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    Plenarprotokoll 13/141 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 141. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. November 1996 Inhalt: Nachruf auf den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Hans Klein . . . 12667 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksachen 13/5200, 13/5836) 12668 B Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/6004, 13/6025) . . 12668 B in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/ 6005, 13/6025) 12668 C in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/6014, 13/6025) . . 12668 C Rudolf Scharping SPD 12668 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 12673A, 12706 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 12675 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 12678 C Otto Schily SPD 12679 C Gabriele Iwersen SPD 12680 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 12682 D Günter Verheugen SPD 12684 B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12684 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 12689 B Otto Schily SPD 12693 A, 12714 B Dr. Gregor Gysi PDS 12693 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 12696 D Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 12705 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 12709 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 12713 C Dr. Burkhard Hirsch F D P. 12713 D Michael Glos CDU/CSU 12714 C Eckart Kuhlwein SPD . 12717B, 12721D, 12740 A Eckart Kuhlwein SPD 12717 D Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 12719 D, 12727 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 12720 B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . 12721 A, C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12722 D Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . 12723 A Norbert Gansel SPD 12723 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 12724 A, 12726 D Volker Kröning SPD 12726 C Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12727 A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12727 C Steffen Tippach PDS 12728 D Dr. Eberhard Brecht SPD 12729 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 12731 B Ernst Kastning SPD 12733 B, 12748 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12735B, 12744 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . 12736C, 12743 B Jürgen Koppelin F.D.P 12737 B Günter Verheugen SPD 12738 B Ernst Kastning SPD 12739A, 12741 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 12739 B Uta Zapf SPD 12739 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 12740 B Paul Breuer CDU/CSU 12741 B Manfred Opel SPD 12742 B Walter Kolbow SPD 12744 B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 12746 A Namentliche Abstimmung 12748 D Ergebnis 12750 A Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 13/6019, 13/6025) . . . 12752 C Dr. Emil Schnell SPD 12752 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 12754 C Michael von Schmude CDU/CSU . . . 12754 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12756 D Roland Kohn F.D.P. 12758 B Dr. Willibald Jacob PDS 12759 D Adelheid Tröscher SPD 12761 A Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 12762 D Dr. R. Werner Schuster SPD 12763 C Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12764 C Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/6007, 13/6025) 12765 D in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 13/6025) 12765 D Gunter Weißgerber SPD 12765 D Manfred Kolbe CDU/CSU 12768 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12770C, 12787 B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 12773 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . 12774 C, 12777 B Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12775 D Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12777 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 12777 D Jörg van Essen F.D.P. . . . . 12779D, 12785 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 12780 B Norbert Geis CDU/CSU .12783 C, 12787 D, 12788 C Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . 12784 B Horst Eylmann CDU/CSU 12784 C Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 12785 C Otto Schily SPD 12788 B Margot von Renesse SPD 12788 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 12788 D Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/6006, 13/6025) . . . 12789 A in Verbindung mit Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der weiteren Abgeordneten der PDS: Vergütung der Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Überprülung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR beim Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/79, 13/459) 12789 B in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 13/6023) . . 12789 B Uta Titze-Stecher SPD 12789 C Ingrid Holzhüter SPD 12790 C Nächste Sitzung 12793 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12794* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zum Haushaltsgesetz 1997, hier: Einzelplan 06 - Bundesministerium des Innern -, zu dem Antrag: Vergütung der Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR beim Bundesministerium des Innern sowie zu Einzelplan 33 - Versorgung - Dr. Klaus- Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 12794* B Dr. Hermann Kues CDU/CSU 12796* C Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12798* C Ulla Jelpke PDS 12800* A Fritz Rudolf Körper SPD 12801* B Manfred Kanther, Bundesminister BMI . 12803* B 141. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. November 1996 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behrendt, Wolfgang SPD 27. 11. 96* Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 27. 11. 96* Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 27. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Gysi, Andrea PDS 27. 11. 96 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 27. 11. 96 Krüger, Thomas SPD 27. 11. 96 Lehn, Waltraud SPD 27. 11. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 27. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Rupprecht, Marlene SPD 27. 11. 96 Scheel, Christine BÜNDNIS 27. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 27. 11. 96 Schumann, Ilse SPD 27. 11. 96 Thieser, Dietmar SPD 27. 11. 96 Tröger, Gottfried CDU/CSU 27. 11. 96 Vosen, Josef SPD 27. 11. 96 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 27. 11. 96 Wallow, Hans SPD 27. 11. 96 Weis (Stendal), SPD 27. 11. 96 Reinhard Wieczorek (Duisburg), SPD 27. 11. 96 Helmut Wittich, Berthold SPD 27. 11. 96 Wohlleben, Verena SPD 27. 11. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zum Haushaltsgesetz 1997, hier: Einzelplan 06 -Bundesministerium des Innern-, zu dem Antrag: Vergütung der Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR beim Bundesministerium des Innern sowie zu Einzelplan 33 - Versorgung - Dr. Klaus-Dieter Uelhoff (CDU/CSU): Einleitend möchte ich einige grundsätzliche Anmerkungen zu gerade im Einzelplan 06 vorhandenen wichtigen Beispielen zur Modernisierung und Flexibilisierung des Haushalts machen. Es gibt dort vier budgetierte Komplexe: erstens Bundeszentrale für politische Bildung, zweitens Bundesanstalt für die Sicherheit in der Informationstechnik, drittens Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums und viertens Bundesanstalt THW. Bei der Bundeszentrale und bei der Bundesanstalt für die Sicherheit in der Informationstechnik sind jeweils globale Minderausgaben mit 2,6 bzw. 2,37 Millionen DM ausgebracht. Dies ist in Ordnung, weil bei einer Budgetierung und der damit verbundenen selbstverantwortlichen Haushaltsführung eine Einsparrendite erwartet werden kann. Dagegen greifen zwei weitere erheblich größere globale Minderausgaben in das Budgetrecht des Parlaments ein und bedürfen deshalb einer besonders kritischen Begleitung. Erstens. Im Regierungsentwurf waren bereits 55,5 Millionen DM als globale Minderausgabe vorgesehen. Zwar muß das Parlament diese Minderausgabe global beschließen, aber dann entscheidet beim Haushaltsvollzug im Prinzip die Exekutive allein ohne parlamentarische Letztentscheidung, wie und wo diese 55,5 Millionen DM weniger ausgegeben werden. Globale Minderausgabe ist immer auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Haushaltsklarheit. Dies darf das Parlament nicht wollen. Ich bin dem Bundesinnenminister sehr dankbar, daß er bereit war, gemeinsam mit den Berichterstattern und damit gemeinsam mit dem Haushaltsausschuß und gemeinsam mit dem Parlament diese 55,5 Millionen DM zu belegen und damit vor der abschließenden Beschlußfassung des Haushalts im Parlament wegzuschaffen. Zweitens. Die jüngste Steuerschätzung hat dieses Bemühen überrollt, und wir standen vor dem neuen Problem einer noch größeren globalen Minderausgabe. 150 Millionen DM kamen zu den 55,5 Millionen DM im Einzelplan 06 hinzu. Damit die Opposition nicht übermütig wird: Diese jüngste Steuerschätzung von unabhängigen Fachleuten hat nicht nur den Bund, sondern auch die 16 Länder in ihren Haushaltsberatungen unmittelbar getroffen. Wenn man also dem Bundesfinanzminister mangelnde Voraussicht vorwirft, gilt dies genauso für 16 Landesminister. Aber das eine ist so unseriös wie das andere. Interessant ist nur, wie die Länder mit ihrem Finanzloch fertig werden: Da gibt es interessante Unterschiede. Für das Saarland etwa hat die dortige Finanzministerin kürzlich in der „Wirtschaftswoche", genau am 21. November 1996, kurz und bündig erklärt, die nach der neuesten Steuerschätzung fehlenden 50 Millionen DM würden nicht durch weitere Sparmaßnahmen gedeckt, das heißt ja wohl durch höhere Neuverschuldung, also durch Abwälzen auf die nächste Generation. In der Hansestadt Hamburg wird das Finanzloch nach den jüngsten Steuerschätzungen sehr seriös durch Einsparungen geschlossen - 200 Millionen DM weniger durch zusätzliche Einsparbemühungen, siehe „FAZ" vom 27. November 1996. Wir haben uns im Bund auch für Einsparungen entschieden: zwar durch ungeliebte globale Minderausgaben, aber in enger Abstimmung mit dem Parlament, konkret mit den zuständigen Berichterstattern im Haushaltsausschuß aus allen Fraktionen, so wie wir das mit dem Innenminister bereits für die im Regierungsentwurf vorgesehene globale Minderausgabe verabredet hatten. Im übrigen hat der Bundesinnenminister bereits im Haushaltsausschuß - auch zur Zufriedenheit der Opposition - die Schwerpunkte genannt, die er bei der Belegung der globalen Minderausgabe setzen will. Aber es gibt wahrlich bessere Vorschläge für Einsparungen und kostenbewußtes Haushalten als globale Minderausgaben. Der Sachverständigenrat „Schlanker Staat" fordert eine möglichst flächendekkende Anwendung der Budgetierung. Doch Zauberworte wie „Budgetierung", „Flexibilisierung" und „Globalisierung" müssen immer am Budgetrecht des Parlaments gemessen werden. Dieses bleibt allem anderen übergeordnet. Wir werden deshalb als Berichterstattergruppe für den Einzelplan 06 im Haushaltsjahr 1997 mehrmals und regelmäßig mit dem Bundesinnenminister zusammenkommen und die Entwicklung der vier budgetierten Haushaltsteile kontrollierend begleiten. Vermehrte Budgetierung verlangt nach neuen Kontrollinstrumenten des Parlaments. Im Haushalt des Bundesinnenministers gibt es mehrere Beispiele, wie im Rahmen des geltenden Haushaltsrechts durch größere Eigenverantwortung der Verwalter Flexibilisierung und Einsparungen erreicht werden: Erstens. So konnten seit 1994 durch Titelzusammenlegungen und durch Bildung von gemeinsamen Töpfen 522 Einzeltitel wegfallen. Zweitens. Andere Möglichkeiten ergeben sich durch erweiterte Deckungsmöglichkeit oder durch Freigabe zur Selbstbewirtschaftung, so in 33 Fällen im Einzelplan 06 zum Beispiel beim BGS, beim Bundesamt für Zivilschutz oder bei der Kulturförderung. Drittens. Die überjährliche Nutzung von zurückfließenden Haushaltsmitteln ist zu nennen, was nebenbei auch ein gutes Medikament gegen das sogenannte Dezemberfieber ist. Viertens. Ein letztes Beispiel ist die Koppelung der Ausgabenentwicklung an die Einnahmemöglichkeiten. Ich weiß, daß solche haushaltsimmanenten Sparmöglichkeiten insbesondere die Verantwortung der Fachressorts stärken, wenn zum Beispiel bestimmte Einnahmen für Ausgaben bei verwandten Titeln gebraucht werden dürfen und nicht in den großen Topf des Gesamthaushalts fließen. Ich will keinen Zweifel daran lassen, daß ich die Möglichkeiten der Budgetierung und Flexibilisierung und damit der größeren Wirtschaftlichkeit und der Chance von Einsparungen zunächst und vor allem innerhalb der Exekutive sehe. Dies halte ich auch für angemessen und richtig. Flexibilisierung des Haushalts darf grundsätzlich nicht zu Lasten des Entscheidungs- und Kontrollrechts des Parlaments gehen. Wir müssen deshalb sehr darauf achten, daß die vielfältigen bisher nicht genutzten Möglichkeiten, über den Haushaltsvollzug zu mehr Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu kommen, vornehmlich das Zusammenspiel der Exekutive betreffen, wesentlich also die Eingriffsmöglichkeit des Finanzressorts in das Fachressort einschränken. Das Budgetrecht des Parlaments muß dabei unangetastet bleiben. Nun noch zu einigen wichtigen Einzelpunkten, die sich nach der