Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Tagen im Rahmen dieser ersten Lesung des Haushalts 1997 von seiten der Opposition die Fortsetzung des Märchens gehört, die Politik der bösen Bundesregierung würde dazu führen, daß die Kommunen - wie man im rheinischen Gerundium sagt - am kaputt am gehen sind.
- Nein, das sagt man im gesamten Rheinland, Frau Albowitz.
Das ist schon deshalb vom Grunde her Unsinn, weil das, was für den Gesamtstaat richtig ist - Steuerlastsenkung für die Bürger und die Wirtschaft, Stärkung des Standortes Deutschland, Sicherung der Sozialhaushalte, Stärkung der Wettbewerbssituation Deutschlands, Schaffung von Arbeitsplätzen -, für die Kommunen nicht falsch sein kann.
Wenn durch die Beschlüsse der Bundesregierung die inneren und äußeren Rahmenbedingungen für
Dieter Pützhofen
die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland stabilisiert und verbessert werden, kommt das auch den Kommunen zugute. Die Fragen lauten - sie sind auch richtig -: Wem wird welche Aufgabe zugeschoben, wieviel erhält man vom Gesamtsteueraufkommen, um die Aufgaben im Rahmen der Gesamtpalette erledigen zu können, was erhalten die Städte und Gemeinden bei dieser Verteilung?
Um diese Fragen zu beantworten, hilft ein Blick auf die Entwicklung der Anteile der Gebietskörperschaften am Gesamtsteueraufkommen. Die Finanzberichte und die Steuerschätzung vom Mai 1996 dienen mir als Grundlage: Von 1991 bis 1996 nahm der Bundesanteil am Gesamtsteueraufkommen um 12,3 Prozent ab. Der Länderanteil nahm in derselben Zeit um über 20 Prozent zu, und der Kommunalanteil nahm in derselben Zeit um genau 8 Prozent ab.
Ich weiß, daß wir die Frage der kommunalen Finanzausstattung nicht in der Form eines Verschiebebahnhofs klären sollten, indem immer dem anderen die Schuld zugeschoben wird. Aber an zwei Dingen besteht überhaupt kein Zweifel: Erstens. Die primäre Zuständigkeit für die Finanzausstattung der Gemeinden und Städte liegt bei den Ländern.
Zweitens. Der Bund hat die Länder in einem überproportionalen Maße am Steueraufkommen beteiligt, und er hat mit den Ländern die Weiterleitung dieser Mittel an die Kommunen verabredet. Der Bund hat durch die Begrenzung von Leistungsgesetzen auch die Ausgabenseite der kommunalen Haushalte verbessert.
Das zum Thema: Wer hat die Mittel? Wer zahlt die Zeche für die Aufgabenerledigung?
Wenn wir uns hier im Bundestag mit der kommunalen Finanzausstattung und den Nöten der Städte und Gemeinden ernsthaft beschäftigen, wenn wir das ehrlich meinen, dann kann das Endergebnis nur ein gemeinsamer Appell aller Fraktionen an die Länder sein, sich dieser Aufgabe nicht länger zu verschließen.
Die finanzielle Lage unserer Städte und Gemeinden ist angespannt wie nie zuvor. Viele Städte können ihren Haushalt nicht mehr ausgleichen, kaum eine Stadt kommt ohne ein Haushaltskonsolidierungskonzept aus, und das, obwohl die Städte in den Bereichen, in denen sie eigenen Spielraum haben, nämlich bei den Investitionen, nachhaltig sparen.
Wir wissen, was das bedeutet: Einschränkungen bei den städtischen Investitionen bedeuten weniger Aufträge, insbesondere für die mittelständische Wirtschaft, mit allen Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und möglicherweise auch für die Ausbildungsplatzsituation.
Mir liegen die Zahlen aus den Städten vor: 1994 wurden die Sachinvestitionen bei den Städten und Gemeinden um 8 Prozent, 1995 noch einmal um
6 Prozent gesenkt, und 1997 wird es voraussichtlich wieder eine Senkung um 7 Prozent geben.
Aus diesem Grund ist verständlich, daß die Kommunen Beschlüsse der Bundesregierung und des Bundestages nicht, wie Sie von der Opposition glauben machen wollen, allesamt als bedrückende Last empfinden, sondern im Gegenteil ausdrücklich begrüßen.
