Rede von
Klaus-Jürgen
Warnick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über zukünftige Bedingungen für den Bezug von Wohngeld entwickelt sich mittlerweile immer mehr zur „unendlichen Geschichte." Auch Münchhausen kommt darin des öfteren vor. Was wurde nicht schon alles in der Hoffnung auf die Vergeßlichkeit der Wählerinnen und Wähler bis zur nächsten Bundestagswahl versprochen und intern ausgekungelt: Gebt ihr uns die Zustimmung zum Mietenüberleitungsgesetz in Ostdeutschland, geben wir euch das Versprechen für ein besseres gesamtdeutsches Wohngeld spätestens ab 1997.
Doch weit gefehlt. Von einer gesamtdeutschen Wohngeldnovelle keine Spur. Statt dessen hat die Regierungskoalition einen schlechten Gesetzentwurf eingebracht, diesen von der Opposition und den ostdeutschen Bauministern zerreißen lassen, um ihn dann, mit wenigen Nettigkeiten versehen, als wesentlich verbessert zur Abstimmung vorzulegen.
Die Regierung zeigt damit: Seht her, so schlimm kommt es doch gar nicht. Wir haben das Problem verstanden und sind bereit, die entsprechenden Verbesserungen vorzunehmen. Die SPD kann behaupten: Seht her, durch unseren erbitterten Widerstand wurden wesentliche Verbesserungen erreicht. Auf uns können sich die Mieter verlassen.
Wir behaupten: Das ist Menschenverdummung. Das Ergebnis unter dem Strich zählt. Es bleibt das schlechte Wohngeld West, es verschlechtert sich das bisherige Wohngeld Ost. Für die Mieterinnen und Mieter zählen die realen finanziellen Fakten und keine schlauen Politikersprüche.
Es kommen natürlich sofort wieder Einwände der Regierungskoalition: Woher das Geld nehmen? Die Opposition kann es nicht sagen. Sie könnte auch nur das verteilen, was uns jetzt zur Verfügung steht.
Das Märchen geht noch weiter. Fast die Hälfte aller Talk-Sendungen beginnt mittlerweile mit dem dummen Spruch „Wir leben in einer Zeit des knappen Geldes" oder „Wie Sie wissen, haben Bund, Länder und Kommunen kein Geld mehr zur Verfügung". Dann erst kommt die Frage nach Problemlösungen unter Zugrundelegung dieser Tatsache. Dies ist immer die Basis.
Klaus-Jürgen Warnick
Eines müssen wir zugestehen: Die Medien und ein großer Teil der Bevölkerung glauben diesen Unsinn mittlerweile und kommen gar nicht mehr auf die Idee, darüber nachzudenken, ob der Grundansatz des knappen Geldes überhaupt richtig ist.
Klar ist: Wenn der in diesem Land produzierte Reichtum auch nur annähernd gerecht verteilt werden würde, bräuchten wir uns über Probleme bei der Finanzierung des Wohngeldes nicht zu unterhalten. Die vielen Finanzierungsvorschläge, die von uns kamen, kann ich in der kurzen Zeit nicht mehr aufführen. Sie sind auch hinlänglich bekannt.
Die Fortführung der „unendlichen Geschichte" des Wohngeldschwindels ist mit der für Mitte 1997 angekündigten gesamtdeutschen Wohngeldnovelle vorprogrammiert. Eine Reform anzukündigen, ohne im Bundesetat 1997 dafür eine zusätzliche Mark einzustellen, ist das Papier und die Worte nicht wert, auf dem bzw. mit denen sie versprochen wurde.
Für dieses Jahr rechnet Bundesbauminister Töpfer mit 3,3 Milliarden DM, die für Wohngeld benötigt werden. Für das nächste Jahr - unter ab dem 1. Juli 1997 angeblich verbesserten Bedingungen - sind allerdings nur 3,1 Milliarden DM vorgesehen. Das kann nicht aufgehen. Die bisher für Wohngeld zur Verfügung stehenden Summen lediglich umzuschichten bringt den betroffenen Bürgern herzlich wenig.
Die Koalitionspolitik der breiten Umverteilung von unten nach oben - da muß man bzw. frau kein Prophet sein - wird in den nächsten Jahren ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosenzahlen und damit auch der Zahl der Sozialhilfeempfänger sowie des Wohngeldes nach sich ziehen.
Eine beliebte Methode der Bundesregierung hat in der letzten Zeit Hochkonjunktur - ich nenne sie immer sarkastisch die „Methode Zukunft"- , nämlich die Abwälzung möglichst vieler Kosten auf die ohnehin mit dem Rücken zur Wand stehenden Kommunen. Dies wird auch im vorliegenden Gesetzentwurf praktiziert. Dies scheint sich zur Standardnotlösung zu entwickeln, die aber schnell auf den Verursacher selbst zurückfallen kann.
Wir bleiben dabei: Natürlich hätte es Alternativen gegeben, und wir haben sie aufgezeigt. Auch Bündnis 90/Die Grünen und die SPD sehen wohl praktikable Finanzierungsmöglichkeiten. Sonst wären ihre Vorschläge hier nicht unterbreitet worden. Warum aber erst ab 1. Juli 1997? Das bleibt ihr Geheimnis. Oder hat dies auch etwas mit der doppelbödigen Politik der sozialdemokratischen Minister in vielen westlichen Bundesländern oder mit dem grünen Minister Vesper zu tun?