ersten Lesung am 11. September 1996 ergeben haben. Trotz aller notwendigen Einsparungen bleibt ein Schwerpunkt bei der inneren Sicherheit, zum Beispiel der technischen Ausstattung von BKA und BGS. So werden die Mittel für den Bundesgrenzschutz auch in diesem Sparhaushalt nochmals verstärkt. Es ist wichtig, daß auch die notwendigen aktuellen Gesetzesvorhaben nicht an der Hürde des Bundesrates hängenbleiben, zum Beispiel BKA-Gesetz, Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften. Für den auftragsgemäßen Einsatz des BGS, zum Beispiel im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, ist die Verlegung innerdeutscher Standorte wichtig. Der Grenzschutz gehört an die Grenze und die Bahnpolizei auf die Bahn. Ich begrüße ausdrücklich, daß der Einzeldienst nicht nur an der östlichen Staatsgrenze verstärkt wird, sondern mit 750 Beamten auch an der Westgrenze, die noch immer von Schleppern und Dealern besonders frequentiert wird. Stellenhebungen im mittleren Dienst des BGS sind auch über die jetzt vorgesehenen 350 Stellen notwendig, aber angesichts der derzeitigen Haushaltslage leider nicht machbar. Ich würde es aber ausdrücklich begrüßen, wenn der Regierung hier bei der Vorbereitung des nächsten Haushalts ein Durchbruch gelingen würde. Auch der neue Haushalt sieht für die deutschstämmige Bevölkerung in Osteuropa weiterhin wichtige Hilfen vor, zum Beispiel über 40 000 außerschulische Sprachkurse. Die Verringerung der Aussiedleranträge im laufenden Jahr um 60 000 zeigt deutlich, daß auch die Investitionen in den Siedlungsgebieten Früchte tragen. Ausgesprochen kontraproduktiv ist der Antrag der Landesregierung von Rheinland-Pfalz im Bundesrat, nach dem den Rußlanddeutschen kein kollektives Kriegsfolgenschicksal mehr zuerkannt werden soll. Wer den Menschen dort die gesetzliche Vermutung zur Feststellung ihrer Identität entzieht, zerstört wesentliche Perspektiven ihrer Zukunft. So wird nicht der Zuzug von Aussiedlern gebremst, sondern alle die, die seit langem ein Visum haben, werden zur sofortigen Reise nach Deutschland geradezu animiert. Der Umgang mit diesem Thema erfordert mehr Sensibilität, als sie bei dieser Bundesratsinitiative zum Ausdruck kommt. Die Ansätze für Kultur konnten wieder durchweg im großen Einvernehmen veranschlagt werden. Ich halte diesen Bereich besonders wichtig beim Zusammenwachsen und Wiederfinden beider Teile Deutschlands. So wird es nicht wundern, daß das so erfolgreiche Dach- und Fachprogramm zur Sicherung kleinerer Baudenkmäler in den neuen Bundesländern um 2 Millionen DM erhöht wird und daß zusätzlich in die Kulturförderung Projektmittelzuschüsse für Tübkes Bauernkriegsrotunde in Franken-hausen und für die Barlach-Gedenkstätte in Güstrow eingestellt werden konnten. Im Rahmen der Förderung des Hochleistungssports hatte ich in der ersten Lesung endlich die verbindliche Vorlage einer Trainerkonzeption verlangt. Mit großer Anerkennung für die zügige Arbeit des Deutschen Sportbundes und der Fachabteilung des Bundesinnenministeriums können wir nach wenigen Monaten erfreut feststellen, daß jetzt ein schlüssiges Konzept vorliegt, das einen zeitgerechten Gleichklang von Trainern und Sportlern sichert. Aufgabenbezogene Trainerverträge werden künftig auf maximal 4 Jahre befristet ohne Anspruch auf einen Anschlußvertrag. Die Anstellung der Trainer erfolgt bei den Fachverbänden, denen Mittel als Pauschale zur Verfügung gestellt werden. Mit einer Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 15 Millionen DM für 1998 soll den Fachverbänden auch formal Planungssicherheit gegeben werden. Wir werden die Durchführung und Beachtung des Trainerkonzepts in den nächsten Jahren weiter verfolgen. Die Sportförderung ist jedoch keine originäre Aufgabe des Bundes, sondern eine gesellschaftspolitische Frage, und damit aber auch nicht die lästige Pflicht einiger weniger, wie die Rückläufigkeit der Spendenbereitschaft der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahren vermuten läßt. Dies führte sogar dazu, daß die Sporthilfe in der Vergangenheit auf ihre Rücklagen zurückgreifen mußte. Wenn wir diese Tendenz fortschreiten lassen, dann wird die Sportförderung in naher Zukunft in ihrem Bestand gefährdet sein, und immer mehr internationale Wettkämpfe werden ohne deutsche Beteiligung auskommen müssen. Diese Entwicklung darf aber auch nicht dazu führen, daß wir hier das französische System der Sportförderung kopieren und nur noch einige wenige, prestigereiche Sportarten fördern. Wir müssen daher neue Wege zur Förderung des deutschen Hochleistungssports finden. Zum einen gilt es den Gedanken der Sportförderung breiter in die Bevölkerung zu tragen und zum anderen Möglichkeiten der Eigenfinanzierung aufzutun. Mein Vorschlag an dieser Stelle ist die Einrichtung eines Solidaritätsfonds. Durch Bundesmittel geförderte Sportler sollten bei Abschluß von Sponsorenverträgen in Millionenhöhe zum Beispiel entsprechende Fondszuschläge in die Abmachungen aufnehmen. Dies stärkt zum einen die Solidarität im deutschen Sport und bietet zum anderen den Verbänden die Möglichkeit der Eigenfinanzierung. Ein positives Signal in diese Richtung hat jetzt der DFB gegeben. Bei zukünftigen Vertragswechseln von Spielern aus dem Amateur- in den Profibereich wird eine Ausbildungs- und Förderungsentschädigung von bis zu 100 000 DM fällig. Dieser wichtige Schritt zur Eigenfinanzierung der Sportförderung sollte seine Signalwirkung auch in den anderen Verbänden nicht verfehlen. Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Erstens. Die Haushalts- und Finanzdebatten drohen dann langweilig zu werden, wenn sie nicht immer wieder in einen Gesamtzusammenhang eingebettet werden. Sie werden dann langweilig, wenn man sich in Zahlen verliert und nicht immer wieder deutlich macht, um was es eigentlich geht. Darum geht es eigentlich: Wie bewältigen wir als Wohlstandsgesellschaft die unglaublichen volkswirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen für unser Wirtschafts- und Sozialsystem? Sind wir in der Lage, Ansprüche an den Staat zurückzunehmen, dieses als Politik auch ehrlich zu vertreten? Sind wir in der Lage, durch sinnvolles Sparen die Voraussetzung zu schaffen, daß wieder mehr investiert wird in Arbeitsplätze? Daran besteht kein Zweifel: Es muß uns gelingen, eine - am besten über die Prognosen der Sachverständigen hinausgehende - wirtschaftliche Dynamik für die nächsten Jahre zu entfachen, weil nur so Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden können, weil nur so die Voraussetzungen gegeben sind, das soziale Netz nicht nur neu zu knüpfen, sondern für die wirklich Bedürftigen zu gestalten. Sündenbocktheorien helfen uns nicht weiter. Notwendig ist eine gewaltige Kraftanstrengung, um einen größeren Teil unserer Ressourcen umzuschichten in Richtung Zukunftsinvestitionen, in Richtung zukunftsfähiger Arbeitsplätze. Sparen erfüllt hier auch keinen Selbstzweck, sondern hat geradezu eine moralische Begründung und eine Rechtfertigung darin, daß um der Zukunftsicherung und Weichenstellung willen schmerzliche Entscheidungen gegenüber den heute Lebenden getroffen werden müssen. Eine Begrenzung der Umverteilung oder eine Kürzung trifft immer heute lebende, konkret betroffene Menschen, Zukunftsinvestitionen spielen sich demgegenüber in einer abstrakten Welt ab, siehe die Diskussion um neue Verkehrstechnologien wie Transrapid. Sie sind strukturkonservativ und blockieren die Zukunft, wir stehen für Zukunft und zwar nicht nur im Sinne der Förderung moderner Technik, sondern vor allem auch im Sinne der Langzeitverantwortung. Zweitens. Ein kluger Mann, das ist der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Alois Glück, hat kürzlich formuliert: Politische Führung besteht darin, das Notwendige verständlich zu machen und danach zu handeln. - Das Problem der Opposition ist: Sie versuchen Nebelkerzen zu werfen, damit Sachverhalte nicht mehr sichtbar werden, sie arbeiten statt dessen mit Parolen. Alle versuchen darüber zu reden, wer vielleicht etwas weniger bekommt als in den vergangenen Jahren, kaum einer redet über denjenigen, der über Steuern und Abgaben als Leistungserbringer das ganze finanzieren muß. Leistungserbringer und Finanzieren: Ich denke jetzt auch nicht an irgendwelche anonymen Reichen, und ich werde auch nicht polemisch und erinnere an das Geflecht zwischen einem gewissen hessischen Richter, der SPD und der IG Metall. Die Zeche wird vielmehr von der großen Masse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlt, und von diesen haben Sie sich längst entfernt. „Es gibt keinen Zweifel, daß wir ein Zurückstekken von vielerlei Ansprüchen ... verlangen, von vielerlei Ansprüchen, die sich in einer Zeit anhaltenden Wachstums entwickelt hatten und die auf eine ständige Zunahme des verteilbaren Sozialprodukts abgestellt waren." Dieses Zitat stammt aus dem Jahre 1975, aus der Haushaltsrede des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Es gibt nur einen kleinen, aber gewichtigen Unterschied. Helmut Schmidt hat dieses vor gut 20 Jahren in einer völlig anderen weltwirtschaftlichen Situation gesagt. Es gibt ernstzunehmende Beobachter, die davon ausgehen, daß sich die Bedingungen für die deutsche Volkswirtschaft in den letzten 6 Jahren mehr verändert haben als in den vergangenen 60 Jahren. Und es gilt, diese Bedingungen zur Kenntnis zu nehmen. Ich könnte noch einiges aus der Rede von Schmidt zitieren, wenn er etwa sagt, es werde heute den Bürgern etwas abverlangt, aber er wisse von vielen Diskussionen und aus Meinungsumfragen, daß „unsere Bürger dies besser verstehen" als offenkundig bestimmte selbsternannte Eliten. Ich glaube in der Tat, daß dies eines Ihrer Hauptprobleme ist: Sie bekommen nicht mehr so recht mit, was die Menschen tatsächlich denken. Die Menschen in unserem Land sind viel vernünftiger, als es die Politiker häufig wahrhaben wollen. Es gibt weitere schöne Zitate von Helmut Schmidt, die aus seinem Vortrag bei einem gesellschaftspolitischen Forum unter dem Titel „Deutschland im Umbruch - Die politische Klasse und die Wirklichkeit" stammen. Er stellt auch einige interessante Überlegungen an, wie denn wirklich neue Arbeitsplätze entstehen können, und macht sich seine Gedanken zur Feindschaft gegenüber technischen Neuerungen, die fast unser ganzes Volk erfaßt habe. Er macht deutlich, daß es darauf ankommt, daß wir uns in die Lage versetzen, solche Produkte auf unsere eigenen Märkte zu bringen, die andere einstweilen noch nicht erzeugen können. Als Beispiel nennt er die Magnetschwebebahn, die seit 20 Jahren in Ostfriesland im Kreise herumfahre - hier irrt Helmut Schmidt: nicht Ostfriesland, sondern Emsland -, aber er sagt auch, daß hier Bedenkenträger - und dazu gehört auch die große Mehrheit Ihrer Fraktion - jede neue Entwicklung blockierten. Genauso blockieren Sie notwendige Maßnahmen mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat. Wenn ich Fußballschiedsrichter wäre, müßte ich Ihnen als Mannschaft die Rote Karte zeigen, weil Sie das Spiel nach vorn blockieren und weil Sie nur noch daran interessiert sind, das Ergebnis zu halten, und damit alle Kreativität ersticken. Sie blockieren die Zukunft, Sie lehnen die Langzeitverantwortung ab. Kein Wunder, daß Sie bei den Jugendlichen und gerade auch bei den Jungwählern die Rote Karte gezeigt bekommen. Drittens. Der 97er Haushalt steht nicht im luftleeren Raum und ist deshalb auch nicht beliebig gestaltbar, sondern wird in weiten Teilen von der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Realität geprägt. Dementsprechend sind seine Freiheitsgrade. Wer die Staatsquote senken will - siehe Bündnis für Arbeit -, muß entweder die Ausgaben zurücknehmen oder er muß Wachstum erzeugen bei gleichzeitigem Konstanthalten des öffentlichen Sektors. Diese dynamische Sicht liegt mir als Volkswirt mehr. Zitat: „Die Zeit", 15. November 1996: „Es ist auch ein Irrglaube, daß ein genereller Verzicht auf Sparen die Politik sozialer macht. Denn die Schulden von heute sind die Steuererhöhung von morgen - und Steuern werden, weil sie nur dann genügend Masse bringen, vor allem bei den kleinen Leuten kassiert." Die Wahrheit ist - und der müssen wir uns stellen -: Wir haben ein Gebirge an Ansprüchen aufgebaut, das zum Hochgebirge zu wachsen droht, in dessen tiefen Schluchten die wirklich Bedürftigen Gefahr laufen zu verschwinden. Viertens. Das Anspruchsdenken ist auch eine entscheidende Ursache für die Ausweitung des Öffentlichen Dienstes. Jemand hat kürzlich davon gesprochen, daß wir die Kehrseiten unserer Wohlstandsgesellschaft präsentiert bekommen. Man könnte auch sagen: Wir erhalten jetzt die Vollkostenrechnung unserer Art und Weise zu leben, zu wirtschaften und zu arbeiten. Alles, womit der einzelne nicht fertig wird, wurde ihm früher von Familien, Familienverbänden und Nachbarschaften abgenommen. Jetzt hat sich ein Betreuungsstaat entwickelt, von der Wiege bis zur Bahre. Wieviel er kostet, merken wir erst jetzt, wo die exorbitanten Wohlstandssteigerungen ausbleiben und andere Länder konkurrenzfähig zu uns geworden sind. Unsere Ansprüche, über die wir ungern reden, sind das eigentliche Problem, nicht die Beamten sowie Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Unsere Ansprüche drücken sich auch darin aus, daß