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    Plenarprotokoll 13/141 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 141. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. November 1996 Inhalt: Nachruf auf den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Hans Klein . . . 12667 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksachen 13/5200, 13/5836) 12668 B Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/6004, 13/6025) . . 12668 B in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/ 6005, 13/6025) 12668 C in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/6014, 13/6025) . . 12668 C Rudolf Scharping SPD 12668 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . 12673A, 12706 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 12675 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 12678 C Otto Schily SPD 12679 C Gabriele Iwersen SPD 12680 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 12682 D Günter Verheugen SPD 12684 B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12684 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 12689 B Otto Schily SPD 12693 A, 12714 B Dr. Gregor Gysi PDS 12693 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 12696 D Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 12705 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 12709 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 12713 C Dr. Burkhard Hirsch F D P. 12713 D Michael Glos CDU/CSU 12714 C Eckart Kuhlwein SPD . 12717B, 12721D, 12740 A Eckart Kuhlwein SPD 12717 D Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 12719 D, 12727 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 12720 B Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . 12721 A, C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12722 D Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . 12723 A Norbert Gansel SPD 12723 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 12724 A, 12726 D Volker Kröning SPD 12726 C Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12727 A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12727 C Steffen Tippach PDS 12728 D Dr. Eberhard Brecht SPD 12729 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 12731 B Ernst Kastning SPD 12733 B, 12748 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12735B, 12744 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . 12736C, 12743 B Jürgen Koppelin F.D.P 12737 B Günter Verheugen SPD 12738 B Ernst Kastning SPD 12739A, 12741 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 12739 B Uta Zapf SPD 12739 C Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 12740 B Paul Breuer CDU/CSU 12741 B Manfred Opel SPD 12742 B Walter Kolbow SPD 12744 B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 12746 A Namentliche Abstimmung 12748 D Ergebnis 12750 A Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 13/6019, 13/6025) . . . 12752 C Dr. Emil Schnell SPD 12752 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . . 12754 C Michael von Schmude CDU/CSU . . . 12754 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12756 D Roland Kohn F.D.P. 12758 B Dr. Willibald Jacob PDS 12759 D Adelheid Tröscher SPD 12761 A Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 12762 D Dr. R. Werner Schuster SPD 12763 C Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12764 C Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/6007, 13/6025) 12765 D in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 13/6025) 12765 D Gunter Weißgerber SPD 12765 D Manfred Kolbe CDU/CSU 12768 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12770C, 12787 B Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . . 12773 A Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . 12774 C, 12777 B Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12775 D Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12777 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 12777 D Jörg van Essen F.D.P. . . . . 12779D, 12785 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 12780 B Norbert Geis CDU/CSU .12783 C, 12787 D, 12788 C Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . 12784 B Horst Eylmann CDU/CSU 12784 C Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD 12785 C Otto Schily SPD 12788 B Margot von Renesse SPD 12788 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) 12788 D Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/6006, 13/6025) . . . 12789 A in Verbindung mit Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Gregor Gysi und der weiteren Abgeordneten der PDS: Vergütung der Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Überprülung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR beim Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/79, 13/459) 12789 B in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 13/6023) . . 12789 B Uta Titze-Stecher SPD 12789 C Ingrid Holzhüter SPD 12790 C Nächste Sitzung 12793 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12794* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zum Haushaltsgesetz 1997, hier: Einzelplan 06 - Bundesministerium des Innern -, zu dem Antrag: Vergütung der Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR beim Bundesministerium des Innern sowie zu Einzelplan 33 - Versorgung - Dr. Klaus- Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 12794* B Dr. Hermann Kues CDU/CSU 12796* C Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12798* C Ulla Jelpke PDS 12800* A Fritz Rudolf Körper SPD 12801* B Manfred Kanther, Bundesminister BMI . 12803* B 141. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. November 1996 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behrendt, Wolfgang SPD 27. 11. 96* Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 27. 11. 96* Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 27. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Gysi, Andrea PDS 27. 11. 96 Dr. Hauchler, Ingomar SPD 27. 11. 96 Krüger, Thomas SPD 27. 11. 96 Lehn, Waltraud SPD 27. 11. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 27. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Rupprecht, Marlene SPD 27. 11. 96 Scheel, Christine BÜNDNIS 27. 11. 96 90/DIE GRÜNEN Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 27. 11. 96 Schumann, Ilse SPD 27. 11. 96 Thieser, Dietmar SPD 27. 11. 96 Tröger, Gottfried CDU/CSU 27. 11. 96 Vosen, Josef SPD 27. 11. 96 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 27. 11. 96 Wallow, Hans SPD 27. 11. 96 Weis (Stendal), SPD 27. 11. 96 Reinhard Wieczorek (Duisburg), SPD 27. 11. 96 Helmut Wittich, Berthold SPD 27. 11. 96 Wohlleben, Verena SPD 27. 11. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zum Haushaltsgesetz 1997, hier: Einzelplan 06 -Bundesministerium des Innern-, zu dem Antrag: Vergütung der Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR beim Bundesministerium des Innern sowie zu Einzelplan 33 - Versorgung - Dr. Klaus-Dieter Uelhoff (CDU/CSU): Einleitend möchte ich einige grundsätzliche Anmerkungen zu gerade im Einzelplan 06 vorhandenen wichtigen Beispielen zur Modernisierung und Flexibilisierung des Haushalts machen. Es gibt dort vier budgetierte Komplexe: erstens Bundeszentrale für politische Bildung, zweitens Bundesanstalt für die Sicherheit in der Informationstechnik, drittens Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums und viertens Bundesanstalt THW. Bei der Bundeszentrale und bei der Bundesanstalt für die Sicherheit in der Informationstechnik sind jeweils globale Minderausgaben mit 2,6 bzw. 2,37 Millionen DM ausgebracht. Dies ist in Ordnung, weil bei einer Budgetierung und der damit verbundenen selbstverantwortlichen Haushaltsführung eine Einsparrendite erwartet werden kann. Dagegen greifen zwei weitere erheblich größere globale Minderausgaben in das Budgetrecht des Parlaments ein und bedürfen deshalb einer besonders kritischen Begleitung. Erstens. Im Regierungsentwurf waren bereits 55,5 Millionen DM als globale Minderausgabe vorgesehen. Zwar muß das Parlament diese Minderausgabe global beschließen, aber dann entscheidet beim Haushaltsvollzug im Prinzip die Exekutive allein ohne parlamentarische Letztentscheidung, wie und wo diese 55,5 Millionen DM weniger ausgegeben werden. Globale Minderausgabe ist immer auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Haushaltsklarheit. Dies darf das Parlament nicht wollen. Ich bin dem Bundesinnenminister sehr dankbar, daß er bereit war, gemeinsam mit den Berichterstattern und damit gemeinsam mit dem Haushaltsausschuß und gemeinsam mit dem Parlament diese 55,5 Millionen DM zu belegen und damit vor der abschließenden Beschlußfassung des Haushalts im Parlament wegzuschaffen. Zweitens. Die jüngste Steuerschätzung hat dieses Bemühen überrollt, und wir standen vor dem neuen Problem einer noch größeren globalen Minderausgabe. 150 Millionen DM kamen zu den 55,5 Millionen DM im Einzelplan 06 hinzu. Damit die Opposition nicht übermütig wird: Diese jüngste Steuerschätzung von unabhängigen Fachleuten hat nicht nur den Bund, sondern auch die 16 Länder in ihren Haushaltsberatungen unmittelbar getroffen. Wenn man also dem Bundesfinanzminister mangelnde Voraussicht vorwirft, gilt dies genauso für 16 Landesminister. Aber das eine ist so unseriös wie das andere. Interessant ist nur, wie die Länder mit ihrem Finanzloch fertig werden: Da gibt es interessante Unterschiede. Für das Saarland etwa hat die dortige Finanzministerin kürzlich in der „Wirtschaftswoche", genau am 21. November 1996, kurz und bündig erklärt, die nach der neuesten Steuerschätzung fehlenden 50 Millionen DM würden nicht durch weitere Sparmaßnahmen gedeckt, das heißt ja wohl durch höhere Neuverschuldung, also durch Abwälzen auf die nächste Generation. In der Hansestadt Hamburg wird das Finanzloch nach den jüngsten Steuerschätzungen sehr seriös durch Einsparungen geschlossen - 200 Millionen DM weniger durch zusätzliche Einsparbemühungen, siehe „FAZ" vom 27. November 1996. Wir haben uns im Bund auch für Einsparungen entschieden: zwar durch ungeliebte globale Minderausgaben, aber in enger Abstimmung mit dem Parlament, konkret mit den zuständigen Berichterstattern im Haushaltsausschuß aus allen Fraktionen, so wie wir das mit dem Innenminister bereits für die im Regierungsentwurf vorgesehene globale Minderausgabe verabredet hatten. Im übrigen hat der Bundesinnenminister bereits im Haushaltsausschuß - auch zur Zufriedenheit der Opposition - die Schwerpunkte genannt, die er bei der Belegung der globalen Minderausgabe setzen will. Aber es gibt wahrlich bessere Vorschläge für Einsparungen und kostenbewußtes Haushalten als globale Minderausgaben. Der Sachverständigenrat „Schlanker Staat" fordert eine möglichst flächendekkende Anwendung der Budgetierung. Doch Zauberworte wie „Budgetierung", „Flexibilisierung" und „Globalisierung" müssen immer am Budgetrecht des Parlaments gemessen werden. Dieses bleibt allem anderen übergeordnet. Wir werden deshalb als Berichterstattergruppe für den Einzelplan 06 im Haushaltsjahr 1997 mehrmals und regelmäßig mit dem Bundesinnenminister zusammenkommen und die Entwicklung der vier budgetierten Haushaltsteile kontrollierend begleiten. Vermehrte Budgetierung verlangt nach neuen Kontrollinstrumenten des Parlaments. Im Haushalt des Bundesinnenministers gibt es mehrere Beispiele, wie im Rahmen des geltenden Haushaltsrechts durch größere Eigenverantwortung der Verwalter Flexibilisierung und Einsparungen erreicht werden: Erstens. So konnten seit 1994 durch Titelzusammenlegungen und durch Bildung von gemeinsamen Töpfen 522 Einzeltitel wegfallen. Zweitens. Andere Möglichkeiten ergeben sich durch erweiterte Deckungsmöglichkeit oder durch Freigabe zur Selbstbewirtschaftung, so in 33 Fällen im Einzelplan 06 zum Beispiel beim BGS, beim Bundesamt für Zivilschutz oder bei der Kulturförderung. Drittens. Die überjährliche Nutzung von zurückfließenden Haushaltsmitteln ist zu nennen, was nebenbei auch ein gutes Medikament gegen das sogenannte Dezemberfieber ist. Viertens. Ein letztes Beispiel ist die Koppelung der Ausgabenentwicklung an die Einnahmemöglichkeiten. Ich weiß, daß solche haushaltsimmanenten Sparmöglichkeiten insbesondere die Verantwortung der Fachressorts stärken, wenn zum Beispiel bestimmte Einnahmen für Ausgaben bei verwandten Titeln gebraucht werden dürfen und nicht in den großen Topf des Gesamthaushalts fließen. Ich will keinen Zweifel daran lassen, daß ich die Möglichkeiten der Budgetierung und Flexibilisierung und damit der größeren Wirtschaftlichkeit und der Chance von Einsparungen zunächst und vor allem innerhalb der Exekutive sehe. Dies halte ich auch für angemessen und richtig. Flexibilisierung des Haushalts darf grundsätzlich nicht zu Lasten des Entscheidungs- und Kontrollrechts des Parlaments gehen. Wir müssen deshalb sehr darauf achten, daß die vielfältigen bisher nicht genutzten Möglichkeiten, über den Haushaltsvollzug zu mehr Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu kommen, vornehmlich das Zusammenspiel der Exekutive betreffen, wesentlich also die Eingriffsmöglichkeit des Finanzressorts in das Fachressort einschränken. Das Budgetrecht des Parlaments muß dabei unangetastet bleiben. Nun noch zu einigen wichtigen Einzelpunkten, die sich nach der ersten Lesung am 11. September 1996 ergeben haben. Trotz aller notwendigen Einsparungen bleibt ein Schwerpunkt bei der inneren Sicherheit, zum Beispiel der technischen Ausstattung von BKA und BGS. So werden die Mittel für den Bundesgrenzschutz auch in diesem Sparhaushalt nochmals verstärkt. Es ist wichtig, daß auch die notwendigen aktuellen Gesetzesvorhaben nicht an der Hürde des Bundesrates hängenbleiben, zum Beispiel BKA-Gesetz, Gesetz zur Änderung straf-, ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften. Für den auftragsgemäßen Einsatz des BGS, zum Beispiel im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, ist die Verlegung innerdeutscher Standorte wichtig. Der Grenzschutz gehört an die Grenze und die Bahnpolizei auf die Bahn. Ich begrüße ausdrücklich, daß der Einzeldienst nicht nur an der östlichen Staatsgrenze verstärkt wird, sondern mit 750 Beamten auch an der Westgrenze, die noch immer von Schleppern und Dealern besonders frequentiert wird. Stellenhebungen im mittleren Dienst des BGS sind auch über die jetzt vorgesehenen 350 Stellen notwendig, aber angesichts der derzeitigen Haushaltslage leider nicht machbar. Ich würde es aber ausdrücklich begrüßen, wenn der Regierung hier bei der Vorbereitung des nächsten Haushalts ein Durchbruch gelingen würde. Auch der neue Haushalt sieht für die deutschstämmige Bevölkerung in Osteuropa weiterhin wichtige Hilfen vor, zum Beispiel über 40 000 außerschulische Sprachkurse. Die Verringerung der Aussiedleranträge im laufenden Jahr um 60 000 zeigt deutlich, daß auch die Investitionen in den Siedlungsgebieten Früchte tragen. Ausgesprochen kontraproduktiv ist der Antrag der Landesregierung von Rheinland-Pfalz im Bundesrat, nach dem den Rußlanddeutschen kein kollektives Kriegsfolgenschicksal mehr zuerkannt werden soll. Wer den Menschen dort die gesetzliche Vermutung zur Feststellung ihrer Identität entzieht, zerstört wesentliche Perspektiven ihrer Zukunft. So wird nicht der Zuzug von Aussiedlern gebremst, sondern alle die, die seit langem ein Visum haben, werden zur sofortigen Reise nach Deutschland geradezu animiert. Der Umgang mit diesem Thema erfordert mehr Sensibilität, als sie bei dieser Bundesratsinitiative zum Ausdruck kommt. Die Ansätze für Kultur konnten wieder durchweg im großen Einvernehmen veranschlagt werden. Ich halte diesen Bereich besonders wichtig beim Zusammenwachsen und Wiederfinden beider Teile Deutschlands. So wird es nicht wundern, daß das so erfolgreiche Dach- und Fachprogramm zur Sicherung kleinerer Baudenkmäler in den neuen Bundesländern um 2 Millionen DM erhöht wird und daß zusätzlich in die Kulturförderung Projektmittelzuschüsse für Tübkes Bauernkriegsrotunde in Franken-hausen und für die Barlach-Gedenkstätte in Güstrow eingestellt werden konnten. Im Rahmen der Förderung des Hochleistungssports hatte ich in der ersten Lesung endlich die verbindliche Vorlage einer Trainerkonzeption verlangt. Mit großer Anerkennung für die zügige Arbeit des Deutschen Sportbundes und der Fachabteilung des Bundesinnenministeriums können wir nach wenigen Monaten erfreut feststellen, daß jetzt ein schlüssiges Konzept vorliegt, das einen zeitgerechten Gleichklang von Trainern und Sportlern sichert. Aufgabenbezogene Trainerverträge werden künftig auf maximal 4 Jahre befristet ohne Anspruch auf einen Anschlußvertrag. Die Anstellung der Trainer erfolgt bei den Fachverbänden, denen Mittel als Pauschale zur Verfügung gestellt werden. Mit einer Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 15 Millionen DM für 1998 soll den Fachverbänden auch formal Planungssicherheit gegeben werden. Wir werden die Durchführung und Beachtung des Trainerkonzepts in den nächsten Jahren weiter verfolgen. Die Sportförderung ist jedoch keine originäre Aufgabe des Bundes, sondern eine gesellschaftspolitische Frage, und damit aber auch nicht die lästige Pflicht einiger weniger, wie die Rückläufigkeit der Spendenbereitschaft der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahren vermuten läßt. Dies führte sogar dazu, daß die Sporthilfe in der Vergangenheit auf ihre Rücklagen zurückgreifen mußte. Wenn wir diese Tendenz fortschreiten lassen, dann wird die Sportförderung in naher Zukunft in ihrem Bestand gefährdet sein, und immer mehr internationale Wettkämpfe werden ohne deutsche Beteiligung auskommen müssen. Diese Entwicklung darf aber auch nicht dazu führen, daß wir hier das französische System der Sportförderung kopieren und nur noch einige wenige, prestigereiche Sportarten fördern. Wir müssen daher neue Wege zur Förderung des deutschen Hochleistungssports finden. Zum einen gilt es den Gedanken der Sportförderung breiter in die Bevölkerung zu tragen und zum anderen Möglichkeiten der Eigenfinanzierung aufzutun. Mein Vorschlag an dieser Stelle ist die Einrichtung eines Solidaritätsfonds. Durch Bundesmittel geförderte Sportler sollten bei Abschluß von Sponsorenverträgen in Millionenhöhe zum Beispiel entsprechende Fondszuschläge in die Abmachungen aufnehmen. Dies stärkt zum einen die Solidarität im deutschen Sport und bietet zum anderen den Verbänden die Möglichkeit der Eigenfinanzierung. Ein positives Signal in diese Richtung hat jetzt der DFB gegeben. Bei zukünftigen Vertragswechseln von Spielern aus dem Amateur- in den Profibereich wird eine Ausbildungs- und Förderungsentschädigung von bis zu 100 000 DM fällig. Dieser wichtige Schritt zur Eigenfinanzierung der Sportförderung sollte seine Signalwirkung auch in den anderen Verbänden nicht verfehlen. Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Erstens. Die Haushalts- und Finanzdebatten drohen dann langweilig zu werden, wenn sie nicht immer wieder in einen Gesamtzusammenhang eingebettet werden. Sie werden dann langweilig, wenn man sich in Zahlen verliert und nicht immer wieder deutlich macht, um was es eigentlich geht. Darum geht es eigentlich: Wie bewältigen wir als Wohlstandsgesellschaft die unglaublichen volkswirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen für unser Wirtschafts- und Sozialsystem? Sind wir in der Lage, Ansprüche an den Staat zurückzunehmen, dieses als Politik auch ehrlich zu vertreten? Sind wir in der Lage, durch sinnvolles Sparen die Voraussetzung zu schaffen, daß wieder mehr investiert wird in Arbeitsplätze? Daran besteht kein Zweifel: Es muß uns gelingen, eine - am besten über die Prognosen der Sachverständigen hinausgehende - wirtschaftliche Dynamik für die nächsten Jahre zu entfachen, weil nur so Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden können, weil nur so die Voraussetzungen gegeben sind, das soziale Netz nicht nur neu zu knüpfen, sondern für die wirklich Bedürftigen zu gestalten. Sündenbocktheorien helfen uns nicht weiter. Notwendig ist eine gewaltige Kraftanstrengung, um einen größeren Teil unserer Ressourcen umzuschichten in Richtung Zukunftsinvestitionen, in Richtung zukunftsfähiger Arbeitsplätze. Sparen erfüllt hier auch keinen Selbstzweck, sondern hat geradezu eine moralische Begründung und eine Rechtfertigung darin, daß um der Zukunftsicherung und Weichenstellung willen schmerzliche Entscheidungen gegenüber den heute Lebenden getroffen werden müssen. Eine Begrenzung der Umverteilung oder eine Kürzung trifft immer heute lebende, konkret betroffene Menschen, Zukunftsinvestitionen spielen sich demgegenüber in einer abstrakten Welt ab, siehe die Diskussion um neue Verkehrstechnologien wie Transrapid. Sie sind strukturkonservativ und blockieren die Zukunft, wir stehen für Zukunft und zwar nicht nur im Sinne der Förderung moderner Technik, sondern vor allem auch im Sinne der Langzeitverantwortung. Zweitens. Ein kluger Mann, das ist der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Alois Glück, hat kürzlich formuliert: Politische Führung besteht darin, das Notwendige verständlich zu machen und danach zu handeln. - Das Problem der Opposition ist: Sie versuchen Nebelkerzen zu werfen, damit Sachverhalte nicht mehr sichtbar werden, sie arbeiten statt dessen mit Parolen. Alle versuchen darüber zu reden, wer vielleicht etwas weniger bekommt als in den vergangenen Jahren, kaum einer redet über denjenigen, der über Steuern und Abgaben als Leistungserbringer das ganze finanzieren muß. Leistungserbringer und Finanzieren: Ich denke jetzt auch nicht an irgendwelche anonymen Reichen, und ich werde auch nicht polemisch und erinnere an das Geflecht zwischen einem gewissen hessischen Richter, der SPD und der IG Metall. Die Zeche wird vielmehr von der großen Masse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlt, und von diesen haben Sie sich längst entfernt. „Es gibt keinen Zweifel, daß wir ein Zurückstekken von vielerlei Ansprüchen ... verlangen, von vielerlei Ansprüchen, die sich in einer Zeit anhaltenden Wachstums entwickelt hatten und die auf eine ständige Zunahme des verteilbaren Sozialprodukts abgestellt waren." Dieses Zitat stammt aus dem Jahre 1975, aus der Haushaltsrede des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Es gibt nur einen kleinen, aber gewichtigen Unterschied. Helmut Schmidt hat dieses vor gut 20 Jahren in einer völlig anderen weltwirtschaftlichen Situation gesagt. Es gibt ernstzunehmende Beobachter, die davon ausgehen, daß sich die Bedingungen für die deutsche Volkswirtschaft in den letzten 6 Jahren mehr verändert haben als in den vergangenen 60 Jahren. Und es gilt, diese Bedingungen zur Kenntnis zu nehmen. Ich könnte noch einiges aus der Rede von Schmidt zitieren, wenn er etwa sagt, es werde heute den Bürgern etwas abverlangt, aber er wisse von vielen Diskussionen und aus Meinungsumfragen, daß „unsere Bürger dies besser verstehen" als offenkundig bestimmte selbsternannte Eliten. Ich glaube in der Tat, daß dies eines Ihrer Hauptprobleme ist: Sie bekommen nicht mehr so recht mit, was die Menschen tatsächlich denken. Die Menschen in unserem Land sind viel vernünftiger, als es die Politiker häufig wahrhaben wollen. Es gibt weitere schöne Zitate von Helmut Schmidt, die aus seinem Vortrag bei einem gesellschaftspolitischen Forum unter dem Titel „Deutschland im Umbruch - Die politische Klasse und die Wirklichkeit" stammen. Er stellt auch einige interessante Überlegungen an, wie denn wirklich neue Arbeitsplätze entstehen können, und macht sich seine Gedanken zur Feindschaft gegenüber technischen Neuerungen, die fast unser ganzes Volk erfaßt habe. Er macht deutlich, daß es darauf ankommt, daß wir uns in die Lage versetzen, solche Produkte auf unsere eigenen Märkte zu bringen, die andere einstweilen noch nicht erzeugen können. Als Beispiel nennt er die Magnetschwebebahn, die seit 20 Jahren in Ostfriesland im Kreise herumfahre - hier irrt Helmut Schmidt: nicht Ostfriesland, sondern Emsland -, aber er sagt auch, daß hier Bedenkenträger - und dazu gehört auch die große Mehrheit Ihrer Fraktion - jede neue Entwicklung blockierten. Genauso blockieren Sie notwendige Maßnahmen mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat. Wenn ich Fußballschiedsrichter wäre, müßte ich Ihnen als Mannschaft die Rote Karte zeigen, weil Sie das Spiel nach vorn blockieren und weil Sie nur noch daran interessiert sind, das Ergebnis zu halten, und damit alle Kreativität ersticken. Sie blockieren die Zukunft, Sie lehnen die Langzeitverantwortung ab. Kein Wunder, daß Sie bei den Jugendlichen und gerade auch bei den Jungwählern die Rote Karte gezeigt bekommen. Drittens. Der 97er Haushalt steht nicht im luftleeren Raum und ist deshalb auch nicht beliebig gestaltbar, sondern wird in weiten Teilen von der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Realität geprägt. Dementsprechend sind seine Freiheitsgrade. Wer die Staatsquote senken will - siehe Bündnis für Arbeit -, muß entweder die Ausgaben zurücknehmen oder er muß Wachstum erzeugen bei gleichzeitigem Konstanthalten des öffentlichen Sektors. Diese dynamische Sicht liegt mir als Volkswirt mehr. Zitat: „Die Zeit", 15. November 1996: „Es ist auch ein Irrglaube, daß ein genereller Verzicht auf Sparen die Politik sozialer macht. Denn die Schulden von heute sind die Steuererhöhung von morgen - und Steuern werden, weil sie nur dann genügend Masse bringen, vor allem bei den kleinen Leuten kassiert." Die Wahrheit ist - und der müssen wir uns stellen -: Wir haben ein Gebirge an Ansprüchen aufgebaut, das zum Hochgebirge zu wachsen droht, in dessen tiefen Schluchten die wirklich Bedürftigen Gefahr laufen zu verschwinden. Viertens. Das Anspruchsdenken ist auch eine entscheidende Ursache für die Ausweitung des Öffentlichen Dienstes. Jemand hat kürzlich davon gesprochen, daß wir die Kehrseiten unserer Wohlstandsgesellschaft präsentiert bekommen. Man könnte auch sagen: Wir erhalten jetzt die Vollkostenrechnung unserer Art und Weise zu leben, zu wirtschaften und zu arbeiten. Alles, womit der einzelne nicht fertig wird, wurde ihm früher von Familien, Familienverbänden und Nachbarschaften abgenommen. Jetzt hat sich ein Betreuungsstaat entwickelt, von der Wiege bis zur Bahre. Wieviel er kostet, merken wir erst jetzt, wo die exorbitanten Wohlstandssteigerungen ausbleiben und andere Länder konkurrenzfähig zu uns geworden sind. Unsere Ansprüche, über die wir ungern reden, sind das eigentliche Problem, nicht die Beamten sowie Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Unsere Ansprüche drücken sich auch darin aus, daß wir in Deutschland Spitzenreiter sind bei der Zahl der Staatsdiener pro 1 000 Einwohner, nämlich 40; Großbritannien 28, Dänemark 33, Belgien 36. Die Zahlen des Versorgungsberichtes und des Einzelplans 33 machen dies sehr deutlich: Von 1970 bis 1993 sind die Beschäftigtenzahlen beim Bund um 9,5 Prozent gestiegen, bei den Ländern um 52,5 Prozent, bei den Gemeinden um 49,1 Prozent, im Schnitt um 45,4 Prozent. Der Personalzuwachs der 70er Jahre, insbesondere bei den Ländern und Gemeinden, wird sich versorgungsmäßig vor allem in den Jahren 2020 bis 2025 auswirken. Nach den Berechnungen des Versorgungsberichts, den Bundesinnenminister Kanther jetzt vorgelegt hat und mit dem er auch die Schularbeiten von Ländern und Gemeinden erledigt hat, wird es im Jahre 2010 bei Bund, Ländern und Gemeinden voraussichtlich gut 1 Million Versorgungsempfänger geben; die Zahl steigt bis 2020 auf 1,27 Millionen, etwa 2023 erreicht sie mit 1,29 Millionen ihren Höchststand; danach sind die Zahlen rückläufig. Hier müssen die richtigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Versorgungsquote, das heißt die Entwicklung der Versorgungsausgaben im prozentualen Verhältnis zur gesamtwirtschaftli- chen Leistung, dem Bruttoinlandsprodukt, stabil zu halten. Für den Bund ergibt sich tendenziell sogar eine Verringerung der Versorgungsausgaben, weil die Ausgaben für die sogenannten 131er sich von circa 500 Millionen im Jahre 1996 auf etwa 48 Millionen im Jahre 2008 verringern. Die 131er sind, vereinfacht gesagt, die Angehörigen des öffentlichen Dienstes von vor 1945. Der sogenannte Versorgungsberg, etwa mit seinem Höhepunkt im Jahre 2022, ist in erster Linie ein Länderproblem. Trotzdem sind wir der Auffassung, daß jetzt darangegangen werden muß, die Ausgaben im Jahre nach 2008 durch gesetzgeberische Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Dienstes zu begrenzen. Es liegt vornehmlich auch im Interesse der Länder, hierbei zügig voranzukommen. Ebenso wie beim Alterssicherungssystem Rente werden wir auch aus Gründen der gerechten Lastenverteilung zwischen den Generationen zusätzlich nicht umhinkommen, auch die heutigen Renten und Bezüge der Pensionäre flacher wachsen zu lassen, als das die gegenwärtigen Regeln vorgeben. Eine Neiddiskussion gegenüber dem öffentlichen Dienst halte ich für völlig unangemessen. Allerdings: Die Beamten sowie die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes sollen weder besser noch schlechter behandelt werden als die übrigen Beschäftigten. Deswegen bin ich auch sehr dafür, daß wir kurzfristig bestimmte Regelungen des Beamtenversorgungsrechts überprüfen, was auch kurzfristig zur Entlastung der öffentlichen Haushalte führen kann: Dazu gehören die Zulagen, deren Ruhegehaltsfähigkeit, die Anrechnung von Erwerbseinkommen auf Versorgungsbezüge, die Anrechnung von Ausbildungszeiten beim Ruhegehalt, die Wartezeit für Versorgung aus Beförderungsämtern und die Versorgung der politischen Beamten, insbesondere der Staatssekretäre, bei Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Dieses muß überprüft und gegebenenfalls neu geregelt werden. Das, was für die Beamtenversorgung notwendig ist, muß auch in geeigneter Form auf die Zusatzversorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes übertragen werden. Die Ausgaben des Einzelplans 33 beruhen ausschließlich auf gesetzlichen Verpflichtungen. Er bietet damit im Grunde genommen kaum Gestaltungsspielraum. Durch die Änderungen beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - Wegfall von Entgeltbegrenzung - tritt gegenüber dem 96er Haushalt ein Mehrbedarf auf, da der Bund für bestimmte Berechtigte aufkommen muß. Außerdem haben wir ein Zeichen gesetzt bei der Absenkung des Ansatzes zum Beispiel für Beihilfen, da das, was wir den normalen Krankenversicherten zumuten, auch für den Beihilfeberechtigten gelten muß. Es bleibt dabei: Wirtschaftliche Entwicklung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Sicherung der sozialen Leistungssysteme hängen eng zusammen. Eine gute Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzpolitik sowie eine gute Sozial- und Gesellschaftspolitik bedingen sich wechselseitig. Wir packen Strukturveränderungen an, wir stehen für Modernisierung und gegen Besitzstandsdenken. Wirkliche Wertkonservative tun 1996 das, was die Besten ihrer Vorfahren heute getan hätten: Sie sind die Strukturkonservativen. Ich schlage vor, daß Sie Ihre Partei umbenennen. Die Kürzel SPD können Sie beibehalten. Sie sollten das aber übersetzen als: Strukturkonservative Partei Deutschlands. Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Haushaltsberatungen - so habe ich mir zumindest von meinen Kolleginnen und Kollegen im Innen- und Haushaltsausschuß berichten lassen - waren auch in diesem Jahr für die Opposition so unerfreulich wie in den Vorjahren. Gute Argumente zählen nicht. Zu Mehrheiten auch einmal quer zu den Fraktionszugehörigkeiten fehlen Mut und Souveränität. Für Großzügigkeiten ist nicht die Zeit. „Business as usual" also! Auch wenn sich ringsum vieles verändert, die Bonner Koalition verweigert sich allen Änderungen. Sie halten genauso fest an der überdimensionierten Ausstattung des Nachrichtendienstes für die Auslandsaufklärung wie am Regierungsbunker in der Eifel, als ob der Russe noch immer vor der Türe stünde. Umgekehrt verweigern Sie die Finanzierung wirklich notwendiger Leistungen und Reformen. Es stellt sich hier wie auch in den anderen Ressorts die Frage: Wird eigentlich diese Regierung, wird der Innenminister, wird die Koalition wenigstens den selbst gestellten Ansprüchen gerecht? Wir haben Halbzeit in Bonn. In der Mitte der Legislaturperiode sollten die wesentlichen Vorhaben, die eine Regierung anpacken will, auf den Weg gebracht sein. Die Reform des öffentlichen Dienstes geriet dem Innenminister zum Reförmchen. Zu Teilzeitarbeit oder Besetzung von Führungspositionen auf Zeit im öffentlichen Dienst kann er sich nicht durchringen. Ein wesentliches Vorhaben der Regierung war, die Integrationsleistungen für die hier lebenden Menschen ohne deutschen Paß deutlich zu verbessern und denen, die es wollten, die Chance einzuräumen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Die umstrittene Frage, ob das Gemeinwesen es denn wohl verkraften könne, wenn ein Bürger oder eine Bürgerin zwei Pässe und damit zwei Staatsangehörigkeiten habe, wollten Sie wenigstens für die Kinder unter Hintanstellen Ihrer schweren Bedenken ob der Reinheit der Lehre vom Blutsrecht der deutschen Staatsangehörigkeit umschiffen. Was haben Sie nun erreicht auf diesem Feld? Fehlanzeige, nichts! Ein ganzes Maßnahmenpaket zum Ausländerrecht haben Sie zwar verabschiedet. Aber was findet sich darin? Integrationsverbessernde Maßnahmen in Spuren, repressive Vorschläge kiloweise. Die Staatsangehörigkeitsfrage ist ausgeklammert. So behandelt diese Regierung die Schwerpunkte ihrer Politik. Ziemlich genau vor zwei Jahren hat der Bundesinnenminister in der Debatte zur Regierungserklärung hier am 23. November 1994 verkündet, die Innenpolitik werde ein wesentliches Feld der kommenden Legislaturperiode. Als sein Ziel beschrieb er in seiner Rede die „Gewährleistung eines verträglichen Zusammenlebens der Gruppen und der einzelnen" und fügte dann hinzu: „Ganz besonders trifft dies für die Frage des verträglichen Zusammenlebens von deutschen und ausländischen Mitbürgern in Deutschland zu." Eigentlich ist das merkwürdig, denn ginge es nach dem Innenminister, könnten gar keine ausländischen Mitbürger hier leben. Mit einer Beharrlichkeit sondergleichen behauptet der Herr Kanther ja, kürzlich erst wieder in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Deutschland sei kein Einwanderungsland. Ich glaube ihnen ja, daß sie Zuzug für die Zukunft verhindern wollen. Aber was hat denn seit den 50er Jahren hier stattgefunden? Einwanderung in ganz erheblichem Maße, ohne die das Wirtschaftswunderland Deutschland nicht so groß geworden wäre, wie es ist. Daß jemand, der Realitäten so dreist leugnet, Minister sein kann, ist schon absurd. Was der Innenminister unter Integration wirklich versteht, haben wir dieser Tage erfahren. Da führt das Bundesverwaltungsamt, eine dem Innenminister nachgeordnete Bundesoberbehörde, auf dessen Weisung, aber ohne Rechtsgrundlage, eine Datei, in der die Daten von 900 000 eingebürgerten, ehemaligen Ausländern gespeichert werden. Das ist das organisierte Mißtrauen in Person des Verfassungsministers unter Duldung eines Koalitionspartners, der sich damit zufriedengibt, daß die von ihm gestellte Ausländerbeauftragte genauso regelmäßig wie folgenlos empört ist. Das hätte sich mancher hier im Hause vor einigen Jahren noch nicht vorstellen können. Es ist ein Desintegrationsminister, dem der innere Frieden und die innere Sicherheit angeblich so viel gilt, der in seinem abgrundtiefen Mißtrauen gegen alles Nichtdeutsche illegale Dateien anlegt und der von dem vermeintlich liberalen Koalitionspartner, der sich früher der Freiheit des einzelnen Bürgers verschrieben hatte, nicht gebremst wird. Es hat ja eine lange Tradition, daß der Verfassungsminister nicht täglich mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen will, und es wundert auch niemanden, daß dieser Innenminister solche Dinge tut. Der eigentliche Skandal ist, daß es keinen Aufschrei der Liberalen gibt. Aber wie auch immer, die sind mit der eigenen Existenzsicherung über alle Maßen beschäftigt. Die F.D.P. ist als Bürgerrechtspartei und Freiheitspartei eine Nullnummer. Sie hat sich, wie ihr enttäuschter Abgeordneter Lüder schon vor Jahren resümierte, von der Rechtsstaatspartei zur rechten Staatspartei entwickelt. In einem Punkt muß ich dem Bundesinnenminister allerdings recht geben. In einem Interview mit der „Welt" sagte er: „Eine offene Gesellschaft erträgt keine Tabus!" Da hat er recht. Aber seine Politik lebt ja geradezu davon, daß er Tabus, wo immer er kann, pflegt. Am besten sichtbar ist das in der Drogenpolitik. Tabu ist es für den Innenminister und den Drogenmissionar Sauer, neue Wege in der Drogenpolitik zu betreten. Es braucht nur einer Ankündigung aus Schleswig-Holstein, da heulen sie auf - wie Alkoholiker, denen man den Schnaps wegnimmt -, da werden sie hibbelig, wie der Raucher, der am Samstagabend keine Zigaretten und kein Fünfmarkstück mehr hat. Im Bereich harter Drogen diskreditieren Sie jeden Versuch einer humanen Drogenpolitik, die an der Hilfe für die Abhängigen ausgerichtet ist. Jetzt wollen Sie im Verein mit den Franzosen, die die schlechteste Bilanz in der Drogenpolitik zu verzeichnen haben, den Holländern zu Leibe rücken, damit sie ihre erfolgreiche Drogenpolitik aufgeben und die Coffeeshops schließen. Die „Süddeutsche Zeitung" kommentierte in der letzten Woche: „Drogenpolitiker aber, die neue Erkenntnisse ablehnen, haben kapituliert - vor der Mafia und vor der Sucht." In der Tat. Im ersten halben Jahr 1996 starben 753 Menschen durch Drogenkonsum, 71 mehr als in der ersten Jahreshälfte 1995. In Frankfurt sinken die Zahlen, in Städten, die auf repressiven Kurs in der Drogenpolitik setzen, steigen sie. Sie weigern sich, das zur Kenntnis zu nehmen. Statt dessen nehmen Sie lieber in Kauf, daß Ihre repressive Linie weiter die Mortalität unter den Drogenabhängigen steigert. Sie weigern sich, durch staatlich kontrollierte Abgabe die Süchtigen vor den Fängen der Drogenmafia und vor dem Schritt in die Beschaffungskriminalität zu bewahren. Ihre Drogenpolitik begünstigt letztendlich die Drogenmafia, Herr Minister! In Schleswig-Holstein wollen Sie den Versuch verhindern, mit der Trennung der Märkte für harte und weiche Drogen den Einstieg für Jugendliche in den Markt der harten Drogen zu erschweren. Was für eine Befriedigung verschafft es Ihnen eigentlich, jährlich lieber 30 000 Jugendliche wegen Besitzes von ein paar Gramm Dope zu belangen und 8 000 von ihnen zu verurteilen? Wer sich dagegen in der Apotheke all die legalen Aufputschmittel besorgt, wer sich die Lunge mit Nikotin vollpumpt oder mit Alkohol die Leber ruiniert, wer angepaßt seiner Drogensucht nachgeht, der kann es hierzulande weit bringen. In Ihrer Drogenpolitik ist alles faul, was nur faul sein kann. Statt effektiv Sucht und Verbrechen einzudämmen, pflegen Sie lieber Vorurteile. Sie beschimpfen gar die Justiz, die nach Ansicht des Innenministers zu lasch gegen das organisierte Verbrechen - natürlich in seinen Augen nur das von Ausländern verübte - vorgehe. Solche Fundis wie die Herren Kanther, Marschewski und Westerwelle gibt es in meiner Partei schon lange nicht mehr. In der Koalition geben sie immer mehr den Ton an. Je schlechter es der Koalition geht, desto tiefer stecken die Reformkräfte in Ihren Reihen den Kopf in den Sand. Mit den Bürgern im Lande, mit den Gruppen und einzelnen, deren gedeihliches Zusammenleben der Innenminister zu fördern uns vor zwei Jahren versprochen hatte, gehen Sie schlecht um. Es wird Zeit, daß Sie abgelöst werden. Ulla Jelpke (PDS): Bis heute hat sich die Bundesregierung nicht dazu entschließen können, zahlreichen NS-Opfern Entschädigung zu zahlen. Demgegenüber sieht der vorliegende Haushaltsentwurf 31,5 Millionen DM finanzielle Unterstützung für die Vertriebenenverbände vor. Das sind Mittel zur Unterstützung revanchistischer und geschichtsrevisionistischer Politik. Auf dem letzten „Tag der Heimat" in Berlin wurde Bundespräsident Herzog als „Vaterlandsverräter" beschimpft, weil er die Oder-Neiße-Grenze als polnische Westgrenze anerkannt und verteidigt hatte. Der Vizepräsident des BdV, Dr. Paul Latussek, verkündete hingegen auf derselben Veranstaltung: Die Oder-Neiße-Linie bleibt im Bewußtsein der Vertriebenen ein Unrecht, bis die vertriebenen Deutschen ihr Ansiedlungsrecht in der ostdeutschen Heimat und ihr Eigentum in Besitz nehmen können. Sie haben sich nicht verhört. Herr Latussek spricht nicht etwa über Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Sachsen, sondern über polnische und russische Territorien! Solche völkerrechtswidrigen Äußerungen sind keine Minderheitspositionen innerhalb der Vertriebenenverbände, sondern werden von Funktionären vertreten. Fünf Präsidialmitglieder des BdV und der Vorsitzende des BdV-Berlin unterstützten Latusseks Positionen. Wir haben in unseren Anträgen an den Innen- und Haushaltsausschuß gefordert, die Vertriebenenverbände nicht mehr aus Bundesmitteln zu finanzieren. Diese Anträge fanden keine Mehrheit. Auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPD haben gegen unsere Anträge gestimmt, obwohl der Kollege Körper eine gründliche Überprüfung der Mittelvergabe gefordert hatte. Wenn es darauf ankommt, Stellung zu beziehen, weichen sie aus. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Sie predigen Wein und reichen Wasser! Die Mehrheit dieses Hauses ist offensichtlich nicht willens, die Finanzierung von Verbänden einzustellen, die rassistische, antisemitische, verfassungsfeindliche und völkerrechtswidrige Positionen vertreten. Selbst der Bundesfinanzhof und das Bundesministerium der Finanzen haben einräumen müssen, daß Forderungen nach Gebietsansprüchen in osteuropäischen Staaten mit der Gemeinnützigkeit eines Verbandes nicht zu vereinbaren sind. Ich zitiere aus dem 1991er Urteil des Bundesfinanzministeriums: Satzungszwecke wie „Wiedervereinigung mit den Vertreibungsgebieten" oder „Eingliederung der Vertreibungsgebiete" sind (...) schädlich für die Gemeinnützigkeit eines Vertriebenenverbandes. Die Verfolgung dieser Ziele ist keine Förderung der Allgemeinheit, weil solche Bestrebungen im Widerspruch zu den völkerrechtlich verbindlichen Verträgen der Bundesrepublik Deutschland mit ihren östlichen Nachbarn und zum Grundgesetz stehen. Unsere Bedenken sind derart schwerwiegend, daß wir den Bundesrechnungshof gebeten haben, die Mittelvergabe an die Vertriebenenverbände zu überprüfen. Skandalös ist auch der Umgang der Bundesregierung mit den Verhandlungen über das deutschtschechische Regierungsabkommen. Die Bundesregierung mußte auf unsere Anfrage hin zugeben, daß sie den Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Neubauer, „wiederholt über den jeweiligen Stand" der Verhandlungen informiert hat, obwohl die Bundesregierung auf unsere Nachfrage hin einräumen mußte, daß dieser in rechtsextremen Verlagen publiziert und damit über enge Beziehungen ins rechtsextreme Lager verfügt. Der rechtsextreme Flügel der Sudetendeutschen sitzt demnach als unsichtbare dritte Kraft mit am deutsch-tschechischen Verhandlungstisch, während der Bundestag bis heute noch nicht über den Stand der Verhandlungen unterrichtet worden ist. Dies ist einfach unglaublich. Die Kumpanei zwischen der Regierung und dem nach rechts hin offenen Spektrum ist kein Einzelfall. Ich frage Sie: Ist es vorstellbar, daß in einem anderen westeuropäischen Land einem Historiker ein hoher Staatsorden verliehen wird, der den Holocaust leugnet und die Kriegsschuldlüge verbreitet? In der Bundesrepublik ist dies offensichtlich möglich. Alfred Schickel, Leiter der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt, ist seit 1989 Träger des Bundesverdienstkreuzes, obwohl selbst Staatssekretär Lintner jüngst zugeben mußte, daß Schickels Äußerungen teilweise den Aussagen von Rechtsextremisten entsprechen. Die Vertreter der extremen Rechten werden aus dem Bundesetat finanziert, ihnen wird das Bundesverdienstkreuz verliehen und sie sitzen als unsichtbare Partner mit an den Verhandlungstischen. Sie werden finanziert und hofiert - und dies ohne Aufschrei im Parlament. Ich komme zu einem weiteren Punkt. Beim Ausbau des Polizei-Apparates kennt diese Bundesregierung keinerlei Grenzen: Auf der morgigen Sitzung der EU-Innen- und Justizminister soll beispielsweise das Mandat der „Europäischen Drogenbekämpfungsbehörde" für den Bereich des Menschenhandels beschlossen werden. Die Betroffenheit in der Bevölkerung über die letzten Sexualverbrechen versucht die Bundesregierung schamlos dafür auszunutzen, eine gesellschaftliche Akzeptanz für ein unsinniges und überflüssigeis Projekt, genannt EUROPOL, künstlich zu erzeugen. Ich sage Ihnen - das Bitterste ist hierbei, daß sich die Bundesregierung nicht zu schade war, ausgerechnet geplante Schutzmaßnahmen für Opfer und Zeugen und Zeuginnen des Menschenhandels, wo es nur ging, zu behindern, und dies mit der infamen Begründung, einen „Mißbrauch" dieser Schutzmaßnahmen „auszuschließen" . Hier macht die Bundesregierung Frauen als Opfer sexueller Gewalt wieder einmal zu Täterinnen. In den kommenden Wochen soll die Novelle des BKA-Gesetzes in aller Heimlichkeit über die parlamentarischen Hürden gehievt werden. Dieses Gesetz droht, das föderale System im Polizeibereich vollends zu unterlaufen. Ich frage mich: Was möchten Sie vor der Bevölkerung eigentlich so Wichtiges geheim halten? Dafür interessieren Sie sich offenkundig brennend für das Privatleben der Bürgerinnen und Bürger. Die Polizei wird für den Großen Lauschangriff weiter aufgerüstet. Von der CSU bis zur SPD wird die Einführung des Großen Spähangriffes geplant. Bis in den letzten Winkel, bis in den vom Bundesverfassungsgericht absolut geschützten Privatbereich möchten Sie die Bevölkerung aushorchen und ausspähen. Von Bürgerrechtsvereinen wie der Humanistischen Union, dem Republikanischen Anwaltsverein, den Strafverteidiger-Initiativen sowie von namhaften Juristinnen und Juristen - wie zum Beispiel dem Hannoveraner Professor Jürgen Seifert - wurde Ihnen bescheinigt, daß Sie auch mit einer Änderung von Art. 13 GG lediglich „verfassungswidriges Verfassungsrecht" schaffen (Kritische Justiz 3/92). Auch sogenannte „Schleuser" von Flüchtlingen wollen Sie künftig belauschen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition und der SPD, Ihre harte Asylpolitik, die Flüchtlingen kaum mehr einen Weg nach Deutschland offen läßt, hat die Schlepper erst an die Fleischtöpfe geführt. Ändern Sie Ihre Strategie der europaweiten Abschottung und Ausgrenzung gegenüber Flüchtlingen, und Sie brauchen keine Schlepper mehr zu belauschen. Sie haben dann deren Märkte ausgetrocknet. Ähnliches gilt für Verstöße gegen das Betätigungsverbot der PKK. Auch hier soll die Polizei im großen Stil abhören dürfen. Aber auch hier ist Entkriminalisierung der richtige Weg. Das PKK-Verbot muß aufgehoben werden; denn es ist undemokratisch und selbst nach Ansicht des Verfassungsschutzes wirkungslos. Dieses Verbot beraubt hier lebende Kurdinnen und Kurden ihrer Grundrechte. Sie werden in eine Gewaltfalle hineingetrieben. Wenn - wie jüngst in Hamburg und Köln - kurdische Fahnen toleriert werden, dann wird der Bundesinnenminister besonders nervös. Ich habe den Eindruck, Herr Kanther, daß Sie die sozialdemokratischen Innenminister auf der IMK-Sitzung letzte Woche nur deswegen so unter Druck gesetzt haben, weil auf den eben genannten Veranstaltungen die ansonsten von Ihrer Politik provozierte Gewalt kurdischer Demonstrantinnen und Demonstranten ausgeblieben ist. Es wird Sie nicht verwundern, daß wir diesem Haushalt nicht zustimmen werden. Fritz Rudolf Körper (SPD): Offensichtlich hat die Union - so ist Pressemeldungen zu entnehmen - ein neues Wahlkampfthema entdeckt: Die innere Sicherheit soll das Thema für die politische Auseinandersetzung im Jahre 1998 werden. Sie, Herr Innenminister Kanther, sparen nicht mit markigen Sprüchen, wenn es um das Thema Kriminalität geht. Manchmal läßt die Wortwahl den Schluß zu, daß Sie allzu leichtfertig mit dem Thema Kriminalität umgehen. Kampagnen, an deren Ende jeder um Eigentum und Leben fürchtet und in jedem Ausländer einen Verbrecher vermutet, nützen aber nur rechtsradikalen Schreihälsen, sonst niemandem. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß Deutschland bei der Furcht vor Kriminalität weltweit mit Japan an der Spitze liegt, was allerdings nicht unbedingt der realen Situation im Vergleich mit anderen Ländern entspricht. Ich will damit die Situation in unserem Land nicht beschönigen, aber der verantwortungsvolle Umgang mit dem Thema Kriminalität ist dringend vonnöten. Es gehört auch dazu, die Dinge beim Namen zu nennen. Die derzeitige Kriminalstatistik ist eine polizeiliche Anzeigenstatistik. Besser könnten wir vielleicht die Dinge beurteilen, wenn diese polizeiliche Kriminalstatistik ergänzt würde durch Aussagen unabhängiger Sachverständiger, die bei einer Bewertung auch Schwachstellen der Statistik beleuchten. Eine besondere Herausforderung stellt die sogenannte organisierte Kriminalität dar. Das Bundeskriminalamt schätzt, daß zwischen 1991 und 1995 in Deutschland ein Schaden von zirka 10,5 Milliarden DM durch die sogenannte organisierte Kriminalität entstanden ist. Die SPD hat schon vor drei Jahren Vorschläge zu einer effektiven Bekämpfung der organisierten Kriminalität gemacht. Wir wollen ein Beschlagnahmeverfahren einführen, das die Einziehung von solchen Vermögensgegenständen unabhängig von einem Ermittlungsverfahren oder von einer Verurteilung ermöglicht, die vermutlich durch eine schwere Straftat der organisierten Kriminalität erlangt wurden oder die zu solchen Straftaten verwendet werden sollen. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit reicht zur Beschlagnahme oder Einziehung aus, es sei denn, der Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigte widerlegt die Vermutung und weist nach, daß das Geld weder durch eine Straftat der organisierten Kriminalität erlangt wurde noch zu einer derartigen Straftat verwendet werden sollte. Auch haben wir Vorschläge gemacht zum Einsatz technischer Mittel zu Zwecken der Überwachung im präventiven und repressiven Bereich. Lange hat es allerdings bei Ihnen in der Koalition gedauert, bis Sie sich aufraffen konnten, die Wohnraumüberwachung überhaupt anzugehen. Nach wie vor scheint keine Übereinstimmung zwischen den Koalitionspartnern zu bestehen. Die Erfahrungen in anderen Ländern haben gezeigt, daß die organisierte Kriminalität insbesondere an den Wurzeln des Geldes gepackt werden muß. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich offensichtlich zu einem lukrativen Geldwäscheplatz entwikkelt. Beispiele haben gezeigt, daß wegen der einschränkenden Bestimmungen im Geldwäschegesetz von 1993 wesentliche eingeschleuste Summen nicht sichergestellt werden konnten. Das Geldwäschegesetz greift nicht. Beispielsweise wurden im Bundesland Hessen 1 300 Anzeigen registriert, aber kein Fall wurde zur Anklage gebracht. Das Geldwäschegesetz funktioniert trotz eines aufwendigen Meldesystems der Banken nicht. So führt der hessische Generalstaatsanwalt Schäfer auf der Jahrestagung des Bundeskriminalamtes 1996 in Wiesbaden aus, daß insbesondere die Beweisprobleme die Ursachen für die Erfolglosigkeit des Geldwäschegesetzes sind. Die Fassung des § 261 StGB legt den Verfolgungsbehörden heute die volle Beweislast dafür auf, daß das Geld aus einer bestimmten delikten Herkunft, wie zum Beispiel dem Rauschgifthandel, stammt. Dieser Nachweis der sogenannten Vortat ist in der Praxis aber kaum zu erbringen. Dem Einwand, mit einer Beweislastumkehr würde die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt, hielt Schäfer entgegen, daß zwischen einer Beweislastumkehr zum Nachteil einer Person oder zum Nachteil ihres Vermögens unterschieden werden müsse. Auf der von mir erwähnten Tagung des BKA in Wiesbaden befanden fast sämtliche Experten aus Italien und den USA, daß ohne eine solche Möglichkeit des Staates die organisierte Kriminalität nicht zu bezwingen sei. Auch deutsche Polizeiexperten aus den Ländern schlossen sich dieser Argumentation, die auf einschlägigen Erfahrungen in Europa und den USA fußt, an. Zur Bekämpfung der Kriminalität gehört es auch, der Korruption entgegenzuwirken. Den präventiven Maßnahmen in der Verwaltung und auf dem Gebiet des Dienstrechtes muß hohe Priorität eingeräumt werden. Aber auch die Erweiterung der Straftatbestände und die vollständige Beseitigung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Schmiergeldern sind dringend notwendig. Wir wollten mit unserem Antrag zu diesem Thema die Diskussion anstoßen. Mittlerweile liegen Gesetzentwürfe des Bundesrates und der Bundesregierung vor, über die zügig beraten und entschieden werden muß. Ein weiteres Phänomen ist, daß die Kriminalität immer stärkere internationale Bezüge bekommt. Auf dieses Phänomen kann nicht nur mit nationaler Polizeiarbeit geantwortet werden. Wir brauchen die internationale Zusammenarbeit. Bemerkenswert ist der Streit innerhalb der Bundesregierung über die Kompetenzen von Europol. Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig sieht wohl in der Leitung des Bundesinnenministeriums die Ursache dafür, daß innerhalb der Bundesregierung die Gespräche über Europol nicht vorankommen. Europol sollte von den jeweils zuständigen Polizeidienststellen in der Europäischen Union konkrete Ermittlungsmaßnahmen anfordern können. Da sind wir uns mit dem Justizminister einig. Auch was die Abstimmung zwischen den Aufgaben von Europol und Interpol angeht, muß die Bundesregierung stärker darauf hinwirken, daß es zu einer abgestimmten Zusammenarbeit unter dem Aspekt einer wirkungsvollen Kriminalitätsbekämpfung kommt. Dringend notwendig ist es nach meiner Auffassung, daß es endlich zur Verabschiedung des Bundeskriminalamtgesetzes kommt. Hier darf es nicht in erster Linie zu einem Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern kommen, sondern die effektive Bekämpfung von Kriminalität muß Meßlatte und Kriterium für ein neues BKA-Gesetz sein. Ein markantes Symptom unserer gesellschaftspolitischen Lage ist das Aufkommen und Anwachsen der privaten Sicherheitsdienste. Sicherheit wird damit zunehmend privatisiert und den Kriterien des Kommerz unterworfen. 1970 waren rund 330 Unternehmen mit rund 314 Millionen DM Umsatz als private Sicherheitsdienste tätig. Im Jahre 1990 waren es bereits 900 Unternehmen mit 2,3 Milliarden DM. 1993 waren es zirka 1 200 Unternehmen mit deutlich über 4 Milliarden DM Umsatz. 1992 erfaßten die Verwaltungsberufsgenossenschaften 194 000 Beschäftigte. Wir haben zu dem Bereich der privaten Sicherheitsdienste einen Antrag vorgelegt; denn die Regelungen der Gewerbeordnung und die Bewachungsverordnung reichen keinesfalls aus. Abgestufte Berufsqualifikationen sind nötig. Strengere Anforderungen an die Betreiber und an die Mitarbeiter sind zu stellen. Die waffenrechtlichen Befugnisse müssen eingeschränkt und datenschutzrechtliche Regelungen getroffen werden. Wer berufsmäßig Rechtsgüterschutz für Dritte betreibt, muß sich bei der Wahrnehmung von Notrechten an den Maßstäben messen lassen, die für Polizeibeamte ganz selbstverständlich sind. Dringlich ist auch die Änderung des Waffenrechtes. Hier zögert die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf. Aber insbesondere bei erlaubnisfreien Kurzwaffen besteht Handlungsbedarf. Diese haben bei den Sicherstellungen nach Straftaten immerhin einen konstanten Anteil von 60 Prozent. Eine Meldepflicht für erlaubnisfreie Waffen ist wohl das mindeste, was an Auflagen gemacht werden muß. Hier gibt es ebenfalls Handlungsbedarf. Kriminalität wird am wirksamsten an ihren gesellschaftlichen Wurzeln bekämpft. Wir brauchen eine bessere Erziehung und Bildung, wo verstärkt soziales Lernen ermöglicht wird, wo die Fähigkeit zur friedlichen Konfliktlösung stärker vermittelt und der Gewaltbereitschaft entgegengewirkt wird. Dies gilt auch für die Medien. Gewaltdarstellungen und Gewaltanwendungen, die täglich über den Bildschirm flimmern, sind in ihren negativen gesellschaftlichen Folgen heute noch nicht zu übersehen. Wir brauchen eine Politik, die solidarische Verantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger fördert und fordert. Aussagen von Herrn Bundesinnenminister Kanther, die polarisieren und beispielsweise Ausländer pauschal ins Abseits stellen, sind nicht hilfreich. Rund 2 Millionen aller Ausländerinnen und Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland leben länger als 15 Jahre in unserem Land. Die vom Bundesinnenminister fortgeführte Diskussion um die Frage, „ob die Bundesrepublik Deutschland ein Einwanderungsland ist", ist weltfremd. Es kommt doch heute nicht darauf an, ob Deutschland ein Einwanderungsland sein will oder nicht. Es stellt sich gegenwärtig nur die Frage, ob das tatsächliche Phänomen von der Politik zur Kenntnis genommen wird und wie man damit umgeht. Die sozialen Spannungen in unserem Land haben sich verschärft. Die Integration derjenigen, die in un- ser Land kommen, gelingt zunehmend weniger. Dies gilt insbesondere auch für den gesamten Aussiedlerbereich. Ganz persönlich sage ich, daß ich keine Zuwanderung haben möchte, die Randgruppen unserer Gesellschaft schafft und Menschen ausgrenzt. Die Fähigkeiten unseres Landes zur Integration müssen ausgelotet und umgesetzt werden. Die Leistungsfähigkeit unserer Sozialsysteme, die Infrastruktur und die Akzeptanz der Bevölkerung sind die maßgeblichen Grundlagen. In der Zukunft werden wir an der demographischen Entwicklung nicht vorbeigehen können. Davon hängt ganz entscheidend ab, wie wir unsere sozialen Sicherungssysteme erhalten können. Darüber muß heute schon nachgedacht und die richtigen Weichen müssen gestellt werden. Ein ideologiegesteuertes Gerede hilft nicht weiter. Die Haushaltsberatungen sind Anlaß, Bilanz zu ziehen, was beispielsweise im Bereich der Innenpolitik getan wurde und getan werden muß. Wir haben und wir werden unsere Beiträge beisteuern, um gemeinschaftsorientierte Werte wie Hilfsbereitschaft, Toleranz und Verantwortlichkeit zu fördern. Sicherheit läßt sich nicht ausschließlich durch repressive Maßnahmen des Staates produzieren. Was wir auch brauchen, ist die positive Wertorientierung unserer Gesellschaft. Das gilt vor allem für den Grundwert der Solidarität. Wir brauchen eine neue Politik für den inneren Frieden und die öffentliche Sicherheit. Manfred Kanther, Bundesminister des Innern: Die konsequente Stärkung der inneren Sicherheit bleibt zentrale Herausforderung der Innenpolitik. Unverzichtbar ist ein „integraler Ansatz", der die hier notwendigen Anstrengungen nicht in viele kleine Maßnahmen zersplittert, sondern alle verantwortungsbewußten politischen Kräfte im Interesse unserer Mitbürger auf dieses gemeinsame Ziel konzentriert. Verbesserungen in den Bereichen von Geldwäsche, Kronzeugenregelung, der Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption und Verbrechen oder Verschärfungen des Ausländerrechts gegenüber schwerkriminellen Ausländern haben das gesetzliche Handwerkszeug bereits beachtlich komplettiert. Im Kampf gegen besonders schwere Straftaten benötigt der Staat dringend auch das Recht zur Überwachung von Gangsterwohnungen. Nach jahrelangen politischen Auseinandersetzungen ist mit der Einigung auf die „Eckpunkte für die Wohnraumüberwachung zur Beweismittelgewinnung" der Durchbruch gelungen; jetzt müssen die notwendigen Ergänzungen von Grundgesetz und Strafprozeßordnung folgen. Den dazu wegen der erforderlichen Verfassungsergänzung notwendigen breiten Konsens zu finden ist eine große Aufgabe, die zugleich ein deutliches Zeichen dafür setzen wird, daß alle politisch verantwortlichen Kräfte die Rechtsordnung entschlossen verteidigen. Dazu müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die organisierte Kriminalität an ihrem Nerv zu packen, am Geld. Dafür haben wir Vorschläge gemacht und werden ergänzende gerne prüfen; die Sache ruft nach schneller Einigung. Die Leistungsfähigkeit des Bundeskriminalamtes wird durch das BKA-Gesetz weiter gestärkt. Daher hoffe ich auf einen raschen Fortgang der parlamentarischen Beratungen. Auf europäischer Ebene ist der Aufbau der Polizeibehörde Europol ebenso wie die Schengener Kooperation weiter vorangekommen. Die Nutzung des Schengener Informationssystems wurde verbessert und die Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Staaten intensiviert. Die Möglichkeit grenzüberschreitender Observation und Nacheile wird zunehmend genutzt. Es reicht aber nicht aus, nur das Handwerkszeug zu verbessern. Vielmehr müssen die rechtlichen Möglichkeiten in vollem Umfang ausgeschöpft werden, damit Deutschland zunehmend zum heißen Pflaster für Täter wird. Da die Länder im Bereich der inneren Sicherheit mit Polizei und Justiz die Gesetze ausführen, ist dies eine Bewährungsprobe für den föderativen Staat. Um das Hereinschwappen von ständig neuen Tätern aus dem Ausland zu unterbinden, bleibt die Sicherung der Grenzen zentrale Aufgabe des Bundesgrenzschutzes. Hierfür konnten umfassende Maßnahmen zur Erhöhung seiner personellen Einsatzstärke und zur Verbesserung der Sachmittelausstattung vornehmlich an den Ostgrenzen eingeleitet bzw. umgesetzt werden. Es belegt den hohen Stellenwert dieser Aufgabe, daß trotz anhaltend schwieriger Haushaltslage das Finanzvolumen des Bundesgrenzschutzes gegenüber dem Vorjahr nochmals um etwa 120 Millionen DM auf insgesamt über 3 Milliarden DM gesteigert werden konnte. Grenzsicherheit ist aber mehr als nur die Bewachung einer Linie im Gelände. Vielmehr muß der Grenzraum als neue kriminalpolizeiliche Herausforderung gesehen werden, die verstärkte Kooperation von Bundesgrenzschutz und Landespolizei im Grenzbereich ebenso verlangt wie den Ausbau grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit den Behörden Polens und Tschechiens. Mit Fragen der Ausländerpolitik haben wir uns am 14. November 1996 eingehend befaßt. Was die Rückführung der bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge betrifft, ist das in der letzten Woche unterzeichnete Rücknahmeabkommen mit Bosnien-Herzegowina ein bedeutender Schritt auf dem Weg, die Bürgerkriegsflüchtlinge in ihre Heimat zurückzuführen. Der Spätaussiedlerzugang ist nicht zuletzt aufgrund der vielfältigen Hilfeleistungen deutlich zurückgegangen und belegt das Vertrauen in die bewährte Aussiedlerpolitik der Bundesregierung. Mehr als 25 000 Sprachkursplätze, die in Rußland und Kasachstan bereits eingerichtet wurden und deren Zahl zügig weiter erhöht werden soll, tragen dazu bei, die Identität der Rußlanddeutschen zu erhalten und ihre eventuell spätere Integration hier zu erleichtern. Eine zukunftsfähige öffentliche Verwaltung verlangt ein modernes öffentliches Dienstrecht als Grundlage einer leistungsorientierten, flexiblen und bürgerfreundlichen Verwaltung. Das Konzept für eine Reform, die zu mehr Effizienz bei geringeren Kosten führt, liegt vor. Ich hoffe, daß die vom Vermittlungsausschuß eingesetzte Arbeitsgruppe möglichst rasch zu konsensfähigen Lösungen kommt, zumal die Länder die Masse der Bediensteten beschäftigen. Ich bin im Interesse der Sache jedenfalls kompromißbereit, sofern die Eckpfeiler der Reform unangetastet bleiben. Vor allem sollte es keine Neiddebatten gegen den öffentlichen Dienst geben. Der von mir vorgelegte Versorgungsbericht zeigt erstmals und umfassend die Entwicklung der Versorgungskosten im öffentlichen Dienst und schafft damit die Grundlagen, die Versorgungsausgaben auch in den zu erwartenden Jahren der Spitzenbelastung volkswirtschaftlich erträglich zu halten. Die Verschlankung staatlicher Strukturen kommt voran, überschüssiger Verwaltungsaufwand wird abgebaut und moderne Managementmethoden halten zunehmend auch im öffentlichen Dienst Einzug. Neue Formen des Verwaltungshandelns - wie zum Beispiel die Budgetierung - ermöglichen eine flexiblere und zugleich effizientere Aufgabenerfüllung. Im Bereich des Zivilschutzes als einem besonders anschaulichen Beleg für die Möglichkeit, staatliche Strukturen ohne Nachteil für die Bevölkerung abzubauen, ist die Budgetierung der Ausgaben für den THW bereits seit 1996 realisiert. Für das Bundesamt für Zivilschutz ist sie ab 1997 vorgesehen. Auch die Integrations- und Ausstrahlungskraft seiner Kultur bestimmt das Ansehen eines Staates. Im Prozeß der staatlichen Einheit der Deutschen wie auch auf dem Wege zur europäischen Einigung leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag. Daher steht die Koalition zur Verantwortung auch des Bundes, die Kulturförderung in dem ihm gesetzten Rahmen zu erhalten. Ich begrüße es sehr, daß der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages für diese Zusammenhänge immer viel Verständnis aufgebracht hat. Der Denkmalschutz liegt mir besonders am Herzen, gerade auch in den neuen Ländern, wo viel erste Hilfe an den in der DDR-Zeit vernachlässigten Baudenkmälern nötig ist. 1996 war ein von sportlichen Höhepunkten geprägtes Jahr, die den Einsatz von Fördermitteln des Bundes für den Spitzensport voll gerechtfertigt haben. Um weiter vorn mithalten zu können, bedarf es großer Anstrengungen. Gemeinsam mit dem Sport wurde daher das Förderkonzept 2000 und ein neues Trainerkonzept entwickelt. Im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage müssen die zur Verfügung stehenden Mittel zielgerichtet und effektiv eingesetzt werden. Bis auf ganz geringfügige Korrekturen werden wir auch den Kultur- und Sportbereich von Globalkürzungen für 1997 auszunehmen trachten. Den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, besonders den Berichterstattern für den BMI-Haushalt, möchte ich für vielerlei Unterstützung und Verständnis danken. Sie haben die haushaltsmäßigen Grundlagen dafür geschaffen, daß auch 1997 die Aufgaben der Innenpolitik zielsicher und entschlossen angepackt werden können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon schwer getroffen von den Schlägen, die ich eben noch einmal erfahren habe.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn man sich vor Augen führt, woher der geschätzte Kollege nicht nur geographisch, sondern auch politisch kommt, muß man sich immer nur wundern, welch eine Keßheit dazu gehört, hier an diesem Pult solche Reden zu führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gregor, er hat „geschätzter Kollege" gesagt!)


