Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesinnenminister hat die Debatte mit einer wesentlichen und wichtigen Feststellung eingeleitet, nämlich
Dr. Rupert Scholz
mit der Halbzeitbilanz, der Halbzeitbilanz dieser Koalition in der Innenpolitik, einer Halbzeitbilanz, die außerordentlich erfolgreich ist. Es ist richtig, daß die Schulaufgaben im wesentlichen bereits heute erfüllt sind. Dafür gebührt dem Bundesinnenminister der besondere Dank.
Seinem Engagement und seiner Kompetenz haben wir wirklich Wesentliches zu verdanken. Das beginnt mit den geschilderten Gesetzen zur Kriminalitätsbekämpfung, das setzt sich mit den Maßnahmen zur Verschlankung des Staates und zur Dienstrechtsreform fort, zu der ich nur zwei Anmerkungen machen will.
Wir müssen das Beamtentum und den öffentlichen Dienst den neuen Gegebenheiten anpassen. Wir müssen ihn reformieren. Aber eines gehört dazu, und das wird von der Opposition gelegentlich vergessen: Der öffentliche Dienst beruht auf dem Berufsbeamtentum, und wir werden das Berufsbeamtentum im Gegensatz zu Stimmen von sozialdemokratischen Ministerpräsidenten - ich erinnere an Frau Simonis und Herrn Schröder - nicht in Frage stellen.
Das Berufsbeamtentum ist unverändert ein verläßlicher, ein treuer und auch effektiver Sachwalter unserer öffentlichen Verwaltung.
Wir haben unsere Ziele im Koalitionsvertrag gesetzt. Dazu gehört auch das angesprochene Staatsangehörigkeitsrecht. Wir werden dieses Staatsangehörigkeitsrecht so, wie wir es in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen haben, erfolgreich reformieren. Wir werden es grundlegend reformieren, insbesondere indem wir auch für das nötige Maß an Rechtssicherheit im Austausch von Ermessenseinbürgerung zugunsten einer prinzipiellen Form von Anspruchseinbürgerung sorgen werden.
Das ist ein grundlegender, ein fundamentaler Schritt, den viele unserer Nachbarstaaten, viele vergleichbare Rechtsordnungen bisher nicht zu gehen bereit waren. Wir haben das Ausländerrecht im wesentlichen voll auf einen Reformkurs gebracht. Auch dieses Feld ist damit wesentlich abgearbeitet.
Ich will in diesem Zusammenhang ein Stichwort ansprechen, das heute gefallen ist: der Ruf nach einem sogenannten Einwanderungs- oder Zuwanderungsbegrenzungsgesetz. Für ein solches Gesetz sehe ich weder Notwendigkeit noch Rechtfertigung.
Ich will das in aller Deutlichkeit sagen: Ein solches Gesetz ist auf den gegebenen Grundlagen unserer Rechtsordnung nichts anderes als eine Mogelpakkung.
Machen wir uns überhaupt nichts vor. Wir haben nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, Zuwanderungen und Einwanderungen in irgendeiner Weise abschließend kontingentierend zu steuern. Diese Grundlagen haben wir nicht.
- Ich bin mit Ihnen einverstanden, daß wir es ändern. Dann müssen wir das Asylrecht ändern, da muß Art. 16a des Grundgesetzes von einem Grundrecht in eine objektiv rechtliche institutionelle Garantie, wie das in vergleichbaren Rechtsordnungen der Fall ist, umgewandelt werden.
Wenn Sie diesen Schritt mitgehen, können wir über ein Einwanderungs- oder Zuwanderungsbegrenzungsgesetz reden.
Meine Damen und Herren, wir haben unser Asylrecht in der gegebenen Form, und es muß praktiziert werden. Das heißt, wir müssen uns ganz entscheidend auch darum kümmern, daß - wir haben keine 10 Prozent begründete Asylanträge - auch Entscheidungen und Abschiebungen wirklich erfolgen. Nur dann wird das Asylrecht in der gegebenen Form, wie es das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat, die Akzeptanz in unserer Bevölkerung finden.
Schutz für wirklich politisch Verfolgte, wie wir ihn wollen, wie ihn unsere Verfassung unverändert garantiert, kann und wird nur unter der Voraussetzung auf Dauer Akzeptanz finden, wenn zugleich außer Zweifel bleibt, daß unbegründete Asylbegehren im Ergebnis nicht zu einem faktischen Daueraufenthaltsrecht in Deutschland führen können.
Deshalb: Die von der SPD vorgeschlagenen Wege und Vorgehensweisen im Zusammenhang mit sogenannten Altfällen sind nicht tragbar. Sie führen im Ergebnis weitgehend zu einer Prämie für illegalen Daueraufenthalt. Die positive Entwicklung, zu der die Asylrechtsreform von 1993 geführt hat, würde im Ergebnis konterkariert werden, wenn wir diese Wege gingen.
Ich will auf ein weiteres hinweisen. Vielfach unterlaufen, zum Teil sogar systematisch ausgehöhlt und torpediert, wird der Asylkompromiß in einer ganzen Reihe von Bundesländern auf der Ebene des Gesetzesvollzugs oder des scheinbaren Gesetzesvollzugs.
Hier häufen sich die Fälle, in denen SPD-geführte Landesregierungen im Rahmen der ihnen obliegenden Pflicht zur gesetzeskonformen Ausführung von Bundesgesetzen tatsächlich bundespolitische Opposition, bundespolitisch motivierte Blockaden auf der Ebene der Exekutive vollziehen. Verschiedene SPDLänder weigern sich weithin, die rechtlichen Vorgaben der Ausländergesetzgebung des Bundes mit der gebotenen Stringenz zu achten, namentlich im Zusammenhang mit der Abschiebung. Ich erinnere nur
Dr. Rupert Scholz
an ein besonders provokantes Beispiel, nämlich den seinerzeit vom Lande Hessen verfügten Abschiebestopp für Kurden, der eindeutig gegen die bundesgesetzlichen Vorgaben verstieß.
Ich erinnere auch an die Beispiele, wie etwa in grünroten Koalitionen heute versucht wird, rechtsstaatliche Arbeit von Ausländerbehörden indirekt unmöglich zu machen, indem man sogenannte Härtefallkommissionen, außerstaatliche Gremien einsetzt,
indem bestimmte Minister verfügen, daß ihnen jede Akte vorzulegen sei, alles mit der eindeutigen Tendenz, bundesgesetzliche Pflichten nicht zu erfüllen.
Auch das ist ein entscheidendes Stück notwendiger Sicherheitspolitik in unserem Land: Sicherheitspolitik, Verantwortung für die innere Sicherheit ist eine kooperative Aufgabe von Bund und Ländern. Wenn Länder hier mit Blockaden im Gesetzesvollzug dieser Verantwortung nicht genügen, dann wird es um die innere Sicherheit auf Dauer in unserem Land nicht gut bestellt sein.
Da kommt es überhaupt nicht in Frage, daß dem Bund dann entsprechende Verantwortlichkeiten zugewiesen werden.
Ich erinnere an weitere Beispiele, die in diesem Zusammenhang in einer solchen Debatte auch anzusprechen sind. Da stellen sich Bundesländer, Hessen und Niedersachsen, hin und erklären, daß sie nicht mehr das Geld für die polizeilichen Schutzmaßnahmen für Castor-Transporte aufzuwenden bereit sind.