Rede von
Hartmut
Büttner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Wahlkreis ist von großen Gegensätzen gekennzeichnet: Wir haben bei uns in der Magdeburger Börde die beste Bodenqualität Deutschlands. Die noch vorhandenen Industrieunternehmen stehen aber in einem heftigen Existenzkampf. Aktuellstes Negativbeispiel ist der traditionsreiche Magdeburger Schwermaschinenbauer SKET.
Der Weg von SKET ist besonders bitter, vor allem deshalb, weil trotz stets neuer Tiefpunkte in der Beschäftigtenzahl immer wieder neue Zukunftshoffnung aufkeimte. So schmolz die Belegschaft allein in Magdeburg von 13 000 Mitarbeitern auf zuletzt 1 435 Beschäftigte zusammen. Vorletzter trauriger Höhepunkt war die gescheiterte Privatisierung.
Jetzt ermittelt in diesem Fall die Staatsanwaltschaft. Die Kommission der Europäischen Union überprüft darüber hinaus die Zuschußpraxis.
Die Arbeitnehmerschaft hat den bisherigen Arbeitsplatzabbau trotz seiner unübersehbaren Härten und der wechselnden Konzepte immer wieder mitgetragen. Deshalb habe ich auch viel Verständnis für das jetzige Nein der SKET-Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, als eine abermalige Absenkung auf unter 600 Beschäftigte gefordert wurde. Dieses Sterben auf Raten trifft das wirtschaftliche Herz der Region Magdeburg.
Nach dieser Entscheidung der Arbeitnehmervertreter gab es für Firmenleitung, Aufsichtsrat und BvS kaum eine andere Wahl, als die ostdeutsche Variante des Konkurses einzuleiten - die Gesamtvollstrekkung. So bitter dieser Schritt ist: Er läßt trotzdem noch einige Restchancen erkennen.
Ich hatte eingangs erwähnt, daß mein Wahlkreis von einer fortschreitenden Deindustrialisierung besonders hart betroffen ist. Der Leidensweg erstreckt sich auf den Landmaschinen- und Motorenbau in Schönebeck, den Chemieanlagenbau und die Fernsehgeräteherstellung in Staßfurt. Neue Hoffnung erwächst im Bereich der Fernsehgeräteherstellung bei der Firma RFT in Staßfurt gerade aus der Gesamtvollstreckung. Zum erstenmal seit Jahren konsolidiert sich zumindest der kümmerliche Rest.
Ich hoffe, daß auch SKET diese wahrscheinlich allerletzte Möglichkeit zum Erhalt des Unternehmens nutzen kann. Das wird aber nur glücken, wenn es ein vernünftiges Zusammenarbeiten aller beteiligten politischen, wirtschaftlichen und in diesem Fall auch juristischen Stellen gibt. Über den Neuanfang entscheidet ein vom Amtsgericht einzusetzender Firmenverwalter. Je besser dieser Sequester arbeitet, um so größer sind auch die Chancen für einen Neuanfang dieses Unternehmens.
Wie dramatisch die finanzielle Lage von SKET ist, belegen folgende Zahlen: In diesem Jahr wird ein Umsatz von 120 Millionen DM erwartet. Der Verlust
Hartmut Büttner
wird sich demgegenüber auf 190 Millionen DM summieren. Der Bund hat SKET nie im Stich gelassen,
sondern das Unternehmen bisher mit 1 122 Millionen DM gestützt, also mit fast 1 Million DM für jeden heute noch beschäftigten Arbeitnehmer.
Ich begrüße sehr - im Gegensatz zu Ihren Zwischenrufen -, daß SKET auch weiterhin auf den Bund zählen kann.
Die BvS hat erklärt, daß sie auch künftig bereit ist, die notwendigen Mittel bereitzustellen, und sowohl Bundeskanzler Helmut Kohl als auch Bundespräsident Herzog haben sich in diesen Tagen vor Arbeitnehmern in Magdeburg für den Erhalt von SKET als Ganzes ausgesprochen. Sachsen-Anhalts DGB-Chef Jürgen Weißbach - auf den werden Sie ja wahrscheinlich hören - hat diese Haltung des Bundeskanzlers nachdrücklich begrüßt.
Im gleichen Atemzug wird von ihm die PDS-gestützte - hören Sie, die PDS-gestützte! - rot-grüne Landesregierung für ihr Verhalten in dieser Frage mehr als deutlich kritisiert. Dieser Kritik schlossen sich auch die IG Metall und der Betriebsrat von SKET an.
Herr Höppner hat mit seinen nicht eingelösten Versprechen
die Belegschaft zutiefst enttäuscht. Versprochen worden war ein direktes Engagement des Landes mit einer Landesbeteiligung. Der Ministerpräsident hat einen Landtagsbeschluß vom Herbst 1995 bisher in keiner Weise umgesetzt. Auch ein Aufsichtsratmandat wurde von der Landesregierung niemals angestrebt, obwohl es zigmal angeboten worden war. Wir haben ein Recht, zu erfahren, warum die Landesregierung seit ihrer Amtsübernahme im Sommer 1994 keinen einzigen Antrag zur Sanierung von SKET in den Gremien der BvS gestellt hat!
Es ist schon ein starkes Stück, daß sich der SKET-Betriebsrat von einem PDS-gestützten sozialdemokratischen Regierungschef vorwerfen lassen muß, er betreibe „blanke Demagogie"
- das ist Ihnen wohl unangenehm - und das nur, weil die Arbeitnehmer gewagt haben, Herrn Höppner an sein Versprechen zu erinnern. Mehrfach versuchte der Betriebsrat, mit ihm darüber ins Gespräch zu kommen. Dem ist Herr Höppner mehrfach ausgewichen. Diese Handlungsweise erinnert mehr an Richard Kimble als an einen besorgten Landesvater.
Einem Kurt Biedenkopf wäre das nie passiert!
Und ich füge hinzu: einem Christoph Bergner auch nicht.
Gerade jetzt brauchen wir zur Rettung des letzten Restes von SKET das Zusammenspiel aller verantwortlichen Stellen. Nur wenn Bund, Land, BvS, Geschäftsleitung und Belegschaft gemeinsam am Überleben des SKET arbeiten, haben wir noch eine Chance. Der Bund läßt SKET nicht im Stich. Das Land sollte endlich diesem Beispiel folgen!