wir in Deutschland Spitzenreiter sind bei der Zahl der Staatsdiener pro 1 000 Einwohner, nämlich 40; Großbritannien 28, Dänemark 33, Belgien 36. Die Zahlen des Versorgungsberichtes und des Einzelplans 33 machen dies sehr deutlich: Von 1970 bis 1993 sind die Beschäftigtenzahlen beim Bund um 9,5 Prozent gestiegen, bei den Ländern um 52,5 Prozent, bei den Gemeinden um 49,1 Prozent, im Schnitt um 45,4 Prozent. Der Personalzuwachs der 70er Jahre, insbesondere bei den Ländern und Gemeinden, wird sich versorgungsmäßig vor allem in den Jahren 2020 bis 2025 auswirken. Nach den Berechnungen des Versorgungsberichts, den Bundesinnenminister Kanther jetzt vorgelegt hat und mit dem er auch die Schularbeiten von Ländern und Gemeinden erledigt hat, wird es im Jahre 2010 bei Bund, Ländern und Gemeinden voraussichtlich gut 1 Million Versorgungsempfänger geben; die Zahl steigt bis 2020 auf 1,27 Millionen, etwa 2023 erreicht sie mit 1,29 Millionen ihren Höchststand; danach sind die Zahlen rückläufig. Hier müssen die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Versorgungsquote, das heißt die Entwicklung der Versorgungsausgaben im prozentualen Verhältnis zur gesamtwirtschaftli- chen Leistung, dem Bruttoinlandsprodukt, stabil zu halten. Für den Bund ergibt sich tendenziell sogar eine Verringerung der Versorgungsausgaben, weil die Ausgaben für die sogenannten 131er sich von circa 500 Millionen im Jahre 1996 auf etwa 48 Millionen im Jahre 2008 verringern. Die 131er sind, vereinfacht gesagt, die Angehörigen des öffentlichen Dienstes von vor 1945. Der sogenannte Versorgungsberg, etwa mit seinem Höhepunkt im Jahre 2022, ist in erster Linie ein Länderproblem. Trotzdem sind wir der Auffassung, daß jetzt darangegangen werden muß, die Ausgaben im Jahre nach 2008 durch gesetzgeberische Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Dienstes zu begrenzen. Es liegt vornehmlich auch im Interesse der Länder, hierbei zügig voranzukommen. Ebenso wie beim Alterssicherungssystem Rente werden wir auch aus Gründen der gerechten Lastenverteilung zwischen den Generationen zusätzlich nicht umhinkommen, auch die heutigen Renten und Bezüge der Pensionäre flacher wachsen zu lassen, als das die gegenwärtigen Regeln vorgeben. Eine Neiddiskussion gegenüber dem öffentlichen Dienst halte ich für völlig unangemessen. Allerdings: Die Beamten sowie die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes sollen weder besser noch schlechter behandelt werden als die übrigen Beschäftigten. Deswegen bin ich auch sehr dafür, daß wir kurzfristig bestimmte Regelungen des Beamtenversorgungsrechts überprüfen, was auch kurzfristig zur Entlastung der öffentlichen Haushalte führen kann: Dazu gehören die Zulagen, deren Ruhegehaltsfähigkeit, die Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Versorgungsbezüge, die Anrechnung von Ausbildungszeiten beim Ruhegehalt, die Wartezeit für Versorgung aus Beförderungsämtern und die Versorgung der politischen Beamten, insbesondere der Staatssekretäre, bei Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Dieses muß überprüft und gegebenenfalls neu geregelt werden. Das, was für die Beamtenversorgung notwendig ist, muß auch in geeigneter Form auf die Zusatzversorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes übertragen werden. Die Ausgaben des Einzelplans 33 beruhen ausschließlich auf gesetzlichen Verpflichtungen. Er bietet damit im Grunde genommen kaum Gestaltungsspielraum. Durch die Änderungen beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - Wegfall von Entgeltbegrenzung - tritt gegenüber dem 96er Haushalt ein Mehrbedarf auf, da der Bund für bestimmte Berechtigte aufkommen muß. Außerdem haben wir ein Zeichen gesetzt bei der Absenkung des Ansatzes zum Beispiel für Beihilfen, da das, was wir den normalen Krankenversicherten zumuten, auch für den Beihilfeberechtigten gelten muß. Es bleibt dabei: Wirtschaftliche Entwicklung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Sicherung der sozialen Leistungssysteme hängen eng zusammen. Eine gute Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzpolitik sowie eine gute Sozial- und Gesellschaftspolitik bedingen sich wechselseitig. Wir packen Strukturveränderungen an, wir stehen für Modernisierung und gegen Besitzstandsdenken. Wirkliche Wertkonservative tun 1996 das, was die Besten ihrer Vorfahren heute getan hätten: Sie sind die Strukturkonservativen. Ich schlage vor, daß Sie Ihre Partei umbenennen. Die Kürzel SPD können Sie beibehalten. Sie sollten das aber übersetzen als: Strukturkonservative Partei Deutschlands. Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Haushaltsberatungen - so habe ich mir zumindest von meinen Kolleginnen und Kollegen im Innen- und Haushaltsausschuß berichten lassen - waren auch in diesem Jahr für die Opposition so unerfreulich wie in den Vorjahren. Gute Argumente zählen nicht. Zu Mehrheiten auch einmal quer zu den Fraktionszugehörigkeiten fehlen Mut und Souveränität. Für Großzügigkeiten ist nicht die Zeit. „Business as usual" also! Auch wenn sich ringsum vieles verändert, die Bonner Koalition verweigert sich allen Änderungen. Sie halten genauso fest an der überdimensionierten Ausstattung des Nachrichtendienstes für die Auslandsaufklärung wie am Regierungsbunker in der Eifel, als ob der Russe noch immer vor der Türe stünde. Umgekehrt verweigern Sie die Finanzierung wirklich notwendiger Leistungen und Reformen. Es stellt sich hier wie auch in den anderen Ressorts die Frage: Wird eigentlich diese Regierung, wird der Innenminister, wird die Koalition wenigstens den selbst gestellten Ansprüchen gerecht? Wir haben Halbzeit in Bonn. In der Mitte der Legislaturperiode sollten die wesentlichen Vorhaben, die eine Regierung anpacken will, auf den Weg gebracht sein. Die Reform des öffentlichen Dienstes geriet dem Innenminister zum Reförmchen. Zu Teilzeitarbeit oder Besetzung von Führungspositionen auf Zeit im öffentlichen Dienst kann er sich nicht durchringen. Ein wesentliches Vorhaben der Regierung war, die Integrationsleistungen für die hier lebenden Menschen ohne deutschen Paß deutlich zu verbessern und denen, die es wollten, die Chance einzuräumen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Die umstrittene Frage, ob das Gemeinwesen es denn wohl verkraften könne, wenn ein Bürger oder eine Bürgerin zwei Pässe und damit zwei Staatsangehörigkeiten habe, wollten Sie wenigstens für die Kinder unter Hintanstellen Ihrer schweren Bedenken ob der Reinheit der Lehre vom Blutsrecht der deutschen Staatsangehörigkeit umschiffen. Was haben Sie nun erreicht auf diesem Feld? Fehlanzeige, nichts! Ein ganzes Maßnahmenpaket zum Ausländerrecht haben Sie zwar verabschiedet. Aber was findet sich darin? Integrationsverbessernde Maßnahmen in Spuren, repressive Vorschläge kiloweise. Die Staatsangehörigkeitsfrage ist ausgeklammert. So behandelt diese Regierung die Schwerpunkte ihrer Politik. Ziemlich genau vor zwei Jahren hat der Bundesinnenminister in der Debatte zur Regierungserklärung hier am 23. November 1994 verkündet, die Innenpolitik werde ein wesentliches Feld der kommenden Legislaturperiode. Als sein Ziel beschrieb er in seiner Rede die „Gewährleistung eines verträglichen Zusammenlebens der Gruppen und der einzelnen" und fügte dann hinzu: „Ganz besonders trifft dies für die Frage des verträglichen Zusammenlebens von deutschen und ausländischen Mitbürgern in Deutschland zu." Eigentlich ist das merkwürdig, denn ginge es nach dem Innenminister, könnten gar keine ausländischen Mitbürger hier leben. Mit einer Beharrlichkeit sondergleichen behauptet der Herr Kanther ja, kürzlich erst wieder in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Deutschland sei kein Einwanderungsland. Ich glaube ihnen ja, daß sie Zuzug für die Zukunft verhindern wollen. Aber was hat denn seit den 50er Jahren hier stattgefunden? Einwanderung in ganz erheblichem Maße, ohne die das Wirtschaftswunderland Deutschland nicht so groß geworden wäre, wie es ist. Daß jemand, der Realitäten so dreist leugnet, Minister sein kann, ist schon absurd. Was der Innenminister unter Integration wirklich versteht, haben wir dieser Tage erfahren. Da führt das Bundesverwaltungsamt, eine dem Innenminister nachgeordnete Bundesoberbehörde, auf dessen Weisung, aber ohne Rechtsgrundlage, eine Datei, in der die Daten von 900 000 eingebürgerten, ehemaligen Ausländern gespeichert werden. Das ist das organisierte Mißtrauen in Person des Verfassungsministers unter Duldung eines Koalitionspartners, der sich damit zufriedengibt, daß die von ihm gestellte Ausländerbeauftragte genauso regelmäßig wie folgenlos empört ist. Das hätte sich mancher hier im Hause vor einigen Jahren noch nicht vorstellen können. Es ist ein Desintegrationsminister, dem der innere Frieden und die innere Sicherheit angeblich so viel gilt, der in seinem abgrundtiefen Mißtrauen gegen alles Nichtdeutsche illegale Dateien anlegt und der von dem vermeintlich liberalen Koalitionspartner, der sich früher der Freiheit des einzelnen Bürgers verschrieben hatte, nicht gebremst wird. Es hat ja eine lange Tradition, daß der Verfassungsminister nicht täglich mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen will, und es wundert auch niemanden, daß dieser Innenminister solche Dinge tut. Der eigentliche Skandal ist, daß es keinen Aufschrei der Liberalen gibt. Aber wie auch immer, die sind mit der eigenen Existenzsicherung über alle Maßen beschäftigt. Die F.D.P. ist als Bürgerrechtspartei und Freiheitspartei eine Nullnummer. Sie hat sich, wie ihr enttäuschter Abgeordneter Lüder schon vor Jahren resümierte, von der Rechtsstaatspartei zur rechten Staatspartei entwickelt. In einem Punkt muß ich dem Bundesinnenminister allerdings recht geben. In einem Interview mit der „Welt" sagte er: „Eine offene Gesellschaft erträgt keine Tabus!" Da hat er recht. Aber seine Politik lebt ja geradezu davon, daß er Tabus, wo immer er kann, pflegt. Am besten sichtbar ist das in der Drogenpolitik. Tabu ist es für den Innenminister und den Drogenmissionar Sauer, neue Wege in der Drogenpolitik zu betreten. Es braucht nur einer Ankündigung aus Schleswig-Holstein, da heulen sie auf - wie Alkoholiker, denen man den Schnaps wegnimmt -, da werden sie hibbelig, wie der Raucher, der am Samstagabend keine Zigaretten und kein Fünfmarkstück mehr hat. Im Bereich harter Drogen diskreditieren Sie jeden Versuch einer humanen Drogenpolitik, die an der Hilfe für die Abhängigen ausgerichtet ist. Jetzt wollen Sie im Verein mit den Franzosen, die die schlechteste Bilanz in der Drogenpolitik zu verzeichnen haben, den Holländern zu Leibe rücken, damit sie ihre erfolgreiche Drogenpolitik aufgeben und die Coffeeshops schließen. Die „Süddeutsche Zeitung" kommentierte in der letzten Woche: „Drogenpolitiker aber, die neue Erkenntnisse ablehnen, haben kapituliert - vor der Mafia und vor der Sucht." In der Tat. Im ersten halben Jahr 1996 starben 753 Menschen durch Drogenkonsum, 71 mehr als in der ersten Jahreshälfte 1995. In Frankfurt sinken die Zahlen, in Städten, die auf repressiven Kurs in der Drogenpolitik setzen, steigen sie. Sie weigern sich, das zur Kenntnis zu nehmen. Statt dessen nehmen Sie lieber in Kauf, daß Ihre repressive Linie weiter die Mortalität unter den Drogenabhängigen steigert. Sie weigern sich, durch staatlich kontrollierte Abgabe die Süchtigen vor den Fängen der Drogenmafia und vor dem Schritt in die Beschaffungskriminalität zu bewahren. Ihre Drogenpolitik begünstigt letztendlich die Drogenmafia, Herr Minister! In Schleswig-Holstein wollen Sie den Versuch verhindern, mit der Trennung der Märkte für harte und weiche Drogen den Einstieg für Jugendliche in den Markt der harten Drogen zu erschweren. Was für eine Befriedigung verschafft es Ihnen eigentlich, jährlich lieber 30 000 Jugendliche wegen Besitzes von ein paar Gramm Dope zu belangen und 8 000 von ihnen zu verurteilen? Wer sich dagegen in der Apotheke all die legalen Aufputschmittel besorgt, wer sich die Lunge mit Nikotin vollpumpt oder mit Alkohol die Leber ruiniert, wer angepaßt seiner Drogensucht nachgeht, der kann es hierzulande weit bringen. In Ihrer Drogenpolitik ist alles faul, was nur faul sein kann. Statt effektiv Sucht und Verbrechen einzudämmen, pflegen Sie lieber Vorurteile. Sie beschimpfen gar die Justiz, die nach Ansicht des Innenministers zu lasch gegen das organisierte Verbrechen - natürlich in seinen Augen nur das von Ausländern verübte - vorgehe. Solche Fundis wie die Herren Kanther, Marschewski und Westerwelle gibt es in meiner Partei schon lange nicht mehr. In der Koalition geben sie immer mehr den Ton an. Je schlechter es der Koalition geht, desto tiefer stecken die Reformkräfte in Ihren Reihen den Kopf in den Sand. Mit den Bürgern im Lande, mit den Gruppen und einzelnen, deren gedeihliches Zusammenleben der Innenminister zu fördern uns vor zwei Jahren versprochen hatte, gehen Sie schlecht um. Es wird Zeit, daß Sie abgelöst werden. Ulla Jelpke (PDS): Bis heute hat sich die Bundesregierung nicht dazu entschließen können, zahlreichen NS-Opfern Entschädigung zu zahlen. Demgegenüber sieht der vorliegende Haushaltsentwurf 31,5 Millionen DM finanzielle Unterstützung für die Vertriebenenverbände vor. Das sind Mittel zur Unterstützung revanchistischer und geschichtsrevisionistischer Politik. Auf dem letzten „Tag der Heimat" in Berlin wurde Bundespräsident Herzog als „Vaterlandsverräter" beschimpft, weil er die Oder-Neiße-Grenze als polnische Westgrenze anerkannt und verteidigt hatte. Der Vizepräsident des BdV, Dr. Paul Latussek, verkündete hingegen auf derselben Veranstaltung: Die Oder-Neiße-Linie bleibt im Bewußtsein der Vertriebenen ein Unrecht, bis die vertriebenen Deutschen ihr Ansiedlungsrecht in der ostdeutschen Heimat und ihr Eigentum in Besitz nehmen können. Sie haben sich nicht verhört. Herr Latussek spricht nicht etwa über Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Sachsen, sondern über polnische und russische Territorien! Solche völkerrechtswidrigen Äußerungen sind keine Minderheitspositionen innerhalb der Vertriebenenverbände, sondern werden von Funktionären vertreten. Fünf Präsidialmitglieder des BdV und der Vorsitzende des BdV-Berlin unterstützten Latusseks Positionen. Wir haben in unseren Anträgen an den Innen- und Haushaltsausschuß gefordert, die Vertriebenenverbände nicht mehr aus Bundesmitteln zu finanzieren. Diese Anträge fanden keine Mehrheit. Auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPD haben gegen unsere Anträge gestimmt, obwohl der Kollege Körper eine gründliche Überprüfung der Mittelvergabe gefordert hatte. Wenn es darauf ankommt, Stellung zu beziehen, weichen sie aus. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Sie predigen Wein und reichen Wasser! Die Mehrheit dieses Hauses ist offensichtlich nicht willens, die Finanzierung von Verbänden einzustellen, die rassistische, antisemitische, verfassungsfeindliche und völkerrechtswidrige Positionen vertreten. Selbst der Bundesfinanzhof und das Bundesministerium der Finanzen haben einräumen müssen, daß Forderungen nach Gebietsansprüchen in osteuropäischen Staaten mit der Gemeinnützigkeit eines Verbandes nicht zu vereinbaren sind. Ich zitiere aus dem 1991er Urteil des Bundesfinanzministeriums: Satzungszwecke wie „Wiedervereinigung mit den Vertreibungsgebieten" oder „Eingliederung der Vertreibungsgebiete" sind (...) schädlich für die Gemeinnützigkeit eines Vertriebenenverbandes. Die Verfolgung dieser Ziele ist keine Förderung der Allgemeinheit, weil solche Bestrebungen im Widerspruch zu den völkerrechtlich verbindlichen Verträgen der Bundesrepublik Deutschland mit ihren östlichen Nachbarn und zum Grundgesetz stehen. Unsere Bedenken sind derart schwerwiegend, daß wir den Bundesrechnungshof gebeten haben, die Mittelvergabe an die Vertriebenenverbände zu überprüfen. Skandalös ist auch der Umgang der Bundesregierung mit den Verhandlungen über das deutschtschechische Regierungsabkommen. Die Bundesregierung mußte auf unsere Anfrage hin zugeben, daß sie den Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Neubauer, „wiederholt über den jeweiligen Stand" der Verhandlungen informiert hat, obwohl die Bundesregierung auf unsere Nachfrage hin einräumen mußte, daß dieser in rechtsextremen Verlagen publiziert und damit über enge Beziehungen ins rechtsextreme Lager verfügt. Der rechtsextreme Flügel der Sudetendeutschen sitzt demnach als unsichtbare dritte Kraft mit am deutsch-tschechischen Verhandlungstisch, während der Bundestag bis heute noch nicht über den Stand der Verhandlungen unterrichtet worden ist. Dies ist einfach unglaublich. Die Kumpanei zwischen der Regierung und dem nach rechts hin offenen Spektrum ist kein Einzelfall. Ich frage Sie: Ist es vorstellbar, daß in einem anderen westeuropäischen Land einem Historiker ein hoher Staatsorden verliehen wird, der den Holocaust leugnet und die Kriegsschuldlüge verbreitet? In der Bundesrepublik ist dies offensichtlich möglich. Alfred Schickel, Leiter der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt, ist seit 1989 Träger des Bundesverdienstkreuzes, obwohl selbst Staatssekretär Lintner jüngst zugeben mußte, daß Schickels Äußerungen teilweise den Aussagen von Rechtsextremisten entsprechen. Die Vertreter der extremen Rechten werden aus dem Bundesetat finanziert, ihnen wird das Bundesverdienstkreuz verliehen und sie sitzen als unsichtbare Partner mit an den Verhandlungstischen. Sie werden finanziert und hofiert - und dies ohne Aufschrei im Parlament. Ich komme zu einem weiteren Punkt. Beim Ausbau des Polizei-Apparates kennt diese Bundesregierung keinerlei Grenzen: Auf der morgigen Sitzung der EU-Innen- und Justizminister soll beispielsweise das Mandat der „Europäischen Drogenbekämpfungsbehörde" für den Bereich des Menschenhandels beschlossen werden. Die Betroffenheit in der Bevölkerung über die letzten Sexualverbrechen versucht die Bundesregierung schamlos dafür auszunutzen, eine gesellschaftliche Akzeptanz für ein unsinniges und überflüssigeis Projekt, genannt EUROPOL, künstlich zu erzeugen. Ich sage Ihnen - das Bitterste ist hierbei, daß sich die Bundesregierung nicht zu schade war, ausgerechnet geplante Schutzmaßnahmen für Opfer und Zeugen und Zeuginnen des Menschenhandels, wo es nur ging, zu behindern, und dies mit der infamen Begründung, einen „Mißbrauch" dieser Schutzmaßnahmen „auszuschließen" . Hier macht die Bundesregierung Frauen als Opfer sexueller Gewalt wieder einmal zu Täterinnen. In den kommenden Wochen soll die Novelle des BKA-Gesetzes in aller Heimlichkeit über die parlamentarischen Hürden gehievt werden. Dieses Gesetz droht, das föderale System im Polizeibereich vollends zu unterlaufen. Ich frage mich: Was möchten Sie vor der Bevölkerung eigentlich so Wichtiges geheim halten? Dafür interessieren Sie sich offenkundig brennend für das Privatleben der Bürgerinnen und Bürger. Die Polizei wird für den Großen Lauschangriff weiter aufgerüstet. Von der CSU bis zur SPD wird die Einführung des Großen Spähangriffes geplant. Bis in den letzten Winkel, bis in den vom Bundesverfassungsgericht absolut geschützten Privatbereich möchten Sie die Bevölkerung aushorchen und ausspähen. Von Bürgerrechtsvereinen wie der Humanistischen Union, dem Republikanischen Anwaltsverein, den Strafverteidiger-Initiativen sowie von namhaften Juristinnen und Juristen - wie zum Beispiel dem Hannoveraner Professor Jürgen Seifert - wurde Ihnen bescheinigt, daß Sie auch mit einer Änderung von Art. 13 GG lediglich „verfassungswidriges Verfassungsrecht" schaffen (Kritische Justiz 3/92). Auch sogenannte „Schleuser" von Flüchtlingen wollen Sie künftig belauschen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition und der SPD, Ihre harte Asylpolitik, die Flüchtlingen kaum mehr einen Weg nach Deutschland offen läßt, hat die Schlepper erst an die Fleischtöpfe geführt. Ändern Sie Ihre Strategie der europaweiten Abschottung und Ausgrenzung gegenüber Flüchtlingen, und Sie brauchen keine Schlepper mehr zu belauschen. Sie haben dann deren Märkte ausgetrocknet. Ähnliches gilt für Verstöße gegen das Betätigungsverbot der PKK. Auch hier soll die Polizei im großen Stil abhören dürfen. Aber auch hier ist Entkriminalisierung der richtige Weg. Das PKK-Verbot muß aufgehoben werden; denn es ist undemokratisch und selbst nach Ansicht des Verfassungsschutzes wirkungslos. Dieses Verbot beraubt hier lebende Kurdinnen und Kurden ihrer Grundrechte. Sie werden in eine Gewaltfalle hineingetrieben. Wenn - wie jüngst in Hamburg und Köln - kurdische Fahnen toleriert werden, dann wird der Bundesinnenminister besonders nervös. Ich habe den Eindruck, Herr Kanther, daß Sie die sozialdemokratischen Innenminister auf der IMK-Sitzung letzte Woche nur deswegen so unter Druck gesetzt haben, weil auf den eben genannten Veranstaltungen die ansonsten von Ihrer Politik provozierte Gewalt kurdischer Demonstrantinnen und Demonstranten ausgeblieben ist. Es wird Sie nicht verwundern, daß wir diesem Haushalt nicht zustimmen werden. Fritz Rudolf Körper (SPD): Offensichtlich hat die Union - so ist Pressemeldungen zu entnehmen - ein neues Wahlkampfthema entdeckt: Die innere Sicherheit soll das Thema für die politische Auseinandersetzung im Jahre 1998 werden. Sie, Herr Innenminister Kanther, sparen nicht mit markigen Sprüchen, wenn es um das Thema Kriminalität geht. Manchmal läßt die Wortwahl den Schluß zu, daß Sie allzu leichtfertig mit dem Thema Kriminalität umgehen. Kampagnen, an deren Ende jeder um Eigentum und Leben fürchtet und in jedem Ausländer einen Verbrecher vermutet, nützen aber nur rechtsradikalen Schreihälsen, sonst niemandem. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß Deutschland bei der Furcht vor Kriminalität weltweit mit Japan an der Spitze liegt, was allerdings nicht unbedingt der realen Situation im Vergleich mit anderen Ländern entspricht. Ich will damit die Situation in unserem Land nicht beschönigen, aber der verantwortungsvolle Umgang mit dem Thema Kriminalität ist dringend vonnöten. Es gehört auch dazu, die Dinge beim Namen zu nennen. Die derzeitige Kriminalstatistik ist eine polizeiliche Anzeigenstatistik. Besser könnten wir vielleicht die Dinge beurteilen, wenn diese polizeiliche Kriminalstatistik ergänzt würde durch Aussagen unabhängiger Sachverständiger, die bei einer Bewertung auch Schwachstellen der Statistik beleuchten. Eine besondere Herausforderung stellt die sogenannte organisierte Kriminalität dar. Das Bundeskriminalamt schätzt, daß zwischen 1991 und 1995 in Deutschland ein Schaden von zirka 10,5 Milliarden DM durch die sogenannte organisierte Kriminalität entstanden ist. Die SPD hat schon vor drei Jahren Vorschläge zu einer effektiven Bekämpfung der organisierten Kriminalität gemacht. Wir wollen ein Beschlagnahmeverfahren einführen, das die Einziehung von solchen Vermögensgegenständen unabhängig von einem Ermittlungsverfahren oder von einer Verurteilung ermöglicht, die vermutlich durch eine schwere Straftat der organisierten Kriminalität erlangt wurden oder die zu solchen Straftaten verwendet werden sollen. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit reicht zur Beschlagnahme oder Einziehung aus, es sei denn, der Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigte widerlegt die Vermutung und weist nach, daß das Geld weder durch eine Straftat der organisierten Kriminalität erlangt wurde noch zu einer derartigen Straftat verwendet werden sollte. Auch haben wir Vorschläge gemacht zum Einsatz technischer Mittel zu Zwecken der Überwachung im präventiven und repressiven Bereich. Lange hat es allerdings bei Ihnen in der Koalition gedauert, bis Sie sich aufraffen konnten, die Wohnraumüberwachung überhaupt anzugehen. Nach wie vor scheint keine Übereinstimmung zwischen den Koalitionspartnern zu bestehen. Die Erfahrungen in anderen Ländern haben gezeigt, daß die organisierte Kriminalität insbesondere an den Wurzeln des Geldes gepackt werden muß. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich offensichtlich zu einem lukrativen Geldwäscheplatz entwikkelt. Beispiele haben gezeigt, daß wegen der einschränkenden Bestimmungen im Geldwäschegesetz von 1993 wesentliche eingeschleuste Summen nicht sichergestellt werden konnten. Das Geldwäschegesetz greift nicht. Beispielsweise wurden im Bundesland Hessen 1 300 Anzeigen registriert, aber kein Fall wurde zur Anklage gebracht. Das Geldwäschegesetz funktioniert trotz eines aufwendigen Meldesystems der Banken nicht. So führt der hessische Generalstaatsanwalt Schäfer auf der Jahrestagung des Bundeskriminalamtes 1996 in Wiesbaden aus, daß insbesondere die Beweisprobleme die Ursachen für die Erfolglosigkeit des Geldwäschegesetzes sind. Die Fassung des § 261 StGB legt den Verfolgungsbehörden heute die volle Beweislast dafür auf, daß das Geld aus einer bestimmten delikten Herkunft, wie zum Beispiel dem Rauschgifthandel, stammt. Dieser Nachweis der sogenannten Vortat ist in der Praxis aber kaum zu erbringen. Dem Einwand, mit einer Beweislastumkehr würde die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt, hielt Schäfer entgegen, daß zwischen einer Beweislastumkehr zum Nachteil einer Person oder zum Nachteil ihres Vermögens unterschieden werden müsse. Auf der von mir erwähnten Tagung des BKA in Wiesbaden befanden fast sämtliche Experten aus Italien und den USA, daß ohne eine solche Möglichkeit des Staates die organisierte Kriminalität nicht zu bezwingen sei. Auch deutsche Polizeiexperten aus den Ländern schlossen sich dieser Argumentation, die auf einschlägigen Erfahrungen in Europa und den USA fußt, an. Zur Bekämpfung der Kriminalität gehört es auch, der Korruption entgegenzuwirken. Den präventiven Maßnahmen in der Verwaltung und auf dem Gebiet des Dienstrechtes muß hohe Priorität eingeräumt werden. Aber auch die Erweiterung der Straftatbestände und die vollständige Beseitigung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Schmiergeldern sind dringend notwendig. Wir wollten mit unserem Antrag zu diesem Thema die Diskussion anstoßen. Mittlerweile liegen Gesetzentwürfe des Bundesrates und der Bundesregierung vor, über die zügig beraten und entschieden werden muß. Ein weiteres Phänomen ist, daß die Kriminalität immer stärkere internationale Bezüge bekommt. Auf dieses Phänomen kann nicht nur mit nationaler Polizeiarbeit geantwortet werden. Wir brauchen die internationale Zusammenarbeit. Bemerkenswert ist der Streit innerhalb der Bundesregierung über die Kompetenzen von Europol. Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig sieht wohl in der Leitung des Bundesinnenministeriums die Ursache dafür, daß innerhalb der Bundesregierung die Gespräche über Europol nicht vorankommen. Europol sollte von den jeweils zuständigen Polizeidienststellen in der Europäischen Union konkrete Ermittlungsmaßnahmen anfordern können. Da sind wir uns mit dem Justizminister einig. Auch was die Abstimmung zwischen den Aufgaben von Europol und Interpol angeht, muß die Bundesregierung stärker darauf hinwirken, daß es zu einer abgestimmten Zusammenarbeit unter dem Aspekt einer wirkungsvollen Kriminalitätsbekämpfung kommt. Dringend notwendig ist es nach meiner Auffassung, daß es endlich zur Verabschiedung des Bundeskriminalamtgesetzes kommt. Hier darf es nicht in erster Linie zu einem Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern kommen, sondern die effektive Bekämpfung von Kriminalität muß Meßlatte und Kriterium für ein neues BKA-Gesetz sein. Ein markantes Symptom unserer gesellschaftspolitischen Lage ist das Aufkommen und Anwachsen der privaten Sicherheitsdienste. Sicherheit wird damit zunehmend privatisiert und den Kriterien des Kommerz unterworfen. 1970 waren rund 330 Unternehmen mit rund 314 Millionen DM Umsatz als private Sicherheitsdienste tätig. Im Jahre 1990 waren es bereits 900 Unternehmen mit 2,3 Milliarden DM. 1993 waren es zirka 1 200 Unternehmen mit deutlich über 4 Milliarden DM Umsatz. 1992 erfaßten die Verwaltungsberufsgenossenschaften 194 000 Beschäftigte. Wir haben zu dem Bereich der privaten Sicherheitsdienste einen Antrag vorgelegt; denn die Regelungen der Gewerbeordnung und die Bewachungsverordnung reichen keinesfalls aus. Abgestufte Berufsqualifikationen sind nötig. Strengere Anforderungen an die Betreiber und an die Mitarbeiter sind zu stellen. Die waffenrechtlichen Befugnisse müssen eingeschränkt und datenschutzrechtliche Regelungen getroffen werden. Wer berufsmäßig Rechtsgüterschutz für Dritte betreibt, muß sich bei der Wahrnehmung von Notrechten an den Maßstäben messen lassen, die für Polizeibeamte ganz selbstverständlich sind. Dringlich ist auch die Änderung des Waffenrechtes. Hier zögert die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf. Aber insbesondere bei erlaubnisfreien Kurzwaffen besteht Handlungsbedarf. Diese haben bei den Sicherstellungen nach Straftaten immerhin einen konstanten Anteil von 60 Prozent. Eine Meldepflicht für erlaubnisfreie Waffen ist wohl das mindeste, was an Auflagen gemacht werden muß. Hier gibt es ebenfalls Handlungsbedarf. Kriminalität wird am wirksamsten an ihren gesellschaftlichen Wurzeln bekämpft. Wir brauchen eine bessere Erziehung und Bildung, wo verstärkt soziales Lernen ermöglicht wird, wo die Fähigkeit zur friedlichen Konfliktlösung stärker vermittelt und der Gewaltbereitschaft entgegengewirkt wird. Dies gilt auch für die Medien. Gewaltdarstellungen und Gewaltanwendungen, die täglich über den Bildschirm flimmern, sind in ihren negativen gesellschaftlichen Folgen heute noch nicht zu übersehen. Wir brauchen eine Politik, die solidarische Verantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger fördert und fordert. Aussagen von Herrn Bundesinnenminister Kanther, die polarisieren und beispielsweise Ausländer pauschal ins Abseits stellen, sind nicht hilfreich. Rund 2 Millionen aller Ausländerinnen und Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland leben länger als 15 Jahre in unserem Land. Die vom Bundesinnenminister fortgeführte Diskussion um die Frage, „ob die Bundesrepublik Deutschland ein Einwanderungsland ist", ist weltfremd. Es kommt doch heute nicht darauf an, ob Deutschland ein Einwanderungsland sein will oder nicht. Es stellt sich gegenwärtig nur die Frage, ob das tatsächliche Phänomen von der Politik zur Kenntnis genommen wird und wie man damit umgeht. Die sozialen Spannungen in unserem Land haben sich verschärft. Die Integration derjenigen, die in un- ser Land kommen, gelingt zunehmend weniger. Dies gilt insbesondere auch für den gesamten Aussiedlerbereich. Ganz persönlich sage ich, daß ich keine Zuwanderung haben möchte, die Randgruppen unserer Gesellschaft schafft und Menschen ausgrenzt. Die Fähigkeiten unseres Landes zur Integration müssen ausgelotet und umgesetzt werden. Die Leistungsfähigkeit unserer Sozialsysteme, die Infrastruktur und die Akzeptanz der Bevölkerung sind die maßgeblichen Grundlagen. In der Zukunft werden wir an der demographischen Entwicklung nicht vorbeigehen können. Davon hängt ganz entscheidend ab, wie wir unsere sozialen Sicherungssysteme erhalten können. Darüber muß heute schon nachgedacht und die richtigen Weichen müssen gestellt werden. Ein ideologiegesteuertes Gerede hilft nicht weiter. Die Haushaltsberatungen sind Anlaß, Bilanz zu ziehen, was beispielsweise im Bereich der Innenpolitik getan wurde und getan werden muß. Wir haben und wir werden unsere Beiträge beisteuern, um gemeinschaftsorientierte Werte wie Hilfsbereitschaft, Toleranz und Verantwortlichkeit zu fördern. Sicherheit läßt sich nicht ausschließlich durch repressive Maßnahmen des Staates produzieren. Was wir auch brauchen, ist die positive Wertorientierung unserer Gesellschaft. Das gilt vor allem für den Grundwert der Solidarität. Wir brauchen eine neue Politik für den inneren Frieden und die öffentliche Sicherheit. Manfred Kanther, Bundesminister des Innern: Die konsequente Stärkung der inneren Sicherheit bleibt zentrale Herausforderung der Innenpolitik. Unverzichtbar ist ein „integraler Ansatz", der die hier notwendigen Anstrengungen nicht in viele kleine Maßnahmen zersplittert, sondern alle verantwortungsbewußten politischen Kräfte im Interesse unserer Mitbürger auf dieses gemeinsame Ziel konzentriert. Verbesserungen in den Bereichen von Geldwäsche, Kronzeugenregelung, der Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption und Verbrechen oder Verschärfungen des Ausländerrechts gegenüber schwerkriminellen Ausländern haben das gesetzliche Handwerkszeug bereits beachtlich komplettiert. Im Kampf gegen besonders schwere Straftaten benötigt der Staat dringend auch das Recht zur Überwachung von Gangsterwohnungen. Nach jahrelangen politischen Auseinandersetzungen ist mit der Einigung auf die „Eckpunkte für die Wohnraumüberwachung zur Beweismittelgewinnung" der Durchbruch gelungen; jetzt müssen die notwendigen Ergänzungen von Grundgesetz und Strafprozeßordnung folgen. Den dazu wegen der erforderlichen Verfassungsergänzung notwendigen breiten Konsens zu finden ist eine große Aufgabe, die zugleich ein deutliches Zeichen dafür setzen wird, daß alle politisch verantwortlichen Kräfte die Rechtsordnung entschlossen verteidigen. Dazu müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die organisierte Kriminalität an ihrem Nerv zu packen, am Geld. Dafür haben wir Vorschläge gemacht und werden ergänzende gerne prüfen; die Sache ruft nach schneller Einigung. Die Leistungsfähigkeit des Bundeskriminalamtes wird durch das BKA-Gesetz weiter gestärkt. Daher hoffe ich auf einen raschen Fortgang der parlamentarischen Beratungen. Auf europäischer Ebene ist der Aufbau der Polizeibehörde Europol ebenso wie die Schengener Kooperation weiter vorangekommen. Die Nutzung des Schengener Informationssystems wurde verbessert und die Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Staaten intensiviert. Die Möglichkeit grenzüberschreitender Observation und Nacheile wird zunehmend genutzt. Es reicht aber nicht aus, nur das Handwerkszeug zu verbessern. Vielmehr müssen die rechtlichen Möglichkeiten in vollem Umfang ausgeschöpft werden, damit Deutschland zunehmend zum heißen Pflaster für Täter wird. Da die Länder im Bereich der inneren Sicherheit mit Polizei und Justiz die Gesetze ausführen, ist dies eine Bewährungsprobe für den föderativen Staat. Um das Hereinschwappen von ständig neuen Tätern aus dem Ausland zu unterbinden, bleibt die Sicherung der Grenzen zentrale Aufgabe des Bundesgrenzschutzes. Hierfür konnten umfassende Maßnahmen zur Erhöhung seiner personellen Einsatzstärke und zur Verbesserung der Sachmittelausstattung vornehmlich an den Ostgrenzen eingeleitet bzw. umgesetzt werden. Es belegt den hohen Stellenwert dieser Aufgabe, daß trotz anhaltend schwieriger Haushaltslage das Finanzvolumen des Bundesgrenzschutzes gegenüber dem Vorjahr nochmals um etwa 120 Millionen DM auf insgesamt über 3 Milliarden DM gesteigert werden konnte. Grenzsicherheit ist aber mehr als nur die Bewachung einer Linie im Gelände. Vielmehr muß der Grenzraum als neue kriminalpolizeiliche Herausforderung gesehen werden, die verstärkte Kooperation von Bundesgrenzschutz und Landespolizei im Grenzbereich ebenso verlangt wie den Ausbau grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit den Behörden Polens und Tschechiens. Mit Fragen der Ausländerpolitik haben wir uns am 14. November 1996 eingehend befaßt. Was die Rückführung der bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge betrifft, ist das in der letzten Woche unterzeichnete Rücknahmeabkommen mit Bosnien-Herzegowina ein bedeutender Schritt auf dem Weg, die Bürgerkriegsflüchtlinge in ihre Heimat zurückzuführen. Der Spätaussiedlerzugang ist nicht zuletzt aufgrund der vielfältigen Hilfeleistungen deutlich zurückgegangen und belegt das Vertrauen in die bewährte Aussiedlerpolitik der Bundesregierung. Mehr als 25 000 Sprachkursplätze, die in Rußland und Kasachstan bereits eingerichtet wurden und deren Zahl zügig weiter erhöht werden soll, tragen dazu bei, die Identität der Rußlanddeutschen zu erhalten und ihre eventuell spätere Integration hier zu erleichtern. Eine zukunftsfähige öffentliche Verwaltung verlangt ein modernes öffentliches Dienstrecht als Grundlage einer leistungsorientierten, flexiblen und bürgerfreundlichen Verwaltung. Das Konzept für eine Reform, die zu mehr Effizienz bei geringeren Kosten führt, liegt vor. Ich hoffe, daß die vom Vermittlungsausschuß eingesetzte Arbeitsgruppe möglichst rasch zu konsensfähigen Lösungen kommt, zumal die Länder die Masse der Bediensteten beschäftigen. Ich bin im Interesse der Sache jedenfalls kompromißbereit, sofern die Eckpfeiler der Reform unangetastet bleiben. Vor allem sollte es keine Neiddebatten gegen den öffentlichen Dienst geben. Der von mir vorgelegte Versorgungsbericht zeigt erstmals und umfassend die Entwicklung der Versorgungskosten im öffentlichen Dienst und schafft damit die Grundlagen, die Versorgungsausgaben auch in den zu erwartenden Jahren der Spitzenbelastung volkswirtschaftlich erträglich zu halten. Die Verschlankung staatlicher Strukturen kommt voran, überschüssiger Verwaltungsaufwand wird abgebaut und moderne Managementmethoden halten zunehmend auch im öffentlichen Dienst Einzug. Neue Formen des Verwaltungshandelns - wie zum Beispiel die Budgetierung - ermöglichen eine flexiblere und zugleich effizientere Aufgabenerfüllung. Im Bereich des Zivilschutzes als einem besonders anschaulichen Beleg für die Möglichkeit, staatliche Strukturen ohne Nachteil für die Bevölkerung abzubauen, ist die Budgetierung der Ausgaben für den THW bereits seit 1996 realisiert. Für das Bundesamt für Zivilschutz ist sie ab 1997 vorgesehen. Auch die Integrations- und Ausstrahlungskraft seiner Kultur bestimmt das Ansehen eines Staates. Im Prozeß der staatlichen Einheit der Deutschen wie auch auf dem Wege zur europäischen Einigung leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag. Daher steht die Koalition zur Verantwortung auch des Bundes, die Kulturförderung in dem ihm gesetzten Rahmen zu erhalten. Ich begrüße es sehr, daß der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages für diese Zusammenhänge immer viel Verständnis aufgebracht hat. Der Denkmalschutz liegt mir besonders am Herzen, gerade auch in den neuen Ländern, wo viel erste Hilfe an den in der DDR-Zeit vernachlässigten Baudenkmälern nötig ist. 1996 war ein von sportlichen Höhepunkten geprägtes Jahr, die den Einsatz von Fördermitteln des Bundes für den Spitzensport voll gerechtfertigt haben. Um weiter vorn mithalten zu können, bedarf es großer Anstrengungen. Gemeinsam mit dem Sport wurde daher das Förderkonzept 2000 und ein neues Trainerkonzept entwickelt. Im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage müssen die zur Verfügung stehenden Mittel zielgerichtet und effektiv eingesetzt werden. Bis auf ganz geringfügige Korrekturen werden wir auch den Kultur- und Sportbereich von Globalkürzungen für 1997 auszunehmen trachten. Den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, besonders den Berichterstattern für den BMI-Haushalt, möchte ich für vielerlei Unterstützung und Verständnis danken. Sie haben die haushaltsmäßigen Grundlagen dafür geschaffen, daß auch 1997 die Aufgaben der Innenpolitik zielsicher und entschlossen angepackt werden können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Das gehört leider in das gleiche Kapitel, in dem die praktische Umsetzung von Gesetzen, die der Bund in die Wege geleitet und beschlossen hat, auf sich warten läßt. Dadurch wird die praktische Arbeit für mehr Sicherheit und für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung behindert. Es ist richtig, daß wir in solchen Fällen immer wieder darauf hinweisen, daß die Länder es nicht dabei bewenden lassen können, beständig nach dem Bonner Gesetzgeber zu rufen, sondern vor ihrer eigenen Tür kehren müssen und

    Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
    die Dinge, die auf Länderebene machbar sind, wirklich umsetzen müssen.
    Ein Letztes. Bei allem Streben um eine Effektiverhaltung der deutschen Rechtsordnung und eine Reform der deutschen Justiz ist es meines Erachtens zugleich ein Gebot der Stunde, noch stärker den Schulterschluß, eine Harmonisierung und Zusammenarbeit auf europäischer Ebene herbeizuführen. Ich mache mich für einen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention stark, damit die dortigen Grundrechte für die Unionseinrichtungen und für die Unionsbürger unmittelbar gelten.
    Ich befürworte die Vergemeinschaftung gewisser Strafverfolgungsbereiche, und zwar sowohl in - wenn auch ganz wenigen - Bereichen des materiellen Strafrechts als auch im Bereich des Verfahrensrechts und hier insbesondere der strafrechtlichen Rechtshilfe, aber im übrigen auch der zivilrechtlichen Rechtshilfe.
    Ich strebe eine Verbesserung der Arbeit in der dritten Säule des Maastrichter Vertrages an; denn nur dort können wir Europa für die einzelnen Menschen auf diesem Kontinent deutlicher spürbar werden lassen. Ich möchte auch etwa Europol viel unmittelbarer in die staatsübergreifende Verbrechensbekämpfung einschalten.
    Ein intakter deutscher Ordnungsraum unter einem leistungsfähigen, einheitlicheren europäischen Dach, das ist auch und gerade in der Rechtspolitik die Devise. Ich bitte Sie deshalb, dem Justizhaushalt, der einer solchen Politik gewidmet ist, zuzustimmen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächste spricht die Kollegin Dr. Herta Däubler-Gmelin.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herta Däubler-Gmelin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Mutter bin ich gewöhnt, daß in schwierigen Situationen manchmal das Betonen guter Beispiele und gelegentliches Lob hilft. Das letzte Mal, als ich in der Haushaltsdebatte zum Justizhaushalt gesprochen habe, habe ich gesagt: Es ist manchmal schon ein bißchen schrecklich, was man hier unter Rechtspolitik versteht. Statt Lust hauptsächlich Last und Frust, weil sich überhaupt nichts geändert hat, verehrter lieber Herr Bundesjustizminister und meine Damen und Herren, die Sie mir alle so sympathisch sind.
    Deswegen will ich es jetzt einmal mit einem Lob probieren, mit einem Lob, das ich übrigens guten Gewissens aussprechen kann; denn es bezieht sich auf die Einrichtung des Seegerichtshofs in Hamburg und auf die Ernennung und die erfolgreiche Wahl eines deutschen Mitglieds. Ich glaube, das ist eine gute Sache. Man sollte das auch sagen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Jetzt aber, meine Damen und Herren, komme ich auf den zweiten Teil zu sprechen. Sie dürfen uns in Zukunft nicht mehr enttäuschen, indem Sie in der Rechtspolitik so weitermachen wie bisher, sonst wäre ein pädagogischer Lehrsatz aus den Angeln gehoben. Wenn Sie schon eine schlechte Rechtspolitik machen, können Sie es so weit eigentlich nicht verantworten.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Ich wußte doch, da kommt noch etwas nach!)

