sichern. Unsere Streitkräfte tragen durch Integration im Nordatlantischen Bündnis und Kooperation mit neuen Partnern zu Sicherheit und Stabilität in Europa bei. Multinationalität hat große politische Wirkung. Multinationale Streitkräfte tragen zu Vertrauen und Zusammenwachsen der beteiligten Staaten bei. Multinationalität stärkt die europäische Handlungsfähigkeit der NATO und vertieft die transatlantische Partnerschaft. Die Bundeswehr nimmt maßgeblich an der Kooperation mit unseren Partnern im Osten Europas teil. Sie unterstützt den Aufbau der Streitkräfte in den jungen Demokratien Mittel- und Osteuropas. Für das Jahr 1996 wurden mit 17 Ländern bilaterale Jahresprogramme für die Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet vereinbart, die insgesamt 495 Maßnahmen umfaßten. Im Jahr 1997 sind fast 600 Maßnahmen vereinbart. Jedes einzelne Vorhaben ist ein Baustein für das vereinte, freie und friedliche Europa. Der gemeinsame Brückenschlag von deutschen und polnischen Pionieren über die Oder ist dafür eindrucksvolles Symbol. Engagement und Verantwortung Deutschlands für Frieden und Stabilität in Europa zeigen sich in der Beteiligung der Bundeswehr an der Absicherung der Friedensvereinbarung für das frühere Jugoslawien ganz konkret. Unsere Soldaten helfen mit, das Wiederaufflammen von Kampfhandlungen zu verhindern und ein sicheres Umfeld für die zivile Implementierung der Friedensvereinbarung zu schaffen. Der gemeinsame Einsatz von deutschen und französischen Soldaten im Rahmen von SFOR ist ein Beispiel für die friedensstiftende Integration der Streitkräfte in Europa und ein Vorbild für dauerhafte Versöhnung zwischen Feinden von früher. Haltung und Können unserer Soldaten finden international - vor allem auch vor Ort - Zustimmung und Anerkennung. Ihre Leistung hat dazu beigetragen, daß sich der Konsens in unserem Land über den erweiterten Auftrag der Bundeswehr erfreulich gefestigt hat. Der Bundeswehreinsatz in Bosnien und Herzegowina hat nichts mit deutscher Machtpolitik zu tun. Er zielt nicht auf sogenannte globale Interventionsfähigkeit. Das ist Unfug. Es geht um einen zerbrechlichen Frieden - es geht um ganz reale Verantwortung. Es geht um Sicherheit und Stabilität auf dem Balkan und für Europa.
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    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
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    Ja, bitte sehr.


Rede von Christa Nickels
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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Herr Schäuble, Sie haben gerade erwähnt, daß im Dienstleistungssektor besondere Anstrengungen nötig sind, um dort Arbeitsplätze zu schaffen.
Ich stimme Ihnen zu, möchte Sie aber fragen, wie das mit der Politik der Regierung gerade im Dienstleistungssektor übereinstimmt, der die Gesundheit der Bevölkerung nachhaltig stärkt, den Bürgerinnen und Bürgern in breitem Maße zugute kommt und Arbeitsplätze für qualifizierte Leute im gesamten Kur- und Gesundheitsbereich schafft, die eben nicht in Spitzenjobs tätig sind. Warum ergreifen Sie da Maßnahmen, die massenhaft zu Kahlschlag in diesem Arbeitsplatzbereich führen?

