Rede von
Rolf
Kutzmutz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch in der vergangenen Woche war das Thema für Herrn Hörster - er sprach hier für die CDU/CSU - nicht wichtig genug, um es über-
Rolf Kutzmutz
haupt auf die Tagesordnung zu setzen. Heute fragt Herr Teiser nach den Zielstellungen. Ich will ganz klar sagen: Es gibt zwei. Die erste ist: Es geht um den Erhalt von Tausenden von Arbeitsplätzen.
Ich glaube, bei aller Strategie ist es wichtig, das hier zu sagen.
Zweitens geht es um eine Untersuchung, wieso eigentlich 800 und mehr Millionen DM in einem schwarzen Loch verschwinden können, ohne daß einer etwas davon merkt.
- Ich komme noch zu den Farben; Sie können sicher sein.
Drittens lassen wir uns kein schlechtes Gewissen einreden, weil wir Fragen stellen. Ich habe noch nie erlebt, daß so reagiert wurde wie auf die gestrige Fragestunde. Heute morgen wurde uns dauernd erzählt, mit diesen Fragen würden wir die Werftenstandorte gefährden und wir wollten die Bundesregierung und die BVS nur vorführen. Ich muß sagen: Wer vorgeführt werden will, der zieht sich das Jackett an.
Ich sage noch etwas: Für die Glaubwürdigkeit unseres Parlaments ist diese Frage wichtig.
Herr Teiser, ich gebe Ihnen zwei Hinweise. Ich bin gern bereit, Ihnen eine Dokumentation der PDS über die Vorgänge um Vulkan und den Werftenverbund zu übergeben.
Ich zitiere einmal folgendes:
„Entgegen den ursprünglichen Zusicherungen von seiten der Bremer Vulkan" seien Gelder der Ostwerften auch im Westen verwendet worden, schrieben die Treuhand-Vorstände Klaus-Peter Wild und Wolf Klinz am 20. Dezember 1993 - „vertraulich" - an Hennemann. Grundsätzliche Einwände „gegen ein derartiges Cash-Management" hatten die Treuhänder aber nicht ... Die Gelder müßten den ostdeutschen Unternehmen auf Anforderung sofort ... zur Verfügung gestellt werden.
Man kann das im „Spiegel" 10/96 nachlesen. Ich führe das nur deshalb an, weil Sie immer nur so tun, als ob die BVS nicht Bescheid wüßte. Wenn sie nicht einmal den „Spiegel" lesen kann, weiß ich nicht, wie sie ihren Kontrollpflichten nachkommt.
Ich verweise auf den Zwischenbericht der KPMG. Ich sage, weil er vertraulich ist: Lesen Sie ihn sich bitte durch, Herr Koppelin und Herr Teiser, und zwar die Seiten 20 und 21. Dort werden Sie finden, seit wann die Banken wußten, daß dort etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Das ist wichtig zu sagen.
Die norddeutschen Ministerpräsidenten haben gestern an den Bund appelliert, den wettbewerbsrechtlichen Hilfsrahmen für die Werftindustrie endlich auszuschöpfen, regionale Sonderprogramme aufzulegen. Eine Novellierung des vergangenen Mittwoch vom Bund-Länder-Planungsausschuß beschlossenen 25. Rahmenplanes der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" tut also not. Damit noch ein ganzes Jahr zu warten ist angesichts der Tausenden persönlichen Schicksale nicht einzusehen.
Die Werftarbeiter forderten gestern eine langfristige industriepolitische Strategie zur Absicherung der maritimen Industrie. Für die Entwicklung der Küstenregionen und einer zukunftsfähigen Werftindustrie muß ein Küstenprogramm ausgearbeitet werden, das auch konkrete beschäftigungspolitische Maßnahmen aufweist.
Wenn es noch eines Beweises bedurfte, daß der Aufbau von Zukunftsindustrien nicht dem Markt, dem Management und den Banken allein überlassen werden kann - die Vulkan-Affäre hat ihn erbracht.
Jetzt, Herr Koppelin, komme ich zu den Farben. Auf einen Aspekt unseres Antrags bezüglich der Veränderungen im Aktiengesetz möchte ich hier noch ausführlich eingehen, verfolgen Sie doch mit Leidenschaft seit zwei Wochen immer wieder den Vulkan-Aufsichtsrat Klaus Teichmüller, Klammer auf: IG Metall, SPD, Klammer zu -, um Ihren Sprachgebrauch aufzugreifen.
Ich frage Sie an dieser Stelle, ob Sie auch mit Ihren Parteifreunden und Kollegen Lambsdorff und Genscher schon einmal darüber geredet haben. Ich frage Sie deshalb, weil meines Wissens Herr Genscher gemeinsam mit Herrn Dr. Joachim Theye ein Anwaltsbüro betreibt. Herr Theye ist langjähriges Aufsichtsratsmitglied des Vulkan-Verbundes.
Das mag erst seit dem streng vertraulichen KPMG-Zwischenbericht, den ich deshalb hier nicht zitieren werde, möglicherweise ehrenrührig sein. Fragwürdig ist es aber - hören Sie gut zu! -, wenn zum bunten Aufsichtsratsmandatsreigen von Herrn Theye auch die Deutsche Babcock AG gehört, die wiederum unmittelbarer Konkurrent des Vulkan-Verbundes im Bereich Maschinenbau ist.
Zu fragen ist, ob der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V., Graf Lambsdorff, schon einmal mit seinem Bremer Landesgeschäftsführer Dr. Hans-Jürgen Nölle gesprochen hat - der sitzt nämlich für den e. V. im VulkanAufsichtsrat - oder mit seinem Vizepräsidenten Dr. Gerold Bezzenberger über dessen Erfahrungen mit Dr. Bernd W. Voss, Vorstand der Dresdner Bank.
Voss und Bezzenberger dürften sich gelegentlich bei Preussag-Aufsichtsratssitzungen sehen. Der
Rolf Kutzmutz
Preussag gehört die HDW Kiel, härtester deutscher Konkurrent der Vulkan. Dr. Bernd Voss sitzt aber zugleich im Aufsichtsrat vom Vulkan!
Die personellen Verflechtungen ließen sich auch noch zu Thyssen, neben Preussag der andere große deutsche Konkurrent des Vulkan, fortsetzen.
Ich will hier sagen, daß ich keineswegs unterstelle, daß über diese Herren eventuell eine „Marktbereinigung„ betrieben worden sei. Es gibt aber dringenden Bedarf zur Novellierung des Aktiengesetzes, damit sich Manager durch die eben beschriebenen Konstellationen künftig gar nicht erst solchen Verdächtigungen aussetzen müssen;
denn dem unvoreingenommenen Leser des bewußt vorsichtig formulierten KPMG-Zwischenberichtes drängen sich schon ganz abenteuerlich anmutende Gedanken auf.
Gleiches gilt für die Banken.
- Es geht nicht um Ihre Großmutter. Sie interessiert mich wenig. Mir geht es darum, daß Sie ständig Herrn Teichmüller zitieren und nicht sehen wollen, in welchem Sumpf Ihre eigenen Parteimitglieder sind,
und mir geht es darum, nachzuweisen, daß man unterschiedliche Strategien verfolgen kann, wenn man in unterschiedlichen Unternehmen tätig ist. Und in diesem Sinne bin ich auch der Meinung, daß ein Untersuchungsausschuß genau das Richtige ist.
Danke schön.