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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/121 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 10807 A Absetzung von Tagesordnungspunkten 10807 B, 10894 A Nachträgliche Ausschußüberweisungen . 10807 C Begrüßung einer Delegation des Sozialausschusses des niederländischen Parlaments 10864 B Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5200) . . 10807 D b) Fortsetzung der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 (Drucksache 13/5201) 10808A Rudolf Scharping SPD 10808A, 10865 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 10815 A Otto Schily SPD 10821 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10824 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 10831 A Dr. Christa Luft PDS 10834 A Dr. Gregor Gysi PDS 10837A, 10858 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 10840A Rudolf Scharping SPD 10843 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 10850 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 10852 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 10858C, 10864 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 10860 A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . 10863B, C Ingrid Matthäus-Maier SPD 10864 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10865 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 10867 C, 10872 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10871 D Günter Verheugen SPD 10872 D Ulrich Irmer F.D.P 10878 C Rudolf Seiters CDU/CSU 10879 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 10881 B Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 10883 A Ulrich Irmer F.D.P 10884 D Wolfgang Thierse SPD 10886 A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 10887 C Willibald Jacob PDS 10889 D Dr. Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 10890 D, 10893 C Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10892 B Dr. R. Werner Schuster SPD 10892 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 10896 C Fritz Rudolf Körper SPD 10899 B Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 10902 D Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10905 A Ina Albowitz F.D.P. 10907 C Ulla Jelpke PDS 10910 B Uta Titze-Stecher SPD 10911 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 10913 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 10915 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 10916A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 10918 A Norbert Geis CDU/CSU 10921 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10923 C, 10925 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig 10925 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 10925 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 10927 A Manfred Kolbe CDU/CSU 10928 C Tagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8. September 1976 über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Personenstandsbüchern (Drucksache 13/4995) 10894 A b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Naturkautschuk-Übereinkommen von 1995 (Drucksache 13/5019) 10894 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. November 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze (Drucksache 13/5020) . 10894 B d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. Juli 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Zusammenschluß der deutschen Autobahn A 6 und der tschechischen Autobahn D 5 an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke (Drucksache 13/5049) 10894 B e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 (Drucksache 13/5359) 10894 B f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Altschuldenhilfen für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (AHG-Änderungs-Gesetz) (Drucksache 13/5417) . 10894 C g) Antrag der Abgeordneten Antje Hermenau, Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mögliche zweckwidrige Verwendung von Steuergeldern durch die Förderung eines Berufsbildungsprojektes in Montevideo (Uruguay) (Drucksache 13/5008) 10894 C h) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Milchquotenregelung in den neuen Ländern (Drucksache 13/4905) . . . 10894 D i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin-Mitte (Drucksache 13/5039) . . 10894 D j) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung hier: Umwelttechnik und wirtschaftliche Entwicklung (Drucksache 13/5050) 10895 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und des Waffengesetzes (Drucksache 13/5493) 10895 A b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer (Drucksache 13/5504) . . . . 10895 B Tagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 14. Juni 1994 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (Drucksachen 13/4174, 13/5031) 10895 C b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 9. Februar 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kirgisistan andererseits (Drucksachen 13/4173, 13/5032) 10895 D c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 6. März 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Weißrußland andererseits (Drucksachen 13/4172, 13/5033) 10895 D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses 10896 A - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung von öffentlichen Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung öffentlicher Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen (Drucksachen 12/8246, 13/725 Nr. 63, 13/3412, 13/3930 Nr. 1, 13/5294) . . . 10896A Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungbedürftige Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallkatalogs (Drucksachen 13/5416, 13/5520) 10896 B Nächste Sitzung 10929 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10930*A 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 11. 9. 96 Bachmaier, Hermann SPD 11. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 11. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 11. 9. 96 * Borchert, Jochen CDU/CSU 11. 9. 96 Duve, Freimut SPD 11. 9. 96 Gansel, Norbert SPD 11. 9. 96 Glos, Michael CDU/CSU 11. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 11. 9. 96 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 11. 9. 96 Karl-Hans Dr. Lucyga, Christine SPD 11. 9. 96 * Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 11. 9. 96 Hermann Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 9. 96 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 11. 9. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Schönberger, Ursula BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Thieser, Dietmar SPD 11. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 11. 9. 96 Karsten D. Vosen, Josef SPD 11. 9. 96 Wieczorek-Zeul, SPD 11.9.96 Heidemarie Dr. Zöpel, Christoph SPD 11. 9. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
    Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt.
    1. Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 2)

    a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und des Waffengesetzes
    - Drucksache 13/5493 -
    Überweisungsvorschlag:
    Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend)

    Innenausschuß
    Rechtsausschuß
    b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer
    - Drucksache 13/5504 -
    Überweisungsvorschlag:
    Finanzausschuß (federführend)

    Sportausschuß
    Rechtsausschuß
    Ausschuß für Wirtschaft
    Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
    Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuß für Verkehr
    Ausschuß für Umwelt, Naturschutz
    und Reaktorsicherheit
    Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung,
    Technologie und Technikfolgenabschätzung
    Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
    c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Joachim Poß, Ingrid Matthäus-Maier, Ludwig Eich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Einkommensteuerreform zum 1. Januar 1998 in Kraft setzen
    - Drucksache 13/5510 -
    Überweisungsvorschlag:
    Finanzausschuß (federführend) Haushaltsausschuß
    Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
    Weiterhin ist vereinbart worden, die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs zum Schutz der Mieter von Geschäftsraum in den Ländern Berlin und Brandenburg - Tagesordnungspunkt 3 d - abzusetzen.
    Außerdem mache ich auf geänderte Ausschußüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam.
    Der in der 113. Sitzung des Deutschen Bundestages am
    20. Juni 1996 überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll nachträglich dem Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden:
    Entwurf eines Gesetzes der Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Werner Dörflinger, Herbert Frankenhauser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Dr. Klaus Röhl, Lisa Peters, Horst Friedrich und der Fraktion der
    F.D.P. zur Änderung des Altschuldenhilfe-Gesetzes - Drucksache 13/4949 -
    Überweisung:
    Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend)