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    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Kollegin, Sie bringen mich jetzt ein wenig vom Pfad dessen ab, was ich auch in Anknüpfung an die Rede von Herrn Schröder sagen wollte.
    Wir werden heute abend, nach Schluß der Plenardebatte, in einer Fraktionssitzung der CDU/CSU darüber reden - wir werden nicht entscheiden, weil es schwierige Fragen sind -, wie wir im Gesundheitssektor den hohen Stand an medizinischer Versorgung - wahrscheinlich sind wir weltweit führend - für die Bevölkerung erhalten können und wie wir die sich daraus ergebenden Arbeitsplätze in diesem Bereich, wo wir im Vergleich zu anderen Branchen in den letzten Jahren den höchsten Zuwachs haben, erhalten können, wie wir es aber auch bezahlbar halten. Es muß nämlich bezahlbar sein; sonst nützt das alles nichts.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sonst fallen die Arbeitsplätze weg, ob es uns gefällt oder nicht. Die gute Absicht allein nützt nichts. Das Ergebnis ist entscheidend. Deswegen müssen wir das eine mit dem anderen verbinden.
    Deshalb ist für mich in der Tat auch in den Steuerdebatten die entscheidende Frage: Was können wir für die Chance auf mehr Arbeitsplätze tun? Gerhard Stoltenberg hat - ich finde, überzeugend; dem ist bislang auch nicht widersprochen worden - dargelegt, daß wir eine Entwicklung haben, bei der immer mehr Investitionen und Arbeitsplätze wegen ungünstiger steuerlicher Rahmenbedingungen aus Deutschland in das europäische Ausland abwandern bzw. nicht aus dem europäischen Ausland nach Deutschland kommen. Auch der Kollege Metzger hat in seiner Kurzintervention darauf hingewiesen, daß wir in einer Zeit globalisierter Märkte überall in der Welt investieren müssen, daß wir uns aber auch fragen müssen, warum der Rest der Welt nicht in einem vergleichbaren Maße in Deutschland investiert.
    Damit sind wir bei den Substanzsteuern auf investiertes Kapital. Die Vermögensteuer eignet sich natürlich für Neiddebatten und für Verteilungsdebatten.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Aber wenn wir etwas machen wollen, was unsere Probleme löst, dann dürfen wir investiertes Kapital in Deutschland nicht höher als in anderen europäischen Ländern besteuern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Kommen Sie mir nicht mit der Ausrede privater Vermögensteuer. Sie haben keinen Vorschlag vorlegen können - weil es ihn nicht gibt -, nach dem man investiertes Kapital von der Vermögensteuer freistellt, die Vermögensteuer im übrigen aber beläßt. Sie haben den Vorschlag gemacht, Körperschaften und Kapitalgesellschaften von der Vermögensteuer freizustellen. Aber Sie haben keinen Vorschlag vorlegen können, Betriebsvermögen von der Vermögensteuer freizustellen, übriges Vermögen aber mit der Vermögensteuer zu erfassen. Das geht nämlich nicht.
    Bei den Ertragsteuern werden Sie übrigens dasselbe erfahren. Ich vermute, Sie wissen das; und ich vermute, daß die sozialdemokratischen Steuerpolitiker das ihrem Parteivorsitzenden gesagt haben. Wenn man akzeptiert - ich halte das für notwendig; es ist ein Dreh- und Angelpunkt aller Debatten zur Steuerreform -, daß wir bei den Körperschaftsteuersätzen und damit beim Einkommensteuersatz auf Einkünfte aus Gewerbebetrieben auf 35 Prozent herunter müssen, um unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsplätze international wettbewerbsfähig zu sein,

    Dr. Wolfgang Schäuble
    dann kann man den Spitzensteuersatz bei anderen Einkunftsarten nicht bei 53 Prozent lassen. Das geht nicht; jeder weiß das.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man sollte den Menschen auch nicht einreden, daß es unter Verteilungsgesichtspunkten falsch wäre, den Spitzensteuersatz zu senken. Das bringt dann nämlich wieder die Neiddebatte, die uns hindert, im Kampf für mehr Arbeitsplätze das Richtige zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir können eine größere Differenz zwischen dem Einkommensteuersatz auf Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb - dabei sagen auch Sie 35 Prozent; das ist richtig; das ist ja schon ein wichtiger Schritt - und dem auf Einkünfte aus anderen Einkunftsarten, als wir sie heute schon haben - wir haben zur Zeit eine Spreizung zwischen 53 Prozent und 47 Prozent -, nicht machen, ohne daß in der Praxis noch mehr Umgehungsmöglichkeiten der Besteuerung entstehen und befördert werden, weil die Menschen ihre anderen Einkunftsarten so umorganisieren, daß sie zu Einkünften aus Gewerbebetrieben werden. So, wie man seine Steuerpflicht legal ins Ausland verlegen kann - Herr Stoltenberg hat das dargelegt -, kann man sie genauso legal in Einkünfte aus den Gewerbebetrieben verlagern. Wer solche Umgehungmöglichkeiten im Steuerrecht schafft, der wird nicht mehr Arbeitsplätze - und im übrigen auch nicht mehr Gerechtigkeit - erzielen, sondern weniger.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir machen uns das alles nicht leicht.


