Rede von
Dr.
Uwe-Jens
Heuer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Einverstanden.
Herr Kleinert, Sie haben soeben Herrn Beck darin kritisiert, daß er übermäßig über Minderheiten spricht. Ich meine, Ihre Partei ist die Partei, die am entschiedensten eine Minderheit vertritt; nicht ganz erfolglos, aber doch am entschiedensten.
Wenn man sich den Einzelplan 07 ansieht, muß man zugeben, daß das Maß an Rechtsstaatlichkeit in diesem Lande noch nicht völlig von der Kassenlage des Herrn Finanzministers und seiner Länderkollegen abhängt. Immerhin klagen die Gerichte über Arbeitsüberlastungen, Geld- und Personalmangel.
Nun besteht die Gefahr, daß das Leben der Justiz mit der Knappheit auf eine Art organisiert wird, daß gleicher Rechtsschutz für alle - auch für die Armen und Schwachen - nicht mehr voll gewährleistet ist. Es kursiert bereits die Idee, von der Kostenlosigkeit der Sozialgerichtsbarkeit abzuweichen. Es wird davon geredet, die Rechtsprechung zu effektivieren, zu beschleunigen und zu vereinfachen; dann werde sie auch billiger. Streitwertgrenzen sollen erhöht werden, Beweisaufnahmen gekürzt und Berufungsmöglichkeiten beschnitten werden.
Ich meine, daß sich da eine gefährliche Entwicklung anbahnt. Wir haben heute gehört, daß die Verwaltungsgerichtsordnung, gegen die wir große Bedenken hatten, nun wahrscheinlich doch in dieser Form kommen wird.
Der Bundesjustizminister und seine Länderkollegen sollten doch das bedenken, was der Bundesvorsitzende der Neuen Richtervereinigung, Horst Häuser, dazu meint: „Solche 'Reformideen' sind lediglich fiskalischer Natur und in der Regel mit der Gefahr des Abbaus von Bürgerrechten verbunden." Unter dem „Diktat der leeren Kassen" könne man keine Erneuerung der autoritären und hierarchischen preußisch-deutschen Justiz durchführen. Quantitativ verstandene Justizsysteme „pflegen ins Inhumane umzuschlagen" . So Herr Häuser.
Mit dem, was hier zur außergerichtlichen Streitbeilegung gesagt worden ist, bin ich sehr einverstanden. Unsere Erfahrungen, die wir bei der Reise des
Rechtsausschusses in die Niederlande gemacht haben, waren sehr interessant und erfolgreich.
Das Problem ist nur, daß wir uns in einer Situation befinden, in der, wie das Institut für Demoskopie Allensbach im vorigen Jahr ermittelte, nur noch 40 Prozent aller Deutschen mit den Gesetzen und der Rechtsprechung zufrieden sind. 41 Prozent fühlen sich durch unser Recht nicht geschützt.
Herr Bundesminister, Sie haben mir und anderen kürzlich geschrieben, daß die Belastung des Bundesverfassungsgerichts 1995 mit fast 6 000 Verfahren einen Höchststand erreicht hat. Nun soll nach Wegen der Entlastung gesucht werden. Da mehr als 90 Prozent der Eingänge Verfassungsbeschwerden sind, geht es offenbar vor allem um die Vereinfachung dieser Verfahren. Ich habe da große Bedenken.