Rede von
Marieluise
Beck-Oberdorf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht sehr lange her, daß wir in diesem Haus über den Zusammenbruch des VulkanVerbundes diskutiert haben, und die Situation vor Ort hat sich auch nur wenig entspannt. Sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Bremen, in Hamburg und Schleswig-Holstein sind die Unruhe und die Unsicherheit darüber, wie es mit der Küstenregion weitergehen wird, nach wie vor extrem groß. Die Menschen sind zutiefst besorgt - zu Recht, weil sich Perspektiven bisher noch nicht aufgetan haben. Bisher ist lediglich - mehr konnte vielleicht im Augenblick auch nicht erreicht werden - über Liquiditätssicherung im ersten Durchgang das Weiterarbeiten an den Werftstandorten ermöglicht worden.
Die drängende Frage, wie die Zukunft der Küste aussieht, bleibt weiterhin im Raum. Es ist ganz eindeutig - das hat auch die Tagung der Ministerpräsidenten gestern noch einmal ergeben -, daß die Länder objektiv überfordert sind, wenn sie das, was jetzt an Unterstützung notwendig ist, um noch irgend etwas Neues aus diesem Verbund entstehen zu lassen, wirklich auf eigene Rechnung leisten wollen und sollen.
Es geht darum, die Bundesregierung noch einmal daran zu erinnern, daß zur Standortpolitik gehört, daß sie die maritime Technologie, den Schiffbau und alles, was als Folge daranhängt, zu ihrer Aufgabe erklärt und diese Aufgabe nicht wie eine heiße Kartoffel an die Länder weiterreicht, weil deren finanzielle Möglichkeiten für eine solche Politik nicht ausreichen.
- Wie bitte? Ich habe es akustisch nicht verstanden. Vielleicht können Sie eine Zwischenfrage stellen.
Die Konturen, wie es weitergehen wird, zeichnen sich erst sehr langsam ab. Es ist wohl ziemlich eindeutig, daß sich die Ostteile des Verbundes zunächst einmal auf eigene Füße stellen werden. Es bleibt aber natürlich auch für sie die Frage, woher die Investitionsmittel kommen sollen, um die Modernisierung, um den weiteren Ausbau zu finanzieren. Hier muß der Bund ganz massiv unterstützen, damit - wir haben heute morgen darüber diskutiert, daß das sehr schwierig sein wird - bei der EU überhaupt noch einmal durchgesetzt werden kann, daß erneut Beihilfen für die Ostwerften gewährt werden.
Sehr schwierig wird dabei sein, in einem zweiten Schritt, auch wenn der Verbund jetzt erst einmal ökonomisch getrennt wird, wieder ein Kooperationsmodell für den Osten und den Westen zu schaffen. Auch wenn der Ärger im Osten über das, was durch Westpolitik, durch Politik von Westkonzernen über sie gekommen ist, im Augenblick verständlicherweise groß ist, bleibt eine Kooperation auch für die Oststandorte unabdingbar, weil es Synergieeffekte gibt, von denen die Ostwerften profitieren.
Die zweite Aufgabe, vor der das Parlament steht, ist, sehr deutlich der Frage nachzugehen, welche Lücken es bei der Subventionskontrolle gegeben hat und wie es passieren konnte, daß Fördermittel - um es einmal vorsichtig auszudrücken - so umgeleitet werden konnten, wie es geschehen ist.
Das sind Fragen, die sich auch die Bundesregierung stellen lassen muß. Das sind Fragen, die sich an die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben richten. Wenn wir, gerade auch im OstWest-Verhältnis, Schaden abwenden wollen, muß alles getan werden, um nicht eine politische Schlammschlacht zu führen, aus der jeder, dem es gefällt, Honig saugt. Es muß nachdrücklich für Aufklärung gesorgt werden, damit im Osten nicht das Gefühl übrig bleibt, daß es niemanden interessiert, wenn unsere Gelder im Westen versacken. Es dient der politischen Kultur und auch dem Frieden zwischen dem Osten und dem Westen, wenn man dem Verbleib der Gelder mit allem Nachdruck nachgeht.
Dies sind im wesentlichen die Punkte, die in unserem Antrag enthalten sind. Wir gehen nicht so weit wie Sie und sagen nicht, daß man jetzt einen Untersuchungsausschuß braucht. Aber die Aufklärung
Marieluise Beck
wirklich ernsthaft voranzutreiben ist für die politische Hygiene in diesem Land sehr wichtig.