    (Zuruf von der SPD: Ha!)

    - Nein, wirklich nicht. Es sind schwierige Debatten. - Wenn wir eine Steuerreform zustande bringen wollen, müssen wir die Kraft haben, den Menschen zu erklären, warum Veränderungen an dem, was bisher war, notwendig sind. Jede dieser Veränderungsdebatten ist schwierig. Sie haben ein Beispiel angesprochen: Bis heute sind Zuschläge für Überstunden, Nacht- und Sonntagsarbeit steuerfrei. Wenn wir abstrakt diskutieren, wird mir wahrscheinlich kein Sozialdemokrat ernsthaft widersprechen, daß es eigentlich keinen Sinn macht, Einkünfte, je nachdem zu welcher Tageszeit oder an welchem Wochentag sie erzielt worden sind, unterschiedlich zu besteuern. Steuerrecht muß gleiche Tatbestände steuerlich gleich behandeln. Das gilt übrigens auch für Kapitalerträge, also auch für die Zinsen auf Lebensversicherungen. Das kann im Prinzip nicht bestritten werden.
    Die Schwierigkeit ist die Umstellung von dem heutigen Zustand der Ungleichheit, auch der Ungerechtigkeit, der sachlichen Falschheit, in einen richtigen Zustand. Da muß man doch Übergangsregelungen suchen. Deswegen sagen wir, daß man bei den Kapitaleinkünften Wege finden muß. Darüber kann man reden, wie man die Umstellung sozialverträglich schafft.
    Tun Sie es aber doch nicht einfach so diffamierend. Herr Schröder, machen Sie doch eines nicht. Eine gleichmäßige Besteuerung - was unser Anliegen ist - beschreiben Sie mit den Worten: „Man darf die nicht bestrafen." Wenn wir eine gleichmäßige, also gerechte Besteuerung als „bestrafen" bezeichnen, werden wir unsere Bevölkerung nicht davon überzeugen können, was notwendig und richtig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Lassen Sie uns darüber reden, wie wir das Ziel vernünftig erreichen. Lassen Sie uns darüber reden, was das richtige Ziel ist, und dann auch darüber diskutieren, wie man dieses Ziel erreichen kann. Dabei muß man vielleicht Schritte gehen. Auch die Sozialdemokraten sagen nicht nur Falsches. Ich habe schon öfters gesagt: Es hat doch nicht der eine nur recht und der andere nur unrecht. So ist es doch nicht verteilt.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Aus Ihrem Munde hört sich das ganz gut an!)

    - Herr Struck, bei Ihnen fällt meistens der Ton aus, wenn Sie zur Sache argumentieren müssen. Auch das habe ich erlebt.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich will Ihnen im Zusammenhang mit den Überstundenzuschlägen folgendes sagen. Sie argumentieren doch, daß es auf die Dauer nicht richtig sein kann, daß wir auf der einen Seite immer höhere Sozialversicherungsbeiträge haben und auf der anderen Seite ein immer größerer Teil von Beschäftigung bei den sogenannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen versicherungsfrei ist. Das Argument ist nicht so falsch, so wie mein Argument, was die Steuerfreiheit von Zuschlägen anbetrifft, nicht falsch sein kann.
    Die Umstellung wird allerdings dazu führen - das ist das Argument, warum wir sagen: Seid bei der Umstellung vorsichtig -, daß möglicherweise bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, mit einer pauschalen Lohnbesteuerung von 20 Prozent, versicherungsfrei, bei einer Änderung die Gefahr besteht, daß wir dabei kurzfristig weniger Arbeitsplätze und weniger Beschäftigungsverhältnisse am Ende herausbekommen, weil viele in die Schwarzarbeit abwandern. Das eigentliche Problem ist, auf einem hohen Stand von komplexen Regelungen und einem hohen Wohlfahrtsniveau die notwendigen Veränderungen durchzusetzen.
    Diese werden wir besser erreichen - da wir gemeinsam überzeugt sind, daß wir sie Schritt um Schritt erreichen müssen -, wenn wir nicht die eine oder andere Maßnahme so mit Neidparolen diffamieren, daß das Verständnis der Bevölkerung nicht mehr erreicht werden kann, was notwendig und nützlich ist. Deswegen plädiere ich für eine Versachlichung der Debatte.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich würde gerne auch einen anderen Punkt erwähnen. Das hat fast schon wieder mit der Debatte um angebots- oder nachfrageorientierte Politik zu tun. Ich glaube, wir könnten uns auf das verständigen, was Gerhard Stoltenberg heute so formuliert hat: Wir sollten den Grundsatz anerkennen, daß wir bei glo-

    Dr. Wolfgang Schäuble
    balisierten Märkten unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken müssen. Das ist das eigentliche Problem.
    Wenn wir diesen Grundsatz akzeptieren, dann hat das Konsequenzen für die Steuerpolitik, bei den Substanzsteuern wie bei den Ertrags- und Einkommensteuern, dann hat das Konsequenzen für die Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme und die Frage: „Wieviel können wir uns im Vergleich zu anderen leisten?" wie auch die Frage, wie wir innovationsfreundlicher und auch schneller in der Umsetzung werden können. Daß wir in Deutschland an einem Übermaß an Bürokratie in der Verwaltungswirklichkeit, von den Regelungen des Bundesgesetzgebers bis zur Anwendung durch die Kommunalverwaltungen, leiden, ist doch keine Frage. Aber bei jeder Verwaltungsvereinfachung wird uns doch von Ihrer Seite im Zweifel immer vorgehalten, wir würden damit bewährte Standards an Rechtsstaatlichkeit, Umweltschutz oder sonst irgend etwas zur Überprüfung stellen. Wir müssen bewährte Standards zur Überprüfung stellen, wenn wir die Zukunft nicht verschlafen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich jedenfalls glaube, daß, wenn der Grundsatz richtig ist, dann auch richtig ist, was Ihnen Helmut Schmidt vor kurzem bei der Zusammenkunft im Januar in Bonn auf die Nachfrage Ihres Parteivorsitzenden gesagt hat, ob man nicht die Beschäftigung durch sowohl öffentliche wie private Nachfrage stärken könnte. Bei öffentlicher Nachfrage nennt man das höhere Defizite.
    Dann heißt es auch wieder, Beschäftigung sei im Widerspruch zu dem Erreichen der Maastricht-Kriterien, was ich überhaupt nicht sehe. Ich glaube, daß Stabilität besser ist, um die Kosten zu begrenzen und damit unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Deswegen glaube ich, daß uns das Erfüllen der Maastricht-Kriterien auf dem Weg zu mehr Arbeitsplätzen hilft. Das ist kein Gegensatz, sondern das eine bedingt das andere.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zumindest der SPD-Vorsitzende bringt ja dann in den Debatten das Argument, daß wir die private Massenkaufkraft stärken müssen und einen Mangel an privater Nachfrage haben. Er hat auch in der letzten Debatte, an der ich nicht teilnehmen konnte, gesagt: Wenn wir die private Nachfrage stärkten, würden wir unser Beschäftigungsproblem lösen.
    Die Antwort von Helmut Schmidt in der Veranstaltung im Bonner Universitätsclub - oder wo es gewesen war -, die ich für zutreffend halte, war, -

    (Lachen bei der SPD)

    - ich weiß nicht, Herr Kollege, ob Ihr Lachen der Ernsthaftigkeit des Problems und auch meines Bemühens angemessen ist -, daß die Rezepte von John Maynard Keynes für eine geschlossene Volkswirtschaft richtig gewesen sein mögen, in einer Zeit globalisierter Märkte aber nicht mehr funktionieren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir können hier noch so viel Nachfrage durch noch mehr öffentliche Schulden oder sonst wie stimulieren; wer aber die Nachfrage erfüllt und bei wem dann die Arbeitsplätze entstehen, das entscheidet sich auf globalisierten Märkten. Wenn wir unsere Kosten erhöhen, dann werden wir nicht mehr Arbeitsplätze bekommen. Das schaffen Sie vielleicht in Korea - was für Korea erfreulich ist -, aber es löst unser Arbeitsplatzproblem nicht.

    (Zuruf von der SPD)

    - Ja, das ist die Frage, ob man auf Grund von Veränderungen in den Gegebenheiten auch bereit ist, alte Rezepte aufzugeben und zu sagen: Wir müssen Antworten auf Probleme geben, wie sie sich Ende der 90er Jahre stellen, weil sonst die Rezepte nicht taugen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. Rudolf Scharping [SPD]: Dann fangt mal an!)

    Dann bleibe ich dabei, daß wir doch ein erhebliches Kostenproblem haben.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und ein Verteilungsproblem!)

    - Und auch ein Verteilungsproblem, aber zuerst ein Kostenproblem. Genau zu dem Punkt wollte ich kommen, Herr Kollege Fischer.
    Ich rede dauernd von der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

    (Zuruf des Abg. Rudolf Scharping [SPD])

    - Herr Kollege Scharping, das hilft doch nichts. Lassen Sie uns Punkt für Punkt darüber reden. Sie haben ja hier die Steuerdebatte eingeführt. Ich antworte auf das, was Herr Ministerpräsident Schröder gesagt hat. Darin liegt der eigentliche Sinn einer Debatte, anstatt vorbereitete Manuskripte unabhängig davon vorzulesen, was der Vorredner gerade gesagt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Ich würde gerne zu der eben hier angesprochenen Frage der Finanzierung unserer Sozialversicherungssysteme eine Bemerkung machen. Sie wissen, daß es da Diskussionen in der Union und in der Koalition gibt. Warum auch nicht? Große Parteien müssen untereinander und auch alle Parteien miteinander diskutieren. Es gibt keine einfachen Patentrezepte. Wir haben in der Koalition ein breites Maß an Übereinstimmung. Meine Position ist es seit langem, daß wir in der Frage, wieviel wir von unseren sozialen Sicherungssystemen durch Beiträge, also orientiert an den Arbeitskosten für eine Stunde, und wieviel wir durch Steuern finanzieren, zu Korrekturen bereit sein müssen. Das sage ich seit langem und halte diese Position für richtig.
    Ich meine nur, Herr Ministerpräsident Schröder, daß wir einen Fehler vermeiden sollten. Gerade aus Ihrem Lager höre ich häufig Äußerungen, bei denen die Gefahr besteht, so einen Fehler zu machen, näm-

    Dr. Wolfgang Schäuble
    lich Umfinanzierungen anstatt Einsparungen vornehmen zu wollen. Wir brauchen beides, wir brauchen aber zuerst Einsparungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aber Waigel macht das auch!)

    Ich habe schon so oft hier in den Debatten gesagt: Laßt uns erst über Umfinanzierung reden, wenn wir zunächst über Einsparungen einig sind. Erst müssen Einsparungen sein. Das sind die notwendigen Arbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Daran kommen wir in der Gesundheitsreform nicht vorbei, daran arbeiten wir bei der Weiterentwicklung der Rentenversicherung. Das eine ist keine Alternative für das andere, sondern das eine und das andere sind notwendig. Dann können wir uns auch verständigen. Wer nur umfinanziert, senkt die Staatsquote nicht, doch sie muß gesenkt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deswegen ist das eine kein Dogma und auch das andere nicht. Danach kann man natürlich über Mehrwertsteuer und andere spezifische Verbrauchsteuern streiten.
    Ich halte übrigens das Vorgehen, was die Koalition vor Weihnachten beschlossen hat, für die intelligenteste Form -

    (Widerspruch bei der SPD)

    - Entschuldigung, ich sage es ja -, daß wir uns in der Europäischen Union dafür einsetzen, daß wir einen eigenen, natürlich höheren Mehrwertsteuersatz auf den Energieverbrauch einführen können.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Damit können wir Energie besteuern. Die Nachteile, die Sie bei einer Mineralölsteuererhöhung befürchten - Schädigung des Produktionsstandorts Deutschland in seiner Wettbewerbsfähigkeit - treten bei einer Mehrwertsteuererhöhung nicht auf. Sie belastet nicht die Industrie und verschlechtert nicht die Wettbewerbsfähigkeit, sondern sie verbessert die Chancen.
    Ich finde es hocherfreulich, daß das Mitglied der Kommission der Europäischen Union in einem Interview in diesen Tagen gesagt hat, er sehe durchaus eine Chance, daß wir die notwendige Genehmigung für einen eigenen Mehrwertsteuersatz in der Europäischen Union bekommen. Sie sehen, wir liegen nicht so weit auseinander, daß wir nicht zu einer gemeinsamen Politik kommen können, die erfolgreich Arbeitsplätze schafft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Weil wir gerade bei dem Thema Kosten der Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit sind, möchte ich noch einmal unterstreichen - man kann ja manche Dinge nicht oft genug wiederholen -, was Gerhard Stoltenberg gesagt hat. Wir machen einen großen Fehler, wenn wir in dem Streit zwischen Mehrheit und Minderheit oder zwischen den politischen Parteien so tun, als wäre in erster Linie die Politik für Arbeitslosigkeit oder Beschäftigung zuständig. In erster Linie liegt dies in der Verantwortung der Tarifpartner.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wer die Tarifpartner von dieser Verantwortung entbindet, der sorgt dafür, daß das Problem nicht gelöst werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist nicht eine Schuldzuweisung. Wir müssen unsere Aufgaben erfüllen und gleichzeitig sagen, was nur die Tarifpartner tun können.
    Von seiten der Gewerkschaften - auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat es öffentlich gesagt; das ist auch für Gewerkschaftsvertreter ein beachtlicher Schritt - wird verstärkt die Überlegung vorgetragen, ob es bei dieser hohen Arbeitslosigkeit nicht klüger wäre, wenn das Einkommen der Beschäftigten gesenkt wird. Das steckt hinter der Debatte: Abbau von Überstunden und mehr Teilzeitarbeit. Das heißt doch wohl, das Bruttoeinkommen von Beschäftigten nach eigener Entscheidung abzusenken und dadurch zu erhoffen, daß mehr Arbeitsplätze geschaffen werden.
    Ich würde nur gerne die Frage daran anknüpfen, ob unser Problem hinsichtlich der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wirklich darin liegt, daß wir einen Mangel an Arbeit haben, oder ob unser Problem in Wahrheit nicht darin liegt, daß wir einen Mangel an Nachfrage nach Arbeit zu den Preisen haben, die die Arbeit pro Einheit - das ist die Arbeitsstunde - kostet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn dieses richtig ist, dann sollte man einmal unvoreingenommen darüber reden, ob es nicht günstiger wäre - wenn wir schon zu Veränderungen in den Einkommen kommen -, die Einkommen nicht durch Verringerung der geleisteten Arbeitszeit zu senken, sondern die Arbeitszeit konstant zu lassen und statt dessen den Preis pro Arbeitsstunde zu verringern. Dadurch werden wir wettbewerbsfähiger und bekommen mehr Arbeitsplätze. Das scheint mir der intelligentere Weg. Vielleicht kann man darüber auch einmal mit der Opposition, mit den Gewerkschaften und den Tarifpartnern diskutieren.

    (Zuruf der Abg. Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD])

    - Ja; natürlich. Bei jeder Kalkulation wird verglichen, was kostet die Arbeitsstunde da und was kostet die Arbeitsstunde dort. Je nach Antwort werden Investitionsentscheidungen getroffen und bestimmen dadurch, wo Arbeitsplätze entstehen oder wegfallen. Das ist genauso wie bei den Substanzsteuern. Diesem Mechanismus kann man nicht entgehen.
    Wer die Debatte darüber verweigert oder wer die Debatten öffentlich so führt, daß man nicht sachgerecht und zielorientiert um den richtigen Weg ringen kann,

    (Zuruf von der SPD: Wer macht das denn?)


    Dr. Wolfgang Schäuble
    der trägt am Ende die Verantwortung, daß unser Land nicht hinreichend fähig ist, die Veränderungen schnell genug zu erreichen, die notwendig sind, damit wir auch in Zukunft Vollbeschäftigung, wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Sicherheit haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Wir sollten dieser Gefahr widerstehen.

    Wir wollen über die Steuerreform in der nächsten Woche Gespräche führen. Diese Steuerreform, Herr Ministerpräsident Schröder, kann man nicht aufkommensneutral durchführen. Das Prinzip niedrigerer Sätze beim Eingangssteuersatz - Sie haben ja den Eingangssteuersatz im Prinzip akzeptiert; ich halte 15 Prozent mit einer unteren Proportionalzone nach wie vor für besser; es gab auch aus Ihren Reihen viel Zustimmung - und beim Spitzensteuersatz von 35 bzw. 39 Prozent, über den wir diskutieren, halte ich für notwendig. Aus der Tarifabsenkung ergeben sich zusammen mit der Abschaffung der Körperschaftsteuer steuerliche Mindereinnahmen in einer Größenordnung von über 70 Milliarden.
    Sie können natürlich sagen: Die Steuerreform muß aufkommensneutral sein. Ich sage Ihnen: Das werden Sie nicht schaffen. Sie sagen, daß es keine Erhöhung von Verbrauchsteuern zur Finanzierung der Tarifsenkungen geben solle. Das werden Sie übrigens auch nicht schaffen; ich sage es Ihnen gleich vorweg. Aber Sie wollen noch nicht einmal Einsparungen. Sie haben von einer Deckungslücke von 44 Milliarden DM geredet. Wir sagen: 30 Milliarden DM netto müssen die Steuern 1999 gesenkt werden. Wir meinen, daß das auch zu schaffen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Darüber müssen wir uns verständigen.


    (Rudolf Scharping [SPD]: Vorschlag!)

    - Ich habe das gerade gesagt. Ich habe gerade gesagt: Ich glaube nicht, daß wir ohne eine Umschichtung zu den indirekten Steuern in dieser Größenordnung auskommen. Das haben wir immer gesagt; das ist gar keine Frage.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Kanzler im Sommer!)

    Jetzt will ich Ihnen sagen, warum ich eine Nettoentlastung für zwingend notwendig halte. Erstens ist die Steuerbelastung insgesamt zu hoch, und Umschichtung senkt nicht die Steuerbelastung, sondern verteilt sie gerechter.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Zweitens werden die Verteilungsdebatten nicht lösbar werden, weil bei einer aufkommensneutralen Steuerreform zwar das Prinzip „Niedrigere Sätze bei breiterer Bemessungsgrundlage" gut funktioniert, aber der eine das mehr zahlen muß, was der andere weniger zahlt. Da wünsche ich viel Vergnügen. Das ist bei der Art, wie in Deutschland Besitzstände verteidigt werden, unter gar keinen Umständen zu schaffen. Wir brauchen eine Nettoentlastung.
    Ich denke, 30 Milliarden DM bis 1999 sind angesichts verbesserter Wachstumsaussichten auch möglich. Denn wir haben eine sehr viel bessere Aussicht für die wirtschaftliche Entwicklung. Man muß in der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht ja auch einmal sagen: Bis Mitte 1995 hatte die Bundesrepublik Deutschland mit der Erfüllung der Maastricht-Kriterien keinerlei Probleme. In 1995 haben wir zwei Probleme gehabt: erstens zu hohe Tarifabschlüsse und zweitens einen nicht vorhergesehenen Verfall des Dollar-Kurses auf einen Wert von 1,35 DM.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Und eine Übernahme von Schulden!)