    - Aber natürlich kommt das nach, und zwar einfach deshalb, weil Sie doch selber, lieber Herr von Stetten, ganz genau wissen, daß eigentlich der Kollege Kleinert - ich hatte schon gehofft, daß er wieder hereinkommt - recht hat. Jawohl, der Ton unter den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern ist außerordentlich gut. Daß Sie uns aber unglaublich viel zumuten

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sie uns auch!)

    und gelegentlich eigentlich eine Erschwerniszulage zahlen müßten, will ich an dieser Stelle auch noch einmal erwähnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich wundere mich jedenfalls manchmal, daß wir trotz alledem so fröhlich sind,

    (Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.]: Da müßten Sie noch Vergnügungssteuer zahlen!)

    obwohl sehr häufig kein Anlaß für diese Fröhlichkeit besteht.
    Man muß sich nur einmal überlegen, daß das von Ihnen Vorgetragene nicht nur zäh und frustig ist. Es kommt dann auch noch der geschätzte Kollege Kleinert herein und sagt, wir würden uns alle noch wundern, worauf Sie sich einigten. Lieber Herr Kollege Kleinert, wir werden uns nicht wundern, sondern wir wundern uns heute schon, worauf Sie sich manchmal einigen.
    Gesetze, die Sie mit Mehrheit durchdrücken wollen, werden heute - wenn Sie einen Funken Ehrlichkeit besitzen, werden Sie mir jetzt zustimmen müssen - in den Ausschüssen und speziell auch im Rechtsausschuß zum Teil in einer Verantwortungslosigkeit beraten, die gen Himmel schreit.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das bietet jedenfalls keinen Anlaß zum Vergnügen oder auch nur zum guten Ton.
    Es ist die schiere Wahrheit, daß von Sitzung zu Sitzung die Grundlagen unserer Beratungen häufig so verändert werden, daß nicht einmal die Koalitionsmehrheit weiß, worüber sie jetzt gerade abstimmt. Hauptsache, es ist positiv. Wir haben zum Beispiel beim Gesetz über die Einbeziehung von Einmalzahlungen in die Sozialversicherung eine Auskunft des Justizministeriums erhalten, daß es mit Sicherheit

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten könne. Dennoch wird von der Mehrheit zugestimmt, als sei nichts gewesen.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das Verfassungsgericht kann seine Rechtsprechung ändern!)

    Lieber Herr Geis, das neueste Beispiel hierfür gab es heute morgen - Sie wissen das ganz genau - bei der Beratung des Altschuldenhilfe-Gesetzes, bei der der Rechtsausschuß seine Beratungsaufgabe einfach nicht wahrnehmen konnte, weil noch nicht einmal die Zeit blieb, die Verfassungsmäßigkeit und die Bedenken, die uns von seiten der Landesjustizverwaltungen vorgetragen worden waren, zu prüfen. Aber es wird mit dem Hinweis zugestimmt: Der Herr wird's schon richten; irgendwo wird sich schon alles zurechtmäandern. Das halte ich nicht für befriedigend.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen sollten Sie, verehrter Herr Kleinert, gelegentlich daran denken, daß Sie sich nicht nur bei uns für den guten Ton - das ist ja auch wahr - bedanken, sondern auch etwas stärker an die Aufgabe der Rechtspolitik in diesem Haus erinnern und daran anknüpfen. Es täte der Arbeit und vor allen Dingen dem deutschen Recht wirklich gut.
    Ich will jetzt meine Aufforderung vom letztenmal nicht wiederholen. Ich will Ihnen nur sagen, daß ich es für sehr gut hielte, wenn Sie unsere Anregungen zur Lösung der Probleme unseres Landes, sei es nun die Sicherheit oder die Rechtsstaatlichkeit, wirklich etwas zeitgerechter, vernünftiger und auch vertiefter berücksichtigten. Das wäre sehr gut.
    Schauen Sie auf das Sanktionensystem: Wir alle wissen es - die Fachleute sagen es uns jeden Tag -, daß wir außer Geldstrafe und Strafhaft weitere Formen von Strafe brauchen, sei das nun soziale Arbeit oder anderes.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Prügelstrafe!)

    - Das ist nun wieder typisch, daß Ihnen das einfällt; aber dieses Wort sollte Ihnen im Hals steckenbleiben, verehrter Herr Kollege. - Neben der Zeitstrafe gibt es natürlich auch andere Dinge, zum Beispiel Fahrverbote.
    Diese Unernsthaftigkeit, mit der Sie sich diesen wirklichen Problemen widmen, zeigt im Grunde genommen - das liegt nicht nur an der späten Stunde in diesem Haus, das kann man ja noch nachsehen -, daß im Bereich der Rechtspolitik eine Einigung der Koalitionsfraktionen über wesentliche Punkte noch aussteht. Mit diesen Fragen werden Sie sich genauso befassen müssen wie mit der Frage der Erneuerung der Strafrahmenharmonisierung.
    Ihre Vorgängerin, Herr Bundesjustizminister, hat unseren Antrag - er hat bereits einen sehr langen Bart: schon 1993 haben wir gemahnt, daß wir ihn umsetzen; dort sind auch die Gründe, die Sie aufgezählt haben, enthalten - Gott sei Dank aufgegriffen und ans Laufen gebracht. Sie haben darüber berichtet.
    Ich habe aber nicht den Eindruck, daß Ihre Koalition bisher mit dem nötigen Ernst, der tatsächlich angebracht wäre, über diese Fragen redet, geschweige denn sich einigt.
    Zum ersten geht es darum, daß sich die Rechtsgüterordnung des Grundgesetzes auch im Strafgesetzbuch niederschlagen muß. Das ist wahr.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum zweiten geht es darum, daß man den Grundsatz „Die Kleinen fängt man, und die Großen läßt man laufen" aufgibt und den Schwerpunkt richtig setzt.
    Zum dritten geht es darum, daß wir den Charakter des Strafrechts und seine Funktion endlich wieder deutlich herausarbeiten. Damit hätte das Strafrecht eine Ultima-ratio-Funktion.
    Wir dürfen nicht alles, was wünschenswert wäre oder was sich gegen Mißstände richtet, die Ihnen oder uns - möglicherweise aus guten Gründen - nicht gefallen, in das Strafrecht hineinnehmen, weil wir ganz genau wissen, daß damit die Effizienz, die Wirksamkeit und auch der Respekt für das Recht - all das sind wesentliche Bestandteile unserer Rechtsstaatlichkeit - vor die Hunde gehen. Deswegen bin ich der Meinung, die Bezeichnung Strafrechtsreform im Zuge dieser Strafrahmenharmonisierung ist ein bißchen hoch gegriffen, wenn man diese Reform mit den großen Reformen der siebziger Jahre vergleicht.
    Ich habe Ihnen vorhin zugelacht und gesagt: Sie werden die Entschlossenheit und den kühlen Kopf brauchen. Aber ich denke, der Weg und die Richtung sind richtig.
    Zu einem weiteren Punkt. Ich freue mich, daß wir in einigen Bereichen durchaus Übereinstimmung in diesem Haus erreichen können. Darunter fällt der Bereich dieser schrecklichen Sexualmorde, die Sorgen - auch verursacht durch Rückfalltäter - in der Öffentlichkeit ausgelöst haben. Diese Sorgen sind verständlicherweise wieder aufgekommen.
    Jeder, der sieht, daß ein Kind einem Sexualmord zum Opfer gefallen ist, ist dazu verpflichtet, zu prüfen, ob das Verfahren der Verurteilung, das Verfahren der vorzeitigen Entlassung, das Verfahren der Begutachtung oder das Verfahren der Therapierung der Verbesserung bedarf. Jeder, egal ob er im Bereich der Gerichtsbarkeit, des Strafvollzuges, der Polizei, der Landesjustizverwaltungen oder des Bundestages tätig ist, ist dazu aufgefordert.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Deswegen finde ich es gut, daß wir gemeinsam das Anhörungsverfahren durchführen konnten. Ich finde es auch richtig, daß die Punkte, die Sie gerade geschildert haben und die im wesentlichen, wie wir wissen, auf einem Beschluß der Justizministerkonferenz des Bundes und der Länder beruhen, jetzt in die Gesetzgebung oder auch in die Verbesserung der Praxis eingebracht werden.
    Aber, Herr Bundesjustizminister, das ist natürlich noch nicht alles, was wir zu tun haben. Ich darf Sie

