Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Büttner, es wundert mich schon sehr, wenn Sie den Verantwortlichen, den Bundeskanzler, unseren „Landesvater", an dieser Stelle ganz rauslassen. Über die Verantwortung der Bundesregierung habe ich von Ihnen kein Wort gehört!
Sprache ist doch sehr verräterisch. Wenn Sie hier sagen, SKET solle nach der Gesamtvollstreckung eine Restchance haben, was ist denn das? Nicht einmal eine echte Chance billigen Sie dem Unternehmen zu! Die Sprache, die Sie gewählt haben, hat Sie verraten.
Die Bundesregierung hat - zögerlich und immer zu spät - über ihre Behörden gehandelt, die sie dafür konstruiert hat: zunächst die Treuhand und jetzt die BvS. Übernehmen Sie bitte nun auch die Verantwortung für diese Konstruktion! Gehen Sie bitte davon aus: Wir kritisieren nach wie vor, daß es bisher keine politische Kontrolle der BvS gibt. Wir, die Parlamentarier, stehen daneben, wenn Milliardenvermögen in diesem Nachfolgeunternehmen der Treuhand umgesetzt werden, ohne daß wir ein Mitspracherecht haben. Das ist ein Skandal, was hier passiert.
Und wer blockiert das? Auch das muß mal gesagt werden: Die Einrichtung einer wirksamen Kontrolle der Nachfolgeeinrichtungen der Treuhand wird allein von der Koalition blockiert, von CDU, CSU und F.D.P. Die Forderung liegt lange genug auf dem Tisch.
Ich sage Ihnen ganz klar: Wenn SKET tatsächlich auseinanderfallen sollte, dann geht es nicht nur um den Verlust von Arbeitsplätzen, sondern um das traurige Schicksal einer ganzen Region. Ich kann Ihnen
Dr. Uwe Küster
aufzählen, wieviel Tausende von Arbeitsplätzen allein in der Stadt Magdeburg verlorengegangen sind.
Ihnen muß langsam klar werden: Hier geht es auch um ein Symbol. SKET gehört zu Magdeburg wie VW zu Wolfsburg. Überlegen wir bloß mal, eine ähnliche Katastrophe hätte es für VW-Wolfsburg gegeben - oder bei Daimler Benz in Stuttgart, bei Siemens in München. Das sind ähnliche Größenordnungen. Ich hätte nicht erleben mögen, was dann hier los gewesen wäre. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, hier geht es um viel mehr als „nur" um den Abbau von Arbeitsplätzen.
Hier geht es auch um die Zerstörung von Selbstbewußtsein. Es ist nicht gelungen, in Ostdeutschland eine sinnvolle Industriepolitik zu installieren, die von uns immer wieder gefordert wurde.
Wenn SKET tatsächlich plattgemacht werden sollte - und ich sage ganz deutlich, Herr Büttner: Ihre Sprache hat Sie verraten -, dann geben Sie den Kritikern der deutschen Einheit neues Futter. Das kann nicht im Interesse dieses Hauses sein. Wir wollen die Einheit gestalten, aber müssen mit anschauen, was hier passiert ist.
Noch einmal zur Sprache: Am Montag ging durch die Presse, daß Bundeskanzler Kohl gesagt habe, SKET dürfe nicht filetiert werden. Von „Filetierung" zu sprechen ist interessant: Waren denn bei der Sanierung von SKET Metzger am Werk? Wenn jemand die Filetstücke bekommt, wer bekommt dann die Knochen? Müssen die Arbeitslosen das nehmen, was man den Hunden vorwirft? Ich möchte genau wissen, was hier passiert. Nicht Metzger werden für den Aufbau Ostdeutschlands gebraucht, sondern Gärtner. Säen und Ernten statt Schlachten und Filetieren sollte die Devise für den Aufbau Ostdeutschlands lauten. Aber nicht weiter mit der Abrißbirne durch Deutschland!
Die BvS ist Eigentümer, und Rechts- und Fachaufsicht liegen beim Bundesfinanzminister
und beim Bundeswirtschaftsminister. Von diesen Stellen ist auch das Geld bereitgestellt worden. Der Haushaltsplan für das Jahr 1996 sieht Mittel vor. Wenn sich die BvS noch stolz brüstet, daß sie nicht einmal diese Mittel voll nutzt, dann ist klar, daß notwendige Maßnahmen unterbleiben. Diesen Vorwurf müssen Sie sich schon gefallen lassen.
Zum Thema Sanierung: Wie viele Sanierungskonzepte hat SKET denn gesehen? Ich komme mit der Aufarbeitung nicht mehr nach. Das letzte Sanierungskonzept stammt vom April 1996 - und die Vereinbarung wird schon ein halbes Jahr später gebrochen. Für die Sanierung eines Unternehmens dieser Größenordnung wäre es erforderlich, daß ein Sanierungsplan über mindestens fünf Jahre - Fachleute sagen: zehn Jahre - läuft. Man kann auf eine Sanierung natürlich verzichten; aber wenn Sie das wollen, dann müssen Sie das verantworten. Daß dem so ist, entnehme ich Ihrem Handeln und Ihren Äußerungen hier.
SKET ist das traurige Symbol für die verfehlte Industriepolitik der Bundesregierung im Osten. Es wird höchste Zeit, daß sich die Bundesregierung überlegt, wie es weitergehen soll. Ich fordere, daß SKET als Anlagenbauer, als Systemanbieter bestehenbleibt. Staatssekretär Ludewig hat sich dazu bekannt. Ich hoffe, daß er nicht alleiniger Rufer in der Wüste ist. Die Bundesregierung ist hier gefragt; der Bundeskanzler ist im Wort.
SKET muß in den Stand gesetzt werden, als Gesamtanlagenbauer auf dem Markt zu bleiben.
Wenn das Konzept, das jetzt vorgelegt wurde, durchgesetzt wird, ist das ein Sterben auf Raten. Das wäre der direkte Weg in die Liquidation. Das wollen wir nicht, das kann nicht unser Interesse sein. Ich hoffe, daß es auch nicht im Interesse der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen ist.
Die Sanierung von Unternehmen dieser Größenordnung braucht - und hier gerade angesichts des hohen Symbolwerts für den Aufbau Ostdeutschlands - Zeit, Geld und starken Willen. Daß dies vorhanden ist, muß heute als Signal von hier ausgehen.