    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Aber das ist trotzdem in Ordnung; denn es gehört zur parlamentarischen Demokratie, daß in der Generaldiskussion zum Etat des Bundeskanzlers alle nur denkbaren Perspektiven der Politik angesprochen werden können. Als Bundeskanzler, als Regierung und auch als Regierungskoalition kann man nicht damit rechnen, daß die Opposition Lobpreis spendet. Das haben wir früher auch nie getan. Auch wir haben seinerzeit gelegentlich die Farben kräftig aufgetragen und gesagt, daß es nicht mehr weitergehe und daß die Regierung unmittelbar vor dem Zusammenbruch stehe.
    Bis jetzt habe ich nur noch nicht gehört - meine Freunde aus der CSU mögen es mir nachsehen -, daß das Wort Sonthofen hier gefallen ist. Das habe ich alles schon einmal gehört; bloß hat es zu nichts geführt. Warum lernen Sie eigentlich nicht aus unseren Fehlern? Das wäre doch naheliegend; denn dies war doch nun gar kein Rezept, das uns in die Regierung gebracht hätte. Vielmehr kann man nur an die Regierung kommen, wenn die Bürger das Gefühl haben, die Politiker machen zwar diesen oder jenen Fehler, verdienen aber insgesamt Vertrauen. Deswegen sind wir auch immer gewählt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Stimmbürgerin und der Stimmbürger verstehen Politik auch - das ist ja im Sinne unserer demokratischen Überzeugung - als Kampf und Auseinandersetzung um den besseren, den besten Weg in die Zukunft. Da werden Konzepte einander gegenübergestellt, die wechselseitig nicht akzeptiert werden; auch das gehört dazu. Dann hat der Wähler das letzte Wort. Das ist auch gut so.
    Wir haben uns immer wieder den Wählern zu stellen. Hier war die Rede von einer düsteren Perspektive für die Koalitionsparteien und die Bundesregierung. Aber ich erkenne überhaupt keinen Grund, verzagt zu sein. Wenn ich im SPD-Präsidium gesessen hätte - Gott sei Dank war ich dort nicht; aber stellen Sie sich das einmal vor -,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    dann wäre dort vielleicht eine einheitliche Meinung herausgekommen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Was glauben Sie, Herr Kollege - Sie haben mich gerade angesprochen -, was die Leute in Ihrem Unterbezirk oder in Ihrem Ortsverein gesagt hätten? Vielleicht hätten sie gesagt: Endlich wissen wir einmal, was die in Bonn wollen!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich kann mich Ihnen nicht andienen; so weit kann das nicht gehen. Ich will aber wenigstens gesagt haben, daß das Bild von Deutschland, das Sie hier entworfen haben, mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun hat. Das wissen Sie so gut wie ich.
    Und fügen Sie nicht noch einen Schuß Klassenkampf hinzu! Herr Verheugen ist aufgestanden und hat das pur dargeboten. Herr Verheugen, wenn ich Parteivorsitzender der SPD wäre, würde ich Ihre Ratschläge prinzipiell nicht annehmen.

    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben schon einmal einer Partei falsche Ratschläge gegeben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Natürlich kann man sich irren. Daß Sie jetzt aber so in den Klassenkampf verfallen, ist schon eine ganz ungewöhnliche Mutation. Ich habe Sie doch noch von früher in Erinnerung!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich sage es noch einmal: Die Menschen im Land wissen sehr genau, daß wir umdenken müssen, daß es nicht möglich ist zu sagen: Wir machen so weiter!, wie wir es früher auch gesagt haben. Die Menschen wissen, daß jetzt weltweit, also auch in Deutschland und in Europa, eine Entwicklung eingetreten ist, aus der wir Konsequenzen ziehen müssen. Ich glaube nicht, daß wir in Wahrheit in dieser Grundposition weit voneinander entfernt sind.
    Deswegen: Lassen Sie uns streiten; die Wähler sollen dann entscheiden. Ich finde es bloß nicht sehr überzeugend, daß Sie in diesen Tagen als Hauptslogan den Ruf aus Köln erklingen ließen - hier haben Sie ja geschwiegen; die Parlamentarischen Geschäftsführer haben für Ruhe gesorgt -: Der Kohl muß weg. Das können Sie ja rufen, aber er ist da.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist so eine Art Beschwörung; sie hat aber keine politischen Inhalte.
    Ich habe Ihren geschätzten Partner auf dem Weg in die Zukunft - so glauben Sie es ja - beobachtet, auch die ganze Führungselite der Grünen; sie war mehr betroffen, wie man vorhin sehen konnte.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Großer Psychologe!)

    Lassen Sie uns also kräftig miteinander kämpfen und auseinandersetzen! Die Wähler fällen dann die Entscheidung. Sie werden auch beurteilen, was wir, Koalition und Regierung, geleistet bzw. nicht geleistet haben und was Sie an Angeboten unterbreitet oder zu machen unterlassen haben.

    (Zuruf des Abg. Freimut Duve [SPD]) Das können Sie nicht verändern; das ist so.

    Da Sie den Zwischenruf gemacht haben: Eigentlich hätte ich von Ihnen erwartet, daß Sie in Stuttgart

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    etwas klüger operiert hätten. - Damit meine ich jetzt konkret die SPD.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Er läßt nichts aus! Abg. Freimut Duve [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    - Entschuldigung, ich nehme das zurück. Ich habe Sie verwechselt. Sie in Hamburg haben den Fehler noch vor sich.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein.
    Bevor ich zu dem komme, was ich in die Debatte einzubringen mir vorgenommen habe, will ich kurz etwas zu der Auseinandersetzung über Lehrstellen sagen.
    Meine Damen und Herren von der SPD, ich streite jetzt nicht darüber, wie Sie diese Ausarbeitung bezeichnen. Ich habe eben noch einmal nachgelesen und festgestellt, daß dieses eine Wort in der Ausarbeitung nicht vorkommt. Das will ich ausdrücklich festhalten. Sie haben eine ganze Menge Vorschläge gemacht, die aber am Ende alle zum gleichen Ergebnis führen, nämlich dazu, daß es sich um eine Abgabe handelt.
    Es muß doch wenigstens erlaubt sein, hier darauf hinzuweisen, daß zwei namhafte Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei Ihrer Debatte auftraten, die, wie immer in einer solchen Situation, nicht freundlich aufgenommen wurden, nämlich der zukünftige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Herr Clement, und Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher und Ministerpräsident von Niedersachsen, Herr Schröder. Sie haben davor gewarnt, diesen Beschluß zu fassen.
    Sie haben im übrigen darauf hingewiesen - das ist doch in dieser Woche so gewesen -, daß dieser Beschluß nicht zu mehr Lehrstellen führt, sondern die Bereitstellung von mehr Lehrstellen vereitelt. Das ist dort wörtlich gesagt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nicht mehr und nicht weniger hat Wolfgang Schäuble zu diesem Thema gesagt.
    Wie ist die Bilanz, und wie ist die Situation? Das ist - jedenfalls für mich - eines der zentralen Themen der deutschen Politik: Wie sehen die Zukunftschancen junger Leute aus, in diesem Fall vor allem im Arbeitnehmerbereich, im Bereich des dualen Ausbildungssystems?
    Die Lehrstellenbilanz in Deutschland ist auch in diesem Jahr ausgeglichen.

    (Zuruf von der PDS)

    - Hören Sie doch erst mal zu, bevor Sie wieder Zwischenrufe machen! Ende September gab es noch 43 000 freie Stellen gegenüber 38 000 Nicht-Vermittelten. Im Oktober sind weitere 10 000 Vermittlungen hinzugekommen, so daß die Zahl, die wir uns im Frühjahr als Ziel gesetzt hatten, erreicht wurde. Dies ist die statistische Größe. Sie ist objektiv richtig - wie früher übrigens auch.
    Das Problem, das wir haben, ist, daß diese Zahlen zunächst noch nichts über die regionale Situation aussagen. Die regionalen Unterschiede waren immer gravierend. Sie sind in den letzten Jahren - natürlich vor allem auch in den neuen Ländern - noch gravierender geworden. Das Problem, das wir haben, liegt nicht primär in der absoluten Zahl, sondern in der Tatsache begründet, daß wir in bestimmten Regionen Deutschlands bei dem Angebot von und der Nachfrage nach Lehrstellen ganz unterschiedliche Entwicklungen haben.
    Sie sehen das an einem Beispiel, das sehr bedrükkend ist. Die Situation im Ruhrgebiet stellt sich in diesem Zusammenhang als besonders schwierig dar. Das hat etwas mit den gewaltigen Veränderungen der industriellen Struktur in dieser Region zu tun, übrigens auch im Bereich des Steinkohlebergbaus, um ein Beispiel zu nennen. Klugerweise muß man ganz einfach sagen: Wir müssen in solchen Regionen - das gilt natürlich in besonderem Maße für die neuen Länder - mit neuen Überlegungen ansetzen, um das Ganze zu sichern.
    Es gibt auch andere Gründe, die hier zu nennen sind, die es übrigens zum Teil schon immer gab. Es gab immer, und zwar in jeder Ausbildungsgeneration, Trends zu bestimmten Berufen. Es gab immer Berufe, die sich als „Modeberufe" - und das meine ich nicht abwertend - verstanden haben, bei denen man gesagt hat: Diesen Beruf will ich ergreifen. Es gab aber immer auch andere Berufe, die von denen, die einen Ausbildungsplatz gesucht haben, als weniger akzeptabel empfunden wurden.
    Das heißt also, wir müssen uns jetzt - und das werden wir tun - gemeinsam mit allen Betroffenen - ich denke in diesem Zusammenhang an die Arbeitgeber, ich denke vor allem an die Kammern, ich denke nicht zuletzt auch an die Gewerkschaften -, so haben wir es vereinbart, gleich im Januar - nicht abwartend - eine Fülle von Maßnahmen überlegen, um die Entwicklung im nächsten Jahr und in den folgenden Jahren einigermaßen vernünftig gestalten zu können.
    Denn es ist wahr: Zwischen 1995 und 2005 werden die starken Jahrgänge - wir werden uns mit Wehmut an diese Zeit erinnern, wenn sie vorbei ist - Ausbildungsplätze suchen. Das wichtige Ziel deutscher Politik, ich sage lieber: deutscher Gesellschaft muß sein, daß junge Leute, die aus der Schule kommen und den ersten Schritt in die Welt des Erwachsenen tun, einen Ausbildungsplatz finden. Das muß Vorrang vor vielem anderen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir sind davon überzeugt - ich habe mich sicher
    mehr bemüht als viele andere, gerade in diesem

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Jahr -, daß wir das auf der Basis der Vereinbarung schaffen können.
    Aber wir müssen fairerweise auch fragen, was zusätzlich geschehen muß, um die Akzeptanz nicht nur bei den Lehrlingen, sondern auch bei denen, die als Arbeitgeber, als Lehrherren in Frage kommen, zu verbessern. Da haben wir eine Menge auf den Weg gebracht. Das ist aber nicht ausreichend.
    Ich will nur noch ein paar Beispiele nennen. Wir müssen unbedingt - da sind wir auf einem guten Weg - die Ausbildereignung weiter flexibilisieren. Wir müssen auch das Moment der langjährigen beruflichen Erfahrung vor der rein prüfungsmäßigen Voraussetzung wieder stärker in Betracht ziehen. Ich bin ganz sicher, daß auf diesem Weg Gutes erreicht
    werden kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß das Tempo bei der Schaffung neuer Berufsbilder zunehmen muß. Ich sage das ohne Vorwurf; es sind alle daran beteiligt: ob das die Landes- oder die Bundesministerien sind, ob das die Gewerkschaften sind, ob das die Wirtschaft ist. Das Ganze ist in vielen Jahren viel zu schleppend gelaufen. Bei der Schaffung neuer Berufsbilder mit hoher Qualität muß schneller vorangegangen werden.
    Wir haben es jetzt geschafft, die Zeitspanne für die Einführung neuer Berufsbilder von fünf Jahren auf zwei Jahre zu verkürzen. Ich halte das nicht für ein Ruhmesblatt, sondern für das Mindeste, was man tun kann und tun muß. Ich könnte mir vorstellen, daß hier noch mehr geschehen kann.
    Meine Damen und Herren, wir müssen vor allen Dingen die veränderten Verhältnisse bedenken. Ich finde es besonders seltsam, daß dieser Aspekt in der gesamten Diskussion nicht auftaucht.
    Dabei wäre erstens die Tatsache zu nennen, daß heute rund 70 Prozent aller Auszubildenden, die noch nach der Berufsschule im Betrieb besser ausgebildet werden können, gar keine Jugendlichen im Sinne des Jugendarbeitsschutzgesetzes sind, sondern Erwachsene, daß sie beispielsweise Wähler sind. Damit besteht eine völlig andere Situation als noch vor 30 oder 40 Jahren, als unter dem Begriff „Lehrling" und später „Auszubildender" ein bestimmter Lebensabschnitt verstanden wurde. Das ist heute anders. Wir müssen überprüfen, was das für Konsequenzen hat.
    Zweitens scheint mir folgender Sachverhalt entscheidend zu sein. Herr Scharping, bei dieser Frage würde ich Sie bitten, im Kreise Ihrer Freunde dafür zu werben, ebenso und vor allem auch Sie, Herr Ministerpräsident Lafontaine;

    (Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/ CSU]: Da müßte Herr Scharping erst einmal zuhören!)

    ich tue das gleiche auch auf seiten der CDU: Bei meinen Gesprächen in diesem Jahr ist es für mich mit am
    alarmierendsten gewesen, von allen Seiten die Sorge
    zu hören, daß die Zahl derjenigen Anwärter für eine Ausbildung in einem Lehrberuf gewachsen ist - sie macht ungefähr 10 Prozent aus -, die die Voraussetzungen für eine Ausbildung nicht mitbringen. Die Schule war nicht in der Lage, das notwendige Wissen zu vermitteln.
    Herr Abgeordneter Scharping, Sie sprachen von den Lohnnebenkosten; Sie sprachen auch davon, welche Leistungen zwecks Entlastung nicht mehr durch die Bundesanstalt finanziert werden sollen, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Unsere Auffassungen liegen da nicht so weit auseinander. Die Frage wird sein, woher wir das Geld bekommen; da gehen unsere Ansichten auseinander.
    Sie können in die Reihe Ihrer Beispiele, für das, was Sie ändern wollen, mit aufnehmen, daß die Nürnberger Bundesanstalt Jahr für Jahr rund eine halbe Milliarde DM für Grundbildungs- und Förderlehrgänge ausgeben muß, damit Jugendliche überhaupt ausbildungsreif sind. Das hat etwas mit der Schule zu tun.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Richtig!)

    Ich klage auch hier nicht an, ich sage nicht, das machen die Länder gut oder schlecht. Ich denke auch nicht daran, die Lehrer anzuklagen. Das alles wäre ziemlich kurzsichtig und töricht.
    Aber wahr ist, meine Damen und Herren, daß der Zustand der Schulen nicht in Ordnung sein kann, wenn ein so hoher Prozentsatz der Jugendlichen im Anschluß an die Schule in einem Ausbildungsberuf nicht ausbildungsfähig ist. Das ist doch ein Punkt, der uns beschäftigen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden sicherlich seitens der Bundesregierung im Kreise der Ministerpräsidenten bald darüber sprechen. Deswegen halte ich es für wichtig, daß wir nicht nur Programme aufstellen, sondern den Dingen auf den Grund gehen.
    Für mich bleibt es eine der zentralen Aufgaben der deutschen Gesellschaft, erstens für eine erstklassige Ausbildung der jungen Generation zu sorgen - in diesem Falle derjenigen, die im dualen System ausgebildet werden - und zweitens alle Voraussetzungen für die Ausbildung im dualen System zu verbessern. Es gilt zu Recht immer noch weltweit als das beste Ausbildungssystem.
    Meine Damen und Herren, dazu gehört dann natürlich auch, daß wir die einzelnen Voraussetzungen schaffen. Ich bestreite nicht die gute Absicht hinter Ihren Vorschlägen, die Sie in der konkreten Situation umzusetzen versuchen. Ich sage Ihnen aber wie Clement und Schröder auch voraus: Eine solche Vorlage, zum Gesetz erhoben, wird zu einer breiten Ausbildungsverweigerung führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Ausbildungsbetriebe werden sich freikaufen, wie wir das in anderen Bereichen auch erlebt haben.

    (Widerspruch bei der SPD)


    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Bedenken Sie bitte bei Ihrem Vorschlag, daß er eine weit über das Finanzielle hinausgehende Wirkung haben wird: Die Kontinuität in der Ausbildung, die nicht zuletzt im Handwerk immer noch besteht und den Ruf des dualen Systems über Generationen hinweg geschaffen und gefestigt hat, geht mit Sicherheit verloren. Deswegen sage ich Ihnen klar: Wir werden solche Vorschläge nicht akzeptieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Aber ich will Sie gern einladen, an der Diskussion in bezug auf das, was wir im neuen Jahr beginnen wollen, teilzunehmen; denn je mehr Gemeinsamkeit wir herstellen können, desto besser ist es für die jungen Leute. Das ist unser eigentlicher Auftrag.
    Meine Damen und Herren, diese Debatte um den Etat 1997 findet - das ist überall erkennbar - in einem Augenblick der dramatischen Veränderung in der Welt, in Europa und in Deutschland statt. Wenn Sie sich die Situation allein in den Ländern der Europäischen Union anschauen, werden Sie überall den gleichen Eindruck bekommen, nämlich daß überall um den richtigen Weg in die Zukunft gerungen wird, daß heftige Auseinandersetzungen, auch schwere soziale Auseinandersetzungen stattfinden und daß man überall begriffen hat: Es ist jetzt, gut drei Jahre vor dem Ende dieses Jahrhunderts, der Zeitpunkt gekommen, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.
    Wenn dies für alle richtig ist, dann ist es auch für Deutschland richtig. Deutschland ist nach den USA und noch vor Japan die zweitgrößte Exportnation der Welt. Wir können noch soviel miteinander streiten und diskutieren: Wir werden den Wohlstand und die soziale Stabilität, die ganze Generationen in den letzten 50 Jahren in Deutschland geschaffen haben, nicht halten können, und wir werden auch die sozialen Probleme, die es ja gibt und die gelöst werden müssen - ich komme gleich darauf zu sprechen -, nicht in den Griff bekommen können, wenn wir diese weltweite Entwicklung nicht auch unter der Perspektive betrachten, welche Hausaufgaben wir selbst dabei zu machen haben.
    Insofern ist das Denken in globalen Kategorien keine Ausrede, die wir hier zu Hause gebrauchen würden; es ist die ganz einfache Voraussetzung dafür, die Zukunft zu begreifen. Denn die Märkte wachsen immer weiter zusammen; die Arbeitsplätze wandern zu den Standorten, die besonders attraktiv sind. Wahr ist ebenfalls, daß manch einer diese Standortbetrachtung zu kurzsichtig betreibt und daß er die Vorteile des Standortes Deutschland, von denen ich ebenfalls reden will, viel zu gering einschätzt.

    (Zuruf von der SPD: Nebulös!)

    - Wenn das für Sie nebulös ist, verstehen Sie nichts von der Wirklichkeit. Aber das verwundert mich bei Ihnen nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wer aus dem Nebel heraustritt und die Entwicklung der ostasiatischen Märkte betrachtet, wer sieht, wie sehr sich die Konkurrenten dort bemerkbar machen, wer beispielsweise sieht, wie in diesem Augenblick eine Weltmacht wie die Vereinigten Staaten von Amerika Positionen etwa im Verhältnis zur Volksrepublik China teilweise revidieren muß, der weiß, daß hierbei auch wirtschaftliche Gegebenheiten wirksam sind.
    Wir können doch nicht so tun, als ginge uns das alles nichts an. Der Anteil der ostasiatischen Schwellenländer am Welthandel hat sich seit 1970 von 21/2 Prozent auf mehr als 10 Prozent vervierfacht. Die für uns viel wichtigere Zahl ist: Der deutsche Anteil hat sich im gleichen Zeitraum von fast 12 Prozent auf 9 Prozent reduziert. Sie brauchen diese Zahlen ja nicht absolut zu nehmen. Aber in ihrer Tendenz zeigen sie einen Abstieg an. Er muß gestoppt werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: Das liegt an der Bevölkerungsentwicklung!)

    - Das ist nicht nur die Bevölkerungsentwicklung, verehrter Herr Ministerpräsident. Ich komme gleich noch darauf zu sprechen; dann sind wir bei der Sozialpolitik. Ich bin sehr gespannt, was Sie darauf anschließend replizieren werden.

    (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: 1 Milliarde Chinesen!)

    Seit einigen Jahren kommt zu der klassischen Konkurrenz aus dem Fernen Osten die Konkurrenz aus unserer unmittelbaren Nachbarschaft hinzu. Lassen Sie mich das Folgende auch einmal in der aktuellen deutschen Diskussion sagen: Ich finde es ziemlich schäbig, daß viele mit kurzsichtigen Neidgefühlen auf unsere Nachbarn, etwa in Tschechien, Ungarn oder bis hin nach Rußland, schauen. Wir wollten doch eigentlich immer, daß der Kommunismus verschwindet; wir wollten doch, daß diese Länder zu Reform, zu Freiheit, zu sozialer Stabilität und zum Rechtsstaat, auch zu wirtschaftlicher Öffnung finden. Wenn sie jetzt diesen Weg beschreiten, werden sie natürlich unsere Konkurrenten. Damit muß man nicht nur leben; ich finde, wir sollten begrüßen, daß wir jetzt in Deutschland und in Europa normale Verhältnisse haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn die Arbeitsstunde eines Entwicklungsingenieurs für Nachrichtentechnik - ich nehme bewußt das Beispiel aus einem Zukunftsberuf - bei einem deutschen Großunternehmen gegenwärtig 135 DM kostet, in Ungarn nur 54 DM, dann ist das eine klare Aussage. Sie kann für uns aber nicht bedeuten: Weil die Konkurrenz vorhanden ist und niedrigere Löhne zu bezahlen hat, müssen wir die Löhne senken. Das geht doch gar nicht. Die Konkurrenten werden ihre niedrigeren Löhne nicht beibehalten können; auch das ist wahr.
    Aber es stellt sich doch die Frage, ob die deutsche Gesellschaft - das ist überhaupt keine parteipolitische Frage - den Mut und die Kraft aufbringt zu sagen, wir müssen trotzdem versuchen, die Arbeitskosten zu senken, zum Beispiel durch mehr Flexibilität in der Arbeitsorganisation.

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Es ist hier vorhin - ich glaube, vom Kollegen von der F.D.P. - auf das Beispiel der IG Metall hingewiesen worden. Ich beobachte in deutschen Betrieben der Metallbranche - auch mit Zustimmung der IG Metall, und das finde ich sehr gut - inzwischen Einzelabmachungen, die vor fünf Jahren völlig undenkbar waren. Das heißt, es haben Veränderungen auch in den Köpfen Platz gegriffen. Warum tun wir hier in diesem Saale so, als sei das nicht so? In Wahrheit sind wir doch längst viel weiter.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Entwicklungen wie mehr Teilzeitarbeit oder Arbeitszeitkonten, ein ganz wichtiges Wort, waren vor fünf Jahren ein Schreckgespenst.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das ist Unsinn, was er sagt!)

    - Hören Sie doch überhaupt mal zu! Es hat keinen Sinn, daß Sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestages hier im Saal sitzen und sich einfach nach dem Muster verhalten: Weil der das sagt, ist es falsch. - Es ist doch richtig, was ich hier gesagt habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das heißt auch, daß die Tarifautonomie natürlich erhalten bleiben muß. Ich halte die Tarifautonomie für eine der wichtigsten Errungenschaften in der Geschichte der Bundesrepublik. Ich kann nur alle warnen, die Tarifautonomie in Frage zu stellen, auch dann, wenn ich von Herrn Scharping gescholten werde, ich würde die Unternehmer angreifen. Das ist übrigens eine ganz neue Verteidigungsposition, die ich hier erlebt habe;

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    aber warum sollen Sie es nicht tun, denn wenn es der Herr Schröder macht, müssen Sie es auch machen, Konkurrenz belebt auch bei euch das Geschäft. Das Ganze in Frage zu stellen halte ich für eine gefährliche Position, die für mich nicht akzeptabel ist.
    Natürlich sind wir keine Konsensgesellschaft. Natürlich müssen wir in bestimmten Bereichen Entscheidungen treffen. Aber es ist doch keine falsche Politik, den Versuch zu unternehmen, dort, wo es möglich ist, Konsens zu finden. Eine pauschale Absage nach der einen oder anderen Seite ist mit Sicherheit nicht demokratieverträglich. Deswegen sage ich das auch entsprechend klar und deutlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, wir haben auch in dieser schwierigen Zeit gute Chancen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben wir heute schon Sonntag? Das hört sich an wie eine Predigt zum Sonntag!)

    - Ich muß Sie auch ertragen. Deswegen müssen Sie mich auch ertragen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich ertrage Sie ja auch gem!)

    Ich finde, es kann Ihnen nur gut tun, wenn Sie so etwas mal hören.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hätte nur gern gewußt, wie Sie die Arbeitslosenzahlen halbieren und die Lohnnebenkosten senken wollen!)

    Meine Damen und Herren, denjenigen, die den Standort Deutschland schlechtmachen, muß man in Erinnerung rufen, daß wir wichtige Aktivposten haben, die sich sehr wohl mit allen anderen Ländern der Welt messen können:

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich hätte es gern konkreter!)

    eine ausgezeichnete Infrastruktur, die hohe Qualifikation bei der Ausbildung - ich habe davon gesprochen - und eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur zusammen mit einem leistungsfähigen Mittelstand.
    Meine Damen und Herren, das sind Aktivposten, mit denen wir bei dem, was wir an Problemen zu bewältigen haben, ein gutes Stück vorankommen können.
    Es ist auch wahr, daß wir wieder in eine Entwicklung kommen - Gott sei Dank -, daß die Konjunktur anzieht. Ich streite nicht darüber, ob es 2 oder 2,5 Prozent sind; jedenfalls zieht die Konjunktur an. Wir haben faktisch Preisstabilität, nämlich eine Inflationsrate von nur 1,5 Prozent. Ich höre hier dauernd etwas von dem sozialen Abstieg in Deutschland. Keiner von Ihnen hat es bisher für nötig befunden zu sagen, daß einer der größten Erfolge unserer Zeit die niedrige Inflationsrate von 1,5 Prozent ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Zinsen befinden sich auf einem historischen Tiefstand. Wir haben Tarifabschlüsse, jedenfalls in der allerjüngsten Zeit, die sehr viel besser als in früherer Zeit wettbewerbs- und beschäftigungsorientiert sind.
    Wir haben eine Weltkonjunktur, die dem Export hilft. Und ein Sachverhalt ist hier seltsamerweise nie angeklungen, aber von entscheidender Bedeutung: Die D-Mark-Aufwertung vom Frühjahr 1995 ist fast vollständig zurückgebildet worden.
    Diese Tatsachen geben allen Grund zu einem realistischen Optimismus, nicht zu Pessimismus.

    (Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    - Sie haben recht, wenn Sie meinen, daß wir auch noch eine gute Regierung haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine handlungsunfähige!)

    Aber - dieses Aber muß der Wahrheit halber sofort hinzugefügt werden - das alleine genügt noch nicht. Wir müssen auch fähig sein, zu erkennen - das ist eine notwendige und bittere Erkenntnis -, daß

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    unsere traditionelle Erfahrung, ein Anziehen der Konjunktur führe zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit, so nicht mehr stimmt. Das heißt, daß wir die Tatsache von rund 4 Millionen Arbeitslosen nicht akzeptieren können. Dies ist und bleibt das zentrale Thema deutscher Politik.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie denn tun?)

    Diese Erkenntnis hat dazu geführt - Wolfgang Schäuble hat es zitiert -, daß wir - Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesregierung - am 23. Januar gemeinsam ganz klare Aussagen zu der Notwendigkeit eines Beschäftigungspaktes gemacht haben. Wir haben erklärt - das war nicht selbstverständlich -, daß wir die Zahl der Arbeitslosen halbieren wollen.
    Wir wußten, daß dies ein sehr ehrgeiziges Ziel ist. Ich sehe nicht den geringsten Grund, von diesem ehrgeizigen Ziel abzugehen. Ich bin dafür, alle Kraft einzusetzen. Denn ich vermag nicht zu erkennen, warum uns dies nicht möglich sein soll, wie damals, als wir - übrigens entgegen Ihren Unkenrufen - zwischen 1983 und 1992 mehr als 3 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben.
    Die Tatsache, daß die Arbeitslosigkeit heute so hoch ist, hat auch mit Faktoren zu tun, die Sie in der Debatte regelmäßig unterschlagen. Dies ist nicht korrekt. Der deutsche Arbeitsmarkt hat in den letzten acht Jahren mehr als 2,5 Millionen Zuwanderer aufgenommen, und zwar mit all den Konsequenzen, die diese Zuwanderung mit sich bringt. Ich sage überhaupt nichts gegen diese Zuwanderung. Aber wenn man Vergleiche anstellt, etwa mit anderen Ländern in Europa, stellt man realistischerweise fest, daß es hohe Zeit ist, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir wissen, daß die Schaffung von Arbeitsplätzen in einem größeren Umfang beim öffentlichen Dienst - bei Bund, Ländern, Gemeinden - keine Zukunft hat. Es gibt viele Diskussionsbeiträge aus dem Kreis Ihrer Ministerpräsidenten, die das deutlich machen. Und wir können auch nicht erwarten, daß der Durchbruch bei der Lösung dieses Problems in den deutschen Großunternehmen erfolgt. Die eigentliche Chance für uns in Deutschland liegt darin - damit wiederholt sich die Situation der 50er Jahre -, daß neue Arbeitsplätze in großem Umfang im Bereich des Mittelstandes entstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Von 1990 bis 1995 sind immerhin 1 Million Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen worden. Das heißt sehr konkret, daß wir alles tun müssen, um zu mehr Selbständigkeit beizutragen, den Mittelstand zu entlasten - Wolfgang Schäuble hat die Steuerfrage angesprochen; ich brauche das nicht zu wiederholen -, die notwendigen Reformen voranzubringen. Vor allem brauchen wir ein Umdenken in unserem Land, eine höhere Bereitschaft, sich selbständig zu machen. Im Vergleich zu anderen Ländern liegen wir in dieser Entwicklung überall - bis hin zum Bereich der Pädagogik - zurück. Deswegen müssen jetzt die Konsequenzen gezogen werden, das heißt: öffentliche Haushalte konsolidieren, Steuern und Abgaben senken, Sozialstaat umbauen!

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie machen wir das? Das würde mich einmal interessieren!)

    Genau das haben wir mit dem „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" auf den Weg gebracht. Sie wissen so gut wie ich, daß vieles bereits durchgesetzt wurde. Sie wissen aber auch, daß Sie über Ihre Position im Bundesrat alles tun, um hier zu blockieren. Die Strategie ist doch ganz klar - lassen Sie uns doch nicht darum herumreden -: Mit der Blockade im Bundesrat wird der Versuch unternommen, die Regierung handlungsunfähig erscheinen zu lassen,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist sie von selber!)

    den Leuten draußen zu sagen: Die haben zwar vielleicht guten Willen, aber sie bringen es nicht fertig.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das kriegt ihr alleine hin!)

    So wollen Sie das Ganze auf die Bundestagswahl 1998 zutreiben lassen.
    Ich kann Ihnen nur sagen: Das wird Ihnen nicht gelingen. Sie werden sehen, daß sich - wie wir es vor 20 Jahren auch einmal erfahren haben - diese Form der Blockade nicht auszahlt. Sie werden am Ende mit leeren Händen dastehen. Wir werden diese Auseinandersetzung mit Ihnen selbstverständlich kämpferisch führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir können natürlich noch über viele Details streiten. Wir können darüber streiten, ob es in der Frage der Lohnfortzahlung so oder anders gemacht wird. Wir haben Gewerkschafter und Unternehmer eingeladen, um es ihnen zu erleichtern, selber zu Regelungen zu kommen. Ich hätte es sehr begrüßt, wenn von Januar bis April dieses Jahres eine Regelung gefunden worden wäre. Ausreichend Bereitschaft dafür war zunächst vorhanden.
    Meine Damen und Herren, wenn man sieht, daß sich Arbeitgeber und Gewerkschaften in einem wichtigen Bereich in den letzten 48 Stunden beinahe auf ein für sie akzeptables Modell geeinigt hatten, was dann aber letztendlich doch fehlschlug, dann frage ich mich schon, ob alle Beteiligten wirklich wissen, daß es jetzt nicht darum geht, irgendwelche Prestigefragen in den Vordergrund zu stellen, sondern darum, zu sagen, was getan werden kann, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn wir von Zukunft reden, dann heißt das auch, daß wir den Sozialstaat umbauen müssen. Es geht nicht um Abschaffung des Sozialstaats. Es ist ziemlich absurd, in einem Land, in dem Sozialleistungen in einer Größenordnung gewährt werden, wie es in der Bundesrepublik der Fall ist, von einem Abbau

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    des Sozialstaats zu reden. Jede dritte erwirtschaftete D-Mark wird für Sozialleistungen ausgegeben. In keinem Land gibt es Arbeitnehmer mit vergleichbaren Arbeitszeiten und vergleichbaren Urlaubsregelungen. In keinem Land gibt es vergleichbare Renten. Warum bringen Sie also dauernd diese Mär auf, die soziale Katastrophe stehe ins Haus?
    Wahr ist, daß wir eine Menge an Problemen auch im sozialen Bereich haben. Wahr ist auch, daß ein beachtlicher Teil der gewaltigen Summe, die die Bürger der Bundesrepublik über Steuern für den Sozialbereich aufbringen, nicht denen zugute kommt, denen er zugute kommen soll: den Bedürftigen. Statt dessen wird er von Trittbrettfahrern in Anspruch genommen. Das lehrt die Erfahrung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Ministerpräsident, Sie haben vorhin auf die Bevölkerungsentwicklung hingewiesen. Ich bin Ihnen dankbar für diesen Hinweis; denn das deutet an, daß wir uns in dem Punkt vielleicht doch näherkommen. Wenn wir die soziale Situation Deutschlands und die demographischen Daten betrachten - die EU hat kürzlich die neuen Zahlen veröffentlicht -, dann stellen wir fest: Die Bundesrepublik Deutschland ist - neben ein, zwei anderen Ländern - durch die freie Entscheidung ihrer Bürger das Land mit der niedrigsten Geburtenrate in Europa. Es ist ganz offensichtlich, daß sich das in absehbarer Zeit nicht ändern wird.

    (Zuruf von der SPD)

    - Das werden Sie nicht bestreiten wollen. Wenn Sie solche Laute von sich geben, bedenken Sie bitte, was Ihr Fraktionsvorsitzender vorhin im Hinblick auf Kultur gesagt hat. Also, die Zahl ist unbestreitbar.
    Unbestreitbar ist auch - das ist höchst erfreulich -, daß die Zahl der Älteren zunimmt. In Kürze werden wir 3 Millionen Menschen haben, die älter als 80 Jahre sind; in absehbarer Zeit werden es mehr als 4 Millionen sein. Diese Veränderungen haben dramatische Folgen für das Renten- und Gesundheitssystem. Wenn wir uns einmal die Belegungszahlen in chirurgischen Kliniken - etwa für Bypass-Operationen, Hüftoperationen usw. - anschauen, dann wird daran der medizinische Fortschritt deutlich. Das alles ist höchst erfreulich. Aber das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Gesamtsituation. Es ist doch billig, zu sagen, wie es vorhin wieder anklang: Der Seehofer versagt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist immer richtig!)

    Wir, die Koalition, sind der Auffassung - dies sollten alle, auch die Ärzteschaft und die Kassen, bedenken -, daß die freie Arztwahl eine Grundvoraussetzung für ein System der Freiheit ist. Dann müssen wir aber alles tun, um dieses System unter Bedingungen, die sich total verändert haben, zu erhalten.
    Ich möchte ein anderes Beispiel - vorhin wurden die Länder angesprochen - anführen: Ich kann es nicht akzeptieren, daß wir sechs Jahre nach der deutschen Einheit in Sachen Abitur - acht oder neun Jahre Gymnasium - immer noch nicht zu einer Regelung gekommen sind. Auch hier kann ich nicht fragen: Wer trägt die Verantwortung? Es ist für mich nicht einsichtig, daß in anderen Ländern Europas die Hochschulreife nach acht Jahren Gymnasium erlangt werden kann und es bei uns einen Streit gibt, ob man dazu neun Jahre Gymnasium braucht. Es stellt sich doch die Frage nach den Inhalten, es stellt sich die Frage: Wie soll es weitergehen, wenn bei uns in Deutschland der Student die Hochschule im Alter von 29 Jahren verläßt? In allen anderen EU-Ländern liegt das Hochschulabgangsalter bei 25 Jahren.
    Wir reden dauernd von Chancengleichheit junger Leute. - Laßt uns doch dafür etwas tun! Sie können doch nicht sagen: Daß es hier Nachholbedarf gibt, ist die Schuld der Bundesregierung. Wir werden bei der Novellierung des Gesetzes darauf zurückkommen. Ich bin sehr darauf gespannt, was die Kollegen aus den SPD-geführten Bundesländern dazu zu sagen haben.
    Ich komme jetzt zum Thema Rente: Norbert Blüm hat natürlich recht, wenn er von der Rente der jetzigen Rentnergeneration spricht. Er hat aber immer gesagt - und wir alle sagen es -, daß die Jungen einen Anspruch darauf haben, zu erfahren, wie wir uns in etwa ihre Versorgung in den nächsten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts vorstellen. Deswegen haben wir die Rentenkommission gegründet; die Bundesregierung wird im neuen Jahr ihre Vorschläge machen. Ich lade Sie herzlich ein, an dieser Rentenreform mitzuwirken.
    Das heißt aber auch: Wenn es so ist, daß die bisherigen Lösungen angesichts der demographischen Veränderungen nicht tragfähig sind, müssen wir daraus die Konsequenzen ziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist eine entscheidende Voraussetzung, damit wir das wichtige Ziel, das wir uns vorgenommen haben - so schwierig es auch sein mag -, erreichen. Wir haben uns vorgenommen, bis zum Ende dieses Jahrzehnts die Sozialversicherungsbeiträge wieder auf unter 40 Prozent zu drücken.
    Das alles ist möglich, wenn wir zum gemeinsamen Handeln fähig sind. Ich glaube schon, daß wir sowohl die Kraft als auch die notwendige Einsicht dazu haben, wenn wir nicht das Parteipolitische in den Vordergrund stellen, sondern darüber reden, was der beste Weg ist, um die Zukunft zu sichern.
    Mit Blick auf die Versorgung mit Lehrstellen habe ich versucht, darzustellen, wie wir diesen Weg sehen. Wir werden bei der Rentenfrage über vieles zu reden haben. Ich könnte mir auch vorstellen, daß es Punkte gibt, bei denen wir uns annähern und verständigen können.
    Ich erwarte von Ihnen, der Opposition, nicht, daß Sie Regierungsvorlagen unbedingt zustimmen, selbst wenn Sie überzeugt sind, daß sie letztlich richtig sind. Es gibt auch noch eine andere Überlegung, die ich ja auch höre: Wenn die das jetzt machen, ist es besser, als wenn wir es später machen müssen. Auch das ist eine in der Politik ganz legitime Betrachtungs-

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    weise. Sie darf allerdings nicht dazu führen, daß nicht gehandelt wird.
    Ich will heute nicht viel zum Thema Europapolitik sagen, obwohl das Thema von größter Aktualität ist. Wir haben vereinbart, am 12. Dezember hierzu eine Regierungserklärung abzugeben. Wir werden also über das Thema Europa am Vorabend der DublinKonferenz Mitte des kommenden Monats sprechen können. Ich habe jedoch aktuellen Anlaß, ein paar Bemerkungen zu machen, die mir wichtig erscheinen.
    Ich hoffe, es ist unter uns nicht streitig, daß neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und neben der Vollendung der inneren Einheit die dritte große Herausforderung deutscher Politik die politische Einigung Europas ist. Wir wollen sie ohne Wenn und Aber vorantreiben. Bei der Vorbereitung der Regierungskonferenz in Amsterdam im Juni werden wir über viele Details zu reden haben. Ich habe zugesagt, daß die Bundesregierung den Bundestag über den Europaausschuß voll informiert. Wir kommen jetzt in das Stadium der Entscheidung. Wir werden dabei vor Themen stehen, die viel Umdenken notwendig machen.
    Ich will ein Beispiel nennen: Ich persönlich bin zutiefst überzeugt, daß wir mit dem alten nationalstaatlichen Denken bei der Verbrechensbekämpfung, wenn es um die internationale Mafia geht, nicht zurechtkommen werden. Wir werden uns auf grenzüberschreitende Regelungen verständigen müssen. Je früher wir das tun, um so mehr haben wir eine Chance, dieses Krebsgeschwür der neuen Zeit - Geldwäsche, Drogenmafia - mit all der kriminellen Energie, die ihm innewohnt, zu beseitigen oder zumindest zu stoppen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin auch sicher, daß wir in der Außen- und Sicherheitspolitik als Europäer bekennen müssen: Ein Vorgang, wie wir ihn in den zurückliegenden Jahren im früheren Jugoslawien erlebt haben, darf sich nicht wiederholen. Es darf sich nicht wiederholen, daß die Europäer für sich allein letztlich nicht handlungsfähig sind, sondern die Amerikaner brauchen, damit es überhaupt zu einer Entscheidung kommt.
    Heute geht es mir vor allem damm, daß Sie wissen, daß wir bei der Wirtschafts- und Währungsunion in eine entscheidende Phase eingetreten sind. Meine Damen und Herren, die Logik der Entwicklung heißt: Wir müssen mit dieser Wirtschafts- und Währungsunion zum Abschluß kommen. Wir brauchen den Euro jetzt, nicht irgendwann. Wir wollen seine Einführung nicht verschieben, wir wollen ihn jetzt durchsetzen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wer immer noch seine Zweifel hat, der muß wissen - wenn wir über die weltweite Auseinandersetzung im ökonomischen Bereich und über die Globalisierung der Wirtschaft sprechen -, daß der Euro unsere Wettbewerbsposition als Europäer und damit auch als Deutsche gegenüber den Konkurrenten aus Dollar- und Yen-Ländern stärkt, daß unsere Position dadurch auf den internationalen Finanzmärkten verbessert wird. Deswegen wollen wir ihn jetzt.
    Wir wollen auch - das muß klar sein, ich halte es für sehr wichtig, daß es auch in diesem Augenblick wieder gesagt wird, während in Europa wichtige Besprechungen stattfinden -, daß die Bundesrepublik und vor allem die Bundesregierung ohne jede Einschränkung dafür eintritt, daß die Europäische Währungsunion zum vorgesehenen Zeitpunkt verwirklicht wird und daß die in Maastricht vereinbarten Kriterien eingehalten werden, und zwar nicht nur für eine kurze Zeit, sondern auf Dauer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist das Ziel des Stabilitätspakts, den der Kollege Waigel in die Diskussion gebracht hat und der sehr viel Zustimmung findet. Meine Damen und Herren, das heißt auch, daß wir als Deutsche, die wir uns in der Europapolitik und hier besonders bei der Aufgabe der D-Mark auf Grund all dessen, was damit an geschichtlichen Erfahrungen zusammenhängt, schwertun, eine harte Währung wollen und nicht in eine Weichwährungssituation geraten wollen. Dies ist keine Arroganz, sondern beruht auch auf der Lebenserfahrung der Deutschen in den letzten 50 Jahren.
    Alle Vorschläge, die Stabilitätskriterien aufzuweichen bzw. innerhalb des Europäischen Währungssystems eine bestimmte Währung abzuwerten, sind mit diesem Kurs nicht vereinbar, sondern sind sogar schädlich für die Zukunft. Wir wollen, daß möglichst viele Mitgliedstaaten, die die Stabilitätskriterien erfüllen, von Anfang an teilnehmen.
    Aber wir sollten jetzt alle keine Spekulationen anstellen. Die Entscheidung sollte vielmehr dann fallen, wenn sie vertraglich zu fällen ist, nämlich im Frühjahr 1998. Dabei sind die dann vorliegenden Ist-Daten für 1997 ausschlaggebend. Natürlich muß das so gestaltet werden, daß die Länder, die am Anfang nicht dabei sind, auch später noch beitreten können.
    Meine Damen und Herren, damit sind wir beim Haushalt. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen und es für andere fordern, müssen wir als Deutsche unseren eigenen Beitrag dazu leisten und uns anstrengen. Die Regierungskoalition hat sich schwergetan - weil es schwer war und auch noch schwierig ist -, die notwendigen Beschlüsse zu fassen. Mit dem auf 53 Milliarden DM begrenzten Defizit schafft der Bund die notwendigen Voraussetzungen. Auf Grund der Daten, die der Finanzplanungsrat von Bund, Ländern und Gemeinden in der letzten Woche genannt hat, bin ich hoffnungsvoll, daß wir die Nettoneuverschuldung auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes begrenzen werden. Wir lägen damit etwas unter der 3-Prozent-Grenze des Maastricht-Vertrages. Ich rate uns, diese Marge unter allen Umständen auch in Zukunft beizubehalten.
    Meine Damen und Herren, wir bauen jetzt das Haus Europa. Ich zitiere hier einmal mehr Konrad Adenauer, der uns damals, zu Beginn der 50er Jahre, zugerufen hat: „Deutsche Einheit und europäische Einigung sind zwei Seiten der gleichen Medaille."

    Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
    Die Deutschen haben am Ende dieses Jahrhunderts viel Glück erfahren. Wir sollten bei allen Problemen des Tages nicht vergessen, daß wir Grund zu großer Dankbarkeit haben. Wir haben mit Zustimmung all unserer Nachbarn die deutsche Einheit erreicht. Wir sind heute Hoffnungsträger für die meisten Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas auf deren Weg nach Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dies war nach all dem Schrecklichen, was in diesem Jahrhundert auch in deutschem Namen geschehen ist, so nicht zu erwarten.
    Ich sagte, wir haben große Probleme. Aber wenn ich mir überlege, daß wir vor rund zehn Jahren im Deutschen Bundestag wichtige und heftige Debatten über die Frage der Stationierung von Kurzstreckenraketen hatten - es ging um die Modernisierung der Lance-Raketen -, kommt mir das manchmal vor, als sei das in einer lange vergangenen Zeit gewesen. Wenn wir diese Frage in einen Zusammenhang stellen mit dem, was wir heute zu tun und zu entscheiden haben, dann bin ich dankbar, daß wir jetzt nicht über Fragen von Krieg und Frieden zu entscheiden haben, sondern daß wir über Probleme der sozialen Stabilität und des sozialen Fortschritts, daß wir als Deutsche über Werke des Friedens entscheiden können.
    Ich kann nicht erkennen, daß wir angesichts der Ausgangsposition, die wir haben, wenn wir uns auf die eigene Kraft besinnen, Grund zu Pessimismus haben. Wir wollen Zukunft sichern. Das ist die entschiedene Meinung der Regierungskoalition aus CDU, CSU und F.D.P., und das ist auch die entschiedene Meinung der Bundesregierung. So werden wir unsere Politik auch unseren Bürgerinnen und Bürgern immer wieder vortragen.
    Wir werden uns zu gegebener Zeit der Entscheidung stellen. Ich bin sicher, auch diese Entscheidung wird so sein wie Entscheidungen der vergangenen Jahre.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)