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    daran erinnern: Es gibt nicht allem die Opfer der schrecklichen Sexualmorde, die hier oder in Belgien die Öffentlichkeit beunruhigen. Es gibt daneben auch Kinder, die Opfer der sexuellen Ausbeutung und Mißhandlung werden und dadurch zerstört werden, die nicht Natalie heißen. Sie haben vielmehr einen thailändischen oder einen philippinischen Namen.

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    Es gibt in jedem Jahr eine höhere Anzahl deutscher Männer - dies muß ich sagen -, die als Sextouristen in diese Länder fahren, um Kinder zu zerstören. Es gibt in jedem Jahr mehr Schwierigkeiten im Bereich der Kinderpornographie. Daß unsere Schutzmechanismen, die wir eingebaut haben, nicht funktionieren, zeigt Ihnen ein Blick auf die Kioske oder in das Internet. Ich habe den Eindruck, wir werden in diesem Bereich noch erheblich mehr tun müssen.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Rosel Neuhäuser [PDS] Norbert Geis [CDU/ CSU]: Das ist richtig!)

    Mich ärgert, daß wir die Vermittlung von Kindern, die Vernichtung von Kindern in Deutschland nicht bestrafen können, weil wir zum Teil in unseren diesbezüglichen Gesetzen - ich spreche jetzt den § 5 des Strafgesetzbuches an - Schlupflöcher haben und weil zum Teil die Zusammenarbeit zwischen den Behörden des Bundes und der Länder einfach schändlich schlecht ist. Sie ist so schlecht, daß jemand 10 Monate sein Unwesen in der Zerstörung von Kindern betreiben konnte, nur weil ein zuständiges Gericht nicht gefunden werden konnte.

    (Otto Schily [SPD]: Das ist unerhört!)

    Das ist unglaublich. Wäre der Mann jetzt nicht wieder mit kleinen Mädchen in der Tschechei auf gegriffen worden, dann säße er noch immer nicht in Haft. Die deutschen Behörden hätten ihn nicht daran gehindert.
    Wenn wir den Schutz der Kinder in den Mittelpunkt rücken wollen, dann sind diese Dinge genauso zu berücksichtigen wie die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit Sexualmördern und Rückfalltätern um?
    Das gleiche gilt für die sexuelle Gewalt und den sexuellen Mißbrauch im familiären Nahbereich. Ich weiß, das ist ein Tabuthema, weil jeder von uns auf seine Familie als Ort der Zuneigung und Liebe großen Wert legt. Es ist natürlich auch nicht leicht, zu sehen, daß es immer häufiger Gewalt in übelster Form, auch sexuelle Gewalt und Mißbrauch, gibt. Das mag auch mit dem Zerfallen von Familien zu tun haben. Dazu gibt es die interessantesten Überlegungen.
    Meine Damen und Herren, wir können nicht warten, bis die Erklärungen so eindeutig sind, daß dann jeder zustimmt, etwas tun zu müssen. Ich sage Ihnen vielmehr: Zu einem Gesamtkonzept zum Schutz der Kinder vor sexuellem Mißbrauch und Gewalt - das fordern wir ein; das werden wir auch einbringen, wenn Sie uns etwas vorlegen - gehören auch Hilfestellung, Früherkennung, bessere Behandlung dieser
    mißbrauchten Kinder bei der Polizei und vor den Gerichten.
    Wir haben in diesem Zusammenhang einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die ständige Qual wiederholter Vernehmungen durch Videoaufnahmen wenigstens auf ein erträgliches Maß reduzieren soll. Zu diesem Gesamtkonzept gehört aber erheblich mehr. Deswegen sind wir der Meinung, hier gemeinsam noch eine ganze Menge zulegen zu müssen.
    Lieber Herr Kleinert, ich versuche es noch einmal: Niemand wird Sie als einen Macho beschimpfen. Um aber zu glauben, daß es Ihnen mit der Bekämpfung von sexueller Gewalt gerade im Nahbereich auch gegenüber Frauen Ernst ist, gehört nun einmal, daß man keine Privilegierungen schafft. Dazu gehört, daß man Frauen, die sich dazu durchgerungen haben, Anzeige zu erstatten, nicht weiter der Drucksituation oder dem Einflußbereich von Tätern aussetzt. Deswegen sage ich Ihnen: Es ist nicht ein kleines Rinnsal. Ihre Überlegung hat vielmehr einen falschen Ansatzpunkt.
    Wir haben die Bitte, noch einmal im Bundestag, nachdem der Bundesrat im Vermittlungsausschuß zwischen Bundesrat und Bundestag - Gott sei Dank - eine veränderte Fassung durchgesetzt hat, über diese Fragen abzustimmen. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wir werden in dieser Frage einen neuen Gesetzentwurf einbringen, und zwar sehr bald, weil wir Sie hier aus der Verantwortung nicht entlassen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch weitere Punkte aufgreifen, die mir einfach deswegen wichtig sind, weil sie in dieser Debatte eine große Rolle gespielt haben. Herr Heuer, was ich an Ihrem Vortrag außer dem, was schon dazu gesagt wurde, so schwierig fand, ist die Tatsache, daß Sie zwar den Positivismus bemühen, der an sich eine interessante, auch rechtstheoretische Denkweise bietet, daß es aber bei Ihnen so klingt, als wollten Sie relativieren. Das geht nicht.
    Das zweite, was mich an Ihrem Vortrag sehr gestört hat, war, daß Sie zwar, wie ich finde, durchaus begreiflich und zu Recht Anstoß nehmen, wenn zum Beispiel der Deutsche Bundestag polemisch verglichen wird mit dem Goldhagen-Zitat „Willige Vollstrecker" - wenn auch mit einem Fragezeichen versehen -, daß Sie dann aber, wenn es um die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bei Menschenrechtsverletzungen geht, von einer Sonderbehandlung der Deutschen sprechen. Das geht nicht. Das müssen Sie relativ bald überdenken und in Ordnung bringen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ein weiterer Punkt ist der, den Sie, Herr Beck, aufgegriffen haben, nämlich das Problem der Scientologen. Ich verstehe, daß Sie in ganz besonderer Weise sensibel sind, wenn es um Minderheiten geht. Ich denke, Sie hätten Ihren Überlegungen und der Tatsache einer bestehenden Enquete-Kommission noch zwei Dinge hinzusetzen müssen.

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    Erstens. Die Scientologen sind keine Kirche, sondern sie benutzen diesen Begriff, um möglichst wenig Kontrolle und möglichst viele Privilegien zu bekommen. Sie sind eine internationale Geldmaschine mit außerordentlich fragwürdigen Methoden ihren Anhängern oder Mitgliedern gegenüber. Das macht das Problem aus.
    Zweitens. Wenn Sie von Hexenjagd sprechen, dann muß ich Ihnen sagen: Wenn jemand in Amerika immer wieder in ganzseitigen Anzeigen die deutsche Bundesregierung, mit der ich inhaltlich, wie Sie wissen, keineswegs immer einverstanden bin, mit dem Hitlerregime oder deutsche Politikerinnen und Politiker mit Goebbels oder anderen vergleicht, dann ist das nicht nur eine Unverschämtheit, sondern völlig unerträglich und darf nicht geduldet werden. Das kommt dem Begriff der Hexenjagd viel näher als alles andere.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)

    Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Punkt ansprechen, der mir ebenfalls sehr wichtig ist. Verehrter Herr Bundesjustizminister, ich habe Sie schon mehrfach gepiesackt und darum gebeten, das Problem der engeren Zusammenarbeit in Europa wirklich ernst zu nehmen. Ich habe mich insofern über Ihre Ansätze sehr gefreut, weil ich in der Tat, wie wohl viele hier im Saal, der Auffassung bin, daß nichts Vernünftiges dabei herauskommen kann, wenn die Grenzen nicht mehr für die Verbrechen und für die Verbrecherorganisationen bestehen, sondern nur noch für nationale Gesetze, für Justiz und Polizei. Dann wird sich der Bürger fragen: „Wo ist denn eigentlich mein Rechtsstaat geblieben? Ich kann hier nicht mehr geschützt werden." Das heißt, Zusammenarbeit ist nötig.
    Die Bitte, die ich habe, ist nur: Wenn Sie einen neuen Anlauf nehmen, um die Zusammenarbeit zu verbessern, dann lassen Sie doch bitte nicht die ganze geballte Kraft ausschließlich in den Bereich fließen, von dem Sie gesprochen haben. Insbesondere der Beitritt der EU zur Menschenrechtskonvention, so wünschenswert er wäre, kann möglicherweise ein Irrweg sein. Der Grundrechtskatalog in Europa wäre sehr viel besser. Er würde auch dazu führen, daß man den Europäischen Gerichtshof, der sehr viele Vorarbeiten geleistet hat, in seiner - auch Grundrecht schützenden - Funktion gegenüber Aktionen und auch Gesetzen der Europäischen Union erheblich kräftigt. Ich glaube, daran muß uns allen gelegen sein.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, ich sollte noch einmal auf den Anfang zurückkommen. Ich denke, es liegt an Ihnen, uns hier im Haus vorzuführen, daß Rechtspolitik auch die wirklichen Probleme unseres Landes aufgreifen kann.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch)

    Wenn Sie sich darauf einigen würden, verehrter Kollege Kleinert, dann würde ich die Aussage „Ich wundere mich, warum wir alle so fröhlich sein sol-
    len" gar nicht mehr machen. Ich würde noch lieber in einigen Dingen mit Ihnen übereinstimmen. Aber ich glaube, Sie sind jetzt - um einen juristischen Begriff zu bringen - wirklich in der Bringschuld.
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD)