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ID1312109100

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    Plenarprotokoll 13/121 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 10807 A Absetzung von Tagesordnungspunkten 10807 B, 10894 A Nachträgliche Ausschußüberweisungen . 10807 C Begrüßung einer Delegation des Sozialausschusses des niederländischen Parlaments 10864 B Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5200) . . 10807 D b) Fortsetzung der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 (Drucksache 13/5201) 10808A Rudolf Scharping SPD 10808A, 10865 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 10815 A Otto Schily SPD 10821 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10824 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 10831 A Dr. Christa Luft PDS 10834 A Dr. Gregor Gysi PDS 10837A, 10858 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 10840A Rudolf Scharping SPD 10843 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 10850 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 10852 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 10858C, 10864 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 10860 A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . 10863B, C Ingrid Matthäus-Maier SPD 10864 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10865 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 10867 C, 10872 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10871 D Günter Verheugen SPD 10872 D Ulrich Irmer F.D.P 10878 C Rudolf Seiters CDU/CSU 10879 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 10881 B Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 10883 A Ulrich Irmer F.D.P 10884 D Wolfgang Thierse SPD 10886 A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 10887 C Willibald Jacob PDS 10889 D Dr. Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 10890 D, 10893 C Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10892 B Dr. R. Werner Schuster SPD 10892 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 10896 C Fritz Rudolf Körper SPD 10899 B Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 10902 D Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10905 A Ina Albowitz F.D.P. 10907 C Ulla Jelpke PDS 10910 B Uta Titze-Stecher SPD 10911 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 10913 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 10915 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 10916A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 10918 A Norbert Geis CDU/CSU 10921 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10923 C, 10925 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig 10925 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 10925 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 10927 A Manfred Kolbe CDU/CSU 10928 C Tagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8. September 1976 über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Personenstandsbüchern (Drucksache 13/4995) 10894 A b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Naturkautschuk-Übereinkommen von 1995 (Drucksache 13/5019) 10894 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. November 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze (Drucksache 13/5020) . 10894 B d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. Juli 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Zusammenschluß der deutschen Autobahn A 6 und der tschechischen Autobahn D 5 an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke (Drucksache 13/5049) 10894 B e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 (Drucksache 13/5359) 10894 B f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Altschuldenhilfen für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (AHG-Änderungs-Gesetz) (Drucksache 13/5417) . 10894 C g) Antrag der Abgeordneten Antje Hermenau, Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mögliche zweckwidrige Verwendung von Steuergeldern durch die Förderung eines Berufsbildungsprojektes in Montevideo (Uruguay) (Drucksache 13/5008) 10894 C h) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Milchquotenregelung in den neuen Ländern (Drucksache 13/4905) . . . 10894 D i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin-Mitte (Drucksache 13/5039) . . 10894 D j) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung hier: Umwelttechnik und wirtschaftliche Entwicklung (Drucksache 13/5050) 10895 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und des Waffengesetzes (Drucksache 13/5493) 10895 A b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer (Drucksache 13/5504) . . . . 10895 B Tagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 14. Juni 1994 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (Drucksachen 13/4174, 13/5031) 10895 C b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 9. Februar 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kirgisistan andererseits (Drucksachen 13/4173, 13/5032) 10895 D c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 6. März 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Weißrußland andererseits (Drucksachen 13/4172, 13/5033) 10895 D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses 10896 A - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung von öffentlichen Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung öffentlicher Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen (Drucksachen 12/8246, 13/725 Nr. 63, 13/3412, 13/3930 Nr. 1, 13/5294) . . . 10896A Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungbedürftige Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallkatalogs (Drucksachen 13/5416, 13/5520) 10896 B Nächste Sitzung 10929 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10930*A 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 11. 9. 96 Bachmaier, Hermann SPD 11. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 11. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 11. 9. 96 * Borchert, Jochen CDU/CSU 11. 9. 96 Duve, Freimut SPD 11. 9. 96 Gansel, Norbert SPD 11. 9. 96 Glos, Michael CDU/CSU 11. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 11. 9. 96 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 11. 9. 96 Karl-Hans Dr. Lucyga, Christine SPD 11. 9. 96 * Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 11. 9. 96 Hermann Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 9. 96 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 11. 9. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Schönberger, Ursula BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Thieser, Dietmar SPD 11. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 11. 9. 96 Karsten D. Vosen, Josef SPD 11. 9. 96 Wieczorek-Zeul, SPD 11.9.96 Heidemarie Dr. Zöpel, Christoph SPD 11. 9. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Riedl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich mache es jetzt kurz und knapp. Ich kann Ihnen in diesem Punkt zustimmen. Ich hätte das auch ausgeführt.
    Ich will noch zwei Dinge sagen: Wir haben heute sehr viel über die Osterweiterung der NATO und über die Erweiterung der Europäischen Union gehört. Herr Verheugen, Ihre Ungeduld als Oppositionspolitiker kann ich gut verstehen. Aber bevor man grundsätzliche Forderungen bezüglich des Beitrittes weiterer Länder zu diesen internationalen Organisationen stellt, sollte man zunächst überlegen, was das kosten würde. Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß der Beitritt der osteuropäischen Länder in die Europäische Union nur durch Umschichtung im EUHaushalt zu finanzieren ist. Eine Erhöhung der deutschen Nettozahlungen kann aus diesem Grunde nicht erfolgen; sie würde auch keine Mehrheit im Deutschen Bundestag finden. Das gleiche gilt für die Osterweiterung der NATO.
    Ich bitte alle Experten auf diesem Gebiet herzlich, die Finanzierung dieser Erweiterungen nicht aus dem Auge zu lassen. Wir bekommen sonst in Deutschland angesichts der Sparzwänge, die wir uns auferlegt haben, eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Wir alle miteinander können diese Verantwortung nicht übernehmen.

    (Beifall des Abg. Eckart Kuhlwein [SPD])

    Herr Verheugen, ich habe mir notiert, daß Sie gesagt haben, alle Länder, die der EU beitreten wollten, müßten zur gleichen Zeit am Bahnhof ankommen.

    (Günter Verheugen [SPD]: Am selben Bahnhof, nicht zur gleichen Zeit!)

    - Am selben Bahnhof zur gleichen Zeit. Ist ja in Ordnung, Herr Verheugen.

    (Günter Verheugen [SPD]: Nein, nicht zur gleichen Zeit! Am selben Bahnhof! - Ist ja in Ordnung, Herr Verheugen. Das ist ein hehres politisches Ziel gerade Ihrer Partei, die der Sozialistischen Internationalen angehört. Aber eines muß man wissen: Die Fahrkarte zu diesem Bahnhof muß man auch bezahlt haben; das geht nicht auf Kredit und auf Schulden. Ich hoffe, wir haben uns verstanden, daß es zu diesen Erweiterungen ohne eine Umschichtung innerhalb des NATO-Haushaltes wie ohne eine Umschichtung im EU-Haushalt nicht kommen kann. Interessant ist folgendes, und ich bitte die Bundesregierung, uns alsbald darüber zu berichten. Ich höre, daß es im amerikanischen Kongreß bereits Finanzberechnungen gibt, was die NATO-Osterweiterung kostet. Wenn im amerikanischen Kongreß Finanzpläne aufgestellt werden, die Europa betreffen, kann ich nur sagen: Holzauge, sei wachsam! Ich würde der Bundesregierung herzlich anraten, sich einmal auf diplomatischem Weg mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Denn wenn wir unmittelbar vor der NATO-Osterweiterung stehen, und die Kassen sind leer, dann kann es größere diplomatische Verwicklungen geben als vielleicht ein Hinausschieben dieses Beitrags. Ich will zum Abschluß auch einmal zum Ausdruck bringen, daß es einem Amateuraußenpolitiker wie mir ich bin an sich nur Berichterstatter im Haushaltsausschuß für das Auswärtige Amt (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt bist du zu bescheiden! Ina Albowitz [F.D.P.]: Was heißt „nur"?)


    (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Sehr gute Anregung!)

    - Gnädige Frau, eine gewisse Bescheidenheit ist mir sowieso nicht zu eigen. Wenn ich es ausnahmsweise einmal zum Ausdruck bringe: Stören Sie mich doch bitte nicht.
    Was mir an dieser Berichterstattung gut gefällt - ich will das einmal nach draußen sagen -, ist, daß wir in Deutschland ein relativ hohes Maß an Übereinstimmung in der Außenpolitik haben. Wenn sich die Dissonanzen so wie heute im Schwerpunkt eigentlich nur auf das deutsch-tschechische Abkommen beziehen, dann könnte man heilfroh sein. Auch bei Ihnen, Herr Verheugen, habe ich gemerkt, daß Sie bereit sind, die Verbrechen, die an den Sudetendeutschen begangen worden sind, so zu bewerten, daß auch die Sudetendeutschen mit dieser Erklärung zufrieden sind. Ich selbst bin am 20. Dezember 1945 mit meiner Mutter unter einem Kugelhagel, der nicht von tschechischer Seite kam, sondern von betrunkenen amerikanischen Soldaten, an der Grenze in Schirnding von meiner Heimat vertrieben worden. Mein Vater war Berufsoffizier im Zweiten Weltkrieg. Ich habe meine Heimat damals als Kind fast abenteuerlich verlassen. Aber ich habe gemerkt, wie meine

    Dr. Erich Riedl (München)

    Eltern unter dieser Geschichte gelitten haben. Es wäre das Schönste für mich, wenn wir den Gefühlen der vertriebenen Sudetendeutschen Rechnung tragen und im Deutschen Bundestag zu einer großen Übereinstimmung kommen würden.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Thierse, SPD-Fraktion.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine etwas persönlichere Vorbemerkung. Wir sind noch in der Generaldebatte, stelle ich fest. Vielleicht ist es meine Überempfindlichkeit, wenn ich dann vermerke, daß in dieser Generaldebatte eines der existentiellen Themen der deutschen Politik eine beschämend geringe Rolle gespielt hat, nämlich die Probleme der sozialen, der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands, des wirtschaftlichen Aufbaus im Osten Deutschlands.

    (Beifall bei der SPD)

    Weder bei Herrn Schäuble noch in der Rede des Bundeskanzlers hat das eine sonderliche Rolle gespielt. Ich bedaure das. Wenn Sie an Herrn Scharping und Herrn Lafontaine erinnern, dann kann ich nur sagen: Die wußten, daß ich hier in der Generaldebatte reden möchte.
    Auch das sei noch gesagt: Schauen Sie sich die Logik der Tagesordnung dieser Haushaltsdebatte an! Nirgendwo hat dieses Thema, von dem ich sage - ich glaube, Sie stimmen mir zu -, es sei ein existentielles Thema unserer Politik, einen wirklichen Platz, bestenfalls die Chance, in Nebensätzen vorzukommen. Ich finde das falsch.
    Nun stehe ich hier plötzlich zwischen einer Debatte über gewiß wichtige Fragen der Verteidigungs- und Außenpolitik einerseits und der Entwicklungspolitik andererseits. Wir haben kurz überlegt, ob ich nicht lieber dem Kollegen Eberhard Brecht das Wort geben sollte. Aber dann dachte ich, es muß in die Generaldebatte. Wir müssen ein paar Sätze darüber austauschen. Deswegen stelle ich mich diesem mißlichen Platz.

    (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Ist es nicht vielleicht schon ein Zeichen für eine beginnende Normalität, daß das nicht ein eigener Block ist?)

    - Das ist kein Zeichen für beginnende Normalität. Normalität wäre, wenn wir Freundliches, Friedliches, Großartiges aus Ostdeutschland berichten könnten. Gerade darüber will ich reden.
    Ich will noch eine Bemerkung machen. Der geschätzte Kollege Geißler hat vorhin wörtlich gesagt - das hat mit unserem, mit meinem Thema zu tun -: Es war der Anfang der friedlichen Revolution in der DDR, daß die CDU nicht den SPD-Weg der Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft gegangen ist.

    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Da hat er recht!)

    Ich halte das für eine sehr befremdliche Anmaßung.
    Sie sollten sich aus Gründen parteipolitischer Polemik diesen entscheidenden Vorgang, der Ursache unseres ostdeutschen Selbstbewußtseins ist - in 40 Jahren DDR gab es nicht ganz viele Anlässe, öffentliches Selbstbewußtsein zu erwerben - nicht als Leistung der eigenen, in diesem Fall westdeutschen Partei zurechnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das nimmt uns etwas weg, was uns gehört. Ich hoffe, Sie werden das respektieren.
    Natürlich - um in der Sache ein Wort zu sagen - weiß ich, daß es einen Zusammenhang zwischen der Möglichkeit auszureisen und der, im Lande zu sagen: „Wir bleiben hier" und „Es geht nicht so weiter", gegeben hat.

    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Das ist das, was Geißler gemeint hat!)

    Das weiß ich doch. Aber Sie wissen auch - ich habe mich da wirklich sachkundig gemacht; ich gehörte da ja noch nicht dazu -: Es war nie Linie der SPD, diese Staatsbürgerschaft anzuerkennen. Es gab Debatten in dieser Partei darüber, gewiß.
    Eine zweite Bemerkung, wenn Sie mir das erlauben. Wie lange noch wollen wir zwischen demokratischen Parteien dieses Spiel betreiben? Was auch immer wir Sozialdemokraten sagen und wenn wir die heiligsten Eide schwören, Sie werden mit der PDS kommen. Wie lange soll das noch gehen?

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Fragen Sie Herrn Ringstorff mal! Zuruf von der CDU/CSU: Solange das Spiel betrieben wird, wird euch das vorgehalten!)

    - Ein Satz zur Sache. Ich will auch noch einen zweiten Satz sagen.
    Das müssen Sie doch wissen: Das provoziert unsere Abwehr, die dann genauso heißen muß, daß es zutiefst verlogen und heuchlerisch ist, wenn uns Vertreter einer Partei Vorhaltungen machen wollen, die wirklich Blockparteien aufgenommen haben. Ich erlaube mir dazu eine persönliche Bemerkung, nur um es Ihnen etwas schwerer zu machen.
    Mein Vater war Mitglied der CDU im Osten Deutschlands. Ich werde ihn auch im nachhinein nicht dafür kritisieren. Aber ich könnte Ihnen die Gründe darlegen, warum ich auf keinen Fall in diese Ost-CDU eintreten wollte. Die habe ich noch im Gedächtnis, wenn mir vorgehalten wird, es sei etwas absolut anderes, ob man in der SED oder in der CDU gewesen sei. Die Unterschiede sind wahrnehmbar; aber an einem Punkt ist der Unterschied nicht sehr gering. Er heißt für mich: Wie lange wollen wir in Deutschland dieses unerträgliche und unanständige Spiel treiben, Leute auf ihre Vergangenheit zu fixieren? Ich halte das politisch und moralisch schlicht für unanständig. - Das vorweg.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Nun ein paar wenige Bemerkungen zum Thema. Wenn man diesen Haushaltsentwurf der Bundesregierung liest, dann sieht man, daß die Bundesregie-

    Wolfgang Thierse
    rung stillschweigend das Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland beerdigt hat. Sie müssen doch wissen, daß die Wirkungen Ihres Sparpakets im Osten noch viel drastischer sind als im Westen angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten, in denen wir dort stecken.
    Der Abstand zwischen Ost und West - die Zahlen, die immerfort veröffentlicht werden, sind doch eindeutig - schrumpft nicht mehr. Er stagniert allenfalls. Seit der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs sinken die Ausgaben des Bundes für Ostdeutschland. Die Kürzungen der Ausgaben im vorliegenden Haushalt betragen 9 Milliarden DM. Die Zahl stammt von Herrn Ludewig. Er muß es wissen; er ist dafür zuständig.
    Ich kann es noch im einzelnen sagen: 1,7 Milliarden DM weniger für ABM im Osten Deutschlands, 400 Millionen DM weniger für die Gemeinschaftsaufgabe Ost, 123 Millionen DM weniger für Eigenkapitalhilfe, 40 Millionen DM weniger für Forschungsförderung usw. - und das angesichts einer Situation, in der die Arbeitslosigkeit, die überall gleich schlimm ist, im Osten Deutschlands geradezu katastrophal ist. Aber Sie gehen mit Ihren ABM-Plänen darüber hinweg. Sie sparen auf Kosten der Menschen im Osten.

    (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das werden wir morgen alles diskutieren!)

    Sie sparen auf Kosten der Arbeitslosen, der Frauen, der Wohngeldempfänger. Die Novellierung, die Veränderung des Wohngelds Ost ist nur noch der letzte Punkt. Sie sparen im Forschungsetat zu Lasten der Zukunft und der Wettbewerbsfähigkeit von morgen.
    Die Bundesregierung handelt, was die ostdeutsche Wirtschaft und den ostdeutschen Arbeitsmarkt betrifft, wider besseres Wissen. Sie wissen, was ein Einbruch bei der ABM-Förderung in dem Maße, wie Sie ihn vorbereiten, bedeutet. Das haben Ihnen Paul Krüger und andere ostdeutsche Landsleute der Regierungsfraktionen hinter verschlossenen Türen, aber auch öffentlich mitgeteilt.
    Nachdem der stellvertretende Parteivorsitzende und ranghöchste CDU-Ostdeutsche, Herr Bergner, beschwichtigt hat: „Ich habe mich noch nie mit jemanden aus der Bundesregierung gestritten", brauchten Sie die Kritik aus Ostdeutschland von der ostdeutschen CDU wohl nicht mehr ernst zu nehmen. Vielleicht hätten Sie wenigstens auf Rüdiger Pohl hören sollen. Der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle hat am 17. Juli wissen lassen, daß der ostdeutsche Arbeitsmarkt mit Sicherheit nicht reif für den massiven Abbau von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sei.
    Das Schicksal derjenigen, die auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angewiesen sind, interessiert so wenig; so wenig, daß die Herren Weng und Roth bereits jetzt die nächsten Kürzungen genau in diesem Bereich einleiten. „An der Senkung der Ausgaben für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen führt kein Weg vorbei" sagen die haushaltspolitischen Sprecher von Union und F.D.P. Sie kündigen schon jetzt den nächsten Schritt an und demontieren schon jetzt, bevor
    die ostdeutschen CDU- und F.D.P.-Kollegen überhaupt ein wenig Erfolg haben, deren Bemühungen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir brauchen jetzt eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Die Arbeitslosen sind weder Schuldige noch Verursacher der Massenarbeitslosigkeit. Sie sind Opfer; das wissen Sie. Deswegen brauchen wir auch so etwas wie einen Lastenausgleich zugunsten Ostdeutschlands.
    Ich will Ihnen noch sagen - damit hat meine Intervention ihr Ende -: Wir werden Sie daran messen - das ist unser Prüfstein -, inwiefern es Ihnen gelingt, die Kürzung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Ostdeutschland zurückzunehmen.
    Nicht das ständige Gerede über die PDS ist der angemessene Umgang mit Ostdeutschland.

    (Beifall bei der SPD)

    Ernstzunehmen, was Sie irgendwann einmal angekündigt haben, ist das beste Mittel, diese PDS so klein zu kriegen, wie sie es nach ihrer historischen Leistung verdient hat.

    (Beifall bei der SPD)