Herr Hirsch, ich kenne mich in den Einzelheiten der europäischen und deutschen Kennzeichnungsregelungen nicht aus; ich muß diese auch nicht kennen. Ich sage dazu: Ich bin selbstverständlich dafür, daß wir die Lebensmittel kennzeichnen.
Ich lasse mich jetzt aber nicht auf eine Debatte über die Kennzeichnung ablenken. Mir geht es um die Behinderung der Forschung und um die technologische Entwicklung.
Wir sollten das Bündnis für Arbeit - ich habe den Bundeskanzler gerade so verstanden - nicht ad acta legen. Wir haben mit dem DGB verabredet, daß wir die Zahl der Arbeitslosen halbieren.
Da ich nicht mehr sehr viel Redezeit habe, möchte ich mich ganz kurz Walter Riester zuwenden, der sagt - das scheint mir ein wichtiges Thema zu sein -, es sei eine Frage der Ehre, daß an der im längsten Streik in der Geschichte der Bundesrepublik erreichten Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht gerüttelt werden dürfe. Das ist nicht die Wahrheit. Der Streik der Gewerkschaften betraf in seiner Zielsetzung und im Ergebnis nicht die Lohnfortzahlung, die wir heute haben, sondern hatte die 90prozentige Lohnfortzahlung des Nettolohnes zum Ziel. Erst im Jahre 1969 während der Großen Koalition ist die volle Lohnfortzahlung beschlossen worden.
Ich sage das deswegen, weil ich die Bitte habe, daß die Gewerkschaften bzw. die IG Metall diese Rege-
Dr. Heiner Geißler
lung der Lohnfortzahlung nicht sozusagen mit der Ehre der Gewerkschaften verbinden, sondern vielleicht akzeptieren, daß wir den Versuch unternehmen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze denjenigen, die das ereichen können - das sind nicht wir und auch nicht die Sozialdemokraten, sondern die Unternehmer zusammen mit den Gewerkschaften -, zu erleichtern. Dies betrifft den Kündigungsschutz, die Lohnfortzahlung und das Ziel, familiengerechte Arbeitsplätze einzurichten. Wir sollten in der Erkenntnis dieser gemeinsamen Zielsetzung - es ist nicht etwa so, daß wir den Sozialstaat abbauen oder kaputtmachen wollen; wir sagen vielmehr: Unsere Solidarität gehört den Arbeitslosen - an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Wir haben manches getan, wozu die Wirtschaft, die Industrie und das Handwerk uns gesagt haben - das ist vorhin vom Bundeskanzler zitiert worden -: Wenn ihr das macht, dann nehmen wir den Unternehmen die Angst vor Kündigungsschutzklagen, Abfindungen und vielem anderen mehr. Dann können wir pro Betrieb zusätzlich zwei oder drei Leute einstellen.
Ich sage Ihnen dazu: Durch das Beschäftigungspaket sind auch die Arbeitgeber in Milliardenhöhe entlastet worden, und zwar zweistellig. Wir tun dies mit großen Opfern. Es fällt uns nicht schwer.
- Entschuldigung, es fällt uns nicht leicht. Es fällt uns schwer.
- Wenn Sie sich nie versprechen, dann freuen wir uns gemeinsam.
Wir - zumindest die Koalition - müssen von den Arbeitgebern, der Industrie und dem Handwerk verlangen und fordern - auch wenn Olaf Henkel dies ablehnt; ich habe gelesen, daß er dies nicht will -, daß sie diese Versprechungen einlösen.
Ich habe mit den Protestdemonstrationen keine Schwierigkeiten. Wolfgang Schäuble hat es auch gesagt: Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht. Es gibt die Zeitungsüberschrift „Die DGB-Proteste lassen Bonn kalt". Das ist nicht wahr. Uns lassen diese Proteste nicht kalt. Wir wissen sehr wohl, welche sozialen Beweggründe hier vorliegen. Wir fühlen uns aber, wie anläßlich dieser Demonstration gesagt worden ist, nicht als Handlanger oder Scharfmacher des Kapitals. Wir sind vielmehr die Vertreter des ganzen Volkes und damit auch die Interessenvertreter der Arbeitslosen, die offenbar ohne uns keine ordentliche Lobby haben.