    - Ja, aber das war vorhergesehen und geplant.
    Daß die konjunkturelle Entwicklung ab Mitte des Jahres 1995, von niemandem vorhergesehen, so eingebrochen ist, hat diese beiden entscheidenden wirtschaftlichen Ursachen. Beide Faktoren sind inzwischen wesentlich verbessert. Wir haben sehr viel vernünftigere Tarifverträge

    (Widerspruch bei der SPD)

    - ja, Kollege Solms hat das dargelegt -, auch als Reaktion auf umstrittene Entscheidungen des Gesetzgebers. Wir haben ferner einen Dollar-Kurs, einen Außenkurs der D-Mark, der den realen Wert- und Austauschverhältnissen sehr viel angemessener ist als ein Dollar-Kurs von 1,35 DM.
    Deswegen haben wir bei niedriger Inflation, bei hoher Preisstabilität und niedrigen Zinsen gute Aussichten für eine Verstärkung des wirtschaftlichen Wachstums.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Wenn wir dieses Wachstum nutzen wollen, um unsere Probleme besser zu lösen, dann können wir die Steuern für 1999 um 30 Milliarden DM netto senken. Das ist unser Vorschlag.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Jetzt muß ich Ihnen sagen: Ihre Position ist bis jetzt nicht in sich schlüssig. Denn Sie sagen, eigentlich wollten Sie bei den oberen Steuersätzen ein bißchen weniger, bei den unteren, das sei schon gut. Bei den mittleren Einkommen kritisieren Sie, daß wir zuwenig Entlastung hätten, also wollen Sie noch größere Steuersenkungen. Gleichzeitig sagen Sie: Keine Umschichtung auf indirekte Steuern, keine Nettoentlastung. Außerdem kritisieren Sie einen Großteil unserer Vorschläge zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage.
    Dazu sage ich Ihnen: Wenn zwei plus zwei 27 ist - das habe ich kürzlich einem Kollegen aus meiner Partei aus Ihrem Bundesland gesagt -, dann kann ich eine prima Reform machen. Bei mir ist zwei plus zwei vier. Ich weiß, daß von diesem Satz nicht sehr viel Faszination ausgeht. Aber stimmig wird eine Politik nur, wenn sie die Grundrechenarten einhält. Anders geht es nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Schäuble
    Meine Damen und Herren, eines scheint mir sicher: Wir haben gar nicht soviel Grund zu Pessimismus.

    (Zuruf von der SPD: Auf einmal! Einmal raufreden, einmal runterreden nach Beliebigkeit! Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran müßt ihr euch gewöhnen! Gewöhnt euch besser gleich dran!)

    - Überhaupt nicht. - Wir haben gute gesamtwirtschaftliche Rahmendaten. Wir haben eine schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt. Davon spreche ich. Wenn es gelingt, die Europäische Währungsunion auf der Basis stabiler Kriterien zu vollenden, eine stabile europäische Währung zu schaffen und damit die innovatorischen Kräfte durch die Europäische Einigung zu verstärken, ist die Bereitschaft unserer Bevölkerung, Veränderungen zu akzeptieren, um soziale Sicherheit auch für die Zukunft festzumachen, größer als das Gerede der Vertreter organisierter Interessen gelegentlich vermuten läßt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn wir diese guten Rahmenbedingungen in einer Phase von jedenfalls mittleren konjunkturell positiven Erwartungen nutzen, um unsere Strukturprobleme Schritt um Schritt zu lösen, und wenn wir uns darauf verständigen, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Vorrang hat, dann bin ich ganz sicher, daß wir miteinander eine gute Chance haben, unserem Ziel, der Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000, noch in diesem Jahr ein gehöriges Stück näherzukommen. Dazu, meine Damen und Herren, möchte ich uns alle einladen.
    Herzlichen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


    (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)