Ich habe das in der Debatte nicht ganz verstanden: Haben Sie beklagt, daß das Geld für das Jagdflugzeug nicht eingestellt war, oder waren Sie der Meinung, daß der Verteidigungsetat zu niedrig ist?
Ich will Ihnen meine Meinung dazu sagen. Nach allen Erkenntnissen - ich sehe diesen Eindruck inzwischen in einem Dreipunktepapier der SPD auch in zwei Punkten bestätigt - ist es strategisch und verteidigungspolitisch sinnvoll, ein neues Jagdflugzeug zu beschaffen. Das wird auch von Ihren Verteidigungsleuten, zum Beispiel Kolbow, wenn er denn einmal reden darf, anerkannt. Ich sage zusätzlich, daß es auch arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist. Es bedeutet etwa 18 000 bis 20 000 Arbeitsplätze, die davon abhängen. Also machen wir das; das ist meine persönliche Meinung. Also werden wir bei den Haushaltsberatungen - das ist der Sinn der Beratungen,
Dietrich Austermann
daß man sich den Haushalt anguckt und gegebenenfalls Korrekturen vornimmt - einen ersten Teilbetrag für die Serienvorbereitung bereitstellen. Das werden wir machen. Ich bin für Verteidigung verantwortlich, und ich bin dafür. Sagen auch Sie Ihre Position. Sind Sie dagegen?
Sagen Sie das den Ministerpräsidenten in den Bundesländern, sagen Sie es Gerhard Schröder, welche Konsequenz sich aus Ihrer Position ergibt.
Wir müssen jetzt entscheiden, und es scheint - wie immer seit -, wir müssen alleine entscheiden. Wir tun das auch, soweit das geht. Aber wo wir das nicht alleine machen können, gibt es leider die Blockade.
Jetzt nehme ich einmal das Stichwort Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Herr Diller redet von einem Kahlschlag. Ich sage - auch an die Menschen in den neuen Bundesländern gerichtet -: Lassen Sie sich von Herrn Diller und seinen Genossen nicht belügen.
Wir geben 41 Milliarden DM für eine aktive Arbeitsmarktpolitik aus. Im Haushalt dieses Jahres sind 10 Milliarden DM für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vorgesehen. Möglicherweise werden wir das etwas reduzieren. Im Haushalt des nächsten Jahres sieht es so ähnlich aus. Fortbildung und Umschulung - bei manchem in den neuen Bundesländern ist es schon die dritte Umschulung - haben ein Volumen von 15 Milliarden DM. Hinzu kommen die 10 Milliarden DM für ABM, das sind 25 Milliarden DM. Wir wollen von diesem Gesamtbetrag von 25 Milliarden DM 2 Milliarden DM wegnehmen. Da reden Sie von sozialem Kahlschlag. Das ist doch wohl nicht zutreffend und heißt, daß Sie nicht erkannt haben, an welcher Stelle wir Entscheidungen treffen müssen,
zumal inzwischen ein großer Kreis von Fachleuten immer stärker die Frage stellt, ob ABM tatsächlich das Richtige auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt ist. Wenn im Bereich Gartenbau inzwischen mehr Menschen auf Basis von ABM arbeiten als im ersten Arbeitsmarkt, dann haben da doch falsche Entwicklungen stattgefunden.
Das Wirtschaftsinstitut in Halle bestätigt die von uns eingenommene Position: ABM ist in einzelnen Fällen durchaus kontraproduktiv.
Lassen Sie mich noch etwas zu dem Stichwort Arbeitsmarkt sagen. Ich behaupte - gestern wurde von zwei Schulen geredet -, daß Arbeit vorhanden ist. Nach einer Pressemeldung vom letzten Wochenende haben in Hamburg von 700 000 Beschäftigten 90 000 eine geringfügige Nebenbeschäftigung und 30 000
eine oder mehrere Nebentätigkeiten. Das bedeutet auf die Bundesrepublik hochgerechnet mehrere Millionen Nebentätigkeiten. Das bedeutet auch - ich sage das ohne jede Kritik -, daß die Arbeitnehmer offensichtlich Zeit dazu haben - sicher ein Ergebnis der Arbeitszeitverkürzung.
Das bestätigt auch, daß Arbeit vorhanden ist, denn sie machen ja die vorhandene Arbeit. Aus meiner Sicht ist aber nicht akzeptabel, daß - -
- Oder Windbeutel, an Sie, Herr Fischer, gerichtet.
Es ist nicht in Ordnung, daß für diesen Teil der Arbeit überhaupt keine Beiträge gezahlt werden; es werden zwar Steuern gezahlt, aber keine Sozialversicherungsbeiträge. Der eine zahlt bei 4 000 DM brutto die vollen Steuern und Sozialversicherungsabgaben, einschließlich Arbeitslosenversicherung, der andere übernimmt zwei oder drei Arbeitsverhältnisse, zahlt aber bloß für einen Teil. Das ist nicht gerecht, und ich bin der Meinung, hier müssen wir etwas tun. Dies wird auch die Kassen entlasten.
Der Chef einer großen deutschen Werft hat mir vor wenigen Tagen gesagt - und für mich ist das eine zentrale Aussage auch für die nächsten fünf bis zehn Jahre -: „Ich bin mit meiner Werft nicht wettbewerbsfähig; nicht, weil die Löhne zu hoch sind, sondern weil wir aus verschiedenen Gründen in der Produktivität und bei den Kosten nicht mithalten können. Wenn ich eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hätte, könnte ich 5000 Leute auf meiner Werft einstellen. "
Es gibt Fachleute in der Industrie, die sagen: Wenn wir im Jahre 2000 gut sind, haben wir die 40-Stunden-Woche und eine Woche weniger Urlaub, aber wir haben dann den Standard gehalten. Ich glaube, daß wir darüber nachdenken müssen, ob es nicht tatsächlich angezeigt ist, in einzelnen Bereichen - nicht überall - mehr zu arbeiten. Das ist auf jeden Fall sinnvoller, als Schiffbau durch den Staat zu subventionieren.
Ich will einen dritten Punkt ansprechen: Jeder Kollege kann in seinem eigenen Wahlkreis feststellen, daß es eine große Zahl von Arbeitsverhältnissen gibt, die von deutschen Arbeitslosen oder von Arbeitslosen, die hier gemeldet sind, nicht wahrgenommen werden. In meinem Wahlkreis stehen bei der Kohlernte 300 Bürgern aus Dithmarschen 1 300 Polen ge-
Dietrich Austermann
genüber. Ich weiß nicht, ob wir das auf Dauer für richtig und für tragbar halten können.
Dies bedeutet nämlich, daß andere unseren Arbeitslosen Arbeit wegnehmen.
Ziel unserer Maßnahmen ist es, mehr Wachstum zu erreichen, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und die wirtschaftlichen und sozialen Fundamente unseres Staates zu sichern. Wirtschafts-, Steuer- und Geldpolitik müssen den notwendigen Impuls geben, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Die aktuellen Wirtschaftsdaten zeigen das.
Ich möchte jetzt der Schwarzmalerei, die Herr Diller betrieben hat, ein paar positive Daten gegenübersetzen. Wenn im letzten Jahr immerhin 52,1 Milliarden DM an Sozialhilfe gezahlt werden konnten,
- gezahlt werden mußten, dann zeigt das, daß Leistungsfähigkeit vorhanden war. Wir haben stabiles Geld, niedrige Zinsen, den längsten Urlaub, sozialen Frieden, hohe Löhne, hohe Exportraten, eine intakte Wirtschaft, bescheidenes - aber immerhin - wirtschaftliches Wachstum. Herr Diller, Sie haben 1982 mit sogenanntem Minuswachstum aufgehört. - Wir haben eine gut entwickelte Forschungslandschaft. Wir unterstützen - und das erklärt vielleicht auch unsere finanzielle Situation - beispielhaft die neuen und viele arme Länder weltweit mit Hunderten von Milliarden DM. Alleine von 1990 bis heute sind es etwa 450 Milliarden DM, die in alle Regionen im Osten und Süden der Welt geflossen sind. 4 Millionen Menschen sind nach 1990 nach Deutschland gekommen und zum großen Teil auf unseren Arbeitsmarkt geströmt. Dies haben wir einigermaßen vernünftig verkraftet, aber es erklärt auch einen Teil unserer Probleme.
Wir streben mit dem Haushalt 1997 eine Senkung der Staatsquote, der Steuer- und Sozialabgabenlast sowie eine Halbierung der öffentlichen Defizite an. Ich gebe zu, daß in einzelnen Bereichen Risiken vorhanden sind. Aber ich bestreite, daß die Tatsache, daß Risiken auch im Bereich des Arbeitsmarktes bestehen, uns gerade von denen vorgeworfen werden kann, die die Gesetzgebungsverfahren zum Beschäftigungspaket blockieren.
400 000 Arbeitsplätze mehr oder weniger, das heißt 12 Milliarden DM Einnahmen mehr oder weniger. Wer das Beschäftigungspaket blockiert, wird kaum kritisieren können, daß die Arbeitslosigkeit auf einem zu hohen Niveau stagniert. Für einen Teil der
Risiken im Haushalt trägt die SPD - nicht nur im Bundesrat - die Verantwortung.
Meine Damen und Herren, ich möchte etwas zum Thema Kindergeld sagen. Wenn Herr Kollege Scharping erklärt, seine Partei werde die Verschiebung der Kindergelderhöhung verhindern - dies hat er vorgestern getan; auch Herr Lafontaine spricht im „Focus"-Artikel davon -, dann muß er auch sagen, wie er die Mehrausgaben bei Bund, Ländern und Gemeinden decken will;
denn dafür reicht allein die Beibehaltung der Steuer auf private Vermögen, die nur den Ländern zufließt, nicht aus.
- Diesen Zwischenruf von Ihnen konnte man erwarten.
Es gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen in unserer Bundesrepublik, daß wir ab dem 1. Januar, also seit neun Monaten, das Kindergeld und die Kinderfreibeträge kräftig erhöht
- wer redet eigentlich davon? - und das Existenzminimum gänzlich von der Steuer freigestellt haben.
Wer angesichts der Finanzsituation des Staates bei der Erhöhung des Kindergeldes Anfang nächsten Jahres bleiben will, der muß genau erklären, woher das zusätzliche Geld, knapp 4 Milliarden DM, kommen soll, und muß eine andere Einkunftsquelle nennen als eine höhere Neuverschuldung. Ansonsten werden die Anträge der SPD zur Vorlage von Ergänzungs- und Nachtragshaushalten völlig unglaubwürdig.
Meine Damen und Herren, in der Geschichte der Bundesrepublik ist die SPD die Partei der Kindergeldkürzungen und der Freibetragsabschaffungen.
Sie haben sich nicht geschämt, arbeitslosen Jugendlichen das Kindergeld ganz zu streichen. Jetzt mit dem Vorschlag zu kommen: „Tausche höheres Kindergeld gegen höhere Schulden zu Lasten der nachfolgenden Generationen", das ist nicht solider als Ihre Politik Anfang der 80er Jahre.
Dietrich Austermann
Ich habe angesprochen, daß wir versuchen werden, ohne Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit auszukommen,
möchte aber darauf hinweisen, daß wir gleichwohl in großem Umfang vielen Hilfe leisten, die der Unterstützung bedürfen.
Die strukturschwächeren Länder müssen Hilfe erhalten. Die Leistungen für Niedersachsen beispielsweise sind beachtlich. Für die Küstenländer in Ost und West - außer Hamburg - steigen die Ergänzungszuweisungen. Niedersachsen erhält im kommenden Jahr 200 Millionen DM mehr.
Die Mittel für Straßenbau und Infrastrukturprojekte werden erhöht. Wenn Niedersachsen das Land im Norden mit der höchsten Arbeitslosenquote und der niedrigsten Investitionsquote ist, die geringste Zahl von Selbständigen pro Einwohner aufweist, am wenigsten für junge Existenzgründer tut und den höchsten Schulden- und Personalausgabenanstieg zu verzeichnen hat, kann ich nur auf den „Stern" verweisen: Schröder-Land ist abgebrannt! Da auch Herr Scharping vor einem Jahr gesagt hat, Gerhard Schröder habe in Niedersachsen den Landeshaushalt ruiniert, -