Sie begrüßen zum Beispiel die Beschlüsse zur Begrenzung des Zuwachses der Sozialhilfeleistungen. Alle kommunalen Spitzenverbände haben einvernehmlich den Beschlüssen zugestimmt. Sie begrüßen auch das neue Asylrecht, nach dessen Inkrafttreten am 1. Juli 1993 sich die Zugangszahlen voraussichtlich um bis zu zwei Drittel reduzieren werden, und das Asylbewerberleistungsgesetz, das mittelfristig zu einer spürbaren Entlastung der kommunalen Haushalte führen wird.
Gleiches gilt übrigens für die Pflegeversicherung, es sei denn, die Länder zögen sich vollends aus der Investitionsförderung zurück. Wir erleben ja zur Zeit, daß gesagt wird: Aha, ihr habt jetzt Freiräume; nutzt doch bitte diese Freiräume für die Investitionen, und dann ziehen wir uns als Länder aus den Investitionen zurück. Das ist eine Gefahr, die zumindest in Nordrhein-Westfalen noch nicht endgültig gebannt ist.
Meine Damen und Herren, mit Einsparungen allein - das zeigt die Entwicklung der letzten Jahre werden die kommunalen Finanzprobleme nicht gelöst werden. Notwendig ist auch eine Verbesserung der Einnahmeseite. Die im Jahressteuergesetz 1996 vorgesehene Gemeindesteuerreform wäre ein erster wichtiger Schritt auf dem Wege zu einer Konsolidierung.
Der Wegfall der substanzverzehrenden Gewerbekapitalsteuer und im Gegenzug die Beteiligung an der Umsatzsteuer als stetige Einnahmequelle der Kommunen wird hier im Bundestag und im Bundesrat von der Opposition verhindert. Sie leisten damit - lassen Sie sich das sagen - den Städten und Gemeinden in unserem Land einen Bärendienst.
Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, da nützt auch kein Feldgeschrei: Alle kommunalen Spitzenverbände nehmen mittlerweile eine zustimmende Position zu den Vorschlägen der Regierung ein; alle Spitzenverbände wollen eine Grundgesetzänderung. Ich weiß als Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städtetages, daß das keine einfache Geburt war. Ich weiß, daß es den sozialdemokratischen Städten schwergefallen ist, nicht weiter hinter ihren sogenannten Vorleuten im Bundestag herzulaufen. Aber die Vertreter der Städte und Gemeinden sind eben zu mehr Einsicht fähig als die Opposition im Deutschen Bundestag.
Dieter Pützhofen
Wem das noch nicht ausreicht, dem möchte ich etwas aus einer Beschlußfassung der sozialdemokratischen Städte vorlesen. Es heißt in einem Papier der Bundes-SGK, der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in der Bundesrepublik, unter den Überschriften „Es ist höchste Zeit, Herr Finanzminister" und „Bürgerschaftliche Verantwortung in starken Städten" unter 1 c:
Die Kommunalpolitiker der SPD fordern eine schnelle und umfassende Gemeindefinanzreform.
Weiterhin ist dort zu lesen:
Bei Wegfall der Gewerbekapitalsteuer ist als Ersatz eine unmittelbare Umsatzsteuerbeteiligung der Städte und Gemeinden unter folgenden Voraussetzungen sicherzustellen . . .
Herr Kollege Diller, ist es nicht schön, daß die sozialdemokratischen Kommunalpolitiker in diesen Städten mehr Einsicht zeigen als ihre Kollegen im Deutschen Bundestag?
Meine Damen und Herren von der SPD, sich hier im Bundestag als Bremser und im Bundesrat als Hilfsbremser zu betätigen und dann draußen in den Städten so zu tun, als sei man die Lichtgestalt bei der Rettung der Städte und Gemeinden, das wird Ihnen nicht gelingen; das wird Ihnen draußen keiner abnehmen.
Die Beteiligung der Städte und Gemeinden an der Umsatzsteuer würde insbesondere in den neuen Ländern positive Auswirkungen haben. Der Konsolidierungsbedarf ist in den neuen Bundesländern bekanntermaßen noch erheblich gewaltiger als im Westen. Die Einnahmeschwäche bei der Gewerbesteuer wird dort in den nächsten Jahren nur ganz allmählich abgebaut werden. Eine gewinnunabhängige, konjunkturstabile Steuerquelle bedeutet für die Kommunen in den neuen Ländern eine erhebliche Verbesserung.