Herr Braun, wir hatten 1995, auf Initiative der Bundesländer - federführend war damals Frau Brusis aus Nordrhein-Westfalen -, eine echte Chance, mit einer Härtefallregelung wenigstens die schlimmsten Verwerfungen zwischen dem Wohngeld Ost und dem Wohngeld West zu beseitigen. 1995 war der richtige Zeitpunkt. Heute allerdings - wenn Sie, Herr Warnick, diesen Antrag sozusagen ausgraben und als PDS übernehmen - stimmt der Zeitpunkt einfach nicht mehr. Heute ist das Wohngeldüberleitungsgesetz ausgelaufen. Deswegen paßt der zeitliche Rahmen nicht.
Herr Braun, das ist die Antwort auf Ihre Frage. Wir hätten das schon längst regeln können. Das ist damals versäumt worden. Deswegen haben wir heute diese äußerst mißliche Situation, die wir vor den Wählerinnen und Wählern vor allen Dingen in den alten Bundesländern kaum noch vertreten können. Das heißt: Sie müssen dies vertreten; denn das ist nicht unsere Sache.
Es ist mehr als ein Wortbruch. Sie müssen auch an die Betroffenen denken.
Für sie, die auf das Wort des Bundesbauministers vertraut haben, ist dies natürlich eine große Enttäuschung. Er hat es ja noch nicht einmal nur beiläufig erklärt. Er hat dies immer wieder auf öffentlichen Veranstaltungen, in Pressemitteilungen und auch hier im Bundestag lauthals und lautstark verkündet.
Der Bundesbauminister ist damit angetreten - ich habe seine Antrittsrede durchaus noch im Ohr -, daß Wohnungspolitik angewandte Sozialpolitik sein solle. Er hat die Meßlatte sehr hoch gelegt.
Er hat diese Meßlatte nie übersprungen, und im Laufe der Zeit ist sie immer niedriger geworden. Ich habe manchmal den Eindruck, Herr Töpfer - leider ist er nicht da; ich hätte es ihm gern persönlich gesagt - entwickelt sich zu einer Art Limbo-Tänzer: Die Meßlatte wird immer niedriger gelegt, und doch kommt er immer wieder darunter durch.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er auf dem Bauch liegt und nur noch strampelt.
Zur Mietenentwicklung. Wir können uns trefflich streiten. Eines aber steht fest; das ist unbestritten, auch bei Ihnen: Seit 1990 sind die Mieten in der Bundesrepublik um 30 Prozent gestiegen. Seit 1990 ist das Wohngeld nicht angepaßt worden. - Daß es in Teilbereichen Sonderentwicklungen gegeben hat, ist völlig unstreitig. Das aber ist der Tatbestand, an dem wir uns zu orientieren haben.
Sie, Herr Braun, sagen, die Einkommen seien gestiegen. Nominal stimmt dies. Was aber die reale Kaufkraft betrifft, so ist das Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahren gesunken.
Auch das ist unstreitig.
Sie sagen, 2,4 Millionen Wohnungen seien gebaut worden. Richtig, aber nach wie vor fehlen 1,5 Millionen Wohnungen. Sie müssen natürlich auch an solche Faktoren wie Zuwanderung denken, die sich in den 90er Jahren ebenfalls auf den Wohnungsmarkt ausgewirkt haben.
Zur Wohngeldnovelle. Wir legen heute in unserem Entschließungsantrag einige Eckpunkte vor, wie wir uns diese Wohngeldnovelle vorstellen. Das hätten wir eigentlich von Ihnen, von der Koalition, erwartet. Wir erwarten die längst überfällige angemessene Anhebung der Einkommensgrenzen und der Miethöchstbeträge. Wir erwarten eine besondere Berücksichtigung der kleinen Haushalte. Wir erwarten eine Vereinfachung, eine Neufassung der Mietenstufe insbesondere für die Randgebiete der Ballungszen-
Wolfgang Spanier
tren. Wir erwarten eine Dynamisierung der Wohngeldleistungen.