    Rechtsausschuß
    Haushaltsausschuß
    Der in der 114. Sitzung des Deutschen Bundestages am
    21. Juni 1996 überwiesene nachfolgende Antrag soll nachträglich dem Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung überwiesen werden:
    Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Peter Götz, Werner Dörflinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Dr. Klaus Röhl, Horst Friedrich und der Fraktion der F.D.P.
    Umsetzung der HABITAT II-Empfehlungen - Drucksache 13/4951 -
    Überweisungsvorschlag:
    Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (federführend)

    Ausschuß für Wirtschaft
    Ausschuß für Umwelt, Naturschutz
    und Reaktorsicherheit
    Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
    Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Wir verfahren so.
    Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesordnungspunkt 1 - fort:
    Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997

    (Haushaltsgesetz 1997)

    - Drucksache 13/5200 -

    Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
    Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
    Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 - Drucksache 13/5201 -
    Ich erinnere daran, daß wir gestern für die heutige Aussprache insgesamt 8,5 Stunden beschlossen haben.
    Wir kommen zu den Geschäftsbereichen des Bundeskanzleramtes, des Auswärtigen Amtes und der Bundesministerien der Verteidigung sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das sind die Einzelpläne 04, 05, 14, 35 und 23.
    Es beginnt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Scharping.


Rede von Rudolf Scharping
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor knapp zwei Jahren habe ich von dieser Stelle aus im Interesse des ganzen Landes dem Bundeskanzler eine glückliche Hand gewünscht - leider vergeblich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Ein kluger Mann hätte nicht vor den Landtagswahlen im März dieses Jahres, sondern generell einige Gesprächsrunden mit den Gemeinden, den Ländern, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern veranstaltet und dann gesagt: Wir müssen aus dieser eingefahrenen Routine und den alten Gleisen heraus. Dieses Land braucht einen neuen Aufbruch und Modernisierung. Es geht so nicht weiter.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ein kluger Kanzler hätte zu Theo Waigel gesagt - ich glaube, die beiden Herren duzen sich -: Theo, - -

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Wir fahren nach Lodz! Lachen bei der CDU/ CSU und der F.D.P.)

    - Das ist durchaus eine ganz sinnvolle Ergänzung. Wenn Sie nämlich beschlossen hätten, gemeinsam nach Lodz zu fahren, wäre vielleicht mehr herausgekommen als aus dieser buchhalterischen Fortschreibung alter Versäumnisse, die dieser Haushalt darstellt.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie hätten dem Finanzminister auch noch den Rat geben können: „Laß den Unsinn, immer die Opposition für unsere Versäumnisse verantwortlich zu machen" , wie das gestern der Fall war.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn dieses Land braucht eine Regierung der zielbewußten und sozial verantwortlichen Modernisierung. Es braucht keine Regierung der primitiven Beutelschneiderei.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Dieses Land braucht eine neue Perspektive, die mutig und realistisch ist und den einzelnen Schritten Sinn und Ziel gibt, eine nüchterne Bilanz und selbstkritische Korrekturen. Nichts davon enthält Ihre Politik, nichts davon enthält Ihr Haushalt. Das ist ein ödes Weiter-so, eine eingefahrene, wirtschaftlich gefährliche, sozial unverantwortliche Routine - mehr nicht.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ein kluger Kanzler hätte gesagt: Der Glücksfall der Einheit, der Epochenbruch des Jahres 1989/90, das sind gemeinsame Herausforderungen, die wir im Wettbewerb mit anderen Nationen und die wir im eigenen Land bestehen müssen. Ein kluger Kanzler hätte die Gelegenheit dieser Haushaltsberatungen für einen Bericht zur Lage der Nation genutzt, mit der Überschrift „Wille zur Gerechtigkeit - Wege zum Fortschritt" . Alles das enthält Ihre Politik nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn solche Beratungen den Sinn haben, die Linie von Politik deutlich zu machen und nicht nur in den einzelnen Entscheidungen und der Debatte darüber zu verharren, dann will ich Ihnen ein Wort des Augustinus ins Gedächtnis rufen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

    - Sie werden noch einige Male Gelegenheit haben, Ihre christliche Überzeugung dadurch zu beweisen, daß Sie den Männern und Frauen, die in diesem Geiste argumentieren, mit Hohnlachen entgegentreten, so wie eben!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Dieser kluge Mann hat vor 1 500 Jahren gesagt:
    Staaten, die der Gerechtigkeit entbehren, sind eine große Räuberbande.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Gerechtigkeit in der gleichen Würde jedes einzelnen Menschen wurzelt, dann verletzen Sie eine historische Erfahrung und eine Grundlage, die wir für die Zukunft unverzichtbar brauchen. Ihre Politik ist zutiefst ungerecht gegenüber den Menschen in Deutschland.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Vor wenigen Wochen hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz gesagt - ich bin gespannt, ob das Hohnlachen sich fortsetzt -:
    Was wir vor allem brauchen, ist eine gerechtere
    Lastenverteilung, die die gesamte Solidarge-

    Rudolf Scharping
    meinschaft umfaßt und dem unterschiedlichen Leistungsvermögen Rechnung trägt. Die Überforderung unserer sozialen Sicherungssysteme ist doch in erster Linie darauf zurückzuführen, daß den Beitragszahlern entgegen diesem Gebot der sozialen Gerechtigkeit zunächst sachfremde Aufgaben aufgebürdet wurden.
    Recht hat der Mann, und Sie sollten damit beginnen, endlich zu beherzigen, daß Gerechtigkeit für die Zukunft das tragende Prinzip der gesellschaftlichen Entwicklung zu sein hat.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Bischof Lehmann fährt fort:
    Soziale Leistungen sind kein Luxusgut, das man sich nur in besseren Zeiten leisten kann. Sie sind vielmehr ein Gebot sozialer Gerechtigkeit.
    Wie vereinbart sich mit diesem Anspruch die Politik einer Koalition, die, im Osten wie im Westen des Landes, gegenüber den Frauen und den Männern, gegenüber den Älteren und den Jüngeren, eine gerechte Perspektive nicht entwickelt? Mit Blick auf die F.D.P. habe ich manchmal den Verdacht, daß sie gar nicht mehr den Willen hat, eine gerechte Perspektive zu entwickeln.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In einer Predigt, von der ich weiß, daß sie dem Bundeskanzler viel Ärger gemacht hat, und zwar sichtbaren Ärger, hat der Präses der Rheinischen Landeskirche in der Ludwigskirche in Saarbrücken am 3. Oktober gesagt:
    Eine Gesellschaft, die sich weigert, den Anwälten der Schwachen Gehör zu schenken, verspielt ihre Zukunft. Ein Staat, der nicht in der Lage ist, die Schwachen vor den Ellenbogen der Starken zu schützen, verliert seine Würde. Gebt den Zynikern keine Chance. Zukunft kann gewonnen werden.
    Ich füge hinzu: Mit Ihrer Politik wird Zukunft verspielt, wird Zukunft gefährdet.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie geben den Anwälten der Schwachen kein Gehör mehr, sondern denunzieren sie sogar als diejenigen, die scheinbar an Besitzständen festhalten würden. Eine zynische Argumentation gegenüber den Wohlfahrtsverbänden und den Menschen, um die sich diese Wohlfahrtsverbände kümmern!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Das alles begründen Sie dann mit weltweiten Herausforderungen. Ich will darauf gleich noch eingehen. Sie weisen darauf hin, so sei das eben. Manche von Ihnen haben immer gerne Lord Dahrendorf zitiert. Er hat im September, in diesem Monat, ein hochinteressantes Gespräch geführt. Ich sage das mit Blick auf die F.D.P.
    Lord Dahrendorf erklärt: „Ich bin in den letzten Jahren ganz von allen Theorien abgekommen, die entweder einen Primat der Ökonomie oder einen Primat der Politik postulieren." Er sagt, daß wir uns um mehr soziale Kohäsion und Solidarität kümmern müssen, daß in anderen Ländern in einer gewissen Weise die Gesellschaft dem Wettbewerb geopfert worden sei, Gott sei Dank noch nicht - ich zitiere ihn: noch nicht! - unter Gefahr für die freiheitlichen Institutionen.
    Ich halte Ihnen das deshalb entgegen, weil Ihre Politik nicht nur das Gebot der Gerechtigkeit, nicht nur die Perspektive für die Zukunft verletzt und belastet, sondern weil sie auch weit hinter den internationalen Anforderungen und weit hinter den internationalen Diskussionen zurückbleibt. Ihre Debatte ist für die Zukunft gefährlich. Sie ist provinziell.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Dann begründen Sie alles das mit den Erfordernissen der deutschen Einheit. Es gibt einen klugen Mann,

    (Lachen bei der CDU/CSU Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Haben Sie auch eigene Gedanken?)

    der einmal gesagt hat:
    Als erste Maßnahme wird sich eine Währungsneuordnung, die Eingliederung in unser Währungssystem, als unerläßlich erweisen. Damit vollzieht sich zwangsläufig eine Anpassung des Preis- und Lohnniveaus an die in der Bundesrepublik herrschenden Verhältnisse. Mit diesem Prozeß
    - so fuhr er fort -
    wird die wirtschaftliche Lage schonungslos offengelegt. Es kann kein Zweifel bestehen, daß das Resultat betrüblich, vielfach sogar niederschmetternd sein wird. Das heißt, daß wir mit einem starken Leistungsgefälle zwischen Ost und West rechnen müssen und daß sich daraus schwerwiegende Konsequenzen für die sozialen Verhältnisse der Bevölkerung ergeben werden.
    Das war Ludwig Erhard 1953. Er war damals schon schlauer als Helmut Kohl mit seinem gefährlichen wirtschaftlichen und sozialen Illusionismus und den Folgen, die wir heute dafür tragen müssen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Denn Helmut Kohl hat damals im Deutschen Bundestag wortwörtlich in der Sitzung am 12. September gesagt:

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    - Warum lachen Sie über die Äußerung Ihres Kanzlers? Das verstehe ich überhaupt nicht.

    (Beifall bei der SPD Zurufe von der CDU/ CSU)


    Rudolf Scharping
    Wann je wollen die Deutschen die Frage der Einheit auch wirtschaftlich meistern, wenn nicht jetzt, da wir von der wirtschaftlichen Dynamik der DDR alle profitieren . .

    (Dr. Renate Hellwig [CDU/CSU]: Wann zitiert Scharping endlich Scharping?)

    - Wissen Sie, ich bin der Meinung, es ist ganz vernünftig, die Politik dieser Regierung und der sie tragenden Koalition mit den eigenen Ansprüchen zu konfrontieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben die Menschen belogen. Sie haben Illusionen erzeugt. Jetzt gehen Sie zu denselben Menschen hin und sagen: Ihr seid selbst schuld. Das nenne ich eine zynische und für die Demokratie sogar gefährliche Argumentation, weil es dazu führt, daß Sie nicht Ihre Politik korrigieren, sondern die Opfer Ihrer Politik zu den Schuldigen erklären. Das ist unverantwortlich.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ein kluger Kanzler hätte die deutsche Einheit und den Epochenbruch genutzt, um eine neue Perspektive zu entwickeln. Er hätte darauf geachtet, wie das Wertgefüge ist und was für eine soziale Ausgestaltung der Demokratie unverzichtbar ist. Von daher erhalten die aktuellen Debatten ihren eigentlichen Stellenwert.
    Man könnte über Einzelheiten Ihrer Entscheidungen sinnvoll streiten. Da sie aber in eine seit Jahren sichtbare Generallinie gehören, die nicht mehr Gerechtigkeit als Ausfluß der Würde jedes einzelnen Menschen und als gleichberechtigtes Prinzip betrachtet, und weil Sie unter schwierigen wirtschaftlichen, sozialen und finanziellen Verhältnissen auch nicht mehr in den Kategorien der gleichen Zumutbarkeit denken, wird Ihre Politik zu einer Gefahr für die Zukunft.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie versperren den Weg, Sie blockieren die Kräfte. Deutschland hätte die Kraft. Es hat verantwortungsbewußte Menschen; es hat kluge Ingenieure; es hat qualifizierte Arbeitnehmer; es hat genügend sozial verantwortliche Menschen. Sie blockieren diese Kraft. Sie werden zu unserem größten Hindernis auf einem fortschrittlichen, modernen Weg in die Zukunft.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Kürzung der Lohnfortzahlung, Aushöhlung des Kündigungsschutzes, die Heraufsetzung der Altersgrenze für den Rentenbezug bei Frauen - das alles ist, für sich genommen, schon ärgerlich und ungerecht, es ist aber zugleich die Fortsetzung einer Politik, die den sozialen Zusammenhalt unseres Landes immer stärker reduziert, immer stärker mindert und die kühlen Egoismus an die Stelle sozialen Zusammenhaltes setzt.
    Das ist auch gegen unsere ökonomischen Interessen. Denn wer das international vergleicht - und das tun Sie ja so gerne -, der wird feststellen, daß im Gefolge Ihrer Politik der Anteil der Arbeitnehmer am gemeinsam Erwirtschafteten immer weiter abgefallen ist, jetzt schon deutlich unter das Niveau Großbritanniens, Japans oder der USA. Er wird feststellen, daß bei aller Notwendigkeit der Unternehmensgewinne, der Investitionen usw. eine Wirtschaft ohne Kaufkraft nicht funktionieren kann.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Er wird feststellen, daß wir in Deutschland mit den Familien schlechter umgehen als fast alle europäischen Länder, ja sogar schlechter als Mexiko.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne/ ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ja, das ist die Wahrheit, selbst wenn Sie es nicht zur Kenntnis nehmen wollen: Ein verheirateter Industriearbeiter mit zwei Kindern hat in Deutschland nach den Abzügen weniger als sein Kollege in fast allen europäischen Ländern.
    Sie haben die Familien zum Lastesel der Nation gemacht, Sie haben Sonntagsreden gehalten und sechs Tage in der Woche gegen Ihre eigenen Prinzipien gehandelt.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wenn Sie schon so gerne international vergleichen, dann sage ich: Bitte vollständig! Dann fragen Sie sich doch einmal - und die Antwort liegt auf der Hand -, warum in Deutschland das wirtschaftliche Wachstum so schwach ist, warum die Erwerbsquote in Deutschland zurückgeht und die Arbeitslosigkeit steigt, warum wir, anders als alle unsere Wettbewerber, das bescheidene wirtschaftliche Wachstum kaum noch mit einem Wachstum der Beschäftigung verbinden.
    Eine Politik, die mit zukunftsweisendem Realismus an diese Herausforderung ginge, eine Politik, Herr Bundeskanzler, die den Menschen Mut machte, statt den Mißmut zu fördern, eine solche Politik würde die globalen Herausforderungen als Chance zu neuer Gestaltung annehmen und sie nicht zum Vorwand für gesellschaftliche Konfrontation im eigenen Land mißbrauchen. Eine solche Politik würde Stärken ausbauen und Schwächen beseitigen; sie würde dafür sorgen, daß Deutschland im globalen Wettbewerb ein festes, ein wetterfestes, ein stabiles Haus auf dem gemeinsamen europäischen Kontinent bleibt.
    Eine solche Politik würde Globalisierung, die ja stattfindet und gegen die Opposition zu machen überhaupt keinen Sinn hat, nicht als Falle, nicht als Angriff auf Wohlstand und Gefahr für die Demokratie verstehen, sondern sie würde auf internationale Kooperation setzen und dafür sorgen, daß von Deutschland entsprechende Signale kommen.
    Sie, Herr Bundeskanzler, Sie ganz persönlich haben im Juli 1994 bei dem Weltwirtschaftsgipfel einen Vorstoß unserer amerikanischen Freunde, die dabei übrigens von den Franzosen unterstützt wurden, zu-

    Rudolf Scharping
    rückgewiesen. Sie haben es abgelehnt, in den Welthandelsabkommen soziale und ökologische Mindeststandards zu vereinbaren. Sie haben das abgelehnt.

    (Zurufe von der SPD: Pfui!)

    In anderen Ländern ist die Bereitschaft dazu da, und ich möchte wissen, wie die Bundesrepublik Deutschland jetzt in die neue Runde über die Welthandelsabkommen gehen will. In Rio große Reden schwingen, auf der Folgekonferenz in Berlin große Reden halten und dann nicht die Chance wahrnehmen, gemeinsam mit dem amerikanischen Präsidenten soziale und ökologische Mindeststandards zu vereinbaren und damit eine Möglichkeit der Kooperation zu nutzen, das ist unverantwortliche Politik.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ein Kanzler mit einem zukunftsweisenden Realismus würde Deutschland fest in Europa verankern. Ich bestreite Ihnen Ihr aus meiner Sicht außerordentlich glaubwürdiges europäisches Engagement nicht. Aber, Herr Bundeskanzler, ich füge hinzu: Auch wenn das so ist, glauben Sie denn im Ernst, daß ein Europa, das nur für die Stabilität des Geldes, der Aktienkurse und der Währungen, nicht jedoch für die Stabilität der sozialen Beziehungen und der Beschäftigung zuständig ist, funktionieren kann und von den Menschen akzeptiert wird? Ich glaube es nicht. Solange Sie nicht anfangen, jedesmal offensiv zu widersprechen, wenn eine Entlassung in einem großen Industrieunternehmen zugleich zu einer Siegesfanfare an der Börse gemacht wird,

    (Beifall bei der PDS - Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Soll er dem Dax widersprechen?)

    verletzen Sie die wirtschaftlichen Zukunftserfordernisse und den Anspruch Ihrer eigenen Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie waren es, Herr Bundeskanzler, der in Florenz alle Initiativen zu einer gemeinsamen europäischen Beschäftigungspolitik blockiert hat.
    Ich kann nur warnen: Verwechseln Sie nicht permanent das Ansehen, das Deutschland genießt, und den Respekt wegen seines großen wirtschaftlichen und politischen Gewichts mit persönlicher Wertschätzung. Manches ist auch der Tatsache geschuldet, daß dieses Land gebraucht wird. Viele beklagen, daß dieses Land unter Ihrer Führung nicht das Notwendige, nicht das Mögliche tut, um in Europa die Stabilität der Währung und des Geldes mit der Stabilität der sozialen Beziehungen zu verknüpfen und Beschäftigungspolitik zu betreiben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Auch dadurch erhalten die aktuellen Entwicklungen ihren langfristigen Ort. Viele warnen vor den Gefahren; manche machen Gestaltungsvorschläge. Aber in Deutschland sinkt die Erwerbsquote, und die Arbeitslosigkeit steigt. Das Wachstum bleibt bescheiden, folglich das Wachstum bei den Arbeitsplätzen ebenso; es findet überhaupt nicht mehr statt. Die
    Lohnquote in Deutschland ist dramatisch niedrig. Die Lohnstückkosten sind in Deutschland deshalb gestiegen, weil Sie aus der deutschen Einheit die finanziell und finanzpolitisch . falschen Schlüsse gezogen haben, mit dem Ergebnis, daß die D-Mark heute überbewertet ist und Arbeitsplätze ausgelagert werden. Das ist nicht eine Frage der Schwäche des Standorts oder der Unwilligkeit der Arbeitnehmer, sondern die ganz normale Folge der Markterschließung und der Tatsache, daß mit der Aufwertungsdynamik der D-Mark als Folge Ihrer Politik automatisch eine schwere Beschädigung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft verbunden ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Zuruf von der CDU/CSU: Oh ja! Drei Leute von der SPD klatschen!)

    Ich plädiere für das europäische Haus auch deshalb, weil es dabei nicht nur um betriebswirtschaftliche oder Konkurrenzerfordernisse geht, sondern weil zivilisatorische Modelle miteinander ringen. Wohlstand und soziale Sicherheit, Individualität und gegenseitige Verantwortung, Freiheit und gemeinsame Rücksichtnahme - das neu zu verbinden und stärker zu befestigen ist die Aufgabe deutscher Politik. Sie werden dieser Aufgabe nicht gerecht.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ein weitsichtiger Kanzler würde helfen, daß es verläßliche Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Modernisierung gibt. Wir brauchen eine Regierung, die den Menschen Mut macht und verläßliche Rahmenbedingungen zur Modernisierung in Deutschland setzt, anstatt immer neue Gefahren für den sozialen Frieden heraufzubeschwören.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wir brauchen eine Regierung, die endlich mit diesem würgenden und entwürdigenden Wettlauf um Ausbildungsplätze in jedem Jahr Schluß macht. Es ist eine Schande für ein reiches Industrieland, daß Regierung und Arbeitgeber immer nur mit Worten allerlei beschwören, anstatt endlich dafür zu sorgen, daß in den nächsten Jahren jeder junge Mensch garantiert einen Ausbildungsplatz erhält. Das brauchen wir für die Zukunft.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ein weitsichtiger Kanzler hätte nicht diese Appelle, diese symbolischen Gesten - du, du, du; ich nehme euch nicht mehr im Flugzeug mit! - verwendet. Man macht sich doch als Kanzler einer reichen Industrienation lächerlich, wenn man nur solche symbolischen Gesten anwendet, anstatt dafür zu sorgen, daß im Handwerk und im Mittelstand die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Ausbildung gestärkt werden und daß die anderen, die sich heraushalten, wenigstens an der Finanzierung der Ausbildung beteiligt werden. Sie machen die Politik lächerlich, wenn Sie so fortfahren.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Rudolf Scharping
    Diese Politik führt uns nicht in eine wirtschaftlich moderne Zukunft. Sie gefährdet eines der größten Potentiale, das Deutschland hat: die Qualifikation seiner Menschen, ihre Phantasie, ihr Verantwortungsbewußtsein. Das ist nicht ein quantitatives Problem nach dem Motto: Wir haben es mit Hängen und Würgen geschafft, jetzt auf nur noch 20 000 oder 50 000 zu kommen. - Es ist ja schon schlimm genug, wenn gesagt wird: Es sind „nur noch" 20 000 oder 50 000. - Nein, eine verantwortungsbewußte und weitsichtige Politik würde sagen: Es muß von vornherein in die Energie und in die Ausbildung der jungen Leute selbst investiert werden und nicht in den Wettlauf um einen Ausbildungsplatz.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Eine verantwortungsbewußte und weitsichtige Politik würde zur Kenntnis nehmen, daß Deutschland noch nie so viele gut ausgebildete Frauen hatte wie heute. Sie würde ihnen eine Chance geben. Sie würde dafür sorgen, daß Gleichberechtigung nicht nur als Postulat im Grundgesetz steht, sondern in der wirtschaftlichen Alltagsrealität erfahren wird.
    Ein weitsichtiger Kanzler würde neue Technologien, Forschung und Entwicklung voranbringen und nicht einfach zusehen, wie sein Zukunftsminister - wie er sich manchmal so stolz nennen läßt - wunderschöne Reden hält

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sogenannter Zukunftsminister! Schaumschläger!)

    und gleichzeitig sein Finanzminister alles reduziert, was für die Zukunft Deutschlands auf innovatorischem Gebiet notwendig ist.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie der Abg. Annelie Buntenbach [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

    In Japan sitzen die Verantwortlichen zusammen und machen eine gemeinsame Perspektive: Japan nach 2000. In den USA sitzen sie mit den Unternehmen und mit vielen anderen zusammen und fragen: Wie sieht zivile Verantwortung, wie sieht Solidarität in einer globalen Wettbewerbsgesellschaft aus? Japan und die USA diskutieren solche Fragen, mittlerweile sogar auch Großbritannien.
    Wer gelesen hat, was gestern und heute in den französischen Zeitungen über die Folgen der deutschen Wirtschafts- und Währungspolitik für den europäischen Zusammenhalt steht, wird nachdenklich werden und hinzufügen: Man kann im globalen Wettbewerb nicht bestehen, wenn man innovatorisch und technologisch eine Provinz bleibt. Und Sie machen Deutschland auf diesem Gebiet zu einer Provinz.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Der Bundespräsident sagt zu Recht: Die Zukunftsfähigkeit entsteht im Kopf. Herr Rüttgers sagt übrigens auch zu Recht: Wir stehen am Beginn eines Zeitalters des Wissens.

    (Peter Hintze [CDU/CSU]: Gutes Zitat!)

    Sogar der Bundeskanzler sagt, daß Forschung, Technologie und Innovation immer mehr zu den entscheidenden Quellen für Wachstum und Arbeitsplätze von morgen werden. Ja, wenn das alles stimmt: Wie können Sie dann verantworten, daß Ihre Politik nicht der Modernisierung dient, sondern daß auf den wichtigsten Zukunftsfeldern zusammengestrichen wird? Wie wollen Sie das verantworten?

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ein weitsichtiger Kanzler würde die soziale und ökologische Modernisierung unseres Landes zum Leitbild der Entwicklung machen und sie nicht verkommen lassen zu einem Abfallprodukt betriebswirtschaftlicher Kalkulation.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!)

    Sie machen weder die soziale noch die ökologische Erneuerung unseres Landes zum Leitbild für die Zukunft.
    Sie suggerieren, daß man unter dem Druck des weltweiten Wettbewerbs Wohlstand und soziale Sicherheit, Individualität und gegenseitige Verantwortung, Freiheit und gemeinsame Rücksichtnahme nicht mehr miteinander verknüpfen könnte. Sie suggerieren, daß wir den Sozialstaat abbauen müßten. Aber tatsächlich ist es doch so, daß Ihre Unfähigkeit bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Wurzel allen Übels ist.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie suggerieren, wir müßten billiger werden als die anderen, obwohl jeder weiß, daß wir besser bleiben müssen als die anderen. Noch sind wir wettbewerbsfähig. Für die Zukunft muß jedoch einiges getan werden. Dieser Haushalt aber, diese Politik, das, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, führt nur zu dem, was jüngst der „Spiegel" ausführlich beschrieben hat: Wir verlieren die Köpfe. Junge, risikobereite Menschen gehen ins Ausland. Allerdings werden wir weder die soziale noch die ökologische Modernisierung unseres Landes schaffen, wenn sich dieser Trend fortsetzt. Wir sind auf diese Qualität der Köpfe angewiesen, und es ist ein bedenkliches Zeichen, daß immer mehr ins Ausland gehen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Deshalb würde ein mutiger Kanzler Recht und Ordnung auch in der Wirtschaft durchsetzen und nicht suggerieren: Immer weniger, immer weiter runter mit den sozialen Standards, immer mehr Vernachlässigung von diesem und jenem, insbesondere der ökologischen Modernisierung. Er würde, Herr Bundeskanzler, vielmehr sagen: Recht und Ordnung gel-

    Rudolf Scharping
    ten auch in der Wirtschaft. Wer Menschen ausbeutet - und nichts anderes sind die 590-Mark-Jobs -,

    (Widerspruch bei der F.D.P.)

    darf davon keinen Wettbewerbsvorteil haben!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ich bin mal sehr gespannt, ob sich die Koalition wenigstens darauf verständigt, jenen einen Beitrag zur Rentenversicherung abzuverlangen, die eine normale Tätigkeit haben und gleichzeitig nebenbei noch einen solchen Job ausüben.
    Ein mutiger Kanzler würde Recht und Ordnung auch durchsetzen beim Entsendegesetz, bei illegaler Beschäftigung, er würde es durchsetzen in der Arbeitswelt, in der Wirtschaft und gegenüber der wachsenden Bedrohung durch organisierte Kriminalität. Ein modernes Land muß auch die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger ganz ernst nehmen. Sie ist eine Parallele, die Wechselseite der Medaille zur Freiheit.

    (Zurufe bei der CDU/CSU)

    Aber das, was Sie uns vorgelegt haben zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, was Sie uns vorgelegt haben zur Korruption - erinnern Sie sich an die ganzen Debatten über Geldwäsche usw. -, ist alles halbherzig; es ist alles unbrauchbar, was Sie gemacht haben. Das Wachstum der Korruption und der organisierten Kriminalität bestätigt, daß Sie die Sicherheitserfordernisse der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr so ernst nehmen, wie es einem demokratischen Rechtsstaat gebührt.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ein mutiger Kanzler würde sagen: Es geht so nicht weiter. Man kann Steuerhinterziehung nicht als ein Kavaliersdelikt behandeln, schon deshalb nicht, weil damit die demokratischen Institutionen geschädigt werden, vom Verfall der öffentlichen Moral gar nicht zu reden. Ein Staat, der einem Steuerschuldner, Steuerhinterzieher und Steuerflüchtling zweistellige Millionenbeträge erläßt - das ist ja in Deutschland geschehen -,

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Ja, so ist das!)

    und die Politikerinnen und Politiker, die das verantworten, verlieren jedes moralische Recht, jede Glaubwürdigkeit, wenn sie bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das abkassieren wollen, was sie anderen hinterherwerfen. Es ist obszön, was Sie mit den Familien und dem Kindergeld im Verhältnis zur Vermögensteuer treiben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wir plädieren für Entlastung, für Entlastung der Bürgerinnen und Bürger von Unsicherheiten, für Entlastung der Bürgerinnen und Bürger von Bedrohungen im Alltag, für Entlastung der Bürgerinnen und Bürger von immer neuen sozialen Ungewißheiten, für Entlastung von Steuern, Entlastung von Bürokratie.
    Diese Debatte findet an einem Tag statt, an dem ein sogenannter Sozialexperte ankündigt, ja, da müsse halt in der Arbeitsmarktpolitik, da müsse da und dort eben weiter reduziert werden. - Könnten Sie denn nicht einmal auf die Idee kommen, daß Gemeinsinn und Gemeinwohl einen höheren Stellenwert haben als Egoismus? Muß eine sich christdemokratisch nennende Politik immer stärker den kühlen, nackten Egoismus, der sich vielerlei Rücksichtslosigkeiten ergibt, fördern, anstatt zur Schaffung von Gemeinsinn und Gemeinwohl einen fairen Lastenausgleich zu entwickeln? Müssen Sie sich dem Diktat der F.D.P. beugen, die nach der Methode handelt: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht? Müssen Sie sich dem wirklich beugen?

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Offenkundig müssen Sie das ja; offenkundig wird das bei Ihnen zum Teil auch noch richtiggehend überhöht.
    Ich habe mit großem Erstaunen - nicht im Sinne einer Überraschung, sondern einer Bestätigung für einen kaltherzigen Kurs - gelesen, was der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU jüngst im „Focus" gesagt hat: Bei den unteren Einkommensschichten sei alles gemacht; da gebe es überhaupt keinen Spielraum mehr. Das heißt doch auf gut deutsch: Die Entlastung muß woanders ansetzen. Wir sagen: Die Entlastung muß bei denen ansetzen, die mit ihrer Leistung, mit ihrer alltäglichen Arbeit, mit ihren Chancen und Möglichkeiten, mit ihrem Verantwortungsbewußtsein und ihrem Können als Arbeitnehmer, als Ingenieure, als Handwerker das Land am Laufen halten. Für sie muß Entlastung her, damit sich Arbeit und der Einsatz für unsere Zukunft lohnen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Das ist der Grund, weshalb wir für eine Senkung der Lohnnebenkosten plädieren. Sie haben, systemwidrig und unvernünftig, die Finanzierung der deutschen Einheit zu einem ganz, ganz großen Teil in die Sozialversicherung verbannt. Jetzt versuchen Sie, den Menschen einzureden, der Sozialstaat sei zu teuer. Dazu sage ich: Nein, uns kommt Ihre Unfähigkeit zu teuer, nicht nur die, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern auch die, zu einer fairen Finanzierung des gemeinsamen Aufbaus in Deutschland beizutragen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Das ist der Grund, weshalb wir für eine Entlastung bei den Arbeitseinkommen plädieren; das ist der Grund, weshalb die Lohnnebenkosten herunter müssen, und das ist der Grund für uns, einen fairen Lastenausgleich anzumahnen. Mittlerweile schreibt ja sogar die Zeitschrift „Capital" ausdrücklich: Es fehlt das Geld; der Konsum geht zurück, weil die Nettolöhne sinken. Inzwischen hat es- sich bis dort herumgesprochen; das ist gut so. Bei Ihnen hat es sich allerdings noch nicht herumgesprochen.

    Rudolf Scharping
    Ich bin ganz sicher, es wird auch schwer werden, Ihnen klarzumachen, was jeder in der Bevölkerung sofort versteht: Deutschland, das Land unter den Industriestaaten, das seine Arbeitsplätze, über die Arbeitnehmer und ihre Einkommen genauso wie über die Arbeitgeber und ihre Gewinne und Beiträge am stärksten belastet und seine Vermögen am geringsten, handelte schier widersinnig, wenn es in dieser Situation auch noch die Vermögensteuer abschaffen wollte. Das wäre ein schierer Widersinn.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ein einziges Mal will ich mit einer Zahl argumentieren. Würden die Vermögen in Deutschland so besteuert wie in jenem Land, das man das Mutterland des Kapitalismus nennt, nämlich wie in den USA, dann hätten wir 50 Milliarden DM mehr in der öffentlichen Kasse. Die SPD allerdings sagt: Wir wollen diese 50 Milliarden DM nicht behalten; der Druck in Hinsicht auf Haushaltskonsolidierung und Ausgabendisziplin muß erhalten bleiben. Also, laßt uns einmal überlegen, ob wir nicht wie die Schweden, die Amerikaner, die Briten und andere den Beziehern besonders hoher Einkommen - nicht im Sinne von Neid, sondern im Sinne jener Aufforderung, die John F. Kennedy einmal so formuliert hat: Fragt nicht immer, was das Land für euch tun kann; tut etwas für das Land - einen solidarischen Beitrag abverlangen, so daß wir dann den Solidaritätszuschlag abschaffen und die Lohnnebenkosten senken können, damit Arbeitsplätze entstehen. Alle haben einen Vorteil davon, alle.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie sind zu einem fairen Lastenausgleich nicht in der Lage. Manche von Ihnen können nicht; manche von Ihnen wollen nicht. Die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Gemeinden, der Ort, an dem Demokratie am unmittelbarsten erfahren wird, an dem die Gestaltung des Alltagslebens stattfindet, an dem der kulturelle Reichtum unseres Landes gepflegt oder beschnitten wird, je nach Situation. Die Leidtragenden sind die Menschen im Osten Deutschlands, sind die Schwächeren in Deutschland. Ein Land aber, in dem es einen fairen Lastenausgleich gibt, würde, Herr Bundeskanzler, dafür sorgen, daß mehr Perspektive, mehr Hilfe, mehr Mut entstehen.
    Es ist hochinteressant zu sehen: In Amerika gibt es, angestoßen von klugen Leuten, in den Unternehmen und in der Öffentlichkeit seit langem eine Diskussion über die gegenseitige Verantwortung. Die große Mehrzahl der amerikanischen Unternehmer sagt mittlerweile: Wir haben eine Verantwortung für die Produkte, ihre Qualität, die Gewinne, die Erträge; wir haben aber auch eine Verantwortung für die Arbeitsplätze und für die soziale Stabilität. In den USA gibt es eine Diskussion über den Kommunitarismus, gegenseitige Verantwortung. Sogar in Großbritannien gibt es sie mittlerweile, während Sie hier jeden Versuch, gemeinsame Verantwortung einzuklagen, denunzieren.
    Sie sind unfähig, die Teilhabegesellschaft zu verwirklichen,

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    die Teilhabegesellschaft, die nicht nur auf den Ertrag des investierten Geldes schaut, sondern auch auf den Ertrag des investierten Könnens, der investierten Leistung, der investierten Arbeit, die Teilhabegesellschaft, die Eliten fördert, aber auch fordert, Arbeitnehmer am Produktivkapital beteiligt, Gleichberechtigung ernst nimmt, den Schwachen hilft. Das wäre eine Politik, die Deutschland zur Zeit vermißt, eine Politik, die der Demokratie inneren, nämlich sozialen, Halt geben würde, eine Politik, die Jüngeren Mut machen würde, Engagement und Begeisterung wecken könnte, weil sie eine Perspektive für die Zukunft eröffnen würde, eine Politik, die Gerechtigkeit verwirklichen könnte, anstatt das Ringen um Gerechtigkeit abzutun mit dem Hinweis darauf, das gehe betriebswirtschaftlich nun mal nicht mehr.
    Meine Damen und Herren, ich weiß, manchmal kommt man in die Gefahr, sich wie Sisyphos zu bewegen, jener Mann, den Homer den Klügsten unter den Menschen genannt hat, keinen Philosophen, aber auch keinen Trickser. Man erzählt sich, daß es Sisyphos gelungen sei, den Tod zu fesseln, daß dieser sich aber befreit habe. Sisyphos habe ihn ein zweites Mal fesseln können - unter der Bedingung, daß er, von Zeus auferlegt, den Stein immer den Berg habe hinaufrollen müssen.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das war ein Haushälter!)

    Nur dann sei Frieden zwischen den Menschen und zwischen den Völkern zu sichern.
    Mag sein, daß angesichts der Sturheit, die sich als Prinzipientreue tarnt und angesichts der Ignoranz Ihrer Politik das Anargumentieren gegen Ihre Politik und für eine bessere Perspektive unseres Landes manchmal den Charakter einer Sisyphosarbeit annimmt. Aber, Herr Bundeskanzler, anstatt mit einer in Teilen ja verständlichen, selbstzufriedenen Attitüde dem Tag entgegenzusehen, an dem Sie Konrad Adenauer in bezug auf die Amtsdauer als Bundeskanzler überholen, sollten Sie den Lebensstandort Deutschland wieder ernster nehmen:

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    für die Arbeitnehmer und die Arbeitslosen, für die abhängig Beschäftigten und für die Selbständigen, für die Frauen und für die Männer, für die Ostdeutschen und für die Westdeutschen, für die Jungen und für die Alten. Deutschland braucht eine mutige, realistische Politik, zielbewußt und leidenschaftlich.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie Ihre Rede!) Alles das ist Ihre Politik nicht mehr.


    Rudolf Scharping
    Wir aber werden so sein: mutig, realistisch, zielbewußt und leidenschaftlich.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    So sind wir als Opposition, und so wollen wir auch nach 1998 Deutschland regieren.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)