Interessant ist, wie sich die Koalition und auch der Bundesbauminister in den jüngsten Äußerungen zu dieser Wohngeldnovelle geäußert haben. Es wird so getan, als sei sie wegen einer Verwerfung, einer Ungleichentwicklung zwischen dem pauschalierten und dem Tabellenwohngeld notwendig. Der Bundesbauminister sagt in seiner jüngsten Presseerklärung, das mache die Wohngeldstrukturnovelle notwendig, nicht die notwendige Anhebung der Mietobergrenzen, nicht die notwendige Anhebung der Einkommensgrenzen. Das ist eine interessante Verschiebung der Argumentation. Was steckt hinter dieser neuen Begründung? Offensichtlich will die Koalition - das zeigen auch schon diese Übergangsregelungen - das pauschalierte Wohngeld senken, um auf diese Weise Finanzierungsspielraum für das Tabellenwohngeld zu bekommen.
Daß der Anteil des pauschalierten Wohngelds angestiegen ist, hat eine einzige Ursache: Seit den 80er Jahren hat sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger, die Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, in der Bundesrepublik verdoppelt. Das ist die Ursache dafür, daß wir heute zwei Drittel der Wohngeldausgaben für das pauschalierte Wohngeld aufwenden.
Im übrigen verwahre ich mich gegen die immer wieder zumindest unterschwellig erhobenen Vorwürfe gegen die Kommunen, daß sie hier sozusagen Luxuswohnungen für Sozialhilfebezieherinnen und Sozialhilfebezieher finanzieren. Das ist nicht der Fall. Die Kommunen, die Sozialhilfeträger, tragen ja ohnehin schon 50 Prozent der Kosten. Ich habe mich einmal in meiner Heimatstadt Herford erkundigt und gefragt: Wie macht ihr das denn eigentlich? Sie sagen: Natürlich halten wir uns nicht nur an die Höchstflächen, sondern wir haben auch Mietobergrenzen, nämlich 10 DM pro Quadratmeter kalt in unserer Stadt. Dieser Wert liegt bei den Mieten im Mittelfeld. Wenn jemand in einer zu teuren Wohnung wohnt, dann haben wir Instrumente, mit denen wir ihn auffordern, daß er sich aktiv um eine billigere Wohnung bemüht. Wir leisten auch Hilfestellung, soweit wir das angesichts des angespannten Wohnungsmarkts tun können.
Also geht es Ihnen letztlich nur darum, nach dem üblichen Verfahren des Verschiebebahnhofs Kosten, die die Bundeskasse tragen müßte, auf die Kommunen abzuwälzen. Nichts anderes steckt dahinter.
Es ist aber noch eine Gefahr bei dieser Argumentation offen anzusprechen; das hat mein Kollege Großmann vor einigen Wochen in einer Pressemitteilung getan. Sie laufen damit Gefahr - ich drücke mich hier ganz bewußt vorsichtig aus -, Sozialhilfebezieherinnen und Sozialhilfebezieher gegen die Empfänger des Tabellenwohngelds auszuspielen. Diese Gefahr, meine ich, müssen Sie sehen.
Allen Plänen, etwa durch Einfrieren des pauschalierten Wohngelds die Probleme zu lösen, müssen wir eine klare Absage erteilen. Wenn die Sozialhilfe das Existenzminimum darstellt, dann ist da nichts abzusenken. Im Regelsatz der Sozialhilfe ist ohnehin schon ein Teil der Wohnkosten enthalten, nämlich die Kosten für Warmwasser, Strom und Heizung. Also trägt der Sozialhilfebezieher über seinen Sozialhilfesatz schon einen Teil der Wohnkosten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich möchte hier - weil das auch an anderer Stelle schon geschehen ist - den Bauministern der neuen Länder, aber auch unserem wohnungspolitischen Sprecher Achim Großmann einmal ausdrücklich Dank sagen dafür,
daß es in zäher Kleinarbeit, Frau Eichstädt-Bohlig, gelungen ist, für die neuen Bundesländer - und zwar vor allen Dingen für die einkommensschwachen Haushalte - einiges an Verbesserungen hinzubekommen.
Ich glaube, daß man das mit Fug und Recht sagen kann. Es bleibt aber dabei: Die große Wohngeldnovelle ist heute nicht vorgelegt worden. Nach wie vor bleiben die Verwerfungen zwischen Ost und West. Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten nicht